-

2

zeigte dem Kinde das blutbefleckte Taschen­tuch.

,, Das ist der Krieg," sagte er. Blut

ist das der Krieg?" rief verwundert das Kind.

" Ja...."

Langsamt rannen Tränen die abgezehr­ten Wangen herab.

Du weinst?" bemerkte der kleine Knabe.

" Ich weine über das, worüber du dich so sehr frenst."

,, Ueber den Strieg?"

" Ja." Und von neuem entflamnite er. ,, Der Krieg," erklärte er, das ist der Vater von Meriz, der sein rechtes Bein nicht mehr hat, das ist der kleine Gottfried, der feinen Vater mehr hat, das ist der Nach barssohn, der blind ist, und tausend, tausend mal tausend ähnliche Unglücke, die überall Kummer und Leid über Familien gebracht haben..."

Dann... dann dürfen wir ja nicht mehr Krieg spielen?" fragte das Kind, das zu verstehen versuchic.

" Ja...

Das Kind fann lange nach. Aufmerk­fant betrachtete es der Mann und suchte zu erraten, was in dem kleinen Köpfchen vor­ging. Endlich rief der Knabe:

,, Aber niemand würde mehr mit mir spielen, wenn ich etwas anderes spielen wollte!"

Eine Lesefrucht.

Drei Knaben sprangen aus aus einem schlossen, weil viele Leute darin befleckt wor­Graben hervor. Von neuem begann das den sind". Erstaunliche Scharen von Prosti­,, Tacktadtack". tuierten begleiteten jedes Heer und erschienen Der Verwundete aber vernahm nichts zu den großen Kirchenversammlungen. 1500 mehr. Sein Kopf war hintenüber auf die sollen auf dem Konstanzer Konzil  , 1800 in Rücklehne des Sessels gesunken. Er schlief. Basel   gewesen sein; auf dem Wormser Reichs­Die Sonnenstrahlen umspielten fein tag von 1521 soll gewesen sein ein Wesen, bleiches Antlih. wie in Frau Venus Berg   geherrscht hat". Mit Recht also läßt Gerhart Hauptmann   in seinem Till Eulenspiegel  ( 13. Abenteuer) einen Schwarm fäuflicher Frauen sich zum Konzil nach Wittenberg   drängen. In Ulm   wurde 1527 verboten, 12 bis 14jährige Knaben wei­terhin ins Frauenhaus( d. h. Bordell) zu lassen. Ein nach Köln   abgeordneter Gesandter präsentierte daheim in Frankfurt   einfach die Rechnung über den Besuch des Frauenhauses; Pararelsus( 1541) erflärt: Wisset, daß die Luxuria und die Venus so gewaltig nie ge wesen sind"( als heute). Markgraf Friedrich von Brandenburg hatte 1497 seine Fran­zosen" ärzte. Die Syphilis war sozusagen die Standeskrankheit der Studenten, der Gelehr­ten, der Kleriker, der Mönche, der Soldaten und Fürsten  ". Charakteristisch für die Zeit ist, daß sich niemand der Krankheit schämte.

Man schreibt und schreit heutzutage viel über die heidnische" Unsittlichkeit, die sich allerorten in wachsendem Umfange breitmache, und tut so, als ob die gute alte Zeit" eine Zeit höchster Ehrbarkeit gewesen wäre. Alls Gegenbeweis diene eine Darlegung, auf die ich in diesen Tagen in einem Buche Der junge Luther   als Genie", von einem Leipziger  evangelischen Pfarrer, Lic. Dr. Markgraf, stieß.

In Rom   duldeten die Päpste die gewerbs mäßige Unzucht und besteuerten sie. Die Syphilis herrschte weithin, und die Angst vor der Franzosen  " frankheit. In Frankfurt am Main   wurde 1497 die Rote Badestube ge­

Baron der Gtrolch.

"

Er heißt Baron  . Friedrich Baron. Sein, auf mich hetzen, oder den Gendarm, oder Schuhwerk hängt in Fezzen, er ist struppig, deinen Sohn, du Lump." Baron   stand auf. Dieser Schrei kam aus dem Herzen. wegmüde, hat das Leben wie einen Mühlstein Schenk mir einen Sechser", bat er. Mit öliger Der Verwundete hätte gern geantwvor um den Hals. Und heißt Baron  . Klingt das Geste bedauerte der Wirt, zog die Achseln hoch, tet, doch sein Kopf war jetzt schwer. Er fand nicht wie Gassenbubenspott, wie der Spigname zugleich aber flirrte Silber in seinem Hosen­nicht die Worte, die nötig gewesen wären, für einen Verbrecher? Er ist aber zu seinem fac. Sieh, du hast einen Ofen, der dich das Kind würde also weiter Krieg spielen, Namen so unschuldig wie nur irgendeiner ge- wärmt, ein Dach, das dich schützt, du hast dein weil sonst die andern, so versicherte es treu fontmen, die Mutter hieß so, der Vater täglich Brot, schenk mir eine Kleinigkeit." Der herzig, nicht mehr mit ihm spielen wollten. weiß Gott wie. Sein Gesicht ist quittengelb, Wirt zögerte. Hörst du, ich habe es satt zu Und wenn später einmal ein neuer Krieg die Haut brüchig wie Pergament, aus rotum bitten, gib freiwillig oder..." ausbricht, wird das Kind, zum Manne ge- ränderten Augen schreit es: Hunger! Drei reift, mit hinausziehen, weil niemand ihm Jahre stromert Baron   über die Landstraße, das Beispiel der Kriegsdienstverweigerung weiß ist das Haar geworden, graniten das das Beispiel der Kriegsdienstverweigerung Serz. Immer auf der Tour, immer einen gibt. Ach!... und was konnte er dagegen Fuß vor den andern setzen, da verliert die Freiheit ihren romantischen Zauber; Ekel, tiefen, tiefen Ekel empfindet man vor allemt: die von der Natur schwärmen, weil sie satt den Alleebäunten, der Landschaft, den Menschen, sind und ausgeruht.

tun?

Was konnte er persönlich denn noch? Er war so frank, und es ist schwer, gegen die Tierinstinkte anzukämpfen, die in den Kinderseelen erwachen.

Einen Augenblick lang verharrten beide schweigend.

"

Und so geschah es. Der Strolch hob seinen Knotenstod, der Sieb trachte auf des Wirtes Schädeldecke. Mit dumpfem Fall stürzte er zu Boden, aus seinem Munde floß Blut, seine Augen starrten gläsern ins Leere. Tot! Baron  taumelte, so überfiel ihn das Entsezen, das hatte er nicht gewollt, er hatte nicht zum Mör­der kräftige Mann eine der werden wollen. Wer konnte ahnen, daß eine so papierdünne Schädeldecke haben könnte, die mit einem Stoc­hieb nachgibt? Nun aber, da es geschehen war, nahm er dem Erschlagenen die dick gefüllte Börse. Er ist zum Raubmörder geworden, ex, der keiner Fliege je ein Leid zugefügt hatte.

Haß sitzt Baron   im Blid. Als er arbeits­los- wurde, verließ ihn sein Weib, die Not zer­Der Anfall hatte den Mann ermüdet. riß die Familie, so verachtet er die Welt und Er war ganz matt. In der letzten Nacht niemand hat ihn je weinen gesehen. Sein hatte er überhaupt nicht geschlafen, und jetzt Serz ist erfroren, erzählen sie. In einer Win­Am nächsten Morgen stellte ihn der Gen­peinigte ihn das Bedürfnis nach Schlaf. Er ternacht in heugefüllter Scheune ist er gestor- darm. Forderte Ausweispapiere, sah Baron  versuchte, gegen seine Müdigkeit anzufämp- ben. Ein leichter Knay, dann barst das Uhr- prüfend an, und da erleichterte der Strolch sein fen, aber sie war stärker. werk und hörte zu klopfen auf. Mein Gott, Gewissen. Ich war es", stöhnte er und legte ,, Sch spielen, mein Junge. Ich möchte so ein kleines Organ verträgt ja nicht viel. die Hände willig in das Eisen. Nach einigen etwas schlafen," sagte er schließlich. D, was hatte Baron für ein gutes Herz! Monaten Kerkerstille führte man den Mörder Das Kind umarmte ihn und lief davon. Steine Fliege hätte er zerdrücken können. Ja, vor ein Schwurgericht. Er war geständig und das macht die Not und die Philosophie. Erst deshalb schrieb die Presse: Der Angeklagte Auf der Straße spielten die Kinder. auf der Landstraße, frei von allen Bindungen, zeigte feinerlei Reue, er legte einen frechen Schreie und das Tadiadtad" stiegen auf beginnt man zu denken und zu erkennen, was 3ynismus an den Tag." Baron   erklärte auf und drongen zu den Ohren des Verwunde- es für eine Schmach ist, zu leben, und man die obligate Frage, ob er sich schuldig fühle, ten. Sein Wille hielt ihn einen Augenblick erkennt, daß die Welt aus zweierlei Menschen mit einem latonischen: Ich hatte Hunger, lang noch wach. Er dachte an die schwere besteht, denen, die Hunger und solchen, die meine Herren!" Was verstanden die vorneh Aufgabe der Gitern, eine Aufgabe, die sie feinen Hunger haben. Zwischen Hunger und men, gepflegten Leute im Talar da oben von überhaupt nicht erkennen und ahnen, oder Sattsein aber gibt es noch so manches, von seinen Nöten, was wissen sie von einem, der der offen ins Antlitz zu schauen sie sich dem sich schmaßende Bürgerweisheit nichts das Leben mitschleppt wie eine Bürde. Sie weigern. Ach, sie sind die Schuldigen! träumen läßt, es gibt eine Stala von Leiden, verurteilten ihn zu lebenslänglichem Kerfer Das Tadtadtad" tam jetzt näher von Pein in verschiedener Schattierung. und hoben als erschwerend besonders seine Herau. Die Kinder sprangen auf einer Den Knotenstock in der Faust, kam Baron   Ruhe hervor. Baron   erhob sich und dankte. benachbarten Wiese unher. Von seinem Sig ins Dorfwirtshaus. Der Strolch! Die Augen Dankte jenen, die ihn für Lebenszeit in vier aus fonnte er ihre Manöver überschauen. des Wirts suchten den Gendarm, der sonst table, talte Wände schickten. Er dankte und Er bemerkte feinen Neffen, der wieder zu ständig die Bierbank in der Gaststube wärmte. sie verstanden alle nicht, warum Baron, der dem kleinen lärmden Trupp zurückgekehrt Als er sich allein sah, wurde er ängstlich vor Raubmörder, dankbar ist, sie abuten nicht, Baron und reichte ihm eine Suppe. Scheiß- daß er ja das Leben wie einen schweren Mühl­,, Achtung!" schrie die kleine Stimme. fert" knurrte der struppige Geselle. Wärest du stein um den Hals trägt. Da sind die Deutschen  !" nicht allein, ich weiß, du würdest deinen Köter Ludwig Eldersch.

war.