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Feieraberd

Feierabe

Nr. 45.

Ernst Glaeser , durch seinen ersten Roman, das aufrüttelnde Kriegsbuch, Jahjang 1902" rasch berühmt geworden, hat einen neuen Roman( Frieden", Berlag Gustav Kiepenheuer , Berlin NM 87) geschrieben, der zeitlich an das erste Buch anknüpft und die Ereignisse nach dem Striege, sowie das Schid­sal der deutschen Jugend in der Revolutions­seit an seinem eigenen Schicksal schildert. Das Buch wird über unsere Zeit hinaus Bedeu­tung behalten. Das folgende Kapitel behan­belt die Heimkehr des Vaters aus dem Felde.

Sinterhaltungsbeilage.

Heimkehr.

Von Ernst Glaefer.

meine Mutter einem Manne in den Arm fiel, der plötzlich aus der Dunkelheit trat.

Sie lag an der Brust des Mannes, hob leicht ihren Kopf. Willkommen!" rief sie, willkomm!"- aber der Wind riß ihr das Wort aus dem Munde und zerstreute cs in die Luft. Auch der Mann rief etwas, aber der Wind war stärker als die Stimmen der Menschen.

Ich trat zu der Gruppe und erkannte meinen Bater an der Nummer feines Regt­mentes. Er breitete die Arme aus und zog mich an seine Bruft. Meine Nase preßte sich an einem Uniformfnopf, die Brust roch nach Tabak und nach Branntwein, der Wind heulte und der Regen warf immer dichtere Schleier um uns.

Mein Sohn", sagte mein Vater, mein Sohn" er preßte mich troy Wind und Wetter noch einmal fest an sich, dann Iteg er mich los, faßte meine Mutter unter dem Arm und während wir mit aller Kraft gegen die atmosphärische Gewalt des Sturmes losmarschierten, hörte ich meinen Vater sagen: Feines Wetter habe ich mit gebracht, was?"

Zehn Minuten vor elf standen meine Mutter, Kathinka und ich auf dem Perron des Bahnhofes. Nur die Bogenlampe brannte, ihr Schirm war noch gegen Flieger angriffe geschwärzt, so daß das Licht in einem engen Regel auf den Boden fiel. Es waren wenige Minuten vor elf, als das Läutewerk anschlug. Ein Mann in mem blauen Mantel trat auf den Bahnstig. Er trug den Krogen hochgeschlagen, über dessen Rand die Spigen seine rostbraunen Schnurr bartes wie Stroh aus einem Spayennest herausragten. Unter den Arm hatte er einen Befehlsstab geklemmt. Spitz schlug der In der Unterführung blieben wir Regen wider unsere Gesichter. In der einige Minuten stehen, denn der jähe Bogenlampe surrten die Stohlenstäbe. Wir Bechiel zwischen Wind und Stille betäubte hielten unsere Regenschirme flach gegen den unsere Ohren. Mein Vater nahm die Ge­Wind. Manchmal stieß Sathinta entenlegenheit wahr, meine Mutter auf die Stirn Schrei aus. Der Wind war ihr unter die zu küssen, dann gingen wir die Stufen Röde gefahren. Neben uns stand der hinauf in das Gebände des Bahnhofes. Stationsvorsteher, als beaufsichtige er uns. Dort wartete Sathinta mit dem Sack. Er rauchte eine kleine Pfeife und seine Müge trug keine Kokarde mehr. Draußen, hinter dem Stellwert, ging das Signallicht auf Grün. Wir jahen die matt beleuchtete Schlange des Zuges.

Der Zug stand. Die Bremsen knieschten. Wir begannen zu laufen. Kathinka, die uns vorauslief, brüllte den Namen meines Baters. Ihr Schall flatschte im Wind, manchmal war sie durch eine dünne zähe Regenschlosse für Sekunden zugedeckt.

,, Er kommt nicht", hörte ich meine Mutter, aber wir liefen weiter. Der Wind Heulte und aus den Wagen pregte jich schmuziger Dampf. Plöglich hörte ich Sathinta rufen. Wir schossen vor und fanden sie vor dem letzten Wagen, fast am Rande dee Dunkelheit. Sie trug einen Sad.

Da ist er!" schrie sie und ich sab, wie

Mein Vater trat vor die Tür des Bahn­hoses. Ich folgte ihm. Ein schwerer Sturm hatte eingefeßt. Der Regen fiel in diken Schwaden. Im Westen jaben wir trop der Nacht eine gelbe Wolfe. Plötzlich zackte cin Blig den blauschwarzen Himmel, ein ge­wölbter Donner folgte ihm, vor uns auf dem Kopfpolster sprangen die weißen Kör­ner des Hagels.

,, Unmöglich", sagte mein Vater und wir gingen zurüd. Meine Mutter saß auf dem Sad. Um ihre feuchten Schultern hatte Kathinka ihren Schal gelegt. Meine Mutter lächelte, als sie uns jah.

Wir müssen warten, bis das Wetter vorüber ist", sagte mein Vater, das habe ich selten erlebt, ein Gewitter im Dezember.

Der Bartejaal war schwach beleuchtet. Zwei vote, müd gebrannte Birnen warfen

1930.

ein stumpfes Licht wider die trüben Wände. Die rechte Flanke des Raumes war durch ein Büfett abgeschlossen. Sein Nickelbeschlag war blau angelaufen und um die Biera hähne hatten sich Spinnen gesiedelt. Ein Seftkühler aus Blech und eine Sektflasche mit einem silbernen Stehbund um den Hals zeugten von der glorreichen Vergangenheit des Büfetts, das vor einem Jahre geschlos sen worden war.

Mein Vater nahm die Müge ab. ,, Nun, wie geht's?" sagte er.

Wir lächelten und gaben ihm keine Antwort.

" Ich bin glücklich, daß ich wieder bei euch bin", sagte mein Vater.

Meine Mutter antwortete: Endlich bist du wieder da." Darauf schwiegen sie und sahen sich an.

,, Es war eine schlimme Fahrt", sagte mein Vater ,,, allein vom Dünabogen bis zur deutschen Grenze. Aber dann ging der Schlamaffel erst los. Alle Züge verstopft und als Offizier war man überhaupt der letzte Dreck. Ich bin freiwillig dritter Klasse ge fahren, damit es nur feinen Strawall gab und ich habe meine Achselklappen furz vor Ber­ lin entfernt, denn dort ist der Teufel los."

,, Es ist überhaupt der Teufel los", sagte meine Mutter.

" Ja", antwortete mein Vater, ich bin froh, daß ich daheim bin."

Er steckte sich eine Zigarre an und b'ies den Rauch in steigenden Säulen in die Luft.

Schreckliches Wetter", sagte Kathinka. ,, Wir müssen durchhalten", antwortete mein Vater dann wandte er leicht den Stopf und sagte zu mir: Steh mal auf." Ich stand auf. Er führte mich an die weiß gestrichene Tür des Wartejaals, stellte mich mit dem Kopf wider die linke Strebe, legte einen Bleistift über meinen Scheitel markierte mit der Spitze des Bleistiftes einen Strich an der Tür.

und

" So", sagte er und schlug sein Notiz buch auf ,,, wollen mal sehen."

Er blätterte eine Weile, dann sah ich die Ueberschrift Familiäres". Hier hielt sein Finger auf einer Zeile, die nur Zahlen enthielt, es waren meine Größenmaße seit 1914.

Also zuletzt, und zwar am 8. Dezem