Der DetlGenftra«-.
Novelle von sie beugte sich über einen Beilchenstrauß und sog den feuchten, kühlen Dust von Erde, Waldboden und Frühling in sich ein. Eine Stunde später kam ihr Mann nach Hause, und nach dem programmäßig verlaufenen Mittagessen tranken sie den Kaffee im Wohnzimmer. Sie hielt ihre Tasse in der Hand, stumm, mit in die Ferne gerichteten Augen, während er in seiner Unfehlbarkeit die Abendzeitung las. Ta er zu einem gewissen Zeitpunkt immer irgend' eine kritisierende Bemerkung machen mußte, mitten in der Lektüre, senkte er auch an diesem Abend plötzlich die Zeitung und schnupperte mit seiner schmalen, etwas scharfen Ras: ein wenig in der Luft herum „Mir scheint, es riecht nach Veilchen...? Flüchtig und kühl streiften seine Augen das Gesicht seiner Frau, da diese aber scheinbar keine Miene dazu machte, ihm irgend eine Erklärung zu geben, senkte er die Zeitung noch tiefer und ließ seinen grauen, suchenden Blick langsam durchs Zimmer gleiten. „Der Veilchenstrauß'?" sagte er mir leicht fragendem Tonfall.„Woher kommt der Veil- chenstrauß?" „Ich habe ihn erhalten!" erwiderte Fanny etwas hastig und scharf. „Bon wem, wenn man fragen darf?" „Bon jemandem, den du nicht kennst!" Diese Antwort entfuhr ihr, ohne ihren Willen. Sie erschrak selbst darüber. Run war es. aber gesagt. Mit einer gewissen heimlichen Freude beobachtete sie die Wirkung ihrer Worte. Ties» blieb auch nicht aus. Auf den Backen ihres Mannes erschienen plötzlich zwei kleine, rote Flecke und es zuckte um seine Mundwinkel. Ein schwacher, flüchtiger, aber gefährlicher Funke glimmte in seinen Augen. Das war alles. Dann kam der Knall— ein kleines, scharfes Knistern mit der Zeitung, worauf neues Schweigen eintrat, etwas schwer, etwas drohend, wie nach einem kurzen, flüchtigen Gewitter an einem Sommerabend. Und— fast konnte man glauben, daß nichts— aber auch gar nichts geschehen sei. Dieses scheinbare Nichts, war doch so klein und unwesentlich— es wuchs und wurde zu einer aufrührerischen Kraft, einer Revolution — zu einer neuen Epoche in Fannys Ehe. Fannys Mann vernachlässigte seine Frau. Er war ein intensiv arbeitender Mann, der scheinbar seine Zeit gleichmäßig auf seine Arbeit und sein Heim verteilte, aber diese Bertei- lung konnte auch so formuliert werden, daß er seine Arbeit gleichmäßig auf sein Bureau und sein privates Arbeitszimmer verteilte, demzufolge er nach beendetem Mittagsmahl, Kaffeetrinken und Zeitungslcsen sich in sein Arbeitszimmer begab, das er erst verließ, nachdem seine Frau schon längst schlief. Fanny hatte'sich aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen lange Zeit in diese Ordnung der Dinge gefunden, ohne sich dagegen zu empören. Vielleicht war dies Verhalten ihrerseits nur in seelischer Trägheit begründet, vielleicht lag auch irgendeine Depression zugrunde. Fanny begriff, daß bei jenem kleinen Auftritt, zu dem der Strauß den Anlaß gegeben hatte, sic selbst halb bewußt, halb unbewußt, an irgendetwas ganz Feines und Zartes gerührt halte. Tie stellte zum ersten Male während ihrer Ehe fest, daß ihr Mann für den mächtigen und üppig gedeihenden Bazillus der Eifersucht nicht un- empsänglich war. Jetzt hatte sie keine» größere» Wunsch; als ihm dieses starke und schnell wirkende Gift einzuimpsen. Ja— könnte ich ihn nur recht eifersüchtig machen, jnbelte es in ihr
I. Lange. ..., das würde Befteiung aus dieser langsam tötenden Langeweile bedeuten. Ihre Ehe stand gerade auf der Neig« in einem stumpfen, unfruchtbaren Sumpf zu versinken, aus dem nian sie vielleicht nicht so leicht würde heranszieyen können. Darum mußte gehandelt werden. Eine Woche nach jener Episode kam ihr Mann eines Abends in ihr Schlafzimmer, während sic vor dem Spiegel saß. „Willst du" ausgchen?" Tie nickte ihrem eigenen Gesicht im Spiegel zn. „Wo kommt diese Radel her?" Fanny blickte einen Moment zur Seite uud sah, daß er eine Brillandnadel zwischen seinen Fingern hin- und herdrehtc. Fanny fühlte, wie sie errötete unter seinem starr auf sie gerichteten Blick. Er blieb lange stehen. Ihr schien es eine Eivigkeit. Endlich warf er die Nadel auf den Toilettentisch und ging wortlos aus dem Zimmer. Bald erschienen schöne rote Rosen auf Fannys Tisch, bald Bonbonnieren, zwischen den Zei- «lügen lagen Briefe mit stark maskuliner Handschrift auf dem Umschlag, Briefe stachen aus ihrer Tasche hervor, alles wie zufällig. Fannys Haushaltsgeld laugte kaum noch für all diese außergewöhnlichen Ausgaben, sie mußte Schulden und Rechnungen machen— und doch schien es ihr lange Zeit, als seien alle Mühen vergebens. Ihr Mann schwieg hartnäckig. Daß er „sah", darüber herrschte kein Zweifel. Schließlich trat doch eine Veränderung ein. Er betrat nie mehr ihr Zimnier und kehrte auch oft nicht zum Essen heim. Es war Abend, der dritte Tag, an dem Fanily ihren Mann nicht gesehen hatte.— Sie war zu Bett gegangen, müde von allen Ankrengungen, aller Spannung. Sie lag wach und lauschte auf jedes Geräusch. Plötzlich fuhr sie auf und preßte die Hände gegen die Stirn. Hatte nicht jemand an ihre Tür« geklopft? Oder hatte sie geträumt? Sie hielt den Atem an und lauschte. Ja— jetzt klopfte cs wieder, fest, präzise Schläge gegen die Tür. Ihr Blut jagte freudig durch ihre Adern, fe lächelte, jetzt tvar sie plötzlich mitten im letzten Akt ihrer großen Rolle, sie sing an zu flüstern, sich zu regen— und schon klopfte es wie. der. Fanny ließ sich Zeit. Die Tür tvar ja verschlossen, alle Vorteile waren auf ihrer Seite. Aber plötzlich wurde irgendein Instrument zwischen den Rahmen und die Tür gebohrt. Die Tür gab nach, sprang anf und schlug hart gegen die Wand. Ihr Mann stand im Türrahmen, mit einem Brecheisen in der Hand, ihr schien cs eine Mordwaffe zu sein. Sein Blick flog durchs Zimmer. „Ist jemand hier?" fragte er mit bebender Stimme. Das gab Fainch Rückgrat. Sie maß ibn mit eiskalter Verachtung. „Was sagst du?" „Ich frage, ob jemand hier im Zimmer ist?" „Aas meinst du eigentlich?" „Tas ist wohl nicht mißzuvrrstehcn. Ich frage dich, ob der Urheber der Brillantnadel, der Blumen, der Briefe und Bonbonnieren hier ist, da du nicht autwortetst, als ich klopfte, mußte ich selbst öffnen. Antworte mir jetzt. Ist er hier?" Fanny blickte etwas unsicher umher. Wi-
derstandslos entglitt das Spiel ihre« Händen. „Der?" flüsterte sie und merkte selbst, wie schlecht das klang. Er trat einige Schritte näher. „Hör jetzt mit dieser lächerlichen Konwdie auf. Fanny. Ich gehe nicht, bevor ich die Wahrheit erfahren habe. Hast du mich verstanden?" Fanny wußte nicht, was sie sagen sollte, wußte nicht, ob er ihrer Erklärung glauben würde. Gegen ihren Willen fing sie an zu wei- »en...„Toll ich deine Träne» als ein Geständnis ansehen?" Da weinte sie heftig und nervös— und, mitten unter Tränen und Schluchzen kam daS wahre Bekennmis... Er hörte ihr zu, während er sie unverwandt anblickte. Er verstand und begriff, daß sic die Wahrheit sprach, aber es wurde doch schwer, ihr die Unruhe und die Qualen all dieser Tage zu verzeihen. Schließlich sagte er: „Ich gebe zu, daß ich niich stark mit meiner Arbeit beschäftigt und mich nicht um dich gekümmert habe— aber setzr hast du mir ja eine teure Lektion gegeben— und dann ist da noch etwas— was du mir bis jetzt noch nichr erklärt hast, die Sache mit dem Beilchenstrauß, Fanny? Welche Erklärung hast du dafür? Ter gehörte doch noch nicht zu deinem Arrangement?" Ta lächelte Fanny matt:„Teu Beilchen- iirauß— habe— ich— von dem Abteilungschef im Kaufhaus bekommen— ein ekelhafter Kerl nebenbei— ich kann ihn nicht anssiehen
Ostern und der Osterhase. Ter Frühling weckr in allem Lebenden neues Sehnen und Streben. Darin begegnet sich der Mensch mit dem Tiere, und so erkläre» sich auch die engen Beziehungen, die diese beiden Welten an unserem Auferstehungsfeste knüpfe». Wir frenen uns des Erwachens zum Lichte. Eine jede Freude aber beftuchtet die Phantasie, und schon die vielen Frühlingslieder der Dichter zeigen uns, daß die Phantasie um diese Zeit besonders tätig ist. Gerade sie aber ist es, die sich schon seit frühester Zeit mit dem Tierreiche beschäftigte. Aus ihm entnahm sie das Symbol der Fruchtbarkeit, das Ei, und uinwob es mit ihrem Wunderglauben. Die natürliche Herkunft des Eies genügte der Phantasie schließlich nicht mehr; seine Entstehung mußte einen märchenhaften Anstrich erhalten. Nicht der Bogel durste es sein, der die Ostereier legte, sondern im Widerspruche zu den Naturgesetzen mußte es ein Säugetier sein: der Hase. Wohl seine außerordentliche Fruchtbarkeit, die ja schon den alten Germanen ausfiel, gab Veranlassung, daß-gerade die Wahl auf ihn fiel. In den ältesten mythologischen Vorstellungen unserer Vorfahren spielte der Hase bereits eine Rolle, die ihn mit den Frühlingsgöttern in nahe Verbindung brachte. Frau Bertha und Frau Holda ließen sich ihre Schleppen von Hasen halten, und wenn die hohen Franen nachts segnend durch die Fel»! der wandelten, mußten silbergraue Hasen ihnen brennende Fackeln voraustragen. Ostara, die Lenzgöttin, verwendete dagegen Meister-Lampe als Boten, und wie er als ihr-Herold die Wie-! dergeburt der Natur verkündete, so wurde er selbst zum Sinnbild der Geburt. Tatsächlich ist der Hase der Vorläufer des märchenhaften Storches. Aus dem Hascnteiche kamen nach dem Glauben der Harzbewohncr die neugeborenen Kinder, und in Schwaben ließ man sie sogar aus dem Hasenneste holen. Schon hier also legte die phantasierende Volksseele dem Hasen gleich' dem Vogel ein Rest zu, und von da bis zum Eierlegen war cS nur noch ein kleiner Tchritr. Allerlei Aberglaube knüpfte sich, andie Ostereier. Sie waren eben keine, gewöhnliche» Eier, und besonders die ani Gründonnerstag,