Die Erde für alle!

Von Walter Bauer.

Mein Bater wußte fünfundsechzig Jahre nicht,

wie das Meer aussieht,

meine Mutter war nie im Gebirge, meine Schwester tam aus der Stadt nicht

aus,

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Der Anwalt schüttelt den Kopf: Nach p italienischem Gesez haben unmoralische Bestimmungen"

Seltsame Papiere und Tagebuchblätter. Ich besuche den Leichenbestatter Josef und als eine solche Billscheider, der als erster den auf­sehenerregenden Fund machte.

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könnte man das ja ansehen als nicht bei­gefest zu gelten. Sie sind aber fein Grund, das Testament anzufechten. Dagegen bedarf Er erzählt: Ich lief schleunigst zum hernach einem alten Gesetz der Erbantritt über Richter, weil ich Augst hatte, allein jo vici Privatvermögen durch einen ausländischen Verantwortung zu tragen, und mich auch Staat der Genehmigung der italienischen mit den Wertpapieren gar nicht ausfannte. und ich wurde mit vierzehn Jahren Lehrling. Regierung. Diese ist nicht gegeben worden. Aber niemand wollte mitgehen, weder der Bor allem aber kann man den Verstorbenen Richter noch der Notar feiner glaubte es. burch sein reichlich furioses und offenbar un- und zum Schluß mußte der Notar audy für verrüdt erklären, eine Tatsache, die ja Endlich konnte ich den Richter überreden, begründetes Vermächtnis zusammen mit sei fommen, weil es immer mehr wurde, etwa ner sonderlichen Lebensart gegeben zu fein zwanzig Kilogramm wog der Koffer mit den scheint." Wertpapieren und den Goldstücken- ohne die alten Hadern, die obenauf lagen."

Aber wie der Schimmel an den Wänden wächst,

das wußten wir,

wie eingeweichtes Brot oder das Nichts auf dem

das kannten wir.

Löffel schmeckt,

Ich will dem Leben, das uns in den Kerkern hält,

die Schüsseln mit dem Brei

in das strahlende genährte Gesicht werfen und den Löffel hinterher­

Wir wollen auch Gebirg und Meer!

Beim Anwalt Europas .

Die Wohnung eines Sonderlings.

Geistesfrank? War er wirklich geistes­frant, der alte Mann, der nun provisorisch im Brigener Friedhof liegt? Gibt es feine andere Erklärung für sein rätselhaftes Ver­mächtnis?

Wie kommt ein Mann, der ärmer als ein Bettler lebte, zu so viel Geld? Welchen Beruf hatte er? Warum vermachte er sein Vermögen dem chinesischen Volk? Mit die sen Gedanken beschäftigte ich mich, als ich die Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. Wilhelm Lachmüller betrete. Der Rechtsanwalt, der Sohn des Notars, ist durch den seltsamen Fall Basse sozusagen der Anwalt Euro­ pas geworden. Er bemüht sich, wie er mir erflärt, das rätselhafte Testament des Ein- Ein dunkler, Heiner Raum, mehr als undachtzigjährigen anzufechten. scheiden und dürftig.

scheidener Wohnung Baffe als Untermieter Die alte Frau Rogen, in deren be­einquartiert war, empfängt mich mit einem rührenden Lächeln auf dem guten, faltigen Gesicht: Ich hab' schon so viel gebetet, daß die rechten Erben das Geld friegen und nicht die Chinesen", sagt sie, und es scheint mir fast so, als zittere ihr Herz in der Tat ein wenig für den Weiterbestand Europas .

Der junge Dr. Lachmüller füllt Aften, wühlt in Gesetzbüchern, studiert den felt­jamen Fall mit viel Mühe. Es ist auch juristisch eine ganz eigenartige Sache, wie sie jich noch nie ereignet hat", erklärt er. Und man spürt gleichsam, wie in dem umfang reichen Akt Basse ein zerlumpter, alter Mann herumspukt, mit Goldstücken um sich werfend, höhnisch lachend und die europäische Rasse bedrohend.

auch

Und nun fommt das Sonderbare, das der Notar nicht sagen darf:

"

,, Da fanden wir ein Gratulationsschrei ben des ehemaligen deutschen Kaisers aus Doorn mit Bild und eigenhändiger Unter­schrift aus dem Jahre 1931. Darin gra­tulierte der ehemalige Kaiser dem Basse zum Geburtstag. Dann war da neben einem regiment gedient hat, noch eine Legitimation Ausweis, daß Basse beint preußischen Leib­vom französischen Geheimdienst. Dann wie­der ein Schreiben der Sowjetregierung. Noch mancherlei solche Sachen waren es, ich hab's nicht so genau angesehen... Söll war a interessantes Spiel", versichert Billscheider.

Seine Erzählung, die nachher der Rechtsanwalt bestätigt, gibt zu denken. We r Das war sein Zimmer", erklärte sie. berbarg sich hinter demzerlump­beten Greis? Ein Mann mit Geheim­aufträgen der verschiedenen Regierun gen?

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,, Er hat immer zugesperrt gehabt, sich Er kannte dieses Europa mit all seinen alles selbst gemacht, sogar das Bett. Ich Sonderbestrebungen und kleinen Hintertüren­durfte fast nie herein; und wenn, dann stand prattiken, mit Spionagen, Korruptionen und er dabei und sah mir zu. Nie habe ich etwas Geheimaufträgen. von Geld bemerkt, die Post, die er bekam, Vielleicht hat er Undank geerntet bei mußte ich durch einen Türspalt hineinschie- seinen geheimnisvollen Geschäften", viel­ben; immer war er zu Hause, geschrieben hat leicht hat ihm diese Art, in der sich gewisse er oder so etwas. Geredet hat er fast gar Regierungen ihm offenbarten, Abschen ein­nichts, höchstens einmal: Heut' ist's talt!" geflößt, nachdem er sich selbst ein Menschen­,, Er hat sein Geheimnis mit ins Grab Er war gar nicht freundlich, kein Besuch, alter hindurch damit befaßt hatte. Vielleicht genommen, niemand wird mit Sicherheit fein Wirtshaus, und überhaupt, wenn man fand der Alte Europa reif zum Untergang feststellen können, wie er zu dem Geld tam jo lebt, dann muß man ja sterben. Was und glaubte, aus dem Fernen Osten käme und was ihn zu dem seltsamen Vermächtnis der gegessen hat? Auf seinen alten Koffer das neue Heil der Welt. Vielleicht alles veranlaßt hat. Sie können sich nicht vor hat er zwei Ziegelsteine gestellt und ein nur vielleicht. Das fleine bescheidene Grab stellen, wie der Mann gelebt hat! Ein Blechbüchsel darauf. Da hat er gekocht: mit der Inschrift Enrico Baffe, zu dem mich Abenteurer, über dessen Eristenz man nur Kartoffeln, Milch, Brotsuppe, sonst gar Billscheider führt, gibt keine Auskunft. Bermutungen haben kann. Er hat eine nichts. Da muß einer ja verhungern!"

Confine in Bonn am Rhein , die eigentlich zusammen mit einem Verwandten in Bres lau, dent Arzt Dr. Ulrich Basse, der nächste Erbe wäre. Aber die Leute haben es zu spät erfahren, haben sich zu spät gemeldet, habe zu lange gezögert; sie haben sich offen­bar feine besonderen Hoffnungen gemacht. Erst einen Tag, nachdem die Chinesen weg waren, habe ich die Vollmacht angekündigt bekommen, das Testantent anzufechten. Nun bleibt nur der Prozeßweg, der hier natur­gemäß ungeheuer schwierig ist. Ueberdies sind die Erben ganz mittellos, so daß die Finanzierung des fostspieligen Rechtsweges noch sehr ungelöst ist. Troßdem habe ich jett lage erhoben. Ich wußte lange nicht, gegent weit ich flagen soll. Das chinesische Bolf ist feine juristische Person. Es bleibt mir nichts übrig, als gegen den Minister und Gesandten Tsiang Lufoo zu klagen, der das Geld in Empfang genommen hat."

st die sonderbare Begründung zur Bekämpfung der europäischen Rasse" nicht eine Erleichterung zur Anfechtung des Testa­ments?"

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Werner Fredrich.

Der Herrlichste Tempel Chinas.

i do Von Sven Hedin .

226 Kilometer von Beting entfernt liegt Jehol , die Sommerresidenz der Manschu dynastie. Einst war das Gebiet nichts weiter als ein Teil der mongolischen Wüstenei, bis zu dem Augenblicke, da zwei der chinesischen Herrscher die Laune anwandelte, dort in un­erhörter Pracht ihre Sommerresidenz anlegen zu lassen. Macht und Reichtum des allmäch tigen Herrschergeschlechtes fanden hier in großartigen Werken der Baukunst, die mit den kostbarsten Kunstwerken angefüllt wur­den, beredten Ausdruck. Hier steht nicht nur ein Palais und ein Tempel, sondern eine ganze Stadt von Prachtbauten, hat doch einer der chinesischen Kaiser allein zu den bereits vorhandenen weitere 36 Luftschlösser hingu bauen lassen und auch der Tempel gibt es eine ganze Reihe. Seit dem Ausbruch der Wirren in China geht diese Herrlichkeit, die

größten fulturgeschichtlichen Wert besitzt, dem unrettbaren Verfall entgegen, da niemand da ist, der sie vor dem Untergang bewahren würde. Im Sommer 1930 hat der berühmte schwedische Forscher von Peking aus eine Reise nach Jehol unternommen und in einem im Verlage F. A. Brockhaus erschienenen Buche Jehol, die Kaiserstadt", Preis Mr. 6.80, geb. W. 8.30) läßt er die nun sterbende Stadt durch seine Schilderun­gen aus der Zeit ihres höchsten Glanzes vor den Augen des Lesers erstehen. Sven Hedin berichtet nicht nur über seine Eindrücke, er gibt auch ein großes Stüd chinesischer Ge­schichte, das gerade jeht in der Zeit des gro­Ben Umbaues des chinesischen Reiches hohe Attualität befigt. Aus bem mitt einem Lage­plan und 78 Abbildungen versehenen Buche entnehmen wir mit Erlaubnis des Berlages