Feierabend

Feierabe

Mr. 19.

Unterhaltungsbeilage.

Das Schickfal.

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1927.

ihren, ein heißer Brodem wehte sie an, sie beugte sich rüdling. Er sah sich um, ob es zu­seher gegeben habe, drückte dann an seinen Hut und lief die Stufen hinunter. Aber in jeder Frühe begrüßte er sie so und trat ganz dicht an sic heran. Einmal griff er nach ihr, sie schlug die Hand, er lacie.

Von Dstar Maurus Fontana. säuberlich zusammengefegt und mit Mühe und Sorgfalt wieder in das Papiersäckchen getan. Das Essen war spärlich. Zu Abend gab es nur Staffee und eine Brotschnitte. Nie war Lina so hungrig gewesen wie jetzt, gierig und rasch schob sie jedes liegengebliebene Krümelchen Brot in den Mund. An den Sonntagnachmittagen meinte die Frau: Du bist achtzehn. Die Großstadt hat viele Versuchungen. Bleibe zu Hause. Hüte die Wohnung." Dann ging die Frau Inspektor mit ihrem Mann, der ein rotes, geschwollenes Ge­ficht mit einem Zwicker hatte und zu allem " Ja" sagte.

Sie war achtzehn Jahre alt und hieß Lina und war von Salzburg nach Wien gekommen. Bisher hatte sie bei Verwandten gelebt, ihnen in der Wirtschaft geholfen, aber das war jetzt aus. Dem Mann waren die Geschäfte schief ge­laufen, da hatte er dem Erdteil geflucht, auf dem er geboren worden war, und wollte mit seiner Frau nach Amerifa. Im Haus standen gepadte Rörbe, Fremde tamen, besahen die Möbelstüde, schätzten sie ab, indes die Frau heimlich ein Schluchzen niederfämpfte. Lina wurde von einer der Freundinnen der Frau einem Inspektor in Wien empfohlen. Und so war sie denn gekom­men, nicht traurig über den Abbruch eines Hei­mes, in dem auch sie gelebt hatte, über den Weggang lieber Menschen, sondern voll der naschhafien Neugier des Kindes, unbefümmert, feiner gewiß und vertrauend.

Sie mochte ihn nicht. Aber sie bejah sich jetzt oft im Spiegel.

Immer mehr zur Qual wurde ihr das Haus, fie hatte Hunger, es gab feinen Sonntag, vielleicht wäre sie doch gerne mit dem Auto ge fahren. Sie hatte feine Freundinnen in der Stadt, jie war allein, sie war unglücklich. Ofti weinte sie in ihrem Bett, das bei der geringsten Bewegung wie ein Lungenkranker pfeifend ächzte. Sie wollte weg, anderswohin, aber sie hatte nicht den Mut, es zu sagen, zu kündigen. Als aber die Not ihres verwirrten Herzens gav zu groß wurde, faßte sie eines Sonntags nich­mittags den Entschluß, nahm, nachdem die Herr schaft ausgegangen war, ihr geflochtenes Reise­förbchen aus seinem Versted, gab die Woh nungsschlüssel der Hausbesorgerin und trat au die Straße. Ihr Dienstbuch wollte sie sich mor

An solchen Nachmittagen schaute sie zu den Fenstern der Zimmer drinnen hinus Sie gin gen in einen Hof, in dem ein Baum gebückt wie ein Pilzchen dastand. Sie blickte in viele Woh nungen. In einer sah sie oft eine Frau auf Aber nach den ersten Tagen des Schauens einem Diwan liegen und gähnend aus einem in ein Neues fühlte sie die Veränderung, die Roman lejen. An einem gegenüberliegenden mit ihr vorgegangen war. Hatte sie sich in Salz- Fenstern der Zimmer drinnen hinaus. Sie gin burg in ein Hauswesen gefügt und es zu füh- bem Gesicht und tiefliegenden Augen. Er fiarrte ren mitgeholfen, war sie doch immer unter stundenlang bis in die Dämmerung zu ihr bin ihresgleichen gewesen. Sier aber war sie mit über. Einmal erschien er splitternact in der einem Male minder, war Magd geworden. Sie Fensteröffnung. Lina fuhr zurück. Sie hatte nie mußte in der Küche schlafen, in einem schlechten mit Männern zu tun gehabt, sie hatte nie gegen holen lassen. Bett, dessen Tücher und Decken nie an die liebt. Ihr graute vor dem Bild des nackten Sie war froh und lustig. Es war ein schö frische Luft kamen. Das Fenster der Küche führte Knaben In der Nacht konnte sie nicht schlafen ner Nachmittag im März und es roch nach auf den Gang, die Fenster drinnen im Schlaf- Frühmorgens, wenn sie auf dem Gang die Frühling. Noch waren die Straßen feucht, aber zimmer gingen in den Hof, und hier wurden Kleider putte, gingen viele an ihr vorbei. Mid- ein Lindes lag in der Luft. Sie ging die lange die Bettstücke der Herrschaft gelüftet. Als sie chen, die ins Geschäft gingen, Männer, die sich Straße entlang, sie hatte keine Sorge, sie wollte auch ihre darunter legen wollte, hatte die Frau noch rasch eine Zigarette anstedten. Sie sah nie- nur Entfernung zwischen sich und dieses Haus grobe Worte gehabt. Für ihr kleines, gefloch- mand an und sprach auch mit keinem der Dienst- bringen, sie hatte nicht einmal Schadenfreude, tenes Körbchen war im kleinen Raum kein Play, boten im Hause, die die Treppe mit kleinen Be- sondern nur die Luft des Geretteten. Leicht und da das Klosett so gebaut war, daß es unter- sorgungen herunter- und hinaufliefen. Darum trug fie ihr herchen, jie merkte die Last gar halb des hochangebrachten kleinen Fensters in nannte man sie im Hause hochnäjig und ein- nicht. Ihr fiel ein, daß sie den Kamm und die der Mauer eine Einbuchtung gab, so war dieser gebildet. Der Frau aber war diese Zurück Bürste in der Eile vergessen hatte, aber es tat Winkel der geeignete Aufbewahrungsort für den gezogenheit gerade recht. Wenigstens wird sie ihr nicht leid. Ich werde mit neue kaufen," Kram ihres Lebens geworden. Mühsam mußte nicht von den andern verdorben," sagte sie zu lachte sie Rascher als die Sonntagsspaziergänger sie hn herunterholen, mühsam hinaufheben. ging fie. Manchmal hatte sie Angst, der Frau Inspektor plötzlich entgegenzustehen. Ihr war, jie müßte dann amfehren und würde gezüchtigt wie ein verlaujenes Kind und müßte weiter die verhaßte Arbeit tun.

ihrem Mann.

Die Leute, bei denen sie diente, waren nicht Von den vielen Vorübergehenden blieb unfreundlich. Aber es waren kleine Leute, die immer ein didlicher Herr mit froschhaften Schlem nicht ohne viel Büden zum Inspektorsrang ge- meraugen bei ihr stehen, wie zufällig Bald stiegen waren, und denen es jetzt wohltat, irgend hatte er sie in ein Gespräch gezogen. Ob sie nie jemand fühlen zu lassen, wie tief unten er stand. ausgehe, ob sie nicht mit ihm einmal ein wenig Viöglich stand sie auf dem Stephansplatz. Von den knapperen Zeiten her hatte sich die bummeln wolle, unschuldig, aber bis in die Als sie den Turm vor sich sah und den Play, Frau jedoch den Geiz bewahrt. Nichts als Nacht und dabei fnisf er das linke Auge zu auf dem sie schon gewesen war, fiel ihr erst ein, Schlüssellöcher gab es in der Küche, und von und pfiff durch die Zähne-, er jei Ingenieur, daß sie fremd sei, daß damit ihre Ortskenntnis jedem war der Schlüssel abgezogen, und jeder er habe auch ein Auto, wenn sie mit ihm fahren ende. Aengstlich fragte sie: Was weiter und wo­war bei der Frau. Was aus den vielen Schränk wolle, werde er ihr schöne Sachen zeigen. Wie hin? Alle Kühnheit war fort und am liebsten chen und Kästchen kam, wurde auf das genaueste alt sie sei? Und er dehnte dann: achtzehn wäre sie noch in ihrer Küche mit dem Fenster ausgewogen, Lina eingehändigt. Der Rest, der Jahre", mit einem schmalzigen Angesicht. Er auf den Gang gewesen. Zögernd blieb sie stehen auf der Wage liegen geblieben war, wurde sein brachte auch seinen Mund in die Nähe des und jah sich nach allen Seiten um. Es gingen