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Feierabend

Feierabe

Mr. 45.

Unterhaltungsbeilage.

Hus muß sterben.

Noch viele deutsche   Arbeiter wird es geben, die von Jan Hus   bloß die vage Vorstellung haben, daß er im Kampfe gegen den papst lichen Absolutismus   gestanden ist, eine Re­formierung der Kirche anstrebte und schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Tatsächlich aber war Hus   noch weit mehr: einer der Märtyrer in dem großen Befreiungs­tampfe der Menschheit überhaupt. Wohl war fein Kampf wesentlich theologisch umkleidet, was in den Zeit- und Machtverhältnissen, in der politischen und geistigen Vorherrschaft der römischen Kirche begründet war, aber stößt man zum Kern der Dinge vor, so erkennt man den Borkämpfer für die Freiheit des Geistes, den Vorfämpfer für das unter­drückte tschechische Volk, den Vorläufer einer

sozialen Revolution, nämlich der des armen Bauern und des städtischen Proletariers. Als Hus auf dem Scheiterhaufen starb, erhoben sich bekanntlich seine Anhänger in Böhmen   und es tam zu den Husitenkriegen, in denen diese Banern und Proletarier weit in deutsche Lande vorstießen, um in Anlehnung an die Ideale des Urchristentums das Reich Gottes auf Erden" zu gründen.

Diese große historische Persönlichkeit hat nun der durch das hervorragende Boltebuch Der Baldamus und seine Streiche" bekannt gewordene Schriftsteller Ostar Wöhrle zum Helden eines Romans erwählt, der soeben im Verlage Der Bücherkreis", G. m. b.., Berlin   SW 61, Preis M. 4.80, unter dem Titel Jan Hus   Der legte Tag" erschienen ist. Das Buch ist dem persönlichen Erleben des Verfassers entwachsen. Wöhrle hat nach dem Kriege mehrere Jahre in Non­stang gelebt und dort ist ihm der Gedanke gekommen, einen Roman um die Figur dieses mittelalterlichen Hus herum zu schreiben, ein Gedanke, den er nun in glänzender und fesselnder Weise verwirklicht hat

L

Bon Ostar 2örle.

1931.

geistigen Kräftespiel. Wöhrles dichterishes der aber heute in der Sigung des Geheint Temperament und ungewöhnliche Sprachkraft konventikels gar nicht föniglich wirkt. Nein, haben den spröden Stoff in eine Dichtung von heut sieht der rotbärtige Mehrer des Reichs padender Anschaulichkeit geformt. gar nicht aus als Juhaber und Ausüber Nachstehend veröffentlichen wir mit Ge- der weltlichen Macht, nein, ihm rinnt der nehmigung des Verlages den Anfang des Helle Schweiß großtropfig von der gebut­ersten Kapitels, der mit fnappen Strichen die felten Stirn, sein Atem fliegt, seine Glied­historische Situation zeichnet, in der die Hand- maßen beben und zittern, die paar Zähne, lung einfeßt:

Hus muß sterben.

Die lärmenden Treiber, die ihn seit Monden umringt halten, haben die ab­schnürende Kette geschlossen. Nun, ihrer Beute gewiß, lassen sie das letzte Gatter fallen.

Es ist genau so gekommen, wie der verklagte Magifter in seiner Appellation, vor drei Jahren in Prag   vom Papst an Jesum Chriftum, den höchsten Richter getan, voller Betrübnis des Herzens und voller Kümmernis der Seele schriftlich nic dergelegt hat:

Siehe, der Feind hat sich aufgericht! Die Not ist vorhanden, aber niemand, der mir hülfe!

Viel Hund umgeben mich, und die Versammlung der Zornwütigen hat mich besessen!

die er noch in den Kiefern hat, fladen hörbar aufeinander, als ob er Fieberfrost hätte, und allen, die ihn in dieser Ver­fassung sehen, muß es scheinen, als sei nicht Hus, sondern er, Sigmund, der arme Sün­der, um dessen Verbrennung es ginge.

Doch, mag ihm, dem König, der Ent­schluß, seinen ehemaligen Schüßling fallen zu lassen, noch so schwer werden, die Ent­scheidung fäßt sich nicht mehr umgehen, nicht mehr länger hinausschieben, durch alle diplomatischen Künfte nicht.

Damit ist das Schicksal des angeklagten Magisters entschieden. Es gibt keine andere Möglichkeit: Jan Hus   aus Husinec; in Böhmen   muß sterben.

Wie hat doch Michael de Causis, Hussens Ankläger, even in der Schlußrede gejagt, mit seinen ansgebeinten, gelben Totenfingern die Kante des Sprechpultes Sie haben wider mich geredet mit umflammernd und Speichelbläschen nach betrüglicher Zung. Mit gehässigen Worten allen Seiten sprigend: haben sie toider mich hantiert mich gefochten ohn' Urfach!

und wider

Denn sie haben über mich einen solchen Rat gehalten, sagend: Wir wollen sein Speis mit Holz verderben und ihn aus dem Land der Lebenden treiben, daß seines Namens nimmermehr soll gedacht werden!" Wirklich, so ist es.

Räudige Schafe gehören ausgemerzt aus der Herde! Und selbst wenn der Setzer noch im letzten Verhör oder gar auf dem Scheiterhausen widerriefe: Glaubt ihm nicht, ehrwürdige Bäter, glaubt ihm nicht! Das wären nur weitere trügliche Schliche des verderblichen Wolfes. Traut ihm nicht, Leuchten der Kirche, traut ihm nicht! Ich Schärfer als mit des Bedrohten eigenen beschwöre euch bei Jeju, unseres Heilandes Worten fann die Lage gar nicht ausge- Wundmalen! Fort mit Hus! Enischt ihn sprochen werden. seiner priesterlichen Würden! Ueberant­Es gibt keinen Ausweg, feine Rettung wortet ihn dem weltlichen Arm, auf daß

mehr.

Hus muß sterben.

Sein Tod ist unabwendlich.

ihm fein Recht geschehe, und das wird Heulen und Zähnefnirschen sein! Seinen Seinen stinkenden, hoffärtigen, tezerschen

Das ganze Geschechen wird in dem No­man in den letzten Lebenstag des Jan Hus  zusammengedrängt. Hus selbst tritt faum per­sönlich auf, dennoch wird feine Persönlichkeit und ihre Entwicklung auf das stärkste ver Der ganze Handel ausgemacht hinter stinkenden, boffärtigen, fegerischen Leib lebendigt. Alle Personen sind ausgezeichnet verschlossenen Türen, von den Wortführern freffe die Flamme! Die Kammer der charakterisiert, das Szenen- Mosaik fügt sich der Kurie und der deutschen Nation des werde wieder rein!"

schlüssig zu einem Tag Mittelalter zufammen Konzils abgelistet, abgetrost, abgedroht dem Tosender Beifall ist dieser Heyrede und ergibt einen Querschnitt durch eine ganze in dieser Sache ewig zögernden, ewig ungefolgt. Händeklatschen, Fußgetrampel, daß Beitepoche mit all ihrem wirtschaftlichen und entschiedenen Sigmund, römischem König, der ganze Estrich des Refektoriums zittert,