9tr. 33. LlrrteryalttUSASvettage 1932.
Das GeßGöpf.
Sie ivar entschlossen, Schluß zu machen, die kleine Jribelle. Sie konnte nicht mehr, sie war am Rande ihrer Kräfte.... Gehetzt von Stadt An Stadt, di« Nächte in ratenden Expreßzugen, stets auf der Flucht vor den Behörden.... Die große Dame, die schöne Frau, angetan mit verwirrender Eleganz, umgeben von einem Schwarm jugendlicher Verehrer, überall und doch nirgends.... Auf den Rennplätzen von Ba den Baden und Auteuil , in Cannes und Biarritz , in den Golfklubs von Wannfee und in den Tennisklubs von London und bei den Wasserskijörings in Miami , überall da, wo sich Plutokratie und Aristokratie ein Stelldichein gab, überall da, war Jribelle heimisch und doch namenlos fremd, überall da war sie begehrt und doch eine Namenlose, eine Outsiderin, denn sie war ja ein Lockvogel,«ine Svitzelin, eine Spannerin. Ja, Jribelle war oie Freundin Litain-Litanoffs, des Hochstaplers, dieses.Hasardeurs größten Formats. War sein Kcttenäffchen, sein Geschöpf, das einem Wink seiner kalten, tückischen Augen pariert«, das unter seiner stummen Drohung erzitterte, und hündisch ergeben auf ein Wort des Lobes wartete. d Jetzt konnte sie nicht mehr weiter auf diesem Wege, jetzt wollte sie sich nicht weiterschleifen lassen von Verbrechen zu Verbrechen, sie wollte nicht mehr mit pochendem .Herzen, mit swckendem Puls, fieberhaft gerötet unter der Blaßschminke, wollte nicht mehr dergestalt zerrissen in der Halle sitzen, mit gleichgültigen Leuten belanglose Gespräche fuhren, um ihm die Ausführung eines Verbrechens zu erleichtern oder um ihn rechtzeitig zu warnen oder uni sein Alibi zu„fixen". Jribelle, die mädchenhafte, scheuäugige, schmalhüftige und zarthäutigc Frau, Jri- bellr, die Helferin Litain-Litanosfs, liebte ... sie war sich durchaus nicht llar über dies Gefühl zu einem anderen, das mit vehementer Gewalt von ihr Besitz ergriffen hatte... Nur dies wußte sie:, cs mußte aus sein zwischen ihr und Litain. Sie wußte«s seit dem gestrigen Abend, seit dem Tango, getanzt mit jenem anderen, fremden Manne, getanzt im Pavillon deS Hotels. Sie wußte noch mehr! Sie kannte das
Vo« oertlauS. höhnische Grinsen Litanoffs, mit dem er sie auf ihr unvermeidliches Schicksal hinwieS, wenn sie sich von ihm trennte: Gefängnis, lange Jahre hindurch Treppenscheuern... Sie kannte seine Flüche, oh, sie wußte um seine brutalen Schläge... Martinkott hieß dieser andere. Erwin Martiirkott! Und Jribelle träumte seit diesem Tango einen aussichtslosen Traum von Glück an seiner Seit«... Die Tür des Hotelzimmers wurde geöffnet. Jribelle fuhr zusammen. Aber es war der Zimmerkellner. Er rollte das Frühstück heran. Es duftete nach Kaffee und Toast, nach frischem Honig und nach Blumen. Ja, Blumen, sie standen in einem kristallenen Kelch auf dem Teewagen. Blumen von Erwin Martinkott. Jribelle atmete tief auf. Und draußen lachte die Sonne und draußen auf der Terrasse war wohl er, dem sie entgegenfiebert«... Zum erstenmal nach Jahren nahm Jribelle das alles wieder mit wachen Sinnen wahr. Sie liebkoste die schmiegige Seide des Pyjamas und rannte an dem erstaunt hantierenden Kellner vorbei an das Fenster, ritz es weit auf und trank in vollen Zügen die Morgenluft. Sie stürzte sich in einem Taumel voller Zuversicht und Hoffnung. Wenn sie Litain-Litanoff der Polizei prcisgcben würde, gewiß würde sie straffrei ausgehen und könnte nach all der.Hast und den Treibjagden auf das Freiwild„Litain-Litanoff und Komplicen" wieder ein Mensch sein. Alles würde sie tun für Martinkott. Ach, sic konnte verzichten auf das Lebeu einer mondänen, interessanten Frau, wahrhaftig, sic konnte verzichten auf geistreichelnd-blöde Konversation mit degenerierten Tattergreisen und Dandys, den zu rupfeirden Opfern des Falschspielers. Sie war dessen so müde... Ein hartes Wort trieb sie empor. Litain- Litanoff war mit seinen schleichenden Pan- therschritten cingetreten. Seine Befehle waren kurz und knapp. Sie kannte seine Art zu sprechen! „Heute Abend", so malmten die Kiefer, „heute Abend, mein Goldkind, kommt der Herzog hier an! Heute Abend, mein Goldkind. landen wir den Coup, der nnS mal wieder hcrausreitzt aus dem Schlamassel!
Du weißt, was zu tun ist! Du kennst deine Ausgabe! Empfang des Herzogs in der Halle. Du hast dafür zu sorgen, daß der Stubben höchstens zehn Minuten nach Unterbringung seiner Koffer im Fürstenzimmer das Appartement betritt! Vielleicht ein Cocktail vorher an der Bar! Na, du verstehst mich!" Litain-Litanoff wandte sich zum Gehen. Er war schon an der Tür, da dichte er sich noch einmal um. Sein harter Mund war jetzt weibisch weich, weinerlich verzogen, wie immer, wenn er außerberuflich, sozusagen privat, zu Jribelle sprach. Dann malmten die Kiefer nicht, dann lallte diese Zunge schwerfällige Satzgcbilde... „Du", sagte er mit widerlich- neckisch erhobenem Zeigefinger,„du, du lleiner Schelm, hast wohl von dir aus einen auf dem Kieker, willst dich wohl selbständig machen, Süßeste! Na, sei ohne Sorge, mein Goldkiich, dein Herr Erwin Martinkott hat nichts. Da bin ich auf dem Laufenden. Die Auswahl überlaß nur mir, Jribelle!" Hier malmten seine Kiefer wieder, hier war die triefige Liebedienerei^ aus den Augen gewichen, die wieder tückisch funkelten! „Die Auswahl der Opfer überlasse mir! Das verstehe ich besser! Also, das mit dem Herrn Direktor Martinkott ist aus! Heute Abend steigt das scharfe Ding. Das Auto bringt uns an die Grenze. Ich wünsche, daß du aufmerksam bleibst. Empfehle mich, meine Allergnädigste! Ein Vormittag wie alle anderen Vormittage Doch ohne die lähmende Unruhe, ohne die ncrvenpcitschende Hast für Jribelle. Sie weiß, was sie zu tun hat. Litain-Litanoff ist fortgegangcn. Bor allen Dingen mutz ein Ferngespräch für den Herzog fingiert werden, falls er sich nicht für die schöne Frau interessiert. Das erfordert Vorbereitungen, damit die Privatdetektive nichts von einem„verbrecherischen Anschlag" merken! Jribelle ist nun allein. Sie nimmt den Telephonhörer von der Gabel, läßt sich mit Direktor Martinkott verbinden... „Wann kann ich Sie..., wann kann ich dich sprechen, mein Liebster! Es ist wichtig, ja äußerst wichtig!"