3w. 33. Unteröaltuuatfbeilage. 1933. Die w mtt dem Aussatz. Bon Brisbane kommend, ging ich im Hafen Suva auf der Fidschi -Insel Biti Levu an Land, um mit dem nächsten Schiff der Rohal-Mail-Linie die lange Fahrt nach Ban« couver fortzusetzen. Tie zwei Tage Aufenthalt galten dem Besuch meines Freundes Kent, den ich vor einigen Jahren auf Mauritius kennen gelernt hatte und dcffen Lebenszweck darin bestand, im Auftrage der Britischen Regierung verschiedene Inseln der Weltmeere nachzumessen. Rach seiner eigenen Berech­nung dürfte er dazu hundertsiebenundvierzig Jahre benötigen. Als der Dampfer in den Hasen einfuhr, sah ich schon von weitem am Kai die hohe, hagere Gestalt meines Freundes. Einige Mi­nuten später standen wir uns gegenüber und schüttelten einander die Hände. Dreißig Jahre war er alt, der liebe Kerl, aber man konnte ihn für vierzig hallen mit seinem von de» Pocken zerfressenen Gesicht und dem von der Malaria kahlgefrgten Schädel. »Junge, Junge," sagte er zu mir, als wir in seinem Fordwagen nach dem Hotel fuhren,es ist nett von Ihnen, daß Sic sich an den einsamen Insulaner erinnert haben. Leide gerade an Weltschmerz. Weiber­geschichte'"- Ich kannte chn gut, den wackeren Kent, und wußte, wie blutwenig er sich früher um Frauen gekümmert hat. Erstaunt crlundigte ich mich daher nach der Ursache seines Liebes­schmerzes, bekam aber eine derart aus­weichende Antwort, daß ich gekränkt beschloß, mich künftig über diesen Punkt auszuschwei­gen. Am Abend speisten wir im Restaurant de» Hotels. Was sagen Sie zu dem dort'?" unter­brach Kent das Gespräch und zeigte mit der Gabel nach einem Herrn, der eben den Saal betrat. Allerhand," gab ich betroffen zu,eine blendende Erscheinung. Das Gesicht kommt mir übrigens bekannt vor. Was macht der Mann hier?" Es ist der Filmschauspieler de Mey," antwortete mein Freund mit merkwürdiger Betonung,der hier wahrscheinlich einmal einen Film gedreht hat. Borlänsig verdreht er den weißen Fronen auf der ollen Insel Do« Dalph« r& a n. die Köpfe. Fünf Tage erst ist er da und schon sind alle verrückt." Kein Wunder," meinte ich,ein selten schöner Mann." Eine honig-süße Fresse," entgegnete grimmig Kent,da kann freUich unsereiner nicht mit!" Und mit finster zusammengezoge- nen Braue» wandte er sich dem Fisch auf seinem Teller zu. Am nächsten Tage führte mich mein Freund auf der Insel herum. Er bemühte pch offensichtlich, heiter zu erscheinen, aber mir entging es nicht, daß ihn etwas schwer bedrückte. Nach dem Abendessen machten wir es uns in den Lehnstühlen der Hotelhalle be­quem, rauchten und trankne schottischen Whisky. Es dauerte nicht lange, kam auch de Mey, der schöne Mann, ließ sich am Neben­tisch nieder, kehrte uns den Rücken zu und vertiefte sich in eine Zeitung. Unser Gespräch Ivar ins Stocken geraten; denn es ist nicht angenchui, zu wissen, daß daneben jemand sitzt, dem kein Wort entgehen kann. Ich gab nuferer Unterhaltung eine Wendung ins Allgemeine, zumal mir gerade ein schrecklich entstellter Eingeborener einsiel, den wir am Nachmittag gesehen hatten. Ja," meinte Kent auf meine diesbezügliche Erwähnung,der Mann litt an Elefantiasis Arobum. Schreckliche Krankheit, der Aussatz. Voriges Jahr war ich auf den Phönixinseln. Sie kommen vorbei, wenn Sie noch Vancouver fahren. Tort gibt es ein Lager für Lepra­kranke. Hatte bei meinen Vermessungsar- deitcn in der Nähe zu tun und wurde dabei von cinenl Kranken angcbettelt. Leider mußte ich abwinken, da ich kein Kleingeld in meinen Taschen fand. Darüber erboste sich der Mann und lief auf mich zu. Da riß ich den Revolver heraus und warnte den armen Teufel, daß ich ihn niederschießen müßte, wenn er sich noch einen Schritt weiter näherte. In ohnmächtiger Wut blieb der Mann stehen, fing gräßlich zu schimpfen an und begleitete seine Kraftausdrücke mit wil­den Gesten. Plötzlich sah ich etwas durch dir Luft wirbeln, und bückte mich gerade noch rechtzeitig, so daß das Ting knapp an mei­nem Kopf vorbeisauste. Ich dachte zurrst, es wäre ein Stein, Cie können sich meinen Schrecken vorstclleu, als ich danach Ausschau hielt, in dem Gegenstand eine Menschenhand erkannte. Der Kranke hatte in seiner Wut eine so heftige Bewegung gemacht, wodurch' sich die Hand von dem zerfressenen Knoche« löste und davonflog. Seicher bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich von Lepra höre." Kommt Aussatz hier auf den Inseln häufig vor?" erkundigte ich mich, selbst mit einer leichten Gänse!,rut behaftet. £)ö er häufig vorkommt?" wiederholte Kent ruckweise meine Frage und machte dabei so große Augen, als wäre ihm plötzlich eine ungeheure Erleuchtung teilhaftig geworden,ja, er kommt vor und nicht nur bei Eingeborenen. Die Aerzte ver­suchen daran herumzukurieren, letzchin pro­bieren sie es mit Salvarsaninjektionen, aber, rS ist alles für die Katz. Eine Krankheit, der die Medizin noch hilfloser gegenübersteht al», dem Krebs. Erwischt sie einen, dann gibt es nur rin Mittel: sich aufhängen. Komisch an der Sache ist, man merkt sie erst gar, nicht. Manchmal dauert eS fünf bis acht, Jahre. Rur bei Uebcrtragung auf die, Schleimhäute, so zum Beispiel durch einen, Kuß, da geht es unheimlich rasch. Küssen Sie' eine Leprakranke und ich wette mit Ihnen um meinen Kopf, daß Sie innerhalb von, sechs Monaten einen Teil Ihrer Gliedmaße« ringedüßt haben!" Danke, Kent," sagte ich,ich wette b«>, stimmt nicht!"\ Richt so ganz sicher," meinte mein Freund bedächtig,ich kenne hier ein Mäd­chen, das Sie sofort küssen möchten, wenn Sie es sehen würden. Tie junge Dame ist schön, ist reich und ist leprakrank. Sie kam mit ihrem Vater, der ebenfalls an Aus­satz leidet, voriges Jahr aus Indien her­über, weil der alte Herr sich einbildete, durch die hiesigen warmen Quellen Heilung zu firr- den. Rur wenige Eingeweihte wiffen von dem schrecklichen Leiden dieser beiden Menschen; und das tragische ist an der Geschichte, nicht einmal das Mädchen hat eine Ahnung, welch fürchterliche Krankheit cs mit sich herum­trägt." Und die wohnen hier in Suva?" wollte ich wissen. Richt in der Stadt. Sie bewohnen einen reizenden Bungalow; gerade dort, wo der Fluß Rrwa ins Meer mündet, kauni sieben