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Feierabend
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Mr. 41
Unterhaltungsbeilage.
Das kleine Heim.
Von Ludwig Wolfermann.
1928.
gefiel ihr. Er war nett, ja jogar ein wenig gen Sie denn so komisch? Das ist ja lang luxuriös angezogen. Sie schlenkerte das tau- weilig!" bengraue Pompadour heftig hin und her und
Der gut genährte Herr, der sich lässig an die Plattformbrüstung lehn'e, langweilte sich schrecklich. Bangweilig? Es interessiert mich!" Er wußte sich schon nicht anders zu hel- feufzte manchmal und immer, wenn es gut Geld!" sagte sie. Das ist ja eine fen und legie aus purer Fadheit die Tram- dem Thema fich anpaßte. Schließlich lud er Dummheit. Ich brauche kein Geld. Aber wayfarte einmal, zweimal, dreimal und sie zu einer Jause ein. wissen Sie, was ich will? Häuslichkeit, Mö fünfmal zuſammen, bis sie ein kleines Ding- Sie traten in ein feines Kaffeehaus und bel, eventuell einen schönen Teppich, eine chen wurde. Dann bemühte er sich, dieſes fetzten sich behaglich auf die von müden 2e- schöne Tafel, für zwei, die sich sehr gerne winzige Dingchen unter den großen, aber bensgeistern und entzückenden Frauen abge- baben und einen echten Kanarienvogel, wohlmanikürten Daumennagel zu ſteden, weßten Samisofas. Das kleine Fräulein mit einem Wort: ein kleines Heim." was ihm nach längerer Mühe auch gelang, legte das taubengraue Pompadour auf die Sie träumte vor sich hin. und somit diesem langweiligen Tag ein Marmorplatte. seufzte wieder, sah sich halb wenig Abwechslung und Freude gab. Daun rechts in den Wandspiegel. zupfte die blonden schnelle er mit dem Daumen auf und ab, Löckchen zurecht und bestellte sich einen Staffee ob das winzige Papierchen auch hielte, und mit sehr viel Schlagobers. jiehe da, es hielt. Also stellte sich wieder die ermüdende Langeweile ein. Der Wagen fuhr an der Oper vorbei. Der Herr gähnte, daß die Stiefer fuadien.
Mitten während des Gähnens schwang fich ein kleines, hübsches Fräulein auf das Trittbrett, also entzückend, daß das Gähnen Trittbrett, also entzückend, daß das Gähnen entzweibrach.
,, truzinefer!" jagte der Herr, dem das halbe Gähnen stedengeblieben war. Er drüdte den Hut fester und stellte sich aufrecht.
Er... mein Gott, er gratulierte fich stürmisch und sagte sich, daß er heute ein ausgesprochenes unerhörtes Glüd gehabt habe, die Bekanntschaft der kleinen, netten Anmut gemacht, die Anspruchslosigkeit in Person erwischt zu haben, und vorauszusehen war, daß die Treue diesmal eine ewige sei...
In seine Betrachtung hinein sagte das trenaussehende Fräulein:
„ Ach. so ein Kostüm, von der Dame dort, gefällt Ihnen das?"
„ Ganz hübsch!"
Sie überhörte, daß die Dame neben ihr, mit der eleganten Fußspite den Shimmy mittanzte, daß der junge Mann hinter ihr ein bißchen pfiff, sie überfah, daß ihr Beglei ter ein wenig unruhig wurde.
Ferne Musit. Ein Traum im Alltag. Hundert Träume, tausend Träume im Alltag Kleiner Mädchen.
„ Ein Heim haben, ein kleines Heim, eine eigene Wirtschaft, ein paar Möbel, einen Mittagstisch und ein Abendessen eine angebrannte Erdäpfelsauce. Es ist die alte Wurscht!" brummte er.
,, Was?" fragte sie aufwachend.
Er überblickte die Frauen, die hier an den Tischen saßen, sich manchmal Puder an die Wangen tupften, die Boas graziös fallen ,, Und solche Schuhe mit den Span - ließen, und mit spißen Fingerchen Zigaretten gen...", träumte sie weiter. rauchten. Nein, diese interessierten ihn nicht. Aber irgend etwas war auch in den Worten des fleinen Fräuleins, in den Worten, die so streng prinzipiell geflungen hatten, das ihn unbehaglich berührte.
Dann warf er dem Fräulein mit dem paradeisroten, glacierten Sut, dem hellen Kostüm und dem wehenden Herrenwinfer" ( der als seidenes Taschentüchlein aus einem Schwindelad hervorging), einen lebhaften Da fing die Musik an, der Kaffee kam, Blick, halb Verehrung und halb Vertrautheit, zu. Dieser Blick wurde ignoriert. Das heißt, der forschende Blid des fleinen Fräuleins ihm folgten weitere, das Fräulein zwischen schoß auf das Schlagobers. Während sie geTür und Angel stehend, sah sich diesen Herrn noß, zündete er sich eine 3igarette an, bejab Er zahlte plötzlich, ging mit ihr rasch an. Es entspann sich über den Stöpfen der das kleine Wunder von der Seite. Sie gefiel anderen ein lebhafter Flirt, was den Herrn ihm wirklich. Er rüdte ein wenig an sie auf die Straße, entschuldigte sich hastig, ver veranlaßte, seine Handschuhe anzuziehen. beran, nahm ihre kleine Hand. Aber sie ent- abschiedete sich, lächelte ein wenig und war Dazu überprüfte er das Aeußere des fleinen og fie ihm. Brav sein!" sagte sie und trant gleich darauf zwischen dem funkelnden Lich Fräuleins, sein Blid glitt über die Wildleder- den Kaffee in stiller Versunkenheit aus. Er terspiel der Autos und Wagen verschwunden. Sie stand allein da. Grauer, milchiger bandschuhe hinweg zu den seidenen Flor- dachte ans Stino ans Abendessen; an morgen strümpfen und den halbenglischen Schuhen, und übermorgen. Er fühlte ihre Nähe. Das Nebel schiebte hoch um die Bogenlampen Und das Resultat war, daß es Gelegenheit Haar schimmerte und die kleinen Händchen und Baumkronen, blasses Licht strömte durch gab, dieſes Lebens nicht ganz überdrüssig zu fie mußen sicher häusliche Arbeit verrichten. Fräulein. Seltsam dachte sie sich, daß alle waren etwas mühsam in Ordnung gehalten; das Laub, Straßenlärm tofte um das fleine Männer die Flucht ergreifen, wenn man
werden.
Der Flirt schloß mit einem Lächeln. Das Da entfiel ihm plötzlich eine dumme vom fleinen Seim zu erzählen beginnt. Sie Fräulein stieg aus. Der Herr hinter thr. Frage:„ Sagen Sie, Fräulein, was würden sah nicht, daß die weit ganz anders war. Unter dem fallenden Laub der Straßenbäume Sie machen, wenn Sie sehr viel Geld Sie schritt am Rande der Bäume dahin sprach er fie an. Sie warf das Köpfchen in bätten?" durch das raschelnde Laub, versunken und
die Höhe und da er sehr geschickt angepackt Sie sah ein wenig gestört und unent still, mitten in einem kleinen, sehnsuchtsvol batte, ging fie einige Schritte mit ihm. Er schloffen auf, dann lächelte fie: ,, Warum fra- lien Traum...