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des Wurfspeeres in der Luft, während uns das Krokodil nachjagte. Sowie es an Land jetzen wollte, packte der Seeräuber den Schaft des Wurfspeers, und der Kopf des Krokodils tauchte für einen Augenblick aus dem Wasser empor, als ihm der Spieß aus dem Schlund gezogen wurde. Radschah und ich waren noch im Wasser; wir glaubten sicher, daß uns das Krokodil öten würde. Kaum war es aber untergetaucht, so fuhr der Wurfspieß singend durch die Luft und traf auf etwas Steinhartes. Wieder schoß Blut auf, das Wasser färbte sich noch röter. Als wir hastig an Land stiegen. trieb das Krokodil ab vom Ufer und verschwand unter Wasser. Einige Sekunden später sahen wir den Wurfspieß wieder auftauchen, und diesmal sechzig Ellen weit von uns. Wir wußten nun, daß alle Gefahr vorüber war, schwammen den Fluß abwärts, richteten das Boot auf, letterten hinein und ruderten fort. Das Krokodil schwamm neben uns. Aber jetzt schlug es nicht mehr mit dem Schweif nach dem Boot. Die Ruderer hieben ihm mit den Rudern auf den Kopf; es rührte sich nicht. Sein Maul stand offen, als wollte es uns um den Tod bitten. Der Seeräuber faßte den Wurfspieß, und wir schleppten das Ungeheuer an Land. Einige weitere Schläge mit den Rudern auf den Kopf lockerten den Wurfspieß, er wurde herausgezogen. Das Krokodil feuchte noch kurze
Zeit und verendete dann.-
Als wir in jener Nacht heimkamen, fragte mich der Seeräuber:„ Wollt ihr euch meiner Räuberbande anschließen? Wir sind eine barmherzige Brüderschaft und leben nach dem Gelübde, der Menschheit Gutes zu tun. Stromaufwärts herrscht Hungersnot. Ich möchte, daß ihr mit mir fommet und den von der Hungersnot befallenen Menschen helfet."
Wir wußten nicht was wir sagen sollten, und verschoben unseren Entschluß auf den solgenden Morgen.
In jener Nacht hörten wir wieder den Tiger vorbeikommen und andere Tiere um die Lichtung streichen.
Als wir am nächsten Morgen erwach: en. war der Seeräuber schon lange weg. Wir gingen au das Flußufer hinab, um einen letzten Blick auf das Krokodil zu werfen. Viele Geier kämpf
ten um seinen Kadaver.
Auf dem jenseitigen Ufer fonnten sich drei oder vier Krokodile mit aufgerissenem Rachen, und kleine Vögel, sverlingartige Geschöpfe, ei nigten ihnen das Gebiß; sie pidten ihnen die Würmer aus den Kinnladen. Sie waren die Zahnärzte der Krokodile.
Dann wandten wir das Antlig heimwärts. Unsere Pilgerfahrt war zu Ende. Durch den Seeräuber hatten wir die Wahrheit gefunden, nach der wir ausgezogen waren. Gott ist in uns, und wir müssen ohne Haß und Furch: leben.
( Aus:„ Wir pilgern zum simalaja“ von Dhan Gopal Mu ferdschi, Rütten& Loening , Verlag, Frankfurt a. M.).
Die Wachtel.
Von Leo Tolstoi . Wie schön ist es auf der Welt herrlich ist diese Welt!"- empfand ich. widerlich sind die Menschen- und wie wissen sie, sie zu würdigen!" dachte ich.
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wie
Wie wenig
Diesen nicht neuen, jedoch unwillkürlichen und innigen Gedanken rief in mir die ganze mich umgebende Natur hervor, am meisten aber das hell flingende, sorgloje Lied der Wachtel, das von irgendwo weither aus dem hohen Grase zu hören war.
„ Sie weiß gewiß nicht und denkt auch nicht
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daran, in wessen Landen sie singt, in den russi-| roten Aeuglein zu dem blauen Himmel aufschen oder jenen des trozigen Bergvoltes. Ihr schlägst und mit Beben den langsamen Flug des kann auch nicht in den Sinn kommen, daß diese schwarzen Geiers verfolgst, der sich zu den WolErde nicht Gemeingut ist. Sie glaubt, die ten hinaufgeschwungen hat, nur um dich zu finTörichte, daß die Erde für alle da sei; so urteilt den? Siehst du, wohin seine gierigen Augen sie, weil sie mit der Liebe und dem Lied her- spähen? Gerade nach demselben Fleck, an den geflogen fam, ihr grünes Häuschen baute, wo du dich angeschmiegt hast und unwillkürlich sie wollte, sich nährte, überall umherflog, wo die Flügel ausbreitend dich vergeblich bees Grünes, Luft und Himmel gibt, und ihre mühit, deine nadten, großköpfigen Jungen vor Jungen heranzog. Sie hat keinen Begriff davon, ihm zu verbergen. Und du bebst und du fürch was Rechte, Unterwürfigkeit und Gewalt sind; test!! Wer aber fürchtet sich nicht vor der Ungesie fennt nur eine Macht: die Macht der Natur, rechtigkeit? und unbewußt, ohne zit murren, unterwirst sie sich ihr. Sie ist töricht und es mag sein, daß sie deshalb auch so sorglos pfeift. Sie hat nichts zu wünschen und nichts zu fürchten."
Doch halt! Du hast dich hinreißen íajjen, Wachtel! Geschieht es nicht zuweilen, daß du, verborgen im dichten Gras, mit Grauen deine
( Mit besonderer Erlaubnis des Eigenbrödler- Verlages, Berlin , wurde vorstehendes Gedicht in Prosa dem Buche Wie die Liebe vergeht" ent nommen, in dem erstmalig der To!- stoische Nachlaß in deutscher Sprache herausgegeben wurde.)
So eine Gemeinheit!
Von Georges Pourcel.
„ Wie geht es Jules?" fragte Ernest, sich meine Schwiegermutter aber nicht int Zaume halten. Sowie sich die geringste BeiseChamply, gleich nachdem er eingetreten war. Leider geht es nicht gut," erwiderte Frau rung in meinem Zustande bemerkbar macht, Jules,„ Trimouillat meinte, es sei eine Nerventaucht sie vor mir auf, um mir zu erklären, wie überanstrengt Madelaine sei. Wenn das so beibleibt, halte ich es nicht mehr lange aus. Wenn sie jetzt hereinkommt, darfst du kein Wort davon erwähnen, daß ich ciwa besser ausjähe, dann benutzt jie nämlich gleich wieder die Ge
frankheit."
Aus dem Nebenzimmer hörte man bereits eine flagende Stimme.„ Madelaine, was ift denn schon wieder los? Du weißt doch, daß ich keinen Lärm vertragen kann!" ,, Es ist dein Freund Ernest, der dich beju- legenheit." chen will."
Der Krante faß mit einer Samtjade angetan in einem bequemen Lehnstuhl, eingebeitet in einer Menge weicher Kissen
Hallo alter Junge- das laß ich mir gefallen du hast es gut. Du gleichst einer Klassischen Komödienfigur," sagte Ernest und lächelte ermunternd.
,, Welche Komödie mein Freund. laß die Wize, die Sache ist sehr ernst. Ich gewöhne mich schon langsam an den Gedanken, sterben zu müſſen."
„ Pfui wirst du gleich aufhören, so zu reden, du böser Mensch!" entfuhr es feiner Frau, die dicht an ihn herantrat. Sie ordnete zärtlich seine Kissen.
Wie ist es denn nur gekommen?" fragie
Ernest.
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„ Sez dich näher zu mir. Ich kann das laute Sprechen absolut nicht vertragen, verstehst du mich, soo- nun höre zu. Madelaine, bringe mir noch ein Stiffen. Auch noch ein Stück Schokolade und dann geh hinaus in die Küche und bereite die Medizin." ,, Deine Frau ist ja ein wahrer Engel!" Ja, sie ist eine gute Krankenpflegerin, aber ihre Mutter-- es ist ihre Schuld, daß ich krank wurde. Seit unserer Verheiratung hat sie mich angeschnauzt und geplagt. Ich nähme feine Rücksicht auf Madelaines Gesundheit. Ich reinige meine Füße nicht genügend auf der Matte vor der Tür. Ich bemäkele das Effen. Kurz und gut, ich wäre ein Hausiyrann und Erzschwein. Ich wäre Egoist! Das Resultat ihrer endlosen Jeremiaden war, daß ich Madelaine bei der Hausarbei: helfen mußte. Das war nun sehr anstrengend, und schließlich wurde ich natürlich krank und mußte den Arzi holen lassen. Er verboi mir jegliche Hausarbeit. Das sei leine Beschäftigung für einen Mann, ich müsse Ruhe haben und vor allen Dingen dürfe mir fein Ungemach widerfahren, sonst fönne er für die Folgen nicht garantieren."
Jules Trimonillat nahm einen Bonbon und fleischerte langsam darauf herum. Dann fuhr er fort: Trotz dieser ernsten Warnung fann
Die beiden Damen iraten ein und wir plauderten gemütlich miteinander. Jules befand sich scheinbar ganz wohl, lachte und amüsierte sich und war für einen Augenblick der alie Jules. Madelaine wurde ganz hoffnungsfroh und ihr fleines, müdes Gesicht blühte ordentlich auf Beide Frauen waren bemüht, es dem Patienten angenehm zu machen und man merkte feineswegs irgendwelche bösen Absichten seitens der Schwiegermutter. Da er eignete fich aber plöslich etwas, das die ganze Stimmung verdarb.
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„ Sehen Sie, Herr Chambly ," sagte die Schwiegermutter,„ wie Ihr Besuch ihm guttut - er ist ganz munter geworden."
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Augenblicklich verzerrie sich das Gesicht des Kranken. Er wurde aschgrau.„ Nein, es geht mir durchaus nicht gut," zeterte er.„ Ich habe andauernd Schmerzen, mein Kopf ist so leer, und ich fühle Stiche in der Herzgegend."
In plözlicher Rajerei erhob er drohend die Gabel:„ Aergere mich jetzt nicht, Schwiegermutter, du weißt, der Arzt hat gejagt, daß ich Teine Aufregungen vertragen kann."
Dann wandte er sich an seinen Freund: Schiebe deinen nächsten Besuch nicht zu lange auf, sonst wirst du mich nämlich nicht mehr antreffen."
Madelaine erhob sich mit tränenerfüllten
Augen.
aus!"
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Schone deine Frau, sie sieht rechi müde
Eines Morgens empfing Ernst Chambly einen Trauerbrief, in dem mit großen Buchstaben der Name Jules Trimouillat stand.
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Armer Kerl, dachte er und ich, der ich seine Krankheit nicht ernst nahm. Hat er also doch recht gehabt.
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Als er aber näher hinsah, entdeckte er, daß dort Frau Jules Trimouillet stons Madelaines zerquältes eficht mit dem schmerzlichen Lächeln eine auf...
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