Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit

Dienstag- M.twoch 25 und 26. Dezember 1934

Von Herodes   zu Hitler  

Ereignisse und Geschichten

Wer hat dich, du schöner Wild!

Eine Weihnachtsßetrachtung- Von Homo Christianus 69 9

Freunde! Die Tyrannen dieser Erde bilden eine Genossen­

schaft

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die Emigranten auch. An der Spitze der eien steht jener Herodes, den sie den Großen" nennen; an der Spitze der andern sehen wir das Kind von Bethlehem  , das vor dem gleichen Herodes geflüchtet wurde. Dies ist unser Trost, in dieser schweren, von aller Güte oft scheinbar ver­lassenen Zeit: nicht dem Herodes blieb das..Reich", das er gewalttätig erworben, gewalttätig behauptete. sondern jenem Kinde ist zugesagt, gestern und heute, in Israel   wie in Deutschland   und in aller Welt.

Wer war Herodes  ? Nicht einmal ein Jude der Herkunft nach. vielmehr der Sohn des Idumäers Antipater, aus dem südlichen Grenzland Judäas  . Hatte schon jener in die Thron­händel der letzten Hasmonäer eingegriffen, so gelang es Herodes   vollends, sich an Stelle des schwächlichen Hyrkanos zum König der Juden" aufzuschwingen, mit römischer Hilfe und indem er sich als Volksfreund hinstellte, der das Land von den von der andern Seite hereingedrungenen

Parthern und Räubern"( in Wahrheit wohl zur Ver­zweiflung getriebenen Juden) reinigte". In unbegreiflicher Verblendung strömten ihm viele Juden zu; es liest sich ganz wie ein Satz aus der Gegenwart, wenn der jüdische Ge­schichtsschreiber Josephus   schreibt, die Mehrzahl habe,.ein Verlangen nach einer Staatsumwälzung getrieben. woriber sie sich selbst keme Rechenschaft geben konnten". Nach der blutigen Eroberung Jerusalems   wußte er sich als Beschiitzer des Tempels zu geben; er hat ihn in der Tat vor Ent­weihung durch seine heidnischen Freunde geschützt und Jerusalem   sozusagen losgekauft. Im übrigen ließ er seine jüdischen Gegner hinrichten und belohnte die blutigen Hände seiner eignen Parteigänger reichlich. Die Hohe­priester waren seine Kreaturen. Als Augustus über Anto­nius gesiegt hatte, wußte er, bisher ein Freund des letzteren, sich schleunigst bei dem neuen Machthaber in Gunst zu setzen, ganz wie schon sein Vater von Pompejus   zu Cäsar hinübergewechselt war. List und Verrat gehören nun ein­mal, ganz wie Gewalt, zum Handwerk des Tyrannen, und der hat aus der Geschichte seiner Zunft nichts gelernt, der da Skrupel kennt. Herodes   brauchte keinen Macchiavelli   zum Lehrmeister, er hatte genug Vorbilder in der Geschichte des Altertums. auch des jüdischen. Vor allem mußte man das Volk beschäftigten. Und so wird denn gebaut Die Kriege des Altertums lieferten mit den Sklaven zum guten Teil auch die Arbeiterheere. Heute macht das der Kapitalismus. aber schon meldet sich im..Arbeitsdienst" eine neue, auch im Altertum in diesem Umfang nicht gekannte Art von Staatssklaverei. Im übrigen galt die Erweiterung des Tem­pels, die Herodes   zunächst vornahm, in den Augen vieler als ein gottgefälliges Werk. Weniger einverstanden inögen sie damit gewesen sein, daß er auch seinem neuen Freund, dem..göttlichen Augustus im alten Samaria  , ferner an den Jordanquellen und sonst im Lande Tempel errichten ließ. Auch bei den Griechen suchte er sich beliebt zu machen, durch außerordentliche Spenden für zahlreiche Städte, Wie­derherstellung des abgebrannten Tempels in Delphi, vor allem aber durch Anweisung jährlicher Einkünfte für die finanziell herabgekommenen olympischen Spiele. Ohne Zweifel schmeichelte es ihm. dem Judenkönig. gelegentlich einer Reise nach Rom  , in Olympia  , unter den Heilen, als einer der Kampfrichter zu sitzen. Er war allerdings auch persönlich ein anderer Kerl als seine heutigen faschistischen Nachfolger und ihre Genossen; was Josephus   über sein Ge­schick als Reiter, Jäger und Lanzenwerfer und auch über sein Jagdglück erzählt, könnte unsern Göring eifersüchtig

machen.

wie

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Das Unglück des Herodes war, man aus Hebbels Drama und in andrer Beziehung auch aus der Bibel weiß, sein Argwohn. Auch dieser folgt den Tyrannen wie der böse Geist, gehört zu seiner Natur. Da umgibt aan sich mit Leibwachen und hält sich ausgesuchte Truppen Prätorianer  , SS.- Garden und fühlt sich doch nie sicher. Auch Herodes   hatte seine Leibwachen, Gallier, die früher der Kleopatra   gehört hatten, außerdem ihm ergebene, zum großen Teil ebenfalls in der Fremde geworbene Truppen. Aber da war seine Familie und waren seine nächsten Freunde und Vertrauten, die Mitgenießer seiner Herrschaft und Mit­wisser vieler Geheimnisse. Auch diese spionierten und intri­gierten unaufhörlich gegeneinander. Das Leben seines Soh­nes Antipater, von der Doris, seiner ersten Frau, die er

Gedankenfreiheit...

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um der Hasmonäerin Marianne verstoßen hatte, und die nach dem Tode der Marianne wieder zu Einfluß gelangt war, nennt Josephus   einen Geheimdienst der Bosheit". Von ihm gegen die Söhne der Mariamne argwöhnisch ge­macht, schickte Herodes   ,, bei Tag und Nacht Späher aus, die ihm alles was geschah und gesagt wurde, hinterbringen muẞten: wer in Verdacht geriet, wurde sogleich aus dem Wege geräumt. Der Palast ward voll entsetzlichsten Frevels ( erzählt Josephus  ), jedermann dichtete Verleumdungen, wie Privathaß und Feindschaft sie eingab, und viele miß. brauchten den mordlustigen Zorn des Königs gegen ihre Widersacher.

Die Lüge fand augenblicklich Glauben, und kaum ließ sich eine Verleumdung hören, so war die Strafe schon voll­zogen. Der 30. Juni also gleichsam als Dauerzustand. Selbst vielen seiner alten Freunde verbot Herodes   den Palast, aus wachsendem Mißtrauen. Man hat den bethlehemischen Kin­dermord bezweifelt; aber dem Mann, der aus Argwohn

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seine eigenen Kinder nicht schonte, und noch vor seinem Ende Befehl gab, die angesehensten Juden zu verhaften und nach seinem Tode hinzurichten, damit die Juden keine Ur­sache hätten, ein Freudenfest über sein Hinscheiden zu feiern, ist dergleichen wohl zuzutrauen. Natürlich wurde auch die Folter unter ihm reichlich gegen Verdächtige ange­wandt. Zwei Schriftgelehrte, die ihre Schüler zur gewalt. samen Entfernung eines von Herodes am Tempeltor ange­brachten goldenen Adlers veranlaßt hatten denn die An­bringung von Bildern am Heiligtum galt als religiöser Fre­vel wurden mit den Tätern zusammen verbrannt, nach­dem Herodes dem eingeschüchterten Volk diese Tat als Tempelschändung dargestellt hatte. Denn auch ans Volk wandte er sich zuweilen, aus jenem Bedürfnis nach Popu­larität und scheinbarer Rechtlichkeit heraus, das auch andere Tyrannen zeigen. Auch da spielt eine gewisse Berechnung mit, weil man der eigenen Freunde und Soldateska ja nie ganz sicher ist.

Aber die Juden, die nach dem Tode des Herodes diesen

vor Augustus für die..Entsittlichung des Volkes

verantwortlich machten, hatten nur zu Recht. Sie brachten ihre Klagen freilich an wenig geeigneter Stelle vor. Denn mag auch Augustus weit über Herodes   stehen. ebenso wie dieser über modernen Despoten. so hat doch der von ihm inaugurierte römische Cäsarismus genau so verderblich ge­wirkt. Und so sehen wir es überall, wo die obersten Staats­ämter in einer Person vereinigt werden, eine Partei sich als den Staat, ja als das Volk hinstellt. Plato  . alles andre als ein Demokrat. nennt die Tyrannis, deren Folgen er selbst im klassischen Tyrannenland, Sizilien  , am eigenen Leibe verspürt hatte, die schlechteste Staatsform und läßt einige von der Gilde im Jenseits Strafen erleiden, wie sie in der Offenbarung Johannis" dem falschen Propheten" und seinem Anhang, den Gewaltlingen und Dienern des satanischen Machtstaates, dort Tier" genannt, angekün­digt sind.

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Furchtbar ist die Verantwortung der Christen", die heute, wie die einstigen Herodianer, die Parteigänger des Herodes unter den Juden, in einem Hitler den Erlöser sehen. Für diese ist der Heiland der Weihnacht nicht ge­kommen. Kann man durch Ungerechtigkeit, Brand und Mord, Deutschland   und Europa  ..vor dem Bolschewismus retten"? Trauriger und unentschuldbarer Wahn. minder entschuldbar vielleicht als der Wahn der Bolschewisten. mit einer ähnlichen Diktatur Rußland   und der Menschheit

auf die Dauer jene Ruhe zu schenken, jenen Sabbath   der

Arbeit, nach der sie sich seit Jahrtausenden sehnt. Die ver­brecherische Politik von gestern und heute, die Politik der großen und kleinen Herodesse und ihrer Begünstiger, muß abgelöst werden durch jene andere, die der große Emi­grant, der heute geboren wurde, Christus, uns lehrt, mit allen wahren Propheten und profanen" Menschenfreunden, allesamt auch verfolgt und zur Flucht genötigt wurden, wie er: Liebe, die von Volk zu Volk, Klasse zu Klasse und Rasse zu Rasse geht, sieht was jedem dienlich und recht ist Din­und alle vereinigt in Werkgemeinschaft an gen und an Menschen selber. daß sie gut" würden, gut und besser wenn es möglich wäre wie am ersten Tag.

Ein Vortrag vom Professor Siegfried Marck  

Vor einem sehr interessierten Publikum sprach in Paris  Professor Siegfried Marck  , der einst in Breslau  . jetzt in Dijon   lehrende Philosoph. ,, Lebendiges und Totes in der Philosophie des Liberalismus" hieß das Thema, das in prägnanten Umrissen ein Bild des bürgerlichen Denkens und die Verknüpfung mit seinem politischen und wirtschaft­lichen Handeln zeichnete. Freiheit, Bildung und Besitz sind die Pfeiler. auf denen seine geistige und Gesellschaftsord­nung beruht. Sie finden in Rousseau  . Kant und Humboldt ihre deutliche und positive Ausprägung. Aber schon machen sich auch die ersten Widersprüche geltend, neben die..Frei­heit vom Staat" tritt etwa die..Freiheit im Staat". neben den vertraglich gesicherten Rechtszustand des Einzelnen tritt der machtbetonte Nationalsozialismus nach außen. Die Formel des späteren Nationalliberalismus kann diese schroffen Risse nur verdecken. nicht beseitigen Die bürger­lichen Erben verwirklichen das Gut der Freiheit immer weniger An dieser Stelle setzt die Kritik des Sozialismus ein. Er erkennt den Menschen gebunden an seine Klasse. Mit der Klassenbefreiung gibt er dem Menschen die echte Freiheit, die der Liberalismus nur versprochen und immer

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weniger gehalten hat. Der Faschismus will dagegen jede Freiheit ausrotten, die er nach einer Bestimmung Musso­linis als einen ,, stinkenden Kadaver" ansieht. Für eine kom­mende Auseinandersetzung wird es darauf ankommen, die wahre Freiheit aufzuheben", d. h. ihren unvergänglichen Kern zu bewahren, ihre vergilbte Schale aber zu beseitigen.

Der gedankenreiche Vortrag war der hoffnungsvolle Auf­takt zu einem neuen, lange erwarteten Unternehmen: Die ..Notgemeinschaft der deutschen   Wissen­

SW

Heut wird wegen der Devisen Selbsterzeugnis, hoch gepriesen, Was wir selber fabrizieren, Müssen wir nicht importieren. Baumwoll können wir entbehren, Die Erfinder, wie wir hören, Stellen sie schon chemisch her, So wie echte ungefähr.

Ist es nicht ein gutes Zeichen, Daß man schon aus unseren Eicher Wolle macht, so weich und fein, Daß es könnte echte sein?

Aus den Eschen, Erlen, Kiefern, Wird man künftig Kammgarn liefern. Ja, man zeigte schon mit Stolz, Cheviot aus Buchenholz.

Jugendlich soll'n Stoffe wirken Aus den silberweißen Birken, Und der Schneider, den Du hast, Macht den Anzug ohne Ast.

Wer kein armer. Lazzaroni Nehm zum Anfang Mahagoni; Nicht gehört zum guten Ton Zeder, weil vom Libanon.

Ruhest Du im Waldesnoose, Suchst Du Stoff zur neuen Hose Dir von diesem, jenem Baum; Man verübelt es Dir kaum. Aus dem Wald kannst Du beziehen eben schönen Poesien, Waldeslust und Jagdhorn- Ton,

un auch noch de Konfektion.

Noch grünt Laub von allen Aesten, Morgen sind's vielleicht schon Westen Oder Knickerbocker bald. Wer hat Dich, Du schöner Wald...

Züribieter.

Es tendiert wieder mehr nach Liele Und in e.lich aufgelockerte Sentimentalität

Unter der Ueberschrift Musik zu Hause" bespricht einer in Reklams Universum" Schallplatten: Nicht nur die Me­lodie, sondern auch das musikalisch untermaite Wort, die kleine Sentimentalität kann uns innerlich auflockern, wenn eine Künstlerin den rechten Ton trifft,.. Barkarole Isola Bellazu der Eric Helgar   seine Stimme' in großer Form einsetzt( Rückseite: Sprich zu mir von Liebe), Anna­bella, langsamer Walzer, ist die Melodie par excellence, von einem gewiegten Kenner des Schlagerkomplexes ge­schrieben Nach dem frischen Walzer ,, Ja, wenn ein Mädel Hochzeit hat( auf der gleichen Platte) stehen wir dem eigentlichen Instrumentalwalzer gegenüber: Träume auf dem Ozean( ist das nun kategorischer Imperativ?) ... Schon die Titel der beiden nächsten Stücke lassen ahnen, daß nunmehr eine innere Bereitschaft für den Ein­bruch( nanu!) gelockertster Stimmung gefordert wird: Im Wirtshaus, Marsch( schon wieder ein kategorischer und Karl Johann, stoß mal an Imperativ?) Die Platte erfüllt alle Erwartungen( das haben wir uns auch ge­dacht). Mehr nach Liebe hin tendiert dann wieder ..Heut denk ich nicht an morgen". Foxtrott, und wenn ein spanischer Marsch überschrieben ist: 0 Kastagnetten, o Kastagnetten", so ist dazu nichts weiter mehr zu sagen."

Das Land des Schnüffelns

er st st inter dem Text?

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Wie die Kurhessische Landeszeiturig" mitteilt, wird der städtische Musikbeauftragte eine Verfügung erlassen, die allen Veranstaltern von Konzerten zur Pflicht macht, bei der Anmeldung von Aufführungen nicht nur den Kom­ponisten, sondern auch den Textverfasser zu benennen."

Anlaß zu dieser Verfügung des Musikbeauftragen ist folgender Umstand: In diesen Tagen sollte in Kassel   gleich zeitig auch in Erfurt   und München  , eine Weihnachtskantate ..Vom Tode zum Leben" von dem bekannten Komponisten und Chorleiter Bruno Stürmer   uraufgeführt werden. Die ., Kurhessische Landeszeitung" protestierte gegen diese Auf­führung, weil ihr als Verfasser des Textes der Kantate ein wegen marxistischer Betätigung aus dem Staatsdienst entlassener Volksschullehrer bekannt gewor­den sei. Der Verfasser des Textes ist zwar inzwischen M.glied des Reichsverbandes deutscher   Schriftsteller gewor den, aber die Kurhessische Landeszeitung" begründete ihren Protest damit, daß..durch die Aufführung die Trä­ger des nationalsozialistischen Kulturwillens lächerlich ge­macht worden seien". Nunmehr haben, wie das, Blatt wei­ter mitteilt, die Veranstalter des Konzerts in freier Ent­scheidung auf die Dichtung des ehemaligen Lehrers Ver­zicht geleistet und die Uraufführung unter Zugrundelegung eines neuen Textes für den 22. Januar angesetzt

schaft, Kunst und Literatur im Auslande Das Vorbild

verspricht eine Art Volkshochschule   der Emigration zu werden. Eine ganze Reihe von vielseitigen Veranstaltungen 1st für den Januar geplant, der man das beste Gelingen wünschen kann. Das Sekretariat( 10, Rue du Bois de Bou­logne, Paris   16e)' wird, wie wir hören, jede gewünschte Aus­kunft gern erteile¨.

Der Gang der Geschichte ist ein Produkt aus zwei Fak­toren: der Logik der Pinge und der Idiotie der Menschen. ( ,, De Groene Amsterdamer")

Mutter von 53 Kindern

In dem württembergischen Ort Bonningheim wurde eine Gedenktafel zu Ehren..der besten Mutter Deutschlands  " enthüllt, Es handelt sich um eine Frau Barbara Schmotzer. die im Jahre 1504 starb und gemäß dem Kirchenregister insgesam 53 Kindern, 38 Knaben und 15 Mädchen, das Leben gegeben haben soll. Nach über 400 Jahren haben die Nationalsozialisten diese epochale Entdeckung gemacht und errichten eine Gedenktafel für das Vorbild der heutigen deutschen   Fran