-3->

Lebungsplaß zukünftiger Clowns.

Von Egon Erwin Nisch.

Kischs Rasender Reporter" er scheint soeben in einer Volksausgabe zum Preis von M. 2.85 im Sieben­Stabe- Berlag, Berlin . Wir bringen hier eine kleine Stizze aus dem spannenden Buch zum Abdrud.

Wenn ein anmutiges Schicksal nach dem Mittagessen in den Bois de Vincennes hinaus­führt, der kann sich auf der Insel Dumesnil mannigfach belustigen: er kann sich in einen der Büsche am Seeufer legen, auf den weichen Ra­ſen, und sich einfach seines Schicksals freuen. Oder er kann auch den Knaben zusehen, die aus dem Gymnasium direkt ins Gyninase hierherge­eilt sind, um unbeaufsichtigt und unkommandiert und unbekleidet( bis auf die Schwimmhoſe) zu

turnen. Oder kann sich der obbemeldete Glüd­Tiche an den unterschiedlichen Vergnügungsauto­maten ergößen, zum Beispiel am Elektrifierap­parat, dessen Strom allerdings sein eingangs er­wähntes anmutiges Schicksal aufkreiſchen läßt, damit die Aufmerksamkeit der vorübergehenden Herren erregt werde.

Auf einem Rasenplatz treiben dreizehn Bur­fchen in Hemdärmeln allerhand unvernünftiges Zeug. Der eine versucht, auf einen werten Freund hinaufzukleitern, ein anscheinend noch werterer Freund zieht ihn am Hosenboden und fällt auf den Allerwertesten. Einer läuft auf den Händen, überschlägt sich aber plöslich und bleibt nach einigen verzweifelten Zudungen leb­los liegen. Anlauf zum Sprung nimmt ein Dritter, stolpert dabei und stürzt hin. Anfangs glaubt der Paſſant, einige besonders ungeschiäte Parterregymnaften vor sich zu haben. Es stellt fich jedoch bald heraus, daß die jungen Männer den Ehrgeiz, Akrobaten zu werden, einmal be­sessen haben mögen, aber nun von einem ander ren beseelt sind. Ihre gekrümunte Haltung ist Absicht, ihr Gang mit durchgedrückten Knien ist Absicht, und Absicht ist ihr Stolpern und Lie­genbleiben. Man erkennt es, wenn sie bei einem Sturme mit Fistelſtimme Ohlala" rufen oder sich hinten an den eigenen Beinkleidern wieder in die Höhe zu ziehen versuchen: die Dreizehn ahmen Zirfusclowns nach.

Das hier ist ein Schießgewehr. Das habe ich.. ich felbft meinem Jungen gekauft. Da mit hat er gespielt. Damit hat er englischen Sprache und mit großem Ernst. Aus fich unmerllich die Liebe aus feinem der inneren Stadt sind sie in der Mittagspause Herzen hinausgespielt. Damit hat er schießen mit der Untergrundbahn hierher nach Vincennes gelernt. Mein Sohn ist gefallen. Er ist tot. Ich gefahren, drei Viertelstunden nimmt die Reife bin fein Mörder... Vaterstol Ruhmsucht, hin und zurüd in Anspruch. Eine Stunde lang Gedankenlofigkeit und Gewohnheit haben mich fönnen sie üben. Sie sagen, daß sie das zum zum Mörder werden laffen. Und doch habe ich Sport tun. Aber aus Sport fann man wohl nur getan, was auch ihr getan habt... Ich einen Sportbetreiben, aber nicht die Parodie frage euch: Ift der lein Mörder, der ein un eines Sports. Und sicherlich wird jeder von ihnen schuldiges Kind so erzicht, daß es erst zum Mörder eines Abends dem Buchhalter die Ladenschlüssel werden muß, bevor es selbst ermordet wird?.. hinwerfen und in einem Vorstadtzirbus als Es gibt heute in Europa leinen Menschen Diener Beschäftigung suchen, dort wird ihn der mehr, der nicht ein Mörder wäre!... Wir Glown als Zielscheibe seiner Wise bald heraus- ind verblendet und Mörder, weil wir den Gege gefunden haben, und einst wird kommen der er anker uns suchen und zu finden glaubten. Tag, an dem der heutige Geschäftsdiener in In uns selbst ist der Feind!... Wir dürfen grelljeidenem Narrengewand, die Regellappe uns nicht länger belägen und sagen: Nur der über weiß gepudertem Gesicht und kugelglattem Zar, der Kaiser, der Engländer find schuld... Schädel, in die Manege tappt. Er wird kein so Ich bin schuld... Und du bist schuld. berühmter Clown werden, wie Little Pitch oder und du und du... Denn auch wir hatten... sie Liebe vergessen. Chaplin oder Mr. Chocolade oder die Frattelini oder ein anderer der Großen, in die Paris popu lär sind: die können das alles wirklich, was sie parodieren, die sind gewiß schon als zweijährige Kender von Papa den Zirkusgästen vorgeführt Die Liga gegen den Anstand" schlägt vor, worden und kennen ihr Bublikum und bringen ihm, was es will. Doch die dreizehn Handlungs- in jedem belgischen Badeort eine Statue in diener find gelernte und geborene Handlungs- einem behördlich genehmigten und beglaubigten diener, und was sie hier allmittäglich am Ufer Badeanzug aufzustellen, an dem die Badegäste

Schau stellen dürfen? Das belgische Straf gesetz enthält keine Paragraphen gegen Sonnenbäder....

des Dumesniljees im Bois de Vincennes tun, studieren können, wie ihre Badetoilette auszu­

iſt nichts als eine mehr oder minder gute Kopie sehen hat. Mit einem melancholischen Stoj­abgebrauchter Brkusscherze, von denen dreizehn feufzer schließt der Ausruf: Aber werden wir denn überhaupt noch Badegäste haben?" auf ein Duhend gehen. In allen Schichten gibt es Sehnsucht nach Sieger in dem Streit werden die Ge Kunſt. Der Arbeiterſohn hat oft den Ehrgeiz, schäftsleute sein. Alle Sitte unterliegt wirt­ein berühmter Koch zu wreden. Der junge Ge- schaftlicher Entscheidung. schäftsdiener will es zum meisterhaftesten Afro­baten bringen. Und der Gymnasiaft träumt da- Chefcheidungen im alten Rom von, unsterbliche Dramen zu dichten. Nichtsdesto­weniger wird zumeist jener Arbeitersohn nicht mehr als ein Kellner in einem kleinen Gasthaus, jener Geschäftsdiener nur ein Clown im fleinen Zirkus und jener Gymnaſiaſt bloß ein Repor­ter, der über die kleinen Clowns einen Artikel

von fünfundachizig Zeilen schreibt.

Die ,, Liga gegen den Anstand"

Wenn sie müde find vom Handstand und Man ist in den belgischen Badeorten sehr vom Hinfallen, dann holt jeder seinen Hut von moralisch, so moralisch, daß die Prüderie der dem Kleiderhausen, neben dem sehr viele große Behörden die ausländischen Badegäste größten Geschäftsschlüssel liegen, und sie werfen den teils vertrieben hat. Amerikanerinnen, Französ Charpeau melon in die Höhe, um ihn mit dem finnen und Engländerinnen gehen lieber nach Kopje aufzufangen, ohlala! oder lassen ihn den Biarritz , Deauville , an den Lido, oder nach Ari hinabgleiten und fangen ihn mit der Fuß Juan les Pins , wo sie ihre Reize in freige­fpitze auf, ohlala! Zwei proben die Parodie des bigeren Badekostümen zeigen können. Die neu­Boykampjes zwischen Clown und dumment Au- gierigen Männer folgten natürlich dahin, wo gust: wie der Clown nach jedem gelandeten es was zu sehen gibt. Damit sind aber die Hieb stop" ruft und der gerade zum Stoß aus Hoteliers, Ladeninhaber und andere Leute, die holende Auguſt daraufhin die Arme hochheben von der Badesaison leben, keineswegs einver­muß, bis der Kampf in eine Prügelei ausartet standen. Man hat daher in Ostende eine Liga und schließlich damit endet, daß die beiden Cham - gegen den Anstand" gegründet. Der Aufruf pions weit voneinander entfernt auf der Erde dieser wahrscheinlich einzigartigen Gesellschaft liegen, beide halbtot, nur noch unsäglich matt lautet: mit den Händen in die Luft schlagend. Zwei andere spielen die Dusszene, in der sich der dumme August mit dem Clown ,, telephonisch" unterhält, wo ihn der Clown um hundert Fran­fen anpumpi; da hört er plötzlich zu hören auf, der Apparat funktioniert nicht mehr, ohlala! Und was der infantilen Scherze mehr sind, die uns im Zirkus so gefallen, weil sie eben infantil find, derart überraschend blödsinnig, daß man lachen muß.

Die dreizehn jungen Leute sind samt und fonders Handlungsdiener. Sie sind Pariser und lernen biese alten Manegewiße im Tonfall der

sehe, die den Römern eine Trennung der Ehe Im alten Rom gab es die Zwölftafel- Ge­in zwingenden Fällen gestatteten. Es ist jedoch wenig bekannt, daß die Römer von dieser Ein­richtung Gebrauch gemacht hätten. Keiner der lateinischen Schriftsteller berichtet über geschie­

dene Ehen, und man ist im Laufe der Jahr­hunderte zu dem Schlusse gekommen, daß die

Römer die Ehe keineswegs für das wichtigste Ereignis ihres Lebens hielten. Indessen haben die Forschungen der letzten Jahrzehnte doch einige positive Berichte ans Licht gebracht. So steht der Name des ersten Römers, der sich auf Grund der Gesetze scheiden ließ, fest: er hieß Spurius Carvilius Ruga. Die Beweggründe seines damals noch aufsehenerregenden Schrit tes waren durchaus vernünftiger Natur; es gibt mehrere Quellen, die über diesen, als den ersten Fall einer Ehescheidung im alten Rom berichten

Später löste man Ehen aus ziemlich nich tigen Ursachen. So ließ sich C. Sulpicius scheiden weil seine Gattin mit unbedecktem Kopfe auf die Straße gegangen und gesehen worden war. Antistius Vetus verlangte Schei­dung, weil sein Weib mit einem Freigelassenen Manche Bürgermeister unserer Bade-( früheren Stlaven) gesprochen hatte; das Weib orte fordern, daß der Strand wie eine Kirche des Sempronius Sophus hatte allein das aussehen soll. Zuviel Anstand ist ein Luxus, Theater besucht. Cicero, der Vater der Be­den wir uns nicht leisten können. Er kostet redsamkeit, trennte sich von seiner Frau Teren­uns eine Menge Geld und wird uns in 3u- tia, weil sie während seiner Abwesenheit das funft noch mehr losten; denn diese lächerliche Saus nicht sorgfältig genug verwaltet und vor Brüderie vertreibt alle Ausländer. Wie allem zu viel Geld verbraucht hatte. Von fann man erwarten, daß Fremde zu uns seiner zweiten Frau wurde Cicero gleichfalls kommen und sich in unseren Badeorten wohlgeschieden, weil sie sich über den Tod Tullias, fühlen, wenn sie nicht von ihrer männlichen feiner über alles geliebten Tochter, zu freuen und weiblichen anatomischen Beschaffenheit schien. Auch Cäsar und Pompejus ließen sich soviel zeigen dürfen, wie sie in anderen in- von ihren Frauen scheiden. ternationalen Badeorten ungehindert gur

6. 5.