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ihr Kind, lächelt und schluchat, wenn alle Gedanken brutal über ihr reines Herz fegen. Es ist fühl. Manchmal erschauert sie. Sie sieht blaßgrün, schmerzdurchwühlt und wie von Glas aus. Ihre Augen hängen weit irgendwo an einem festen Punkte, als stände dort jemand, mit dem sie spricht.
hn nicht, obschon seine Mutter, die Königin, hn allzugerne photographiert gehabt hätte. Allein die alte Königinmutter protestierte da gegen, und da Schwiegermütter auch in die jem Teile der Welt ein bedeutsames Wort zu jagen haben, unterblieb die Aufnahme. Die alte Dame fürchtete, daß in dem schwarzen, unheimlichen Ding", der Kamera, das„ böse Draußen flirren die Lichterreihen der Auge" verborgen sein könnte, oder daß die das Pavillons der Anstalt vorbei. Wieviel Krant Schloß umgebenden Dämonen, durch die Vor- heit, Fieberglut, brütet dahinter, und wieviel bereitungen für die photographische Aufnahme Hoffnung! aufmerksam gemacht, den jugendlichen Prinzen Leute steigen ein. Gleichgültig. Geheizt. rauben könnten. Aus diesem Grunde wurde mit sich selbst beschäftigt. Dösen vor sich hin. auch seine Geburt für lange Zeit verheimlicht, Lesen. Rauchen. Keiner sieht das arme Weib, und noch Monate, nachdem der Thronfolger die Mutter, in diesem Mädchen. Einige brumbereits da war, soll die Königin tränenden men, fnurren, wenn sie über den Pappkarton, Auges geklagt haben, daß die Dynastie aus der neben der jungen Mutter steht, stolpern, sterbe, da der Erbe fehle. und bliden beleidigt, böswillig.
Inzwischen wurde der Lunch" aufgetragen. Als erster Gang tam eine dicke Nudelsuppe in Taffen, der fleingehacktes Fleisch beigemischt war. Sie schmeckte vorzüglich, und wir bekundeten unsere Hochachtung für die fönigliche Küche, indem wir uns die chinesi schen Tassen sechsmal nachfüllen ließen. Sierauf wurden kleine gebratene Fleischstückchen aufgetragen, die mit einer diden braunen Tunke und kleingeschnittenem Grünzeug serbiert wurden. Es soll eine Delikatesse gewesen sein, aber man mußte offenbar Kenner sein, um das Gericht entsprechend würdigen zu können. Zum Nachtisch erschienen jene herrlichen Aprifosen, für welche das Judustal bekannt ist.
Zwischen den einzelnen Gängen wurde Buttertee und Milch angeboten. Vielleicht wird ersterer dereinst eine europäische Delikatesse für ganz verwöhnte Feinschmeder werden; der gesunde Magen des gewöhnlichen Reisenden ist allerdings vorläufig noch nicht darauf einge stellt.
Nach dem Essen bejahen wir uns das Schloß, allein in dem großen Gebäude befinden sich kaum ein halbes Dußend Zimmer, die einigermaßen wohnlich eingerichtet sind. In der Hauskapelle standen Buddha- und Lamafiguren; die kleine Bibliothek war in einer Ecke untergebracht, und zahlreiche Tankas , Tempelfahnen, teilweise prächtige Stücke, zierten die Wände.
In den Zimmern, die Sodnam Namgyal bewohnte, ehe er ins Kloster ging, sind die lamaistischen Lebenssymbole an die Wand gemalt; einige bis in die Details fein ausgearbeitete Fresken zieren den Winkel neben dem verstaubten Altar. Aus allen Ecken und Enden jedoch gähnt einem die Armut entgegen. Das jährliche Einkommen des Königs beträgt rund viertausend Rupien, etwa siebentausend Franten, mit welcher Summe auch ein König von Westtibet weise haushalten muß, wenn er damit auskommen soll.
Als wir uns verabschieden wollten, hatte die Königin noch ein Anliegen. Sie erkundigte sich, ob wir ein wirksames Wanzenpulver hätten. Der junge Prinz soll von diesen kleinen Tierchen böse zugerichtet worden sein, sie hoffte jedoch, daß wir Abhilfe schaffen könnten. Ich bersprach ihr ein Fläschchen Kneatings Infect Powder", das wir mit uns batten, ohne es bisher jedoch zu brauchen.
Mater dolorosa.
Draußen ans der Großstadtgrenze, wo das Krankenhaus und die Entbindungsanstalt liegen, ist sie eingestiegen. Jest sist sie im Stra ßenbahnivagen und denkt an das Vergangene, an heute, gestern, an die Nacht, die schon angst voll durch die Straßen flutet, die ihre Seele, ihren Glauben verdunkelt. Hin und wieder weint sic, öffnet das braune Umschlagetuch, füßt
So geht es fort. Der Straßenbahnivagen saust. Näher kommt die Stadt. Leute steigen aus. Streifen mit faltem, hartem Blid die Gefallene.
Ja, weshalb hat sie das getan? Warum? hat sie doch selbst verschuldet; denkt jetzt die dicke Frau Oberpostsekretär mit den fireng frommen Augen und den Plusterbacken, die eben eingestiegen ist. Ob der entrüsteten, durch bohrenden, vornehmen Blicke sinkt das Mädchen ganz in sich zusammen. Weint still vor sich hin. Bei der nächsten Haltestelle geht ein„ Ach" durch die Fahrtgesellschaft. Man hat es zwar nicht gehört, doch man fühlt es. Sie rücken enger zusammen. Ein aufdringliches Parfüm schivingt zwischen den Tabakwolfen. Eine Dirne ist eingestiegen. Ein Mensch, der auch ein Verlangen nach dem Leben hat. Neben die junge Mutter fegt sie sich. Frech, tokett wiegt die Dirne ihren Kopf. Alles an ihr ist Herausforderung. Sie lächelt leise, hohnvoll. Mustert teď der Reihe nach die Schlachterfrau, die krampshaft bemüht ist, etwas Würde vorzustellen, die Gnädige, die verblüfft ihre Borgnette fallen läßt. Das junge Mädchen mit der guten Töchter- Pensionat- Erziehung und alle die wohlgenährten, tüchtigen Männer, die verlegen fortsehen und an ihren Bigarren fauen.
Blöglich strampelt das kleine Wesen unter dem Umschlagetuch und kräht. Die Mutter flüstert scheue, liebe Worte und wiegt und schaukelt. Das Freudenmädchen sieht sich um, betrachtet das junge Weib. Und die Augen, die eben noch frech, dunkel, lustig, herausfordernd waren, werden weich und gut. Es ist ein Schimmer darin, der an einen Sonnenstrahl erinnert, an eine schöne Blume. Auch die Dirne hat eine Stimme in sich, die„ Mutter" sagt. Ein Gefühl, das in ihre schreit und zerrt nach Gutem. Schönem. Das ihr lieber gewesen wäre, als sich zu verkaufen.
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Sie fängt an zu plaudern, zu fragen. Der bitter verächtliche Zug, der vorher unter dem abweisenden Lächeln saß, ist verschwunden. Rund, voll ist der Mund, der Ausdruck rein, froh.
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Die junge Mutter erzählt. Bruchstückweise, denn inzwischen weint sie. So lieb hätte sie ihn gehabt. Der Sommer war so lang, so schön gewesen. Dann war er fortgegangen. Fort! Er war gut ist gut. Nicht er Mich verlassen. Geredet Von Haus.. Die Eltern hinausgewiesen. Jetzt zehn Tage alt. Das Kind.- Arbeiten. Dann durch schüttelt sie ein Schluchzen. Sie weint unauf hörlich.
Zeigen Sie das kleine Wurm doch mal her!" sagt die Dirne mit einer Stimme, die seltsam bebt und einen eigenen Klang hat. wie ein Echo noch in der Stimme tönt. Zweifelud, furchtsam, gibt die Mutter der Dirne das Bündel. Die drückt es an sich, leise, behutsam, lacht und gibt schnell das Bündel der Mutter
zurück. Deffnet ihre Geldtasche und schiebt unter das Umschlagetuch einige Geldscheine. Bevor die Mutter sich von ihrer Ueberraschung erholen und danken tönnte... Klingelzeichen. Das Freudenmädchen steigt aus.
Bahnhof. Auch die Mutter steigt aus. Die Großstadtstraße heult entfest auf. Lichter peitschen auf sie zu. Menschen drängen, stürzen... Wer weiß? Auch die Dirne hat vielleicht so begonnen! Und...
Aber wer hilft?... Der Weg, der breite Weg! Wo ist der? Karl Brinkmann .
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Die wichtigsten Leute in der Welt.
Hinter jedent Mann steht der Knabe, der war, hinter jeder Frau das Mädchen. Die allerwichtigsten Leute in der Welt sind die Knaben und Mädchen in den Zehnerjahren.
Sie sind es, die alle großen Fragen des Lebens entscheiden. Welches sind diese großen Fragen? Sie betreffen nicht den Preistarif, Geldangelegenheiten oder Bürgermeister- und Präsidentenwahlen. Die großen Fragen sind: welchen Beruf wirst du ergreifen? Welches Mädchen wirst du heiraten? Was wird aus deinen Idealen? Was mit deinem Geschlechtstrieb? Was wird die Philosophie deines Lebens sein wirst du sinnlich, materialistisch, selbstfüchtig oder nächstenliebend sein? Wirst du das Recht lieben, die Schönheit? Ueber all diese Fragen entscheiden die Jahre unter zwanzig.
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Hast du über die seltsame Tatsache nachgedacht, daß das Glück diefer Welt in den Händen der Knaben und der Mädchen ruht?
Der Knabe ist es, der das Geschäft oder den Beruf ergreift, dem der Mann nachher zu folgen hat. Das Mädchen ist es, das den Gat ten wählt, mit dem die Frau ein ganzes Leben verbringen muß.
Und es ist das Kind, das die Religion bestimmt, der der Erwachsene angehören wird.
Fast alles, was der Mensch nach seinem 21. Jahre tut, besteht im Versuch, zu verwirklichen, was er vor diesem Alter geplant hat.
Cafars gesamte Eroberungen, Websters Beredsamkeit, Gladstones Staatskunst und Thorwaldsens Werke waren nur Auswirkungen dessen, was jeder von ihnen in seiner Jugend als Vision geschaut hatte.
Kein Mensch hat je eine große Idee gehabt, deren Spur nicht bis auf seine Jugend zurückzuführen wäre.
Und wir behandeln junge Leute, als ob sie und alles, was sie sagen, tun und fühlen, belanglos wäre. Wir sehen das Alter zwischen zehn und zwanzig Jahren als eine Art Zwischenspiel des Lebens an. Ihre Kindheit gehört uns, ihre Mannheit gehört ihnen die Jüng lingsjahre zählen nichts.
Doch was der Knabe in der Zeit des erwachenden Geschlechtsbewußtseins erlebt, und was da in ihm vorgeht ist von größerer Wichtigkeit als alles, was nachher geschieht oder vorher war.
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Du mußt feine falschen Schlüsse ziehen, du brauchst dein Kind nicht abzuschließen oder mit dem Löffel zu füttern, du brauchst ihm auch nicht die Freiheit zu nehmen, um es vor dem Schmerz zu bewahren. Du sollst nur eingedenk sein, daß Knaben und Mädchen gerade in den Jünglingsjahren mehr Liebe und Kameradschaft und Anteilnahme und Aufmerksamkeit bedürfen, als sie deren je bedurften und später bedürfen werden.
Die Jugend hält den unvergleichlichen Schatz in Händen, den wir übrigens verloren haben den über allen Preis erhabenen, begeisternden Schak- die Zukunft!
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