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Der Fascist redet.
Von Hans Kaffa.
Die kleine südliche Stadt war durchaus Das Wort„ Nichtfafciften" tam aus einem nicht fascistisch, int Gegenteil. Die Regierung Munde, der unsäglich verachtungsvoll und irohatte sie nämlich aus budgetären Gründen zu nisch lächelte. Dieser Mund wurde plöblich dünn umfangreichen Verkäufen aus ihrem kleinen und scharf und unheimlich falt formte er folKunstmuseum, das ihren großen Stolz bildete, gende Worte: einfach gezwungen. Gerade deshalb wurde sie aber vom Generalsekretär der Regierungspartei anläßlich seiner großen Propagandageschäftsreise für die Ideen des Fascismus ausdrücklich mit ihren Besuch beehrt.
Um hab 7 Uhr war die ganze Stadt auf dent Marktplatz versammelt, nebst der nahewohnendein Landbevölkerung, weniger vom Gefühl, denn von Zwang und Neugierde veranlaßt. Wer fehlte, konnte eingeschlagene Fensterscheiben fürchten. Und den Generalsekretär, einmal zu sehen, lohnte der Mühe, den mächtigsten Mann im Land, nach dent Diktator, den er hündisch verehrte, Roberto Farinacci , der einmal ein ganz Fleiner Eisenbahner gewesen war und es so herr lich weit gebracht hatte, durch Intrigen, geheime Organisationen und Verschwörungen und das Verdienst, einmal mit dem heutigen Diktator zusammen eingesperrt gewesen zu seint...
und, durch einen rüdwärtigen Eingang, das Haus. Ant Meeresufer war kein Mensch zu sehen. Ich ging in Gedanken auf und ab. Die Stadt mit ihren erzwungenen Ovationen, der Bürgermeister, der Friseur und der Fascist mit den Todesdrohungen das ganze heutige Ja lien in eines Viertelstunde. Wo war der Aus weg?
Eine Gestalt tauchte auf, es war der alte Friseur, er eifte auf mich zu.„ Ach, junger ,, Die Nichtfascisten hoffen auf das Ausland, Deutscher," rief er, wie schön ist der Mensch, und wir sagen ein für allemaß, daß wir uns mit seinem Verstand und allem, was dieser Ver-gegen dieses Ausland, welches immer es sei, stand geschaffen hat. Nun reden die, die an der zu helfen wissen werden. Es möge sich merken: Macht sind, won Kriegführen und Todesstrafe. nur Kriege waren es, die Italien so groß ge- Es will mir nicht in den Kopf, wie man etwas, macht haben. Den Nichifascisten sei aber gesagt, das existiert, und mit Mühe und Fleiß gemach daß wir hier in unserem Lande die Gewalt worden ist, zerstören kann, jeien es Städte oder haben, und daher die Möglichkeit, unseren Wil - Kunstmuseen, sei es der Mensch selber. Es will len durchzusehen. Wir wollen, daß in unserem mir nicht in den Kopf und doch reden sie da Lande nur Fascisten seien, und um das zu er- von. Ach, Menschen ohne Verstand sind nicht reichen, sind uns die schärfsten Mittel gerade schön!" gut genug. Wenn ihr glaubt, daß uns die Sände gebunden sind durch diesbezügliche Gesetze, die frühere, völlig unfähige Regierungen gegeben haben, so irrt euch. Wir erachten uns nicht as gebunden und ich persönlich werde nicht ruhen, bis sie wieder aufgehoben sind. Zuerst, ich freue mich, dies den zahlreich hier evschienenen Nichtfascisten ins freche Gesicht jagen zu können zuerst einmal kommen wir mit der Wiedereinführung der Todesstraße!"
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Die Fascisten unten schrien an dieser Stelle hoch und das Volk verstummte. Eine Stimme rief heiser, aber deutlich dem Redner entgegen: Beccavia!"
Um 7 Uhr kam er daher. Die Häuser waren beflaggt, illuminiert, drei Musikkapellen spielfen, schrecklich, zu gleicher Zeit, überall jah man schwarze Hemden, Blumen und Zettel flogen von Balkonen und Fensteren hernieder. Er war flein , von sehr fräftiger Gestalt, englisch angzogen, schnitt das arroganteste Gesicht, das Die Fascisten rührten sich, doch in tem möglich war, schritt durch den ganzen Wirbel kegedränge konnten sie nicht vom Fleck komachtlos durch und winkte mit der Hand: Schen men, um den Zwischenruser zu züchtigen. Ich gut, schon gut ein hysterisches Mädchen, des 1.he von meinem Balkon aus ganz deutlich, cs sich vorstürzte, vermutlich um ihm die Hände zu war der Friseur, ein alter Mann, der für HuFüssen oder sonst weswegen, wurde von seiner manismus und deutsche Kultur schwärmte und bewaffneten Begleitung zurückgerissen, ohne daß dem gegenwärtigen Regime aus idealen Grünfein Blick sie nur gestreift hätte. Dann stand er den abgetan war; er hütete sich, politisch tätig auf dent Balkon des Hotels und der Bürgermeister der Stadt begann vor ihm seine Aufein und war doch das stärkste Rückgrat der sprache. Er war Fascist, der Bürgermeister, wie Opposition, weil er unaufhörich von seinen Gedanken und Gefühlen sprach und schwärmtie, während er von früh bis abends die ganze Stadt vaflerte und ihr auch zeitveilig die Haare jcynitt.
Cejare Beccarias Namen, den er rief, war mir bekannt geworden, wie er auch jedem halbwogs gebildeten Italiener bekannt war: Berühmter Rechtslehrer des 18. Jahrhunderts, eder, humanistischer Ceist, von Voltaire fommentiert, übersetzt und verehrt, dessen Rechts lehren die Grundlagen der Landesgesetzgebung bildeten, eben jener, an der das neue Regime rüttelte und riß.
denn auch nicht, und dennoch verdächtig, denn er hatte jeinerzeit, anäßlich des Museums, 3 viel von Kunst und zu wenig von fascistischer Politik geredet. Während der ganzen Rede unter het sich denn auch der Genera jefretär ungeniert mit seiner Umgebung und äußerte, während er gevade mit den schönsten Worten gefeiert wurde, so laut, daß das Voit unten es hören fonnte, man möge den Bürgermeister distret veran Bassen, schon endlich aufzuhören. Ein paar Fascisten unten schrien: Schluß! Der Bürgermeister bekam einen roten Kopf und verhaspelte sich, das Volk unten aber, man spürte es deutlich, fühlte menschliches Mitgefühl mit dem von ihm erhöhten und von anderen öffentlich erniedrigten der Situation wohl gewachsen. Sein Antlik Mann, und schrie doppelt so laut Bravo!" als zerfloß einfach vor Hohn.„ Beccaria ," rief er, er, mit Mühe und Not, doch bald den Schlußver ist denn das? Den habe ich noch nicht erreicht hatte. fennen gelernt!"
Der Gewaltmensch oben am Balkon war
Der Widerstand gegen den Propagator der Seine Unbildung war im Lande befannt, Regierung war in diesem Augenblick unglaublich doch liebte er es stets, damit noch zu proten. starf, das spürte er, als er seine Rede begann ,, Beccaria ," refen jetzt mehrere hinauf, er und machte sie daher zum schärfsten und verwar gerecht und weise, er war gegen die Todes hegendsten, die ich je vernommen hatte:
„ Ich rede hier nicht zu den Fascisten," so ungefähr waren seine ersten Works,„ ich will nicht denen, die chnehin zu uns gehören, unsere Degmen und unsere Absichten zum tausend und ersten Male vor Augen halten. Heute sind wir so welt: die Fascisten sind eben die Fascisten und damit basta! Jezt gehen wir an die Nich: fascisten heren, die wenigen, die übrig geblieben find und sich von uns nichts vor Augen hatten laffen wollten. Zu denen rede ich zum ersten nad letzten Make."
straje!"
So?" meinte ter oben högnisch ,,, na, dann wird er eben der erste sein, mit dem wir aufangen!"
„ Höhö," lachten unten die Faseisten.
Der Redner oben erwähnte das angebliche Attentat auf den Diktator und brachte damit die jüngsten Szenen im Barlament in Zusam menhang; es sei gerecht gevejen, daß man die Abgeordneten der gegnerischen Parteien blutig hinausgeprüglt hätte.
Ich hatte genug, verließ meinen Balkon
Das war seine Art, schwaßhaft zu agitieren. „ Ich weiß feinen Ausweg," fuhr er fort, es ist zum Verzweifeln."
ie reden doch und reden und lassen sich dabei ,, Sie verzweifeln doch nicht," sagte ich ihnt, " Sve reden doch und reden und lassen sich dabei nicht den Atem ausgehen!"
Man wird mir den Atem wegnehmen!" flagte er. Gut," fuhr er fort, ich bin alt und habe die Welt mit samt ihren herrlichent Künsten und Wissenschaften kennen gelernt: Mögen fie mich dafür töten ich rede weiter!"
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,, Und wer soll handeln?" fragte ich. „ Banden?" sagte er ,,, ich persönlich wüßte nicht wie. Aber vielleicht die Jungen!"
Die Jungen," wandte ich ein, sind größ tenteils fascistisch organisiert."
" Ja," sagte er.„ Aber der Sohn des Hote tiers, er ist zwanzig Jahre alt und hört auf meine Reden, ist durch seinen Vater gezwungen worden, vom Balkon herunter Blumen auf der Fascisten zu werfen. Blumen zu werfen! Er hat es getan. Ich habe aber sein Gesicht dabei gesehen"
Ich habe auch sein Gesicht gesehen," sagte ich, ich bin Ausländer und Betrachter, und kann objektiv sagen: Ich habe das bestimmte Gefühl, daß jemand mit so einem Gesicht einmal etwas anderes auf den Fascisten herunter werfen wird.".
,, Nicht davon reden," erwiderte er, der politische Mord ist gegen meine Ueberzeugung. Er ist gemein."
,, Da muß ich Ihnen," sagte ich ,,, gleichfalls als Betrachter und Ausländer und ganz objektiv widersprechen. Die Fascisten führen die Todesstrafe wieder ein. Damit geben sie, ohne es zu wissen, dem politischen Mord etliche Berechti gung. Nach einem politischen Mord hat es noch muß das Leben, das er einem anderen genomniemals ein Entkommen gegeben. Der Mörder muß das Leben, das er einem anderen genommen hat, deh mit seinem eigenen bezahlen."
,, Nicht davon reden," bat noch einmal der Alte ,,, mir quält es das Herz ab. Vielleicht löst sich alles menschlich, parlamentarisch-"
,, Parlamentarisch ," sagte ich ,,, wahrscheinlich in jenem Parlament, aus dem sie die Gegner blutig hinausgeprügelt haben?"
Ja," fugte er ,,, ich kann nur im Friseur, laden stehen und reden, und das werde ich bald lassen müssen!"
,, Und der Sohn des Hoteliers," meinte ich, ,, bann nicht einmal das. Der muß auf dent Balkon stehen und dem Fascisten Blumen streuen."
„ Ich weiß keinen Ausweg," stöhnte er ,,, wie wird das enden?"
,, Gut," meinte ich ,,, indent ihr beide ganz einfach den Generalsekretär um Aufnahme in die fascistische Partei ersucht!"