2 kicher Finder. Aber die Tat ist schneller als der Gedanke. Aufheben... doch das Geld nicht abliefern. Seine Augen streichen einen Halbkreis ab, dann geht er schon einige Schritte dem Ausgang zu. Sem Blick grast die bedeckten Köpfe der Reisenden ab; der Halbkreis, enger geworden im Hinausgehen, läßt sein Suchen in fremde Augen«inhacken. Worte sausen ihm plötzlich ins Gesicht:Ach, mein Herr! Meine Tasche!" Der Halbkreis schrumpft zu­sammen; wird Weib: schlank, schmal, groß und blond. Die hrlledrrne Tasche geht wort­los in behandschuhte Hände über. EtwaS klingt von verbindlichem Dank. Eil« auf den Zug, ein Zweimarkstück gleitet in seine Hand. Sinnlos gierig schließt Anton die Fin­ger. Sein Magen jubelt. Plötzlich: hat er dieses Gesicht, dieses simple Gesicht einer umfriedeten Frau, nicht schon gesehen? Früher einmal,-ort.... Als wäre es heute, spürt Anton die kalte Frech­heit, mit der dieses Fräulein sie war die Tochter irgendeines Professors ihn damals ansah, als er wieder nach Hause kam. Sie war die erste bekannt« Person hatte Bahn­hofsdienst bei-er Frauenvereinigung die ihm begegnete. Stand vor Anton in ihrer hochmütigen Tracht und sah durch ihn hin­durch, als ob er Lust wäre. In jener Zeit begannen die Demütigungen: degradiert kam er von der Festung nach Hause, weil er den Kerl den kleinen Fähnrich, der ihm vor di« Brust stieß niedergeschlagen hatte.' Die ganze Stadt stand damals auf gegen Anton Kein« Hilfe, keine Empfehlung gab es für ihn, so lange noch zu helfen gewesen wäre. Ob seine Mutter nicht an der Schande ihres einzigen Sohnes zugrunde­gegangen ist? Gleichgültig, ihr bißchen Geld hat ihn ein« Zeitlang über Wasser ge­halten... Anton geht aus dem Bahnhof; schaudernd denkt er: sie wäre doch verreckt wie ich, sobald die Inflation ihre paar Gro­schen verschluckt hatte. Ob ihn dieses Weib, dickes Professoren­töchterchen, in seiner Verkommenheit erkannt hatte? Sicher.... Sie wird hier in der Stadt verheiratet sein. Nun fährt sie nach M. zu den Eltern. Und heute Nachmittag, bei Kaffee und Kuchen, wird sie erzählen, daß sie ihn. Anton, gesehen hat; daß der Nichts­nutz endlich vor die Hunde gegangen ist. Heiße Scham überfällt Anton und jagt ihn über den Bahnhofsplatz, der überwölkt ist von einem rauchgrauen Himmel. Tie zwei Mark Vermögen werden glühend in seiner Handfläche, die er zur Faust geballt zwischen Schenkel und durchriebenes Sackfutter ge­schoben bat. Er besinnt sich schwach: Brot ..., Essen... Aber auf einmal spürt er das Quälen der der Gedärme nicht mehr... Phantasien von Stolz und Bitterkeit erwachen... Eine Blumenfrau steht an der Ecke; Anton sieht sie wie durch Schleier vor sich. Ein Grinsen um die Mundwinkel nimmt er das Geld, kaust gelbe Schlüsselblumen, die wie Sonne leuchten. Einen Arm voll Schlüsselblumen. Schmutziges Geld!" brummt er,das Geld dieser verdammten Professorcngans. Anna soll Blumen bekommen." Ueberrascht reicht ihm die Frau die Blü­ten; erstaunt, daß solch ein armseliger Junge Geld für Schlüsselblumen ausgibt. Anton trägt sie durch die langen, öden Straßen. Mit schwachen Knien stolpert er die Treppe hinauf zu Annas Zimmer. Die Türe ist verschlossen, das Mädchen noch fort.j Er nimmt vom Balken über-er Tür den Schlüssel, dem Anna dahin zu legen pflegt, wenn sie geht. Zitternd gießen seine Hände das Was­ser aus der Kann« in das Waschbecken. Am Fenster steht ein Tisch mit einer Plüschdecke. Pracht solcher Zimmer... Aber die gelben Blumen in der großen Schüs­sel im Fensterrahmen vor dem Grau deS Himmels locken daS verblichene Rot der Tischdecke zu sanfter Pracht auf. Es riecht nach Heu und Sommer... Anton schiebt einen Stuhl ans Fenster. Weiß Gott , es ist gemütlich im Zimmer! DaS war ein glänzender Einfall, Blumen zu kaufen!... Denn das feine Fräulein-von» daheim wüßte, für wen er die zwei Mark ausgegeben hat... Fröhlich spintisiert Anton, steigert sich über sich selbst hinaus: einmal wird cs ihm schon wieder gut gehen ... er wird zeigen, was er kann... er wird der Rotte zu Hause die Wahrheit sagen ... Dann wird er wieder Blumen kaufen ... und die Anna wird er aus dieser Man­sarde hier hcrausholen... in eine reinlich« Wohnung... und da wird ein weiches Bett sein und gelbe Wände wie Sonne... Immer wirren werden Antons Gedan­ken. Er sieht einen Garten in Frankreich ... Er hat einen gut gemachten und sauberen Anzug an... fährt auf einem Schiff... Wie ein atmender Traum ist eine Frau da ... alles ist hell und wohlriechend. Wie schön, wenn man genug gearbeitet hat... eine Erfindung hat er gemacht... Er steigt aus dem Zug... hat zwei Mark in der Hand, die will er verschenken. Er schreckt auf! Plötzliche Nüchternheit durchdringt das wirre, ohnmächtige Gehirn. Schritte auf der Treppe! Wenn Anna jetzt käme!..'. Mit anastvollem Herzklopfen rafft Anton sich auf. Schritte schwere eines Mannes und leichte einer Frau sie gehen vorüber... Auf die andere Seite... Ta bricht Anton weinend zusammen, das Gesicht in den Händen aus dem Tisch. Wilde Tränen der Hilflosigkeit und des Jam­mers schütteln seinen dünnen Körper... Hunger... Vielleicht hat Anna noch etwas Eßbares in der Schublade. Und Anton hat Glück; er findet ein Stück Brot, ein wenig Butter und die Reste eines BücklinaS... Stumpf sitzt er vor den Blumen und stopft das bißchen Essen hinunter... Er füblt sich satt furchtbar müde... Er wird sich aufs Belt legen bis Anna kommt, nur einige Minuten ausruhen. Kaum, daß er die Schuhe ausziehen kann... Dämmerung sinkt herab, kriecht vom Fenster her langsam in die Tiefe der Stube. Anna wird wahrscheinlich beim Einkäufen in den Läden warten müssen, überlegt Anton und kämvft geoen seine Müdigkeit an. Glok- rTTTTTTTTTTTVinrrrTTVTTI feil, die Ostern einläuten, dröhnen wie von fern in stinen armen Schlaf... Er träumt wirr... Immer dröhnen und brummen di« Glocken... Immer noch, unaufhörlich... Entsetzt fährt Anton auf! Es ist hell, schon Tag! War es eben nicht noch Däm­merung? Die Blumen, die er für Anna ge­kauft hat, stehen dort am Fenster Immer noch oder wieder? dröhnen, brummen die Glocken. Festliches Läuten. Wo Anna nur sein mag? Er setzt sich stöstelnd, halb noch im Bett, sieht sich in der Mansarde um: sie ist nicht da... Da öffnete sich die Türe mit einem Ruck und der kleine Junge der Wirtin steht im Rahmen. Anton wendet den Kopf.Wo ist Fräu­lein Anna?" Gestern ist sie ins Krankenhaus gekom­men", erwidert der Kleine.Sie hat böse Magenschmerzen gehabt, sagt meine Mutter. Ich soll die Sachen zusammcnräumen, wir bekommen einen neuen Mieter." Wieder dröhnen die Glocken. -. Ostern ... Fröhlicher Tag der Auferstehung, denkt Anton und lächelt, bös« Berzweiflung um di« Mundwinkel.Anna war schwanger..., ich weiß cs ja", versucht er sich zu beruhigen, ,aber so schnell... sie wird doch nichts ge- nn haben!" Er nimmt die Blumen aus der Schüs- el stapft die Treppe hinunter, trottet schwer- 'ällig die Straß« entlang.Auch das Unglück noch... auch das noch" spricht er vor sich »in, unermüdlich; ist nicht fähig einen Ge- oanken zu fassen. Der Pförtner des Krankenhauses weist ihn zur Auskunft. Da sitzt ein Mann, er blättert in den Büchern.Anna!., gestern ringelicfert, wird heute operiert. Keine Be­suchs-Erlaubnis. Kommen Sie Mittwoch zwischen drei und vier." Ich danke Ihnen", sagt Anton und ver­läßt schwerfällig das Weiße Schreibzimmer. Wie er wieder auf der Straß« steht, nimmt Anton die Blumen und wirst sie zwi­schen die schön gepflegten Beete, die sich vor dem Tor des Krankenhauses ausbreiten. Ver­zweifelt, hoffnungslos tappt er fort; weiter, ziellos durch"die Straßen der Stadt... Spähend nach einer Gelegenheitsarbeit... Festlich gekleidete Menschen schlendern an ihm vorüber: fröhliche Burschen mit ihren Schätzen, Familienväter mit Frau und Kin­derwagen... Er steht einen Bettler an der Ecke stehen, schaudernd wendet Anton das Gesicht ab und geht schneller...Ich muß Arbeit finden", denkt erund Mittwoch zwi­schen drei und vier Uhr..." Dann schlägt er die Richtung ein zum Bahnhof... Viel­leicht, daß er einige Groschen verdient... heute am heiligen Ostern. Ein LanSvnvenstreiG. Grote« ike au Siaien. Laß nur!" sagte Emil, als ich in Mailand Pro» ant kaufen wollte schaff«s schon!" Und stieg in den Zug Aeugte in alle Ab- teil« und klopfte schließlich an einer Tür, vor der der Vorhang zugczogen war Kontrolle!" rief er. Schnell wurde die Coupstür geöffnet und Emil schlüpfte hinein. Ich nach.So!" sagt« er befried gt.Jetzt las. ken wir aber niemanden mehr herein!" verstaut« sei» Gepäck und macht««S sich in der Ecke bc- Don«Bfio Kappßrt. quem. Zwei ältere Damen, wie aufgeschreckte Nachtvögel, sahen ihn fassungslos an. Emil winkt« ihnen freundlich zu... Im Gepäcknetz war seine kleine Zwergpalme vorsichtig verstaut. Emil sah sie sofort. Er sah auch«inen vielversprechenden Obstkorb und die Hälse dreier Weinflaschen, die aus einer Tasche guckten, und irat mir befriedigt auf den Fuß. Die alten Damen, noch konsterniert von unserem Eindringen, traute» sich nicht, sich zu rühren.