2 Seitdem schwammen in regelmäß'gen Zwischenräumen Briefe von PyAadelphia nach, Breckendorf und von Breckendorf nach Philadelphia . Aber Freischnaps gab eS keinen mehr. Der alte Bohnkraut berichtete getreulich, wie die Rosen, Blattläuse und Salatköpse in seinem Garten gediehen, er überkgte schrift­lich mit seinem Sohne, wie er wohl am heften seine Billa neu anstreichen ließe Edi riet zu Spinatgrün mit knallgelben Tupfen, da­mit die Breckendorfer ein Unteichaltungstheina hätten, er bat seinen Jungen, ihm zu Weihnachten doch Ivieder eine Flasche von dem gelben Whisky zu schicken, meldete, daß neulich einen der alten Gläubiger Eduards der Schlag getroffen habe(was Eduard um zehn Jahre zu spät sand), und man merkte allen diesen Briesen an, wie der alte Herr bei diesem Briefwechsel wieder auflebte. Eine Einladung, über das große Master zu kommen und den Whisky an der Quelle zu ProbierenZum Einkaufspreis, will nichts an Dir verdienen, alter Herr!" lehnte er freilich ab. In dieser Zeit begann Eduard Bohn­kraut von seiner Heimat zu träumen. Bis dann einer der Briefe sstötzlich eine ganz ungewohnte zittrige Handschrift auf­wies. Denn der gute Papa hatte«inen Schlaganfall erlitten. Und ein halbes Jahr später kam ein Brief von einem Rechtsanwalt Meier III, in dem zu lesen stand, der gottselige Herr Privatier Anton Bohnkraut sei vor acht Tagen sanft im Herrn entschlafen, und er, Rechtsanwalt Meier Hl, frage höflichst an, ob Herr Bohnkraut die anfällige Erbschaft, bestehend-aus 74.314 Mark und 16 Pfennigen in bar und Effekten, sowie dem dreistöckigen Gebäude Billa Sonnenstrahl, Höhenstraße 74, antrete? Das Haus sei zurzeit nur noch von dem alten Hausmeister Friedrich Quickborn bewohnt, urü) er mache höflichst darauf auf­merksam, daß am nächsten 1. April 800 Mark für Hypothckenzinsen fällig seien. Er habe das, Vergnügen gehabt, dem gottseligen Herrn Papa bisher als Permögensverwalter und Rechtsbeistand gedient zu haben, und er würde es sich zur Ehre anrechnen, auch mit dem Vertrauen des Herrn Sohnes ausge­zeichnet zu werden. Und es schwebe noch ein Prozeß gegen den HauSnachbarn wegen dessen bissigen Hundes. Er sähe einer geschätzten Rückantwort mit Interesse entgegen und außerdem sei er mit vorzüglicher Hochachtung der Rechtsanwalt Meier III. Diesen Brief hatte der Anwalt in einer Sprache abgefaßt, die er für Englisch hiett. Eduards erster Gedanke war, seine alko­holische Goldgrube zu verkaufen und in die Heimat überzusiedeln. Einen Käufer zu finden, hätte nicht schwer gehalten. Aber bald verwarf er den Plan wieder. Nicht seV Vaterland, wohl aber sein Bankkonto muß» noch größer sein. Wenn er nach Breckcndo» zurückkehrte, so mußte er dort in Verhält; niffen leben, daß ihm die ganze Einwohner schäft samt Kurgästen und hohen Behörde» den Buckel herunterrutschen konnte. Und so antwortete er, nachdem er sil viele Wochen Zeit zur Ueberlegung gelajsct hatte, Herrn Meier HI, es habe ihn außer ordentlich gefreut, feine schriftliche Bekani« schäft gemacht zu haben, und die ErbschaU träte er an. Oder ob der Herr Rechtsauvu» vielleicht das Gegenteil geglaubt habe? Das Bargeld und die Effekten möchten auf d» Bank liegen bleiben, die Hypothekenzinfck seien jeweils davon abzuheben, dem Haul meister Friedrich Quickborn werde er persöff lich schreiben, und der Hund des Nachbar sei mit einem dicken Holzprügel totzuschlage» Für die Kosten käme er auf. Im übrigen fei er ein geborener Dev scher und beanspruche daher, daß Meier ll künftig Briefe an ihn in deutscher Spreu» abfasse, welche Mühe er sich aber auch spart könne, da er persönlich in absehbarer Zt nach Breckendorf hinüberrutschen weiche, u> nach dem Rechten zu sehen. Und er verblei» mit herzlichem Prosit der ergebene Bohl kraut, Besitzer eines Salons in Philadelphia (Fortsetzung folgt.), I Die geflickte Hoe. In unserer Schule war ein Knabe armer Eltern, der trug ein« Hose, die war so vielfarbig geflickt, daß wir alle unfern wllen Spaß daran hatten. Und immer wenn man glaubte, jetzt sei. es zu Ende, jetzt komme endlich einmal eine neue Hose, dann saß plötzlich wieder rin großer brauner Flicken darauf, und alle diese kleinen Flicken ringsumher schienen mit neuem Mut in die Zukunft zu sehen so wie in einem ver­zweifelten Volke, wenn plötzlich ein großer und tapferer Staatsmann di« Zügel ergreift. Rach der Heimkehr von den Ferien war«8 unser festliches Vergnügen, im Schulhof Müllers Hof« zu besichtigen, und großes Gelächter hörte man erschallen, wenn sie inzwischen bunter geworden war. Wie schäme ich mich heute dieses Gelächters! ES war ja nicht bös gemeint aber so unendlich dumm und gedankenlos. Wir sahen nur die bunten Flicken, aber nicht das, wovon sie erzählten: eine ganze Welt von sorgender Mutterliebe, durchwachter Nachtstunden und ge­wiß auch viele Tränen darüber, daß di« ganz« mühsame Flickerei doch nur etwas zustande brachte, worüber der Sohn in der Schule aus- gelacht wurde. Mit welch ärmlicher Geldsunime mußte die Mutter wohl den ganzen Haushalt bestreiten und wie ängstlich mag fie genäht haben, damit die Hose noch inS neue Jahr hinein halte! Wieviel tausendmal mehr wert war diese Hose alS das schönste und modernste englische Beinkleid mit seinen tadellosen Falten! Habt ihr einmal davon gehört, daß man heute oft Hunderttausend« von Franken bezahlt für rin Gemälde von alten Meistern, die ost gar nicht richttg zeichnen konnten, aber dafür soviel Liebe und Andacht in ihre Bilder legten, daß man »och heute, nach vielen Jahrhunderten, ganz warm und innig davon berührt wird? Run Müllers geflickte Hose war auch so ein Kunstwerk, und ich würde heute viel Geld dafiir geben, wenn sie zum Berkaus anSgeboten würde, und an der Tafel würde ich sie aufhängen wie eine Wandkarte und euch mit dem Kartenstock die wunderbare Findigkeit der Mutterliebe zeigen, wieviel Nachdenken, wieviel Fürsorge da hineingearbettet ist in dieses ärmliche Stück Zeug, soviel, daß es selbst der erste Schneider von Paris nicht nachahmeu könnte, sondern auS- rufrn müßte: Soviel Geduld hat kein Schneider und keine Maschine, das kann nur eine Mutter! Dann würdet ihr begreifen, wieviel Dumm­heit dazu gehört, über solch eine Hose zu lachen! Wer fie zu flicken vermag, daS kann kein ge­wöhnlicher Mensch stin: Müllers Mutter war sicher eine außergewöhnliche Frau, und ich be­dauere nachträglich nur, daß wir Miller nie um die Erlaubnis gebeten haben, sie zu besuchen. Wenn ihr einmal einen Knaben mit einer geflickten Hose trefft, der sich über das Lachen seiner Kameraden schämt, so rüst ihm zu:Du, sei stolz aus deine Mutter, du trägst ja die kost­barsten Hosen der Welt!" Ist daS nicht wahr? Ist nicht Mutterliebe hineingewebt, und ist daS nicht weit vornehmer und schöner, als wäre fie golddurchwirkt? Hören die Insekten? Reu« Untersuchungsergebuifi«. Bei sehr vielen Tieren sind wir bis heute nicht in der Lagerchen Sitz ihrer Sinne anzuzei­gen oder mit Sicherheit zu behaupten, daß ihnen keiner der uns bekannten Sinne fehlt. So ist es erst ganz neuerdings gelungen, einwandsteie Un­tersuchungen über des Gehör der Insekten an­zustellen. Prof. Regen gebührt das Verdienst, die bisherigen Vermutungen auf diesem Gebiete zur Gewißheit erhoben zu haben. Seine Unter­suchungen erstreckten sich hauptsächlich auf die Feldgrille, bei der wir heute mit Fug und Recht von Hörorganen sprechen können. Bei ihr trifft das Wort buchstäblich zu, daß fie auf ihren Ohren sitzt, denn ihre Hörorgane befinden sich an den Unterschenkeln. Man bezeichnet fie mit dem AusdruckTibial "(Unterschrnkel)organe, der noch aus der Zeit stammt, da man mit die­sen Einrichtungen des Jnsektenkörpers ni-hs anzufangen wußte. Daß die Grillen tatsächlich hören könnck dafür spricht ja auch, daß die Arillenmäiurchä musizieren und eine solche Lcmterzeugung» ja nur dann Sinn, wenn sie vom Partner wohs genommen werden kann. Wenn das Grillck männchen sich als eifriger Musikant produzier d. h. emsig die Schrilleisten seiner Flügeldr^ aneinanderreibt, dann bietet es einen genuß, dar, der gar nicht für unser Ohr bestttn* ist, sondern, der- den liebeshungrigen Grills schönen als sicherster Wegweiser dienen j»' Regen setzte in einem Bersuchsfelde 1600 Grills Weibchen aus, deren Wohnungen in zehn zentrischen Kreisen um den Mittelpunkt des Fe des lagen. Einige Männchen hausten in v Mitte des Feldes. Zum Teil wurden ihut chre Zirporgane entsernt, um ststzustrllen, v sich die Weibchen solchen gänzlichunmusikak schen" Gesponsen gegenüber verhalten würdck Um aber Leid und Freud' recht gleichmäßig( verteilen, mußten sich auch eine Anzahl Weibck^ einer Operation unterziehen. Die Hälft« ihnen blieb unbehelligt, einer Anzahl aber ho^ man die Hörorgane entfernt, einige mußte« sich auch gefallen lasten, ihre Fühler am E der Wissenschaft zu opfern, well ja bekannt bei Insekten der Fühler der Sitz zahlrei^ Sinnesorgane ist. Run baute man noch einens sonders raffinierte Bersuchseinrichtung. DirM Hausungen der Männchen, die sich in der 9#^ deS Feldes befanden, wurden mit richtig Fangapparaten umstellt. Man war dadurch 1 der Lage, jedes liebesüchtige Weibchen, bevor) noch zu seinem männlichen Panner gelaM, konnte, abzufangen. Run muß man die dauer bewundern, mit der die Weibchen v. Ziel ihrer Sehnsucht strebten. Unter 728 0$ gen befanden sich Weibchen, die mitunter fünfmal in die Falle gingen. Aber nur d« zeigten sich solche Ergebnisse, wenn daS Mass chen seine Zirp-, das Weibchen seine Hörori^ besaß. BiS auf eine Entfernung von 10 Me>i vermag sich nach diesen Versuchen ein Weib»