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Sonntag, den 25. April 1920

Nummer 143 Morgen- Ausgabe

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greibeir

der

Berliner Organ

Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Die Entente und Deutschlands Der Generalstreit in Elsaß- Lothringen .

Entwaffnung.

Die Nachrichten über die Verhandlungen des Obersten Nats in San Remo sind außerordentlich verworren und widerspruchsvoll. Aus den Blättermeldungen läßt sich kein zutreffendes Bild über den Stand der Dinge, über das Verhältnis der Alliierten zueinander und über ihre Haltung gegenüber Deutschland gewinnen.

Der Streit allgemein.

Paris , 24. April.

Nach Privatmeldungen bes elfäffischen Journalisten Grum bach an die umanité" aus Metz ist der Streit in Elfaß und Lothringen feit gestern allgemein. Das Eisenbahn- und Diese Untlarheit ist zum guten Teil eine Folge der Postperfonal habe sich ihm angeschloffen. Ein bedauerlicher wilden Berichterstattung. Bahlreiche Zeitungskorrespondenten 3 wischenfall habe sich in Algringen bei Diedenhofen treiben sich an dem Konferenzort umher; jeder von ihnen ereignet. Der Interpräfett von Diedenhofen sei dorthin ist berpflichtet, seinem Blatt irgend etwas Neues und Senja- gefahren und habe angesichts eines Demonstrationszuges von tionelles zu telegraphieren, und da sie nichts Bestimmtes Arbeitern plöglich sein Auto verlaffen und die Menge mit einem missen, stellen sie Vermutungen an und tragen untontrollier Revolver bedroht. Er und die beiden ihn begleitenden Gendarmen bare Gerüchte weiter. Aber diese Erklärung genügt doch feien verlegt worden. Der Unterpräjekt soll einen Messer­nicht. Die Journalisten würden bessere und zuverlässigere oder Bajonettstich erhalten haben. Nach einer anderen Meldung Informationen aus den Bureaus ihrer verschiedenen Mi- wurden zwei Schwadronen Kavallerie nach Algringen geschickt. nister erhalten, wenn unter den Vertretern der Entente Ein- 3n Diedenhofen und Umgegend foll den Deutschen verboten mütigkeit und Biellarheitherrschte. Daß das nicht der Fall worden sein, ihre Wohnungen zu verlassen, solange der Streit ift, liegt auf der Hand, und so viel darf als feststehend an­Paris, 24. April. gesehen werden, daß das Verhältnis zu Deutschland von Nach einer Habasmeldung aus Saargemünd haben sich auch jedem der Beteiligten anders angesehen wird. Der italie­nische und der englische Ministerpräsident stehen sich in ihren die unabhängigen Eisenbahner dem Streit ange Anschauungen dabei berhältnismäßig nabe, sie befinden sich schlossen. Der Berlehr ruht bo!!! omen. Der Präfekt von Straßburg hat einer Savasmeldung zufolge aber beide offenbar in einem starten Gegensatz zu Herrn Mille­ rand . Das bedeutet nach aller Wahrscheinlichkeit nicht ein ben Bertauf deutscher Beitungen verboten. Auseinanderfallen der Konferenz oder gar der Entente, wie es hier und da schon vor einigen Zeichenspähern in Aus­ficht gestellt wird: man wird sich schließlich schon auf eine Formel einigen; aber es wird ein Kompromiß mit allen Schattenseiten eines solchen sein, und bei der ersten besten Gelegenheit werden die Meinungsverschiedenhetten aufs neue an den Tag treten.

andauert.

Die Konferenz in San Remo.

Millerand über die zukünftige deutsche Armee. Baris, 24. April.

Bis jetzt aber hätten die interalliierten Kontrollfommissionen nur den schlechten Willen Deutschlands feststellen fönnen. Deshalb zweifelten die französischen Vertreter an der Aufrichtigkeit Deutschlands . Unter diesen Be dingungen sei es a weifelhaft, ob der deutsche Vorschlag von dem Obersten Rat angenommen werden könne.

Sozialistischer Wahlfieg in Lettland .

H. N. Riga , 24. April.

Die Wahlen, die am 17. uns 18. April in Lettland statt. fanden, haben den Sozialisten ein Drittel der Man. date gebracht. In Riga , wo 85 v.. der Bevölkerung abstimm ten, wurden von den 22 Mandaten 7 von den Sozialisten ge­wonnen, während die Bolschewisten insgesamt 627 Stimmen bei einer Gesamtzahl von 85 000 Stimmen erhalten haben. In Libau und Mitau betrugen die sozialistischen Stimmen 34 v. 5, in Windau 40 v. H. uns in Nescita nur 12 v..

Die Betriebsratswahlen im Ruhrrevier.

Dortmund , 24. April. Betriebsratswahlen von

Wisher liegt der Ausfall der 93 Zechen vor. Im ganzen sind im Ruhrrevier etwa 350 Bechen borhanden. Von den Mandaten entfallen auf den Verband der Bergarbeiter Deutschlands 402, auf den Ge wertverein christlicher Arbeiter 184, auf die polnische Berufsver einigung 51, auf die freie Union 340. In dem Bezirk Gelsenkirchen hat die Unien bie Mehrheit erlangt, jedoch wer­die radikalen Bezirke von Mülheim usto. stehen noch aus. den einige Wahlen für ungültig erflärt. Die Meldungen über

Wie Havas aus Sen Remo berichtet, bat Miller and die Sonderberichterstatter von Havas und deuter empfangen und Frankreichs Absicht ist unverkennbar die, Deutschland in ihnen erklärt, es sei richtig, daß Marschall Foch während der jeder Beziehung unschädlich zu machen. Es verlangt mit Vorverhandlungen des Friedensvertrages für eine deutsche Armee Auch dieses Ergebnis bestätigt die schon früher von allem Nachdrud feine Entwaffnung, wobei dahin- bon 200 000 Mann getvesen sei. Aber der Oberste Rat habe dem gestellt sein mag, ob ihm mehr die Erfüllung dieser Forde Vorschlag Lloyd Georges, eine Armee bon 100 000 Mann zu ge- uns dargelegte Auffassung, daß die letzten Ereignisse im rung oder der Gedante der militärischen Repressalien bei statten, die durch freiwillige Anwerbungen für 12 Jahre zustande. Ruhrgebiet eine farfe Radikalisierung der Arbeiterschaft ihrer Nichterfüllung am Herzen liegt. In Paris machen die gebracht werden solle, den Vorzug gegeben. Wenn der neue zur Folgen haben. Die unentschiedene Haltung des alten Generale die Politik und Miller and steht weit mehr deutsche Vorschlag angenommen würde, dann würde Deutschland Bergarbeiterverbandes, die er erst jüngst auf der von uns 200 000 Berufsfoldaten haben, die leicht Cadres für eine viel fritisierten Konferenz erneuert hat, und der Rachezug der unter ihrer Fuchtel als seinerzeit Clemenceau . Der alte Tiger war sicher über den Verdacht der deutschen Freund- stärkere Armee abgeben könnten. Was Deutschland ver- Reichswehr in das Industriegebiet haben unter den Berg­arbeitern das schon start herrschende Mißtrauen gegen die schaft und der Versöhnlichkeit erhaben; aber er war start lange, fei viel zu hoch. und energisch genug, um gegenüber der Offiziersflique eine selbständige Position zu behaupten. Millerand ist voll­ständig in ihren Händen und er findet mit seiner Unter­würfigkeit den Beifall des reaktionären Barlaments. Für Nitti, den italienischen Ministerpräsidenten, tommt die Entwaffnungsfrage erst in zweiter Reihe. Er Er will fieht vor allem die wirtschaftlichen Probleme. Deutschland nicht ruinieren, sondern ihm ein ökonomisches Wiederaufleben gestatten. Er ist flug genug, um zu erken­nen, daß Deutschlands Zusammenbruch die Statastrophe In England liegen die Dinge fehr eigentümlich. Die-, Wünsche Englands auf der Beseitigung der letzten Europas zur Folge haben muß. Freilich findet feine Ein- felben Leute, die für eine Revision des Friedensvertrages te fte eines Heeres zu bestehen, und die Art und ficht auch in den politischen Verhältnissen seines Landes eine nicht zu haben sind oder sich wenigstens öffentlich nicht zu Weise, wie die deutsche Regierung in ihrer Denkschrift ihren starte Stüße. Er hat mit einer großen sozialistischen Be- ihr bekennen, verfolgen vielfach die Absicht, Deutschland Standpunkt begründet, kann uns in unserer Auffassung wegung zu rechnen, die nationalistische und militaristische militärisch nicht allzu sehr zu schwächen. 3meierlei spricht nur bestärken. Wenn hier die Gefahren des Bürgerkriegs Tendenzen nicht hoch kommen läßt und die einen größeren dabei mit. Einmal der Gedanke an die Erhaltung eines an die Wand gemalt werden, so wissen wir, daß an einen Weitblid befibt als die verbohrte Bourgeoisie Frankreichs . gewissen Gleichgewichts zwischen Deutsch - Krieg gegen die Arbeiterschaft gedacht ist, die frei­Lloyd George endlich steht Nitti nabe. Aber land und Frankreich . Man will dem französischen fich in Wirklichkeit über all die Kampfmittel, von der in wenn wir bei den innerpolitischen Rücksichten der Staats- Verbündeten nicht ganz die Sorge vor seinem Nachbarn der Note die Rede ist, nicht verfügt. Wenn die Regierung männer bleiben, so ist der englische Minister nicht in der nehmen, um ihn nicht zu üppig und übermütig werden zu die Aufrührer von rechts im Auge hätte, dann würde sie Lage, eine absolut feste Linie einzuhalten. In England gibt lassen. Er soll immer in der englischen Hand bleiben. auch der Entente gegenüber offen von der Notwendigkeit es feine einheitliche Auffassung der deutschen Frage. Dort Dar aber ist ein durchaus nicht einflußloser Kreis von sprechen, die gegenrebolutionären Truppen Um das zu erreichen, würden steht das fapitalistische Bürgertum zur Zeit in einem hefti- Militärs und Politikern vorhanden, die noch immer an die zu entwaffnen. gen Ringen mit den Arbeitern, und innerhalb des Bürger- Verwendungsmöglichkeit einer deutschen 100 000 Mann vollständig genügen, wenn sie nur tatsäch tums selbst sind die Meinungen geteilt. Lloyd George , der Armee gegen die Bolschewiki glauben. Der Mi- lich im Sinne der Republik zuverlässig wären. Sie wagt um feine politische Zukunft bangt, schwankt hin und her. Auf nister Winston Churchill gehört ihm an führender Stelle aber nicht einmal, das Ziel überhaupt aufzustellen, schon der Suche nach einer Partei, die ihn in der Macht hölt, be- an. Schon die Art, wie sich die englische Regierung zu weil sie ganz genau weiß, daß für den Kampf gegen die müht er fich, allen Strömungen Rechnung zu tragen und dem deutschen Abenteuer im Baltikum stellte, ließ das Reaktion die Reichswehr ernstlich nicht in Frage fommt, Erforderlich ist zweierlei: Erstens die Bewaffnung der jeden Wind mit seinen Segeln aufzufangen. Auf diese Weise Bestehen solcher Pläne erfennen, und in den letzten fommt er auch nicht zu einer Flaren und eindeutigen Stel- Wochen trat die Idee in der englischen Presse wieder Arbeiterschaft und ihre Zusammenfassung zu einer wohl­lungnahme zur Entwaffnung Deutschlands . Dem franzöfi- recht deutlich hervor. Auf der anderen Seite hat sich die disziplinierten und schlagfertigen Truppe, vor der die schen Vormarsch hat er zunächst entschieden widersprochen. englische Militärmission in Berlin durchaus auf den Stand- Meuterer sich beugen müssen. Sind sie ihrer Waffen be­Dann ist er entgegenkommender geworden, und jedenfalls ist purkt der Entwaffnung gestellt, und sie geht sogar so weit, raubt, so kann das Arbeiterheer als solches sozusagen in von seiner Seite nichts geschehen, um Frankreich zurückzu- genau wie wir selbst, die Beschräntung auf Ortswehren zu Reserve gestellt werden. Denn mit dem Kapitalismus, der im Militarismus fe ne Rückendeckung mehr besitzt, wird das pfeifen. Vor einigen Tagen hieß es, England werde seine verlangen. Verbündeten zu einem energischen Schritt gegen Deutschland Dem Demagogen Lloyd George , der es mit niemand Proletariat, gestüßt auf seine wirtschaftlichen und sozialen auffordern, um endlich dessen Entmilitarisierung durchzu verderben will, wird es nicht leicht fallen, eine Entscheidung Silfsmittel, fertig. Dauernd aber bedürfen wir dann feten. Sogar mit der Erneuerung der Blockade wurde ge- zu treffen. Aber es ist kaum anzunehmen, daß er flipp und zweitens dezentralisierter Sicherheits- und Orts­droht. Jetzt aber wird versichert. solche Maßregeln seien flar die völlige Abrüstung Deutschlands betreiben mehren, die ebenfalls in der Hauptsache von organi­nicht beabsichtigt, ja es beißt, die englische Regierung werde wird. Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß die fierten Arbeitern gebildet werden. Das ist das Programm, dessen Verwirklichung der den deutschen Wunsch nach einer Vergrößerung der Reichs- letzte deutsche Note einen gewissen Erfolg erzielt. Um so wehr über das zugestandene Maß hinaus nicht arundläglich mehr haben dann aber die deutschen Arbeiter die Ruthe Deutschlands und der Anbahnung vernünftiger und Bflicht bon fich aus und ohne Rücklicht cuf die militärischen acordneter Beziehungen zum Auslande dienen würde. Aber ney

Vor dem Kriege habe England nicht 100 000 Mann Soldaten Gewerkschaften und die politische Organisation verviel. gehabt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, ebenso Amerika , facht. Das Resultat ist die Flucht aus der freigewerkschaft­deſſen Gebiet und Bevölkerung viel größer seien als die Deutschlichen Organisation. Es wird der ganzen Hingabe an lands. Bevor man einer Bermehrung der deutschen Streit politischer und gewerkschaftlicher Aufklärungsarbeit be­fräfte zustimme, wünsche Frankreich , daß Deutschland bestimmte dürfen, um die Bergarbeiter von ihrer augenblicklichen Ver­Klausein des Vertrages erfüllt habe, so die Lieferung des ſtimmung ab- und der positiven politischen und gewerf­Artillerie- und Flugmaterials. schaftlichen Arbeit wieder zuzuwenden.