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und er ging zum Kuhner. Dem Maurerpolier[ Bierkrug, auch das mit großer Geste, zu ergrei- Seine Lunge hielt durch. Sie war zuverlässig Brudner waren im Krieg drei Söhne erschossen fen, tief zu trinken. wie eine Maschine, das kostbarste Gut der worden, einer an der Somme, einer an der Einmal sprach er von dieser traurigen Ber- Partei, der Führer betreute sie. Bei jeden sei­Aisne, einer am Isonzo  , der vierte war in den liner Regierung, die gegen die berechtigte Emner Reden mußte Konrad Stolzing zugegen jein, Karpathen verschollen. Die Kirche hatte für den pörung des Volles keine andere Waffe habe, als der Hofschauspieler. Vor dreißig Jahren hatte schimpfenden Alten keinen Trost, als daß Gott  , ein Ausnahmegesen. Wir wahrhaft Deutschen  ", der als Romeo, eine Figur des Bühnendich­wen er liebe, züchtige. Der Maurerpolier Brud  - rief er, wenn wir an der Macht wären, wir ters Shakespeare  , als Ferdinand von Walter, ner fand besseren Trost bei Kuhner. Die Hofrätin brauchten kein Ausnahmegesetz." Was würdet eine Figur des Bühnendichters Schiller, die Beradt war zwar ihre unwillkommene Mieterin denn ihr tun?" rief eine wohlflingende, senore Münchener begeistert. Vor fünfzehn Jahren Stimme dazwischen. Rupert Kuhner schwieg war er ins Charakterfach übergegangen, jezt einen Augenblid. Dann in den lautlos ge- widmete er sich nunmehr der künstlerischen Aus­spannten Saal hinein, leise, mit einem träume- bildung des Nachwuchses. Ein glücklicher Stern rischen Lächeln, sagte er: Wir würden unsere hatte den Staatsmann Kuzner und den Künst­Gegner legal hängen lassen." ler Stolzing   zusammengeführt.

Anna Elisabeth Haider durch deren Ableben losgeworden. Doch auch ihre späteren Mieter trieben Ungebühr aller Art, lärmten, empfingen zweideutige Besuche, kochten verbotenerweise im Bimmer auf elektrischen Apparaten. Mußte jich eine anständige Wittfrau das bieten lassen? Sie mußte es. Sie konnte sich des Gesindels nicht entledigen: infolge der gottlojen Mieterschutzge­

Es machten aber die wahrhaft Deutschen  

zweiundsechzig Prozent.

Der Führer hielt seine Rede noch in drei vier Prozent der Bevölkerung aus, vierunddrei anderen großen Bierfälen: im Spatenbräufeller, im Münchner   Kindlfeller, im Arzbergerfeller. jete. Der Führer, hoffte sie, wird Ordnung Big Brozent waren neutral: die Gegner waren Dreimal noch marschierte er, prunkvoll geleitet von seinem Stoßtrupp, durch Bierdunst und Geschrei. Dreimal noch tat der Schauspieler feinen Zwischenruf und lächelte Rupert Kuzz­ner, wie Hamlet- Stolzing gelächelt hatte auf der Bühne des Münchener   Hoftheaters. Drei­mal noch, während er auf die Fahnen mit dem Hakenkreuz wies, prophezeite er, man werde nach Berlin   marschieren noch vor der Baum­blüte". Noch vor der Baumblüte", scholl es zwölftausend Münchenern dräuend, lieblich, ver­lockend in die Ohren. Noch vor der Baum­blüte", grub es sich zwölftausend Münchnern

schaffen. Herr Joseph Feichtinger, Gymnasial­lehrer am Luitpoldgymnasium, war erst am Sfartorplay umgestiegen, wo er noch einen Ein­fauf zu tätigen hatte, statt am Stachus  . Er hatte nicht den für die Benuzung von Umsteig­fahrscheinen vorgeschriebenen fürzesten Weg ge­nommen und wurde bestraft. Er war in Ehren zweiundvierzig Jahre alt geworden: unter die jer Regierung wurde man bestraft. Er ging zum Kuzner. In Berlin   gingen die Mißvergnügten zu den Kommunisten; in München   flüchteten sie zum Hakenkreuz.

Der Rauch wurde dicker, Schweiß und size stärker, die grauen Tonfrüge undeutlicher, die runden Schädel röter. Endlich hielt, begleitet von den Fahnen, unter ungeheuerem Jubel, Rupert Kugner seinen Einzug, den sorglich ge­scheitelten Kopf geredt, marschierend zu der dröhnenden Blechmusik.

Alle im Saal lächelten jetzt, das gleiche, nachdenkliche Lächeln wie der Führer. Sie sahen ihre Gegner am Galgen hängen oder an Bäu­men, mit blauen, vorquellenden Zungen, der Lechner sah den Galizier hängen, den Käufer des gelben Hauses, die Frau Hautseneder die beiden Reisenden mit dem Staubsauger, die bei den Reisenden die Frau Hauseneder, und alle tranten tief und befriedigt aus den großen, grauen Krügen.

Und Rupert Kußner schmetterte seine Rede weiter. Rauch und Size fochten ihn nicht an. I ins Herz.

Eine Niederlage der Frauen.

Der Sieg der Mode langer Kleider- das| Veranstaltungen muß man" natürlich lange ist ein Sieg über die Vernunft und ist eine Nie- Kleider tragen! Und damit beginnt die Klassen­derlage der Frauen. Denn es ist nun nicht mehr fennzeichnung: Die arbeitende Frau kann natür­zu bezweifeln: das lange Kleid, das man für lich nicht vielerlei Kleider haben das Bureau­immer verschwunden wähnte, seht sich durch. Ein mädel muß auch ins Theater ein kurzes Kleid Sieg der Mode über die Vernunft. Also ein tragen außer es hungert sich das lange Sieg über die Frauen. Die Frauen unterwerfen Extrakleid allmählich zusammen. Man erkennt sich dem Unvernünftigen. die Dame" schon am Kleid schon an der Kürze des Kleides. Länge des Kleides, und die Arbeiterin an der

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Er sprach von dem Schachfrieden von Ver­jailles, von den frechen Advokatentricks des Franzosen Poincaré  , von internationaler Ber­schwörung, von Freimaurern und Talmud  . Was er sagte, war nicht unbekannt, aber es wirkte neu durch die Urwüchsigkeit des Dialektes, durch die Kraft des Vortrags. Voll Bewunderung dann und Ehrfurcht in der Stimme sprach er der Schönheit. Selbstverständlich werden auch Lang oder kurz das ist nicht eine Frage von dem italienischen   Führer Mussolini  , wie der nicht wenige der langen Kleider schön sein. Die sich kühn der Stadt Rom   und der Apennienhalb- albernen Anhängsel an den Seiten und rüc- immer, so wird es auch diesmal sein. Die ar­insel bemächtigt hatte. Seine Tatkraft, rief er, wärts, mit denen die Verlängerung des Kleides solle auch den Bayern   leuchtendes Vorbild sein, begann, waren es nie. Aber freudig begannen und er verhöhnte die Reichsregierung und pro- die Frauen Kleider mit solchen Anhängseln zu tragen. Denn sie waren eben modern! Nicht eine Frage der Schönheit war das:

phezeite den Marsch auf Berlin  . Malte aus, wie die verrottete Stadt den wahrhaft Deutschen  in die Hände fallen werde, ohne Schwertstreich,

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Freilich: es wird nicht dabei bleiben. Wie

beitenden Frauen und Mädchen werden schließ­lich doch die Mode der langen Kleider mit­machen. Sie werden diese Mode nachahmen,

wie fie bisher auch jede Mode nachgeahmt ha­ben. Das soll kein Vorwurf sein, keine An­

lage, nur eine Feststellung. Denn das ist wohl selbstverständlich, daß die Wandlungen der Mode bestimmt werden von den Besitzenden, von den Reichen. Genauer: sie werden bestimmt vom Modekapitalismus. Die Industrien, die sich mästen an den Wandlungen der Mode, ersinnen

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sich schon beim Anblick der heranziehenden echten langes oder kurzes Kleid. Sondern eine Frage Söhne des Volkes die Hosen bekleckernd. Es der Zweckmäßigkeit, eine Frage der Vernunft. war lautlos still, während er von dem Marsch Praktischer waren die Kleider, gefünder waren auf Berlin   sprach. Alle warteten, daß er einen sie und sie waren dabei doch schön! Und für bestimmten Tag verkünden werde. Allein der die arbeitenden Frauen und Mädchen ein be­Führer drückte sich nicht grob und klar aus wie ſonderer Vorteil der Mode der letzten Jahre: immer neue Variationen und wenn sie die die Kursnotiz des Dollars, er sagte es poetisch. Man konnte in dem Kleide, das man auf der Noch vor der Baum blüte", rief er, auf Straße trug, ach, für die arbeitenden Frauen dümmsten und albernsten sind, die Damen  " die Frauen mit dem exotischen Emblem weisend, it's ja nicht selten das einzige Kleid, das sie unterwerfen sich ihnen willig. Und ist erst die Mode wieder durchgedrungen in jenen Kreisen, bejizen! auch abends in ein Konzert gehen, werden diese Fahnen sich bewähren." 3 einer fünstlerischen Veranstaltung. Neti die sich selber für die beften" halten, dann brei. sahen die Mädchen und Frauen aus, auch intet sie sich auch bald aus, dringt in die Weite, erfaßt schließlich die ganze große Frauenwelt... den einfachen, schlichten und kurzen Kleidchen. Dann werden auch die Proletarierinnen Ja, das schien der Sieg der Vernunft zu Sklavinnen der neuen Mode. Nur wenn sie sein: Kein Mieder mehr! Kein hochstöckeliger, zu ihnen als neu" tommt, ist sie es nicht mehr, enger, die Füße verkrüppelnder Schuh mehr! ist sie dort, wo sie zuerst sich formte, schon ver­Einfachheit und Vernunft, Schönheit und Zwed- altet. mäßigkeit schienen auf der ganzen Linie gesiegt zu haben.

Roch vor der Baumblüte. Das war eine Verheißung, die sich den Menschen ins Herz grub. Die Leute lauschten benommen, glücklich. Der prächtige Schall Rupert Kuhners, seine be­wegte Mimit riß sie mit. Sie vergaßen, daß ihre paar Wertpapiere wertlos waren, die Ver­sorgung ihres Alters gefährdet. Wie dieser Mann es verstand, ihren Träumen Worte zu geben. Glückselig hingen fie an seinen Gesten, zwangen, wenn sie die Maßkrüge auf dem Tisch setzten, die schweren Finger zu besonderer Behut­samkeit, damit nicht das Geräusch eines der föst­lichen Worte übertöne. Manchmal hob der Füh­rer die Stimme, auf daß die Zuhörer merkten, jezt sei es an der Zeit, zu flatschen. Die Pause des trommelnden Applauses dann benuste er, ben Schweiß von der Stern zu wischen, den

Aber jetzt ist das lange Kleid wieder da. Und es ist gekommen- ja, es ist gekommen als Merkmal der Klassenzugehörigkeit! Denn das ist auch weiterhin statthaft: beim Tennisspiel furze Kleider zu tragen, überhaupt bei der Aus­übung des Sports, und fürzere Kleider als am Abend zu tragen, tagsüber auf der Straße aber im Theater, im Konzert, bei abendlichen

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Das lange Kleid das wäre schließlich noch nicht das schlimmste. Aber es wird ja nicht dabei bleiben! Nachdem die Modeindustrie ein­mal erkannt hat, baß sie den Frauen alles zu­muten kann, daß die Damen  " einfach machen, was ihnen ein paar Modekönige diktieren, wer­den sie nicht zögern, alles alte Gerümpel, alle alte Narrheit, die man für immer verschwun den wähnt, wieder hervorzuholen und den Frauen als Mobe" aufzuzwingen.

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