والوللا

Feierab

Nr. 22.

Unterhaltungsbeilage.

Bestie Kreatur.

Bon Dr. Colin Roß.

dem aus wir unsere Fahrt in das Never- Never rechnen. Nein, das Schaf lag im Sterben, und die grauenhafte Art seines Todes beindrudie uns doppelt, weil sich der Gedanke ausdrängte, daß dies auch unser Ende werden könnte, falls in der großen Einsamkeit uns etwas mit dem Wagen passierte.

Der bekannte Forscher Dr. Colin Roß ist vor furzem von seiner fast einein halbjährigen Auftralienreise zurückgekehrt. Die schönste Frucht dieser Fahrt ist sein von feinem alten Verleger Brodhaus gebrudtes Buch Der Unvollendete konti nent( mit 101 Abbildungen und einer Karte. Geheftet Mt. 6.30, Gauzleinen Mt. 8.-). Die Untersuchung des Problems Australien   bildet gegenwärtig vielleicht die Zuerst saben wir zwei große Vögel. In der Hauptaufgabe weltpolitischer Forschung. leeren Ebene hoben sie sich riesenhaft und dro­Dieser Erdteil, in dem eine im Verhältnis hend vom Horizont ab. Adler! Ein herrliches zu feiner Ausdehnung lächerlich geringe Bevölkerung von 6 Millionen Menschen wohnt, bietet für wenigstens 60 Millionen genügenden Nahrungsspielraumi. Jedoch fehlt den Australiern der Wille, ihren Kon­tinent zu besiedeln. Man verbietet jogar den olivfarbenen Europäern, besonders den Italienern, die Eimvanderung. Aber bald wird fich Australien   entscheiden müſ: sen, ob es ein weißer oder ein farbiger Erdteil werden will. Denn der Bevöl­terungsüberbrud in Süd- und Ostasien  schreit nach Explosion. Das Buch bringt außer diefen ernsten weltpolitischen Fragen ein fefelndes Mofait des australischen All­tags, bas vielleicht nur in solcher Berleben bigung frember Länder erprobte Feder des Verfaffers so bunt und nie ermüdend zu= sammensehen lann. Wir entnehmen dem wichtigen Wert, das tein an den Mensch heitsfragen von heute Intereſſierter unbe adytet laffen sollte, mit Genehmigung des

Bild! Ich hielt au, um die Kamera fertig zu machen. Aber die Adler ließen uns nicht heran­kommen. Ehe ich eine Aufnahme machen konnte, erhoben sie sich mit schwerem Flügelschlag. Nach einer Weile gingen sie wieder zu Boden und sahen böse und mißtrauisch zu uns herüber.

Verlags eines der vielen wirkungsvollen Moſaitſteinchen.

Mit dem Schaf hinter Charleville   fing es an. Nicht als ob wir nicht schon früher an toten Schafen vorübergefommen wären. Auf unserer Fahrt nach dem Lake Eyre   hatten die Gerippe verendeter Tiere am Wege gleich Meilensteinen längs der Straße zum Tode gelegen.

Aber das war lange her. In der Zwischen­zeit war all die Schönheit und Fruch.barkeit Südostaustraliens um uns gewesen. War die Fahrt von Brisbane   hierher zwar rauh und an strengend, auf schlechen   Wegen, es waren doch immerhin noch Wege, und sie führten immer wieder zu Farmen und kleinen Ortschaften. Außerdem fuhren wir längs der Bahn, die von Brisbane   nach Westen bis in die große Ebene vorstößt.

Nun aber war die Bahn zu Ende und mit ihr die Wege. Bestenfalls hatten wir eine Spur, der wir folgen konnten auf unserer Fahrt nach dent Norden quer durch den Kontinent, bis wir wieder an die Küste kamen.

Wir hatten sie bei der Mahlzeit gestört. Am Wege lag ein Schaf. Es hatte wohl vor Durst und Erschöpfung nicht weiter gefonnt, und die Adler hatten es angefallen. Sie hatten dem un­glücklichen Tiere beide Augen ausgehadt und be­gonnen, jeinen Kopf zu fressen, und die Schnauze bis an die Zähne und den blanken Kiefer abge­rissen. Bei lebendigem Leibe! Das bejammerns werte Geschöpf lebte noch. Ich erschral zutiefft, als ich sein Röcheln hörte und sah, wie sich sein Brustkorb in schwerem Atmen hob und sentte. Es war ein grauenhafter Anblick: das lebende Tier mit dem angefressenen, in einen blutigen lumpen verwandelten Kopf.

Rajch zog ich mein Mejjer, schnitt ihm die Rehle durch, und fühlte mich erleichtert, als mir das warme Blut über die Haut schoß und das Tier mit einem letzten Zuden verschied.

Eine unjinnige Wut auf die beiden Adler padte mich. Erst vor ein paar Tagen waren wir im Busch an einen Adlerhorst gekommen. Auf einem hohen Flaschenbaum war das Nest. In ihm saß ein junger, aber schon ziemlich ausge­wachsener Adler. Jedenfalls hatte er bereits völlig das Federkleid der Alten. Sei es mun, daß er sich noch nicht recht zu fliegen trante, jei es, was wahrscheinlicher ist, daß er noch nie Menschen gejeben und infolgedessen feine Furcht fannte, jedenfalls ließ er sich in feiner Weise stören, äugte neugierig zu uns herunter und spazierte auf dem Rand des Horstes auf und ab. Es wäre eine Kleinigkeit gewesen, ihn zu schießen, aber der Gedanke daran fam mir gar nicht. Ich freute mich an dem schönen Bild.

Wäre das Schaf übrigens tot gewesen, so Jest tat es mir leid, daß ich ihn nicht er­hätten wir wahrscheinlich nicht darauf geachtet, legt hatte. Aber die beiden grausamen Qual­jebenfalls es nicht als Martstein angesehen, von I geister sollten wenigstens daran glauben. Als

1930.

ob sie meine Absicht ahnten, flogen fie aber fo fort auf, als ich zum Wagen ging, um die Büchse zu holen.

Run, im Grunde fonnten ja auch die Abler nichts dafür, sie folgten lediglich der Weltord nung und dem Naturgeseh. Wenn mich daz qualvolle Ende der unschuldigen Kreatur so bis ins Innerfte empörte, so doch nur, weil es wie­der einmal die ganze sinnlose Grausamkeit der Natur enthüllte, die wir in unangebrachter Be. wunderung allweise und allgütig nennen. Mag sein, daß sie in unsern zahmen Breitengraden uns heute so erscheint, wo eigentlich nicht mehr die Ordnung der Natur gilt, da heißt es noch Tod und Zeugung, und zwar finnlos qualvoller Tod auf finnlos verschwenderische Zeugung. E ist die Lehre langen Aufenthaltes in den Tropen, daß es nicht heißen darf Zurück zur Natur", sondern Fort von der Natur, über die Natur hinaus". Naturgeses heißt Krieg, Menschgeſet das vielleicht einmal Wirklichkeit werden wird, heißt Friede.

Friede, Friede zwischen Mensch und Tier, schien in dem Buschgelände zu herrschen, in das wir am Nachmittag famen. Es war das reinste Känguruhparadies. Die Tiere waren nicht ein bißchen scheu. Sie saßen aufrecht am Wege, machten Männchen wie Hasen und ſahen halb neugierig, halb mißbilligend zu uns herüber. Nur wenn wir allzu nahe famen, hüpften sie davon, in großen Säßen, doch keineswegs in überstürzter Saft. Ihre langen, dicken Schwänze, die sie zur Balance waagrecht nach hinten streckten, wippien langsam und würdevoll auf und ab. Es sab mehr als komisch aus.

Ein junges Känguruh, halb jo groß wie Ralph, war so perplex über unsern Anblick, daß es völlig vergaß, rechtzeitig davonzuhüpfen. Es ließ sich ohne allzugroße Schwierigkeit fangen. Wir stellten fest, daß das arme Tier ein verletztes Bein hatte. Renate, die eine bewundernswert glückliche Hand mit Tieren hat, nahm es auf den Schoß, auf dem es sich bald so wohl fühlte, daß es gar nicht mehr wieder herunterzuwollen schien.

Aus der Zwickmühle, entweder das Tier in unserm überfüllten Wagen mitzunehmen oder die Kinder maßlos zu enttäuschen, die schon be­rieten, wo sie es in Berlin   unterbringen sollten, befreite mich angenehmerweise das Känguruh, indem es die erste Gelegenheit, wo Renate es locker ließ, benußte, um davonzuſpringen.

Auf eine neue Jagd konnten wir uns nicht einlassen; denn inzwischen war es zu spät ge­