Feierab
Feierab
Dir. 21
Hinterhaltungsbeilage.
Geschichte einer Gefunde.
Bon Dinah Neiken.
Der Film lief zwei Stunden. Ungefähr schredt, ihre Schönheit entdeckte. Im Laufe in der Mitte erblickte die Frau im Parkett des ersten Abends versprach er ihr seine sich auf der Leinwand: Eine Frau steht auf Fürsprache, während der nächsten Woche einer Bride, beugt sich über das Geländer, eine Rolle in einem Film. Sie vermochte und eine Sekunde lang, eine einzige Se- nicht einmal mehr zu lächeln. tunde lang, ist ihr schreiendes, schon ent- ,, Das ist nicht wahr," sagte sie stodend schwundenes, schon vergessenes Gesicht er zu fennbar. Dann lief der Film weiter. Die Frau saß goaz still; ihre Hände waren naß geworden; sie dachte: Das ist alles?
Es kommt nichts mehr es ist alles herausgeschnitten! Ihre Schultern zitterten; es war ein langer Weg, der, aus der Dunkelheit des Theaters auftauchend, vor ihrem inneren Auge ablief, und den sie betrachtete wie das Schicksal einer Fremden, aber gleich ihr Verlorencn.
Mit einem Filmpreisausschreiben hatte es begonnen. Ihre blauon, vom hellen Blond der Haare verdunkelten Augen gewannen den ersten Preis; sie war zu hübsch, den Männern gefiel sie zu leicht, jo wurde sie ehrgeizig. Aus Grete wurde sie Margarete, später Marguerite, vergaß, daß sie in Apolda geboren war, und ging in ihre wirtliche Heimat: Berlin . Da jie gei zig war und die Unkosten neuer Anschaffungen fürchtete, nahm sie ihren Geliebten mit und lebte die ersten zwei Jahre in der fremden, durchaus feindlichen Stadt von feiner Arbeit, seinen Lungen, seinen Händen. Vor den Hilfsregisseuren der Film firmen verleugnete sie ihn genug, um Statisterie, zwölf Mark pro Tag, abzüglich der Stener, zu machen, zu wenig, um Rol
tren
1929.
einige Bedingungen zu erfüllen: Sie mußte Motorrad fahren lernen und sich neue Garderobe, eine Sportausrüstung und ein Abendlileid besorgen. Nach langem Flehent und stürmischen Versprechungen fand sie ihre Mutter bereit, ihr die Ersparnisse zu dem jungen Menschen, dessen fahles Geschicken, die ihr Krieg und Inflation nicht sicht in einem Rausch von Macht errötete. entreißen fonnten; die Schwester legte das Geld für ihre Aussteuer und ihre Segens „ Glauben Sie, daß ich Ihnen was vor- wünsche dazu. In einem Taumel von Seligs lüge?“ erwiderte er frech.„ Sie gefallen feit kaufte Marguerite ein und vergeudete mir eben." den Rest, indem sie sich satt oß; sie lebte in Sein Ellbogen berührte den ihren; sie einem Rausch, den nichts mehr zu zerstören verſtändigten sich ohne Worte. Noch immer vermochte: nicht die Nachricht vom traurimißtrauisch, gab sie ihm nicht mehr als gen Ende jener fleinen Ungarin, nicht die einen Kuß auf seine peinlichen, rötlich be- Feindschaft der Kolleginnen, nicht einmal wachsenen Wangen. Ralt in seinen schwa die Wahrnehmung ihres veränderten, chen Armen beobachtete sie ihn wie einen schlimm begnadeten förperlichen Zustandes, Feind; sie verfolgte ihn bis zum Atelier für den sie ihre Karriere verantwortlich hinaus. Dort war es auch, wo sie seine machen mußte. Und glücklich suhr sie in der Braut traf. Die schmächtige, fawarzhaarige glühenden Sommerhitze für vierzehn Tage Ungarin nannte sich selbst so. Wir gehen Aufnahme nach Brason, einem kleinen Derts seit drei Jahren zusammen," jagte fiechen, das nicht, wie gehofft und geglaubt, dies war ihr Stolz- und wenn sie von in Südfrankreich , sondern in einem hügeliihm sprach, bekamen ihre schönen Augen gen, jondreichen Winkel Mecklenburgs lag. jenes Feuer, dem sie ihre sichere Stenotypistinnenfarriere geopfert hatte. Nach der Arbeit begegneten sich die Frauen wie Katzen im Dunkel des Ganges .
„ Sie haben kein Recht, hier auf ihn zu warten", schrie die Schwarzhaarige. Und die Blonde entgegnete frech: Vielleicht mehr als Sie!"
Welche vierzehn Tage! Unfagbares Glück, bebende, zerreißende Spannung, stürmische Erfüllung, inbrünstige Arbeit und schönste Erholung im fleinen Streis gleich ihr Erwählter! Zwar brauchte sie weder das Motorradfahren noch die Abendtoilette; dafür aber durfte sie jeden Tag von neuem den Berg hinaufrajen, Angst im schweißüberBrücke ihr blantes Geländer in die Sonne
Indes kam der Mann sein Blick ver- ſtrömten Anilib, bis oben hin, wo die Ien zu bekommen. fie merkte, daß noch riet der Kleinen ihr Unglück. Sie weinte stieß, durfte sich darüber wersen und ihre laut wie ein Kind; und einmal schlich fie feine Begleitung, fein Schatten vor den Bureautüren, sein Platz neben dem ihren ihnen nach, faßte von hinten den als ihrer aufgeriffenen Augen dem schwarzen Auge im Kaffeehaus ihrem Fortfommen schadete, Feindin und schrie ihr schluchzend in das der Kamera zuwenden, durfte wieder hinerklärte sie ihm:„ Wir müssen uns tödlich erschrodene Geficht: Laffen Sie ihn ab, begleitet vom Operateur, und niedergrößte dramatische nen!" Er weinte beinahe und sie füßte ihn mir! Ich liebe ihn doch!" Ich geh ins brechend die legie, Szene ihrer Rolle in unzähligen VarianWaffer!" und versprach ihm für später das einzige, ten wiederholen, ausbauen und spielen, was sie ihm vorbehalten hatte: ihr Herz. Noch zitternd von diesem Auftritt folgte spielen! Manchmal regnete es, mal wat sie „ Wenn ich was sein werde", sagte fie, be- Marguerite dem Mann in sein Zimmer: falfa belichtet, die Chaussee zu staubig, der hielt ihre sämtlichen gemeinsamen Befiz- rosa Tapete, grüngeblumtes Sofa, Post- Regisseur ermüdet, meist aber drehten jie tümer und begab sich in die Einsamteit farten über dem Bett. Mit verzogenem wieder und wieder die Verfolgung, die ihres von feinem Lachen, feiner Zärtlich- Mund lächelnd und den Tränen nahe, eilige Benachrichtigung eines fern am Ende feit erhellen Zimmers. Im Kaffeehaus, fragte sie: Wo ist die Rolle?" weiße Handschuhe an den Händen und nichts im Magen, hielt sie die Augen so lange groß und findlich geöffnet, bis einer der jüngsten Regisseure, vom unverhüllten Sunger dieser gefräßig aufgetanen Augen er
„ Hier ist sie." Damit gab er ihr den Zettel, der sie in das Bureau der Filmgesellschaft bestellte, faßte zugleich ihre Schultern und zeigte ihr schrecklich nahe seinen Mund. Um die Rolle wirklich zu erhalten, waren
der Chauffee wartenden Landgendarmen, die kurze Szene, da sie um Hilfe rief und ihr Geficht zur Großaufnahme wuchs, und jenen herrlichen, endlosen Weg den Berg hinauf, dessen Staub echte Tränen in ihre geschminkten Augen trieb.