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الملل
Feierab
Feierabe
Nr. 38.
h
Enterhaltungsbeilage.
3wei Galgenvögel.
„ Herrlich! Oh, wie ist das köstlich...!" sagte Pit vor sich hin mit jener Stimme, die jich der Einfame bei seinen Selbstgesprächen auf der Landstraße angewöhnt: eine Stimme, die Zeit hatte und jedem Ding gerecht wurde, in Liebe oder Staunen, in Haß oder Verachtung. Liebend und staunend zugleich flang sie jest.
Bon Lorenz Strath wit.
Nach einer halben Stunde kam ein Wärter, brachte eine dice Suppe, Brot und Wasser. Vorzüglich!" lobte Pit und bat um ein Streichholz. Ich habe noch eine Zigarette." Rauchen verboten!"„ Auch gut!"
Er ließ es sich schmeden. Allmählich wurde es dunkler um ihn. Durch die schräge Holzblende seines hochgelegenen Fensters jah er noch ein Stüd rotbraunen Himmel. Er stredie sich auf seine Pritsche und winkte zum Fenster hinauf:„ Gute Nacht, liebe Sonne! Morgen bei
Er stand am Rande des Buchenwaldes, dessen Saumstämme rot übergossen waren von der schrägen Sonne, die nach strahlender Tagesarbeit in freundlicher Emfigkeit noch eine Ueberstunde machte, in der sie zwischen gold- alter Gesundheit!" gerandeten, zarten Wolfeninseln hindurch Ströme von Purpurlicht über das Land ausschüttete.
Zu seinen Füßen, frisch wie ein neues Holzdorf aus der Spielzeugschachtel, lag ein Städtchen mit weißen Mauern und roten Dächern, sorglich in eine dunkelblaue, rosa durch hauchte Bergmulde geschmiegt. Weiß wie ein Strahl führte eine schnurgerade Straße aus dem Städtchen in die Bruchebene, über welcher die Nachnebel zu steigen begannen: den Geistern verjunkener Wälder Bersted zu sein.
Bit stand in einem Feuer aus Gold. Die roten Stämme trugen ein Kronendach aus golbenem Schaumgeriesel. Ab und zu tang'e ein Funke um ihn, wenn ein Blatt geräuschloß herabtaumelte. Er sah die pruntende Folie um sich und winkte der sinkenden Sonne zu:„ Den Bettler grüßest du und machst ihn zum König."
Fast ungern riß er sich von dem Bilde los. Er ging mit weit ausgreifenden Schritten hinab in die Stadt. Hier wurde der stille Jubel in ihm bald gedämpft, als er angehalten wurde: „ Wer bist du, woher kommst du, wohin willst du und was just du?"
Er zeigte feine Papiere. Der Landjäger prüfte umständlich und mit Wichtigkeit. Haft du Geld?" Pit drehte wortlos die Taschen um. ,, Also fechten?" knurrte der Landjäger drohend. Wenn sich niemand findet, der mich adoptiert für diese Nacht, dann gewiß!" gab Pit mit Gleichmut zu.„ Es findet sich einer. Komm mit!"
Bit folgte und wußte, wer sich fand.„ Ihr habt erstaunlich viel Freiquartiere, hier," jagte er heiter, als ihn sein Betreuer in die Zelle Nummer dreizehn führte. Und doch nicht genug für all das Gesindel." Wie recht ihr habt!" rief Bit seufzend aus. Ju der Beziehung herrscht Wohnungsnot gerade für die, die in Palästen wohnen."
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Das Rotbraun zerschmolz und wurde zu einem durchsichtigen Schwarzblau, aus dem bald die goldenen Punkte der Sterne zu flimmern begannen.
Gerade wollte er in das Gebiet der gerechten Schläfer einziehen, als er aufhorchte. Da jang doch jemand nebenan, Wand an Wand mit ihm! Eine helle Stimme! Er horchte eine Weile und nidie anerkennend: Das flingt ja recht jung und unbekümmert."
Seine Müdigkeit verslog. Er sprang auf und Klopfte heftig an die Tür.„ Hallo, wer ist der lustige Zeisig nebenan?"
Die Stimme schwieg jäh. Er wiederholte seine Frage. Ein etwas zaghaftes„ Wer ist ba?" fam zurüd.
Jch, Pit, der Landstreicher, der Galgen vogel, der König der Bettler!"
"
Was? Ich verstehe kein Wort."
„ Der Herrgott und ein Baumeister schufen eine Tür zwischen unseren Zellen. Leg dein Ohr dagegen, freundlicher Geist dieser Nacht, und laß uns plaudern."
Nun lagen Wange und Ohr zweier Men jchen, die sich nicht kannten, an den Bohlen der Zellentür. Bit fragte:„ Warum bist du da drin?"
„ Ich habe einen Mord begangen", tam es luftig zurüd.
Teufel! Einen was? einen Mord?" Es ticherte auf: Ja, ein Huhn hab' ich gestohlen und gemordet."
„ Das tut man auch gewiß nicht!" „ Wenn man Hunger hat...?" Bist ein armer Teufel. Wer bist du?" „ Ich?- Ich heiße Gaby." „ Gaby? Ein verteufelt feltener Name." " Man braucht ihn beim Zirkus."
Was? Bist du im Birkus? Bist du Kunstreiterin?"
"
1930.
,, Nein, ich bin die telepathische Rummes. Aber es ist alles Schwindel."
,, Richtig. Bis auf die Sonne ist alles Schwindel. Bist du deshalb hier?"
bin
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,, Nein, wegen des Huhnes. Bom Zirkus ich durchgebrannt." „ Und warum das, Gaby?"
Eine Weile blieb es still. Dann tam e langgedehnt:„ Oh, weißt du, da... da war ein Kerl, so ein Kerl, weißt du, der..."
" Ich verstehe, Gaby. Brauchst nicht weiter zu erzählen. Ein Sterl ist ein Kerl." Er schwieg und dachte nach. Dann fragte er leiser als vorhin:„ Gaby, du bist wohl noch jung und... und auch wohl recht hübsch?"
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,, Und du?" kam es selbstbewußt zurüd. ,, Deine Frage ist ein großes Stück Einbil dung. Sei es! Du bist ein Weib. Wie ich bin? Groß, breit in den Schultern, eng in den Hüften, Haar wie Gold, haha und Augen wie Stahl, gesunde Zähne und ewig lachender Mund. Alter? Ich vermute gerade passend für dich."
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Pit, dann bist du ein wahrer Ausbund an Schönheit. Und ich, ich bin das Gegenteil!" So häßlich?"
Sie lachte auf:„ Nicht zum Ansehen!" ,, Welches Glück, daß die Tür zwischen uns ist." Nach einer Weile begann er wieder:„ Am Zirtus muß es recht luftig sein? Paß auf, ich werde dir eine Probe von mir geben. Ich will alle Tiere nachahmen, die du nennst."
Nun begann die Unterhaltung der beiden außerordentlich lebhaft und ausgelassen zu werden. Pit war ein ausgezeichneter Imitator. Ein übers andermal rief Gaby: Bravo ! Das ist ausgezeichnet."
Ich wette, hier haben sie noch keine so reichhaltige Menagerie gehabt."
Wo hast du das gelernt?" ,, Von den Tieren, die mir auf der Landstraße begegneten."
Nach einer Pause sagte sie plöglich:„ Weißt du, wir können uns zujammentun. Du würdest bielleicht ein guter Exzentrit, und ich würde dir assistieren. Ich hab eine gute Stimme."
„ Das hörte ich..."
Da jich nichts mehr bei ihm regte, pochte fie und fragte:„ Bist du noch da, Pit? Hast du gehört?"
Ja. Ich überlege schon. Hm, meinst du wirklich?"