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RERERS.

Feieraberd

Feierabe

Dr. 46.

Enterhaltungsbeilage.

1930.

Das Auge des Polypen.

Bon Heinrich Hemmer.

Der Meeresarm von Hobart an der Frau Angst einjagen! War sie doch einmal australischen Insel Tasmanien , River ge- so wild Auto gefahren, daß sämtlichen nannt, ist ein Fischparadies. An diesem Männern im Wagen der Augstschaveiß von River besaß eine junge Deutsche eine große, der Stirne troff. Ein andermal war sie in herrliche Farm, eine Musterobstfarm. Oft einem so durchsichtigen Rock durch Hobart gingen wir fifchen, ich und dieje Frau gegangen, daß der puritanische Policemann ( Amalie), auf der gegenüberliegenden Seite te entiebt zur Rede stellen mußte.... der Farm. Dort hatte ein australischer Ree- Amalie, die der böse Blick zu faszinieren der ein Sommerhaus, eine Art steinerne schien, reizte den Polypen mit einem Stock. Fischburg erbaut, mit eigener Telephonlei- Das steigerte seine Wut aufs äußerste. Er tung nach Hobart und einer weit ins Meer sprite Tinte aus, verfärbte sich, und, da sie hinausreichenden sogenannten Jetty", einer nicht abließ, spielte er alle Farben, vom Landungsbrüde für seine Seejacht und seine Dunkelblau zum Blauroja, vom Grauen ins Motorboote. Gerade auf dieser Jetty" ist Fable, bis er wie eine bleiche Sülze dalag. es ideal zu fischen. Im dunklen Seetang Aber das giftige Auge war noch immer auf unter dem Stege schimmern Fische, Fische; die schöne junge Frau gerichtet, die schließ alle Formen, alle Farben, alle Größen, lich wie toll dem Bolypen die Arme abbieb. darunter riesenhafte, wohlschmedende Para- Der lebte Blick des Tintenfisches ich futer und freche, fleine stazenhaie. Um so erschraf- war ganz der des Reeders: Mr. einen Raßenhai zu fangen, spießte ich ein- Koppen. mal Salzfleisch an den Haken. Als ich hoch­zog, hing ein mächtiger Tintenfisch an der Angel. Der Polyp ließ sich ruhig an die Oberfläche ziehen, riß den Stöder ab und plumpste ins Meer zurüd. Zweimal, drei mal führte er das aus. Beim vierten Male verrechnet er sich. Die Hakenspiße erfaßte eine der Saugscheiben und der Fangarm fonnte nicht mehr loslassen.

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So zieh doch, du Schaf!" rief mir Amalie zu, die vor Erregung zitterte. Die junge Frau duzte mich seit dem Moment, da mich ihr Mann von Hobart herüber ge­bracht hatte. Kannst du auch richtig auf australisch fluchen?" hatte sie damals gejagt und mich ausgelacht, weil ich mich nicht ge­traute, ihr Rowdyworte ins Geficht zu jagen... einer Dame, die sogar zum Gouverneurball geladen war und die wahr haftig in allen fünf Kirchen des Ortes singen mußte: der anglikanischen, katholischen methodistischen und lutherischen.

Amalie zerrte an meinem Arme, bis der Polyp auf die Planken der Jetty flatschte. Da lag das Ungeheuer, ein hilfloser Geleeklumpen. Nur die Arme bewegten sich wie Schlangen auf Amalie zu. Und die böswilligen, verkniffenen fleinen Augen ver­folgten sie immerzu. Nie habe ich so viel Wut und Haß von einem Auge ausstrahlea sehen. Angsterregend, wie der Blid eines Todfeindes, eines Dämons, war dieser Polypenblid. Aber was fonnte schon dieser

,, Der ist nicht gefährlicher als du, du Schaf", rief Amalie und füßte mich auf den Mund.

Vier Jahre später wurde ich eine öde Baradeustadt im australischen Urvald ge­bracht: da lag die Erde zu Staub zertreten von den ruhelofen Schritten fünftausend friegsgefangener Männer, die wie wilde Tiere hin und her liefen. Ich stieß sofort gegen einen verwilderten Graubart mit rot­braunem, nacktem Indianerleib: Erwin", rief ich, was macht die Obstfarm, was macht Amalie?"

Die Farm", jagte er, founte ich zu einemt annehmbaren Preis nicht schnell genug losschlagen; da wurde sie zipangsver­steigert."( Ach, die schönen alten Obstbäume, die in Reih und Glied standen und ohne Gras dazwischen! Und die zwei Silberbäche, die sich im Farmgrunde trafen! Und die fernen Berge, die auf den fischreichen Meeresarm herabblicken! Und die ganze freie Seligkeit!)

,, Wem gehört jetzt alles, Erwin?" " Koppen".

Wir ruderten nach der Sandbank an unsre Uferfeite, nahmen ein Bad und gingen nach Kettering zurück, wo es nebst den fünf Kirchen eine Bar, eine Schmiede und ein Postanit gab außerdem alles weit und breit beherrschend, Amaliens Orchard: vierzig Erwin starb auf dem auf dem Transport­Acre herrlicher Obstbäume, zu denen noch dampfer, der ihn zwangsweise seiner deut­hundert Aere ungerodetes Buschland gehör- schen Heimat entgegenführte, an der spani schen Grippe.

ten.

Und Amalie? Was ist mit ihr geschehen? Ich erhielt dieser Tage einen Brief von ihr. Sie hat den Polypen geheiratet, Arme Amalie", sagte ich zuerst, als ich diese Nach­richt empfing. Dann sagte ich: Armer Kop­pen!" Amalie wird auch über dieses Un geheuer triumphieren, bis es in allen Far­ben spielt...

Schule der Liebe.

Es war gerade zur Zeit der Obsternte. Junge Leute, Liebespaare, Eltern mit Kin­dern hatten Obstpflückerzelte aufgeschlagen. Ueberall standen Bottiche von der Hobart Jamfabrit umher, wohin die herrlichen tas manischen Pfirsiche, Kirschen, Himbeeren und Birnen zu wandern pflegen. Auch die gelben Exportäpfel für London und Ham­ burg befamen ichon rote Bäckchen. Auf der Veranda saßen im braunen Gehrock Ama­liens nicht mehr ganz junger Gatte Erwin, ferzengerade wie ein preußischer Offizier, und der liftige kleine Koppen beim Whisky. Kop- Die Liebe hat zwei Erbfeinde ihrer pen hatte Amalie, die ihm kaum dafür Dauer, die sich meist verbinden um sie cu be­dankte, eine Winchesterbüchse und eine präch- friegen, sie unterzufriegen, um dann- eine tige dänische Dogge aus Sidney mitgebracht. Unwillkürlich blieb mein Blick auf der flo­bigen Hand des ehemaligen Matrofen haf­ten, auf der eine nadte Venus eingebrannt war: da fühlte ich einen stechenden Blick.

Von Diotima.

nene Liebe zuschaffen. Der erste Erbfeins ist die natürliche allmähliche Entspannung der polaren Kräfte, die in der Liebe ihre Vereinigung und Be friedigung suchen- und damit auch die ganze Ent färbung dieser Gefühlswelt, das Absinken des ,, Nimm dich vor Mister Koppen in Einzigkeitswertes, den der eine in den andern acht!" sagte ich beim Abschied, nachdem mich legte eben das Nachlassen der Anziehungs­Amalie nach der Dampferhaltestelle tut- kraft und ihver Magie. Man reibt sich e nes schiert hatte. Tages die Augen: war ich verhert? Warum bat