May

Feierabend

Feierabe

Mr. 48.

Unterhaltungsbeilage.

Im Tieffeeaquarium zu Neapel  .

Teufelsgärten.

Zunäcit erfüllt dich ein helles Ent­zücken. Denn unmittelbar vor dir blüht und blüht es, wie es dein Auge noch nie in einem Garten gesehen hat.

Orange. gelblich mit violett, grün, ja bis zum hellsten Zinnoberro leuchten dir die Seesterne entgegen. Dazwischen scheinen, überaus fein faserig. wie gefiedert. Die Haar­sterne alles überwuchern zu wollen. Blühen dort nicht die Seerosen wie Astern, doch so hellgrün und braun. wie man sie nirgends in einem Garten sieht? Wuchern neben den weißen und schwarzen Korallen nicht die Bänte der roten wie die Früchte der Vogel­beerbäume? Wie aber erstaunt dein Auge, wenn du plötzlich lauter fleine. zivergbafie Valmenwälder erblicst. Traumbaft treiben die dämmerigen, oft bordeauxroien dann wie­der zartblauen Valmeräste aus den großen Stämmen und alles liegt da wie unter einem unterirdischen, bengalischen Feuer.

Um so mehr erschrickst du wenn du er­fährst, daß dies alles, was sich da an faſt unsagbarer Farbenpracht vor dir entfaltet, ja gar feine Pflanzen und Blumen sind son­dern leibhaftige Tiere, dazu voll tüdischer Eigenschaften. Stülpt nicht der Seestern den ganzen inwendig liegenden Darmkanal nach außen und zieht ihn erst wieder ein wenn er den für seinen Körper viel zu großen Fisch verzehri hai?

Und erst die Seerose! Kommt da ein Fisch in die Nähe mit einem Mal schießt sie tausend und aber tausend Nejselfäden her­vor, spritzt einen äßenden Saf wie tödliches Pulver von sich und das Opfer liegi be­täubt oder gar getötet vor der herrlichen Blüte...

Eine feltfame Bilderfchau.*)

Von Gottfried Kölwel.  

meniväldern hat sich nur leicht bewegt und daim Nujind alle die bordeaurroten, zartblauen und dämmerfarbenen Paimen­äſte verschwunden. Nur die grauen Röh­ren stehen noch da wie verdorrie Stämme.

Du denfit au teuflische Zauberei, in Wirk­lichkeit aber waren all die wunderschön bun ten, zarten Valmenäste nichts anderes als

Würmer. die sich. von der Bewegung des Waffers plötzlich erschreckt, in ihre baum­stammähnlichen Röhren zurüdzogen.

Kalmar und Pulp.

Es sind zwei Tintenschnecken von höchst absonderlicher Art.-

sein.

Auf den ersten Blick durch das Glas glaubst du lauter fleine. sonnenbeschienene Beppeline schweben zu sehen wie eine Schar länglicher, merkwürdiger Zaubervögel. Afer dann bemerfst du. daß die Tiere mie aus glasariigem Berlmutter geformt und fast durchsichtig erscheinen. Ihre Augen sind wie aus dunklerem Perlmutter riesig groß ge­dreht und scheinen im Verhältnis zum schwe­benden Störper ſo maſſiv und schwer zu ft. als müßten sie das Tier jeden Augenblick zur Tiefe ziehen. Aber der Kalmar schwebt un gehindert im Wasser dahin, leicht wie im höchsten Aether, als wäre er aus Luft. Da­bei flattert er mit den zarten Flügelflossen wie mit ganz leichen. weberden Tüchern und mutet fast geiſterbaft an. Ohne den Körrer zu wenden, schwebi er stets eine Strede vor­wärts und dann dieselbe Strecke zurück, hin und her, wie das Pendel einer Uhr, bis zu seinem Tode...

1927.

wie eine oben beäuge Kugel zur Höhe, die sich, während sie steigt und steigt, nach unten vielarmig wie ein Gespenst entfaltet?

Aber wenn du noch siehst, vie im Mit telpunkt seiner feiner Fangarme zwei hare, trumme, schnabelförmige Kiefer sitzen. gleich höllische Zangen, begreifft du: Der Puip ist ein einziges riesiges Höllenmaul, um das es nach allen Seiten quirlt und schlängelt, um einzufangen und zu erbeuten, was zu erben fen ist. Webe dir. arme, weiche Muschel, wenn dich sein Saugarm erreicht. Die Fe stung deines Gehäuses zerbricht er fuadend zwischen feinen schnabelförmigen Kiefern und fein for hendes Gif lähmt dir jede flüchtende Bewegung. Gierig faugt er dich ein und du ruhst in ihm wie unter dem Si gel eines unheimlichen Grabes...

Unter Seeränbern.

Sie nur, wie sie daherkommen, Fisch an Fifch!

Mit dicken Leibern, mit stark aufgewor fenen Lippen, mit wahren Affengesichtern. Oft baben sie die Unterlive bös vorgescho ben und manche rollen fogar nut den faſt

blöden Augen. Wieder andere unter ihnent tragen ein so buntes Gewand als fämen sie eben von einem verwegenen Maskenball. und unten am Boden, wie ein schwer Betrun fener, mit grauenfaften. lavyenähnlichent Auswüchsen, als'te ibn die Levra befallen, liegt der Drachenkopf. Dazwischen schleis chen die schlaufen. fchedigen Saßenhaie ein­ber und die gelbgefleckten Muränen und dunklen Meeraale schlängeln sich wie ein du aus zerbrochenen Tonröhren und wahres Höllergezücht. Du erschrickst. wenn gen, die am Boden liegen, gleich drei oder vier Köpfe auf einmal hervorkommen siehst. wie giftae Vipern ſtarren sie dich an und

Dagegen der schwere, dunkle Pulp! Wie eine einzige, wirre, undefinierare, frötenbraune Gedärmmasse liegt er hinter Steinen versted, auf dem Grund des Ja, es gruselt einem in diesen Teufels- Waſſers, und ſo ſehr du dich auch bemüht, so gärten, wenn man noch folgendes sieht: Das dir seine Formen deutlich zu machen, es it Waſſer über den kleinen zwerghaften Pal- umsonst. Du fiebst nur die fnäuelige aimtende sperren, schwer amend, den Mund auf wie Majse mit Hödern, Mulden und phantafti- ein unheimliches Loch. * Das Aquarium wurde 1874 durch den schen Auswüchsen. Nur manchmal schlägi deutschen Zoologen Anton Dohrn   aus Stettin   sich ein längliches, graues Ende auf. fiet gegründet. Taufende von Forschern aus allen sich saugend an das Glas, und so siehst du, Nationen haben hier das Studium der Meeres wie er inwendig mit lauter Sauguäpfen vie biologie gefördert. Das heute von Professor mit runden, gelblichweißen Snöpfen über Reinhard Dohrn   geleitete Institut gehört mit und über besetzt ist.

zu den merkwürdigsten Sehenswürdigkeiten Welche Verwandlung aber, wenn er ge­Neapels. waltsam aufgestöbert wird. Schießt er nicht

Am gefährlichsten aber find iene Wege­lagerer, die sich am Grund im Schlamm ver­stecken und hier heimtückisch wie Strauch­diebe. über ihr Opfer herfallen.

Weitaus der bäßlichste und tückischste von diesen ist der See'eufel. Das Scheufal besteht aus fast nichts anderem als aus einem einzigen, ungeheuren, platten Kopf.