Feierad

Feieraber

Nr. 6.

Unterhaltungsbeilage.

Die Schwarzreiter.

Bon Alexander von Gather- Majoch.

Das Zigeunervolk! Wir kennen sie nicht, und es ist schwer, sie zu erkennen. Und was wir über sie wissen, ist sicher vielfach zum Guten oder Böjen übertrieben und ver­zerrt. Diese ewig ruhelojen, von Ort zu Ort und Land zu Land streifenden Vagabunden, dieje geheimnisvollen, von den Wirtsvölkern durch einen kaum überbrückbaren Abgrund ge­trennten Menschen, denen, wohin sie auch tamen, ihr zweifelhafter Ruf vorauseilte, das Gefühl mit Neugier gepaarten Grauens her­vorrufend, wir fennen sie nicht!

Woher tommen sie?

Vor einem Jahrtausend tauchten sie in unserem Erdteil auf. Ein Nomadenvolt, wie die Hunnen und Madjaren, und doch in ihrer Wesenheit durch Welten von denen getrennt. Denn während jenen als Triebfeder zu ihren Wanderungen natürliche Umstände, das Auf suchen neuer Jagdgründe und Weidepläge, die Sehnsucht nach einer neuen Heimat und damit auch das unbewußte Symbol der Seß­haftigkeit diente, ist den Zigeunern der Be­griff Heimat fremd geblieben bis auf den beutigen Tag. Der Zigeuner ist heute wie vor Jahrhunderten: Triebkraft und ungebro­chen in seinen Instinkten. Er hat sich nie mit den Wirtsvölkern befreunden fönnen, die ihm naturgemäß feindlich gegenüberstanden.

Das einzige Bolt, das sich vollkommen raffenrein erhalten hat, weil es feine Ent wicklung fennt. Moral, Sitten, Religion sind für sie leere Begriffe. Sie sind die geborenen Ausbeuter und haben es seit jeber verstan­den, auf Kosten anderer zu leben Wo sie auftauchten, waren sie stets nur geduldet, für fürzere oder längere Zeit, und mußten dann weiter, denn sie taten nichts dazu, sich be­liebt zu machen. Wenn man aber beute vom Standpunkt des modernen Europäers ein Urteil über sie fällen will, so darf man nicht vergessen. daß alles, was wir ihnen an Un­moral. Grausamkeit, Gewinn- und Genuß sucht mit Recht zuschreiben, für sie Ziel und Lebensinhalt bedeutet. Der Zigeuner stiehlt aus Neigung um der Sache selbst willen. Er lügt um der Lüge willen, dem Zwange eines Ürinstinktes nachgebend, der sich durch die Jahrhunderte seines Wanderlebens rein und ungebrochen vererbt hat. Dabei ist er heute wie ebedem in das Netz finstersten Aberglaubens verstrickt, denn da er feine Entwicklung kannte, ist er so, wie sein Bater

1931.

Treue um die Beteiligten schlingen. Diese Art Blutgenossenschaften, deren Blütezeit in das 16. und 17. Jahrhundert fällt, stammt übrigens schon aus der germanischen Wan­derzeit. Auch hier gab es Blutsbünde, die sich zur Vollbringung einer besonders ge fährlichen Tat zusammenschlossen.

war und wie dessen Vorväter waren. Zigeu- der Blutmischung brachte eine Art geschwis ner"," Zigany", ist die gebräuchlichste Be- sterliches Verhältnis zustande und sollte bis zeichnung für sie. Unter diesem Namen sind zum Tode ein unzerreißbares Band der fie in der Wallachei, an den Ufern der Mol­dava, in Ungarn  , Siebenbürgen  , Italien  , Polen   und Galizien  , Desterreich und Deutsch  land bekannt. In alten Gerichtsaften des 15. und 16. Jahrhunderts bezeichnet man sie häufig als Aegypter, und man findet Ange­hörige ihrer Rasse in fast alle größeren Zauberei- und Hegenprozesse dieser Epoche verstrickt. In Deutschland   tauchten sie am Anfang des 15. Jahrhunderts auf. Sie fa­men über die böhmische Grenze unter An­führung ihres eigenen Kapitäns, Zigeuner­fönigs, und nannten sich selbst Aegypter. Sie erzählten die phantastischsten Dinge über ihre Abstammung, umgaben sich selbst mit der Glorie eines aus der Heimat vertriebenen Volfes, das vergeblich gegen seme Unter­drücker gekämpft hatte, und machten den Dorfbewohnern weis, in allen Künsten der Zauberei wohl bewandert zu sein. Auch nach Frankreich   tamen sie zuerst aus Böhmen  , daher bezeichnete man sie dort als Bobe­miens.

Die Zigeuner waren oft m der Lage, Freibriefe der Kaiser und Päpste vorzuzeigen. So erhielt der Zigeunerherzog Andreas, der mit tausend Anhängern nach Bologna   zog, vom Papst Martin V.   einen Schußbrief. Im Mittelalter finden wir sie in allen Zauberei und Herenprozessen und an der Spitze der wahnwißigsten Sexualverirrungen. Man darf aber nicht glauben, daß sie sich in jenen Zeis ten der Folter und Inquisition, in einer Epoche, in der selbst in den Kreisen der Be­güterten und Gebildeten der finsterste Aber­glaube herrschte, in ihren Verbrechen merk lich von dent dieser Zeitalter überwuchern­den Landstreichervolt unterschieden. Die Zia geuner, die berüchtigten ,, Schwarzreiter", die Wir wissen heute, daß sie keine Aegypter Kinder verkrüppelten und zum Wetteln aba waren. Die Urheimat der Zigeuner liegt in richteten, von denen Hab und Gut anderer Indien  , an den Ufern des Indus. Ueber- nicht einen Augenblick sicher waren, und die raschend ist die Nebereinstimmung vieler fähig waren, jedes Verbrechen im Dienſte Vorstellungen sexualplychologischer Art bei ihrer von Aberolauben durchsetzten Phantaie den andern und Zigeunern. Ihre Wande- zu begehen, standen in diesem Zeitalter des rung nach Europa   begann im 13. Jahrhun- Verbrechertums nicht allein. Wenn wir die dert und sie tamen mit den Scharen der zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts betrach Nachfolger Dichingischans. Sie brachen zuten, diese Hochflut grausamer Verbrecher und erst in die asiatische Türkei   und nach Per- Verbrechen, io wird uns vieles, was uns sien und Armenien   ein. Ihre Mehrzahl war und blieb Nomaden. Die bildeten im 15. und 16. Jahrhundert Räuberbanden, die an Grausamkeit alles überboten. Aus Asien  famen sie schon im 9. Jahrhunder: n. Chr. in großen Scharen nach dem westlichen Europa  . Sie wurden von Ort zu Ort ge­jagt. Immer wieder scharten sie sich unter eigenen Kapitänen und Zigeunerfönigen zu sammen und nahmen zeitweilig längeren Aufenthalt. Die einzelnen Mitglieder dieser Banden hielten in unverbrüchlicher Treue zueinander. Diesem selten starken Kamerad schaftsgefühl, das sie untereinander und auch mit dem in diesem Zeitalter blühenden Land streichertum verband, lag der Gedanke der Blutsbrüderschaft zugrunde. Das Symbol

heute an diesem Volk ohne Zeit und ohne Entwicklung ungeheuerlich erscheint, vers ständlicher werden. Eine ganze Zunft der Diebe, Mörder, Zauberer, Heren, Wolf­banner und ähnlichen Gelichters bevölkerre die Landstraße. Dazu Maximilians ent'affene Söldner, die die Alpenländer als Gartknechte ( garten betteln) unsicher machten und den Bigeunern an Grausamkeit und Blutdurst feineswegs nachstanden.

Diefes Volt wurde später mit allen Mits teln ausgerottet, in Heren- und Zauberers prozessen gefoltert und verbrannt. Was übrig blieb, mußte der Zeit weichen. Die Zigeuner aber blieben bis auf den heutigen Tag das Urvolt, daß sie waren. Sie wußten in allen Zweigen und Künsten der Giftmischerei Be