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Die Orgie im Buchthaus.

Novelle von Hans Otto Henel .

Izüge, verlöschte dann sorgfältig den Stummel und versteckte ihn ebenso hinter dem Abflußrohr. so mußte bei täglich viermal vier Zügen die Köstlichkeit zivei, vielleicht zweieinhalb, Tage reichen. Der nicht mehr rauchbare Rest sollte dann zum Kauen gleichmäßig geteilt werden. Diese Berechnung, auf das gewissenhafteste

Der Gefangenaufseher erhielt vom Herrn gefälligen Benüßung für die Armen auf, und Regierungsrat und Zuchthausdirektor einen das trägt wesentlich zum sozialen Ausgleich in amtlichen Verweis wegen nachlässiger Erfüllung solchen Orten bei. Es geht hier darum fried­der Dienstpflichten, der Häftling Nummer Elf- licher zu. Mehrere Tage lag die Kubapflanze aufgestellt, wäre restlos aufgegangen, wenn der breiundzwanzig aber acht Tage ,, Dunklen". Er unangefochten auf dem ausgefahrenen Wege. Elfdreiundzwanzig nicht ein gar so zügelloſer wußte auch ohnedies, daß er sich mit den zwei Allerhand kleines Getier fant, bekroch und beroch Büstling gewesen wäre. Zugegeben, daß es schwersten Vergehen belastet hatte, deren ein sie nedisch, um am Ende immer mit gerümpfter schwer ist, sich im süßen Rausche des Genusses zu Häftling fähig ist und die ihn unter anständigen Nase davonzuziehen. Ein Regenguß weichte sie beherrschen. Aber muß man dann nicht wenig Zuchthäuslern einfach unmöglich machen. Ein- durch, der Sonnenschein trocknete wieder und stens an die Kameraden denken? Darf man die mal hatte er sich unkameradschaftlich benommen, bleichte ihre dunkle Farbe ein wenig. Aber die in gierigem Egoismus schmälern? Das wider­und dann hatte er sich erwischen lassen. Ihrer Form der vornehmen Zigarre behielt sie an- spricht aller Häftlingsehre, und doch hat es Elf­vier Mann hatten sie gemeinschaftlich und mit nähernd doch bei. Und das war sehr wichtig für dreiundzwanzig fertiggebracht. Standhaft war er unerhörten Kosten eine Orgie innerhalb der ihr weiteres Schicksal und das des Häftlings am ersten Tage nicht über die vertragsmäßigen stillen Zuchthausmauern inszeniert, aber weil Elfdreiundzwanzig. vier Rauchzüge hinansgegangen wie die die Genußgier von Elfdreiundzwanzig unbe­anderen auch. Aber am zweiten Tage, wo er als zähmbar war, fam es zur Entdeckung. Alle vier erster früh die Orgie fortsetzte, vergaß er sich-- mußten nicht nur auf die kaum begonnenen schimpflich und ehrlos. Er saß geduckt am stillen Frenden verzichten, sondern gingen auch des ein Ort und sog den Duft der Kostbarkeit. Beim gezahlten Kostenanteils verlustig. dritten und vierten Zug tamen ihm noch Ge­wissensbisse, aber dann versank er hemmungs­und rettungslos in der Wonne der Prima Re­galia Regina.

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Ein Trupp Außenarbeiter des Zuchthauses tant vom schweren Tagewerke bei den Bauern zurück. Schweigend, wie es die Vorschrift fordert, zogen sie in Zweierreihen dahin, der Aufseher mit geladenem Gewehr am Schlusse. Wer aus Als Elfǝreiundzwanzig bei Wasser und Brot ihrem Dahindröseln auf Gleichgültigkeit gegen im Dunklen" saß, verwünschte er die Insel die Umgebung geschlossen hätte, wäre sehr im Kuba , die so köstliche Tabatsblätter liefert, er Irrtum. Der langjährige Gefangene hat unter verwünschte die Tabatspflanzer und die Zigar- den neugierigen oder dreisten Blicken der Bür­Hätte der Gefangenaufseher, wie es seine renwickler und er hätte sicherlich mit seinem ger, und bedroht von der Waffe des Wärters, Vorschrift war, nach fünf Minuten Abwesenheit schwersten Fluche den pensionierten Obersten eine unbewegliche Gelassenheit gelernt. Der des Häftlings ihn auf dem stillen Ort kontrol­Knasterberg bedacht, wenn er von dessen Existenz vordere Rechtsmann sah die Prima Regalia Re- liert, wäre vielleicht ein Stück des Stummels überhaupt eine Ahnung gehabt hätte. Nun gina auf dreißig Meter Entfernung und selbst für die anderen drei gerettet worden. Leider sind wohnte der Oberst zwar höchstens fünfhundert wenn nicht ein Ruck unverkennbarer Entdecker- sie auch darum geprellt worden. Meter in der Luftlinie entfernt von dem grü- freude durch seinen Körper gegangen wäre, hätte Der Direktor ging inspizierend durch den belnden Häftling, aber zwischen ihnen lag mehr sie sein linker Nebenmann in der nächsten Se- Gang, und da er ausnahmsweise einmal nicht als eine Welt, nämlich die acht Meter hohe kunde auch bemerkt. Beider Blicke bohrten sich selbst rauchte, erschnupperte er den aus der Lo­Zuchthausmauer und etliche blühende Villen auf den Stummel, sahen wieder sich gegenseitig fusrize dringenden Tabaksgeruch. Nummer Elf­gärten. an. Noch zwanzig Meter waren sie entfernt von dreiundzwanzig wurde von der Stelle weg in Knasterberg war erst acht Tage vorher in ihm, achtzehn, fünfzehn in ihren Augen führ den Dunkelarrest geführt, nachdem er sich- zu das Pensionsstädtchen gekommen, in dessen Mitten sie einen lautlosen, aber furchtbaren Kampf seiner Ehre sei dies wenigstens anerkannt- telpunkt das altertümliche und malerisch reiz miteinander. Mein ist er! Nein, mir gehört er! geweigert hatte, die Komplicen seines Verbre volle Landeszuchthaus liegt. Nach der Besich Dabei wußten sie, daß sie sich gar nicht danach chens anzugeben. Die nur noch im Fragment tigung des neu gekauften Landhauses führte ihn bücken durften. Ihre Kiefern knackten vor Gier vorhandene vornehme Prima Regalia Regina sein erster Gang zum vornehmsten Tabakhändler wie bei fleischhungrigen Raubtieren. Zäh geht war zischend im Dunkel verschwunden. Und das der Kampf in den Blicken weiter. Noch fünf ist gut, denn wenn es nicht gerade dieser Ort Meter, drei zwei krachend fahren zwei Schäder Vernichtung wäre, wüßte man bei der be­del zusammen. Der Aufseher am Schluß gudt kannten lasterhaften Genußsucht der Zuchthaus­aufmerksam. War da vorn nicht eben eine Besträflinge nicht abzusehen, zu welchen Ratastro wegung? Nein, er muß sich wohl geirrt haben, phen der Kampf um einen winzigen Stuntmel benn mit unbeweglichen und stumpfsinnigen Ge- noch bätte führen fönnen. ſichtern marschiert die Kolonne weiter.

der Stadt.

Zigarren, Herr- aber etwas Schweres, Würziges, Gutes die Blume muß abgelagert

und reif sein!"

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Sehr wohl, Herr Oberst wenn Herr Oberst gestatten, werde ich Herrn Oberst meine Brima Regalia Regina vorlegen, Kuba Ausleje, wie sich Herr Oberst überzeugen können. Leider verkaufe ich sie sehr wenig, nicht wegen des Prei fes fünfzig Pfennig pro Stück, im Hundert mit fünf Prozent denn natürlich können auch der Bürgermeister und Harr Fabrikant Knulb­chen soviel anlegen. Aber diese Zigarre verlangt den Kenner, den Genießer und da werden Herr Oberst der erste in unserer Stadt sein. Wie bitte? Fünf Stück zur Probe? Sehr wohl, Herr Oberst!"

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Ich werde den Namen des Zigarrenhänd­lers nicht nennen, obwohl er betrügerisch, und feine Prima Regalia Regina nur die Hälfte des geforderten Preises wert war. Kein Wunder, daß sie dem Obersten nicht schmeckte, als er paf fend durch die wunderbar duftenden Frühlings­wege der Vorstadt spazierte. Mit soldatischem Schwunge warf er die höchstens zu drei Vier­teln aufgerauchte Zigarre von sich. Ich möchte, es wäre appetitlicher zu sagen, aber die Wahr heitspflicht gebietet doch, festzustellen, daß sie in einen Speichelfladen fiel. Man wird sich mit der Tatsache aussöhnen, wenn man erfährt, daß die ser am frühen Morgen von dem würdigen Stadtrat Gebauer hingespudt worden war.

In einer Großstadt wäre der nicht mehr ganz einwandfreie Best Prima Regalia Regina zweifellos balb von der Straßenreinigung be­feitigt worden, aber in den Kleinstädten liegen die Brosamen vom Tische der Reichen länger zur

breiundneunzig dem Fünfvierundsechzig unhör­Abends auf dem Schlafsaale faucht Sieben­bar zu: Mensch, pack aus- wir machen Kippe!"" Wat denn?" Mir rauchert her mit dem Tobak!" Die Importe? Hier, lang zu!" den Verblüfften- vier halbe Seringe sehen. Behutsam lüpft er seine Schlafdecke und läßt

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Tyrann Maschine?

tämpftet, daß ihr euch nicht eintet zum Eure Schuld ist, daß ihr nicht daß ihr nicht baut am Haus der Gerechtigkeit! Arbeitsbund! Daß ihr nicht Gemeinschaft Iebi,

Beide fangen an zu futtern und Siebenund- Der Tod ist unter euch! Er hockt in euren müden neunzig flüftert:" Der Tobak wäre feiner ge- Augen... Er lastet in euren Schritten, den ruhelosen, schweren... Er hat das Lachen ge­tötet und die Freude...

wesen."

Die Prima Regalia Regina wurde mittler­weile in einem anderen Saale von acht eifer­füchtigen Augen bewacht. Je einen halben He­ring von der Abendmahlzeit hatten die vier Mann, die sie auf Attien erivarben, für die Köst­lichkeit erlegt. Ein hoher, ein fabelhafter Preis unter Zuchthausgefangenen. Aber für ein so gut erhaltenes Stück Tabak von zehn Zentimeter Länge erträgt der freudlose Gefangene selbst die härteste Entbehrung. Eine Tabatorgie von min destens zwei Tagen Dauer gedachten die vier glücklichen Eriverber des Kubaftengels zu feiern.

Und doch ist Traum in euch! Traum vom Land der Wunder... Traum vom Land der Ge­rechtigkeit... Vom Land der werkverbundenen Gemeinden... Vom Land des werkverbundenen Volkes... Bom Land der werkverbundenen Menschheit... Vom Land der schaffenden, freu Digen Werkarbeit...

Brüder! Bündet euch! Beginnt! Beginnt! Nicht Ich und Ich und Jch! Nein: Wett und Wir und Du und Ich! Wollt die Ge meinschaft allen Werkvoltes, und ihr werdet sie evämpfen. O, eure Seele wird die mächtigen, verschütteten Schwingen entfalten! Die Erde wird euch wieder Schoß der Kraft sein! Und der Tyrann Maschine, besiegt vom Geiste schaffender Menschen..... wird euer Werkzeug, wird ener

Früh morgens begann es. Alle vier Anteil­nehmer waren auf dem Buchbindersaal beschäf­tigt. Von der Leimkesseleinrichtung hatten sie eine Schachtel Streichhölzer geflaut. Zweimal am Tage konnte man, ohne Aufsehen zu erregen, auf den Lokus gehen. Sie hatten genau berech Diener. net: machte jeder dabei zwei verstohlene Rauch Aus Die Maschinenstürmer" v. Ernst Toller ,