والهلال
Feierabend
Feierabe
Mr. 49.
Enterhaltungsbeilage.
1926.
Estorial.*)
Ein Riesenbau sieht über sich den unberührten Schnee der Guadarramafelsen, unter sich die endlos hingezogene, kaum bewegte Fläche der Hochebene Kastiliens. Wenige Bäume, nur in der Nähe der Brunnen, um sich her, schweigende Kargheit in weitem, weitent Bogen. So liegt der Bau da und ist wie verhärtet im gleichen fahlen Stein. Der Estorial ist ganz und gar, außen wie innen, aus grauem, gestocktem Granit, ohne Schmuck, ohne Ornament, fast ohne Profile.
Liegt im Süden Madrids das Schlößchen| sten Erstarrung der Repräsentation ein Aranjuez zu heiterer Erholung in feine Gär- Gleichnis zu suchen, das die Erhabenheit ten gefchmiegt, fo erhebt sich in gleicher Ent menschlichen höchsten Wollens zum Rahmen fernung im Norden der düstere Bau des bescheidensten Endzieles, der Zelle und des Estorial. Jenes in bewäfferter, frucht- Grabes machte. Trieb ihn, inmitten des un barer Ebene, dieser auf dem Grantt der Gua erhörtesten Stampfes um die Gestaltung die barramaberge getürmt, in erhabener Größe stille Resignation zu suchen, inmitten tätigen und Einsamkeit der Natur umber Trozz bie- Schaffens die Unerschütterbarkeit der Eintend, indem er sich vermißt, mit ihrer stei- febr, inmitten lebendigsten Wirkens unter nernen Erhabenheit Schritt zu halten. Ein allen Zonen und in allen Sphären des Geibollkommen fanatisierter Wille erschuf dies ftes, wie es sein Zeitalter blühend darbot, Schloß, nicht aus Liebe und nicht aus Sehn die eisige Etikette spanischen Zeremoniells zu sucht entstand es, nicht drängte schöpferische errichten. Dieser Gegensatz, scheinbar unterBhantafte oder launenhafte Berspieltheit da- ständlich, ist erschütternd, wenn man die zu, auch nicht mystischer Trieb nach der Ge Angst, die diese Maske sich aus innerer Not staltung ungeſtaltbarer Gefühle. Alles das schuf, fühlen muß. Ihr steingewordener Aus nicht. Nur ein rechnerischer Wille und ein brud aber ist der königliche Bau des Esmaßlofer Stolz in Ableugnung und Vernich- forial. tung aller Persönlichkeit. Und doch ist dies ungeheure und unvergleichbare, scheinbar so kalt erzwungene Wert voller verheimlichter und doch nicht zu unterdrüdender Romantik. Auf dem hochgelegenen Vorplateau eines mächtigen fahlen Gebirges, das sich steil aus der Ebene erhebt, ist der Eskorial als einzig arliger Bau errichtet, wie er in der Welt ein zweites Mal nicht zu sehen ist. Ein Zufam men von Kloster, Kirche, Schloß, Burg, Grabstätte und Wohnsiz. Alles aus einem einzigen Willen und aus ausschließlich hierauf eingestellten Gedanken bon einem einzigen Manne erschaffen, bon Philipp dem Zweiten. So Konzen triert das Bauwert ist, so tonzentriert war die Macht diefes Mannes. Er vereinigte die Kronen, die Heere, die Völker, das Gold der ganzen Welt. Und zu dieser Machtfülle er strebte er noch die letzte Krone, die der Herrschaft der Kirche. Und errang sie. In feiner tleinen, nervösen Hand ruhten die schwersten Szepter. Aber sie ruhten nicht. Das hobe Schauspiel seines Vaters, Karls des Fünf ten, der von dem glanzvollsten Throne der Welt in die Klosterzelle von Just hinabstieg, trieb ihn zwar zur Erkenntnis des Unerreich baren, zugleich aber dazu, in der großartig * Diese überaus politische und fesselnde Schilderung entnehmen wir mit gütiger Er laubnis des Berlags dem trefflichen Buche von Benno Eltan: Spanien , gefeben von einem Künstler". Das 210 Seiten starte Buch enthält 32 Federzeichnungen des Berfassers und ist vor einigen Monaten im Delphin Berlag zu München erschienen.
schroff abfallende Tiefe durch hohe Mauern Ein Gebäudequadrat, gegen die weile, geftüßt, ist so eingeteilt, daß im mittleren Schnittpunkt die Kirche steht, während sich um vier Höfe das Kloster, der Balaft, die Kollegien und die Wobnung gliedern. Einem großen vorgelagerten Platz gegen die Bergfeite entsprechen noch an der zu Tal stürzen ben die tiefer gelegenen, ganz wenigen bribaten Zimmer Philipps des Zweiten. Die zellenartig einfachen Räume sind ein beäng stigendes, zugleich rührendes Milieu für sich. Niedrig, flein , bescheiden ausgestattet. das Beit so gestellt, daß der Blick durch geöffnete Zwischentüren auf den Hochaltar fällt.
Weite und pomphafte Größe des übrigen Zu dieser Wohnung der Demut steht die Banes in einem außerordentlichen Gegensatz. Die Außenwände sind ganz glait, mit endDie Außenwände sind ganz glait, mit end lojen, vierfachen Fensterreihen, ohne jede Unterbrechung. An den Eden stehen spit gedachte, kaum aus der Fluchtlinie hervor tretende Türme, das Ganze dem Alcázar , der arabischen, massigen Stadtburg, ähnlich. Die Aehnlichkeit würde vollständig sein, wenn
nicht Gewölbe und Stuppel der Kirche aus der Mitte hoch herausragten.
Durch ein hohes, hallendes Tor tommt man in einen Vorhof, die eingebaute Stiv chenfront steht großartig vor einem da, Jen ſterreihen der Innenbauten schließen den strengen, offenen Raum ab. Glatte Qua deru, fein Schmud. Riesenbalbsäulen, vorgelagerte Nebentürme, darüber die zentrale Stuppel. Alles hart, falt, grau, bedrängend. Sönigsstatuen, dem einzigen Außenschmude Trotz der sechs vielfach überlebensgroßen Sönigsstatuen, dem einzigen Außenschmude des gesamten Baukomplexes. Man durch schreitet diesen feierlichen Hof, in dem von allen Seiten ein düsteres Zeremoniell auf einen niederzuschauen scheint, und betritt die Kirche. Nicht ist man sogleich inmitten, unter einem gewaltigen Gewölbe befindet man sich zuerst. Dies aber ist, mit dem schon eröffne ten Blick in den großen Raum, von mertwürdigster Wirkung. Nieder und in flachem Bogen hängt es über einem, ganz aus gra vorsichtig und locker in seiner Flachheit ist, nituen Quadern gebildet, deren Gehänge so vorsichtig und locker in seiner Flachheit ist, daß man ängstet, es möchte sich zwar sanft, daß man ängstet, es möchte sich zwar sanft, einen niederfenken. Man flüchtet in den un doch in unausweichbarem Geschiebe auf gebeuren Kirchenraum. Diese Vorgefahr läßt die Eifeskälte fast freundlich erscheinen. Als Züge dieser unerbittlichen Quaderflächen geob ein wenig Menschlichkeit über die harien buscht wäre. Der überwältigende und überaus ungewöhnliche Eindruck dieses Raumes ist der eines schmucklofen Reichtums. Eines wahnsinnigen Stolzes. Und zugleich einer Sehnsucht, die Ausdruck zu suchen sich schämt. Dieser Stummheit eines tiefen Leidens steht man fassungslos gegenüber. Die Größe der Dimensionen wird einem nicht bewußt, fo gliedert, so steigt, fenft sie sich. Die Stuppel Schwingt sich nicht in ihre fajt hundert Meter hohe Steilheit auf, sie erhebt sich in un nahbarer Kälte Rühm gewagte Konstruktio ten, mächtige Gewölbe, Bögen, Pfeiler bott ren im Drnd aus. Es ist keine Freude in über dreißig Meter Umfang stehen da, hare ihnen, dies zu tun, feine Fröhlichkeit, aufzuschweben zuschweben sie haben gewaltige Pflichten, die sie ehrenhaft, ablehnend jeder Bewundes rung gegenüber erfüllen. Und trotz allent haben sie ein Herz. Die Decke ist mit breiten Fresten bemalt, der Hauptaltar steht mit großen Massen und mit sehr schönen, vere goldeten Bronzefiguren hoch da. Doch nichts