Nein, seit dem Frühling des vergange nen Jahres haben wir nichts mehr gehört. Johannes soll in fremden Ländern sein.
Ja, in fremden Ländern. Er hat es gut. Er selbst schreibt in einem Buch, daß er sich in den Tagen der kleinen Sorgen befindet. Da hat er es wohl gut.
Ach ja, ach ja, das mag Gott wissen. Wir erwarten ihn; aber er schreibt uns nicht, er schreibt an niemand. Wir erwarten ihn nur. Er hat es wohl dort, wo er ist, beffer, wenn seine Sorgen klein sind. Ja, ja, meinetwegen. Ich wollte nur wissen, ob er im Frühling heimfäme. Gute Nach: nochmals. Gute Nacht.
Der Müller und seine Frau begleiteten fie hinaus. Sie sehen sie erhobenen Haubtes zum Schloß zurückkehren und mit ihren fleinen Schuhen über die Wasserpfüßen in dem aufgeweichten Weg hinwegsteigen.
Ein paar Tage darauf fommt ein Brief von Johannes. In ungefähr einem Monat, wenn er ein weiteres reues Buch fertig hat, wird er nach Hause fommen. Es ist ihm qut gegangen in dieser langen Zeit, eine neue Arbeit war bald vollendet, das Leben der ganzen Welt war durch sein Gehirn wirbelt...
Angestellte.
2
Der Müller begibt sich zum Schloß. Auf| dem Weg findet er ein Taschentuch, es ist mit Victorias Buchstaben gezeichnet, sie hat es vorgestern abend verloren.
Das Schloßfräulein ist oben, aber ein Mädchen macht sich erbötig, ihr Bescheid zu bringen, was sei es denn?
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Der Müller fagt es nicht. Er will lieber
warten.
Ich höre, daß Sie mit mir sprechen wollen? Endlich kommt das gnädige Fräulein. fragt je und macht die Türe zu einem Zimmer auf.
Der Müller tritt ein, übergibt das
Taschentuch und sagt: Und dann haben wir einen Brief von Johannes bekommen.
Eine helle Bewegung fährt über ihr Gesicht, einen Augenbl'd lang, einen furgen Augenblid. Sie antwortet:
Vielen Dank. Ja, das Taschentuch ge hört mir.
Jest tommt er wieder heim, fährt der Müller beinahe flüsternd fort.
Johannes. Ja, was weiter?
Nein, es war nur... Wir glaubten, daß wir es sagen sollten. Wir sprachen darüber, meine Frau und ich, und sie glaubte es auch. Sie fragten vorgestern, ob er im Frühling heimkäme. Ja, er fommt.
Da freut Ihr euch wohl? sagt das Schloßfräulein. Wann kommt er? In einem Monat.
Sojo. Ja, war es sonst noch etwas? ten.Nein, sonst war's nichts mehr. Es Nein. Wir glaubten nur, weil Sie frag
war nur dies.
Der Müller hatte die Stimme wieder gesenft.
Sie begleitet ihn hinaus. Im Gang be gegnen sie ihrem Vater, und sie sagt im Vorbeigehen zu ihm, laut und gleichgültig:
Der Müller erzählt, daß Johannes wie der beimkommt Du erinnerst dich doch an Johannes?
Und der Müller geht zum Tor des Schlosses hinaus und schwört sich, daß er niemals, niemals mehr ein Narr sein und Ihre Miene wird kalt. auf seine Frau hören werde, wenn sie sich Sprechen Sie laut, Müller; wer fommt? auf heimliche Dinge verstehen will. Das ge- antwortet sie. wollte er sie wissen lassen Johannes. ( Fortsetzung folgt.)
Bon Theobald Tiger in der„, Weltbühne“. Auf jedem Drehsitz im Bureau
da warten hundert Leute; man nimmt, was kommt und heute, heute, heute. Drin schuften sie
mies liebe Vieh,
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nur irgendwo
fie hörn vom Chef die Schritte. Und murren sie, so höhnt er sie:
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,, Wenns Ihnen nicht paßt bitte!" Mensch, duck dich. Muck dich nicht zu lant! Sie zahin dich nicht zum Spaßze! Halts Maulsonst wirst du abgebaut, dann liegst du auf der Straße.
Acht Stunden nur?
Was ist die Uhr?
Das ist bei uns so Sitte:
Mach bis um zehne Inventur...
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Wenns Ihnen richt paßt bitte!"
Durch eure Schuld.
Ihr habt euch nie geeint und nie vereinigt. Durch Jammern wird die Induſtrie und Börse nicht gereinigt.
Doch tut Jhr was, dann wirds auch nas. Und ists soweit,
dann kommt die zeit, wo Ihr mit heftigem Tritte und ungeahnter Schnelligkeit herauswerft eure Obrigkeit:
Wenns Ihnen nicht paßt
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Das rote Tor.
bitte!"
uns türmt sich zum Gespenst das geschlagene So haben wir uns die Revolution nicht vorHeer. gestellt! Es ist nicht Uebermut und Haß, was aus dem Munde dieser„ Volksbeauftragten" lang, sondern nur Jammer über einen vier Jahre umsonst geführten Krieg und Angst vor dem, was hinter uns fommt. Man grüßt die Soldaten, gibt ihnen freundliche Worte und streichelt die hageren Gesichter mit den Augen
Da leuchtet am Eingang der Stadt wie mit blutigen Strichen ein roter Triumphbogen über der Chaussee. Er grinst hinauflints auf die Höhe, wo die Madonna über den Moselhängen im Nebel hängt, er bläst sich aus, mächtiger als die im Hintergrunde der Stadt aufragende Porta Nigra , und verschwimmt wie eine rote Kreidezeichnung im Morgendampf der Kamine der Stadt. An seinem Posten stehen starr und stumm die„ Blusenmänner der Revolution", die rote Binde am Arm. Sie verlangen Reverenz vor dem unbekannten Gott.
Der Führer der ersen Maschinengewehrtompagnie hebt den Arm und jenkt ihn langsam auf die Kruppe seines Pferdes herab. Die Kolonne steht und schaut. Ein leises Zittern geht durch Roß und Reiter. Dann wendet der hagere holsteinische Leutnant seinen Rappen und galoppiert zu mir zurüd:„ Herr Hauptmann, sollen wir da durch? Oder sollen wir sie zu Slumpen hauen?"
Ich überlege. Zum ersten Male padt uns der verlorene Krieg und die Revolution mit Inochiger Faust am Halse. Der Ekel vor dem bierjährigen Morde sitzt uns im Blute, und doch will das Gehirn nicht fapieren, was wir gefühlsmäßig erkannt haben. Neugierig reite ich an das rote Tor und sehe mir die beiden Landstürmer mit der roten Binde an, zwei struppige, verwilderte Gesellen mit hohlen Augen und hageren Gefichtern.
Was wollt ihr? Was soll das rote Tor?" In den Gesichtern der beiden Alten fämpft der Respekt vor dem Offizier mit dem Bewußtsein, daß alles aus und endgültig vorbei ist. Endlich faßt sich der eine ein Herz und sagt:„ Wir sind Als die große Schlacht im Westen zu Ende Wir sind das hungernde Volk. Wir haben geDoppelposten des Arbeiter- und Soldatenrats. ist, wenden wir unsere Gäule nach Often, ohne nug!" Es flang wie ein verhaltenes Weinen uns allzu viel dabei zu denken, und marschieren noch einem vierjährigen, unermeßlichen Schmerz. nach Haus. Kraftfahrer und Meldereiter bringen uns die ersten Berichte von der Revolution. Ich reiße mich auf im Sattel und gebe dem Am 13. Oftober rüden wir über die deutsche Kompagnieführer den Befehl:„ Fahren Sie zu!" Grenze und marschieren nach Trier hinein. Die Die Maschinengewehrwagen rollen donPferde dampfen von der Fahrt durch blaugraue nernd, in stoßendem Trabe, unter dem roten luxemburgische Wälder, und im Eisen unserer Bogen hinab ins Tal, in die horchende Stadt. Maschinengewehre Hingt noch wie leises Weinen Die Offiziere und die Schützen sihen nachdenkber Jammer der vierjährigen Schlacht. Hinter lich auf ihren Pferden und auf ihren Lafetten.
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denn sie kommen aus der Schlacht! Ganz Trier mit seinen Kirchen, Kapellen, mit seinen Kinos und Theatern, Palästen und Toren löst sich auf in einen großen, über uns hinweg zitternden Freudenrausch über den beendeten Krieg. Unter den Jubel aber lauert die Angst vor der blaugrauen Mauer, die hinter uns in den lugent. burgischen Wäldern steht und nach uns kommt. Am Berge aber leuchtet, unberührt vom Haß der Menschen und vom Lärm der Armeen, das
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grüßt die Bürger und die Soldaten und die H. Sch.
Sibirisches Märchen.
Die drei Brüder. ( Samojedisch.)
An dem Flusse Uda, oberhalb Burtusch- Ai, liegt ein kleiner See- ob er noch dort ist, weiß ich nicht. Doch vor Zeiten, als es noch feme Menschenseele auf der weiten Welt gab, Tamen aus dem See drei Brüder hervor.
Und die drei Brüder gingen daran und überlegten, wie sie sich Nahrung verschaffen sollten es gab damals weder Netze, noch Fallen, noch Waffen.
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Da sammelten die Brüder im Walde Hopfenranken, flochten Netze daraus und gingen ans ten sich. Fischefangen. Sie fingen viel Fische und sättig
zu
der
Und also lebten die drei Brüder.
Bald aber begann der Aelteste seine Brüder schelten, daß sie zu schlecht arbeiteten. ,, Essen viel, wollen aber nicht arbeiten."
Und die Brüder zerstritten sich.
Ich will nicht mehr mit euch leben!" sprach jüngere Bruder und ging in den Wald
Und dort im Walde verwandelte er sich in
einen Bären.