Die Wahrheit über den Land­arbeiterstreik in Hinterpommern

Ueber den Streit der hinterpommerschen Landarbeiter wer­den sehr viele falsche Nachrichten verbreitet. Die Organisation der Landarbeiter wird öffentlich beschuldigt, den Streif seit lan­gem vorbereitet und ohne Grund provoziert zu haben. Wenn man erfährt, daß alle diese Nachrichten aus einer und derselben Quelle, aus der Geschäftsstelle des Pommerschen Landbundes stammen, dann weiß man ihren Wert richtig einzuschäzen.

Der Landarbeiterverband hat weder den Streit in Hinter­pommern vorbereitet, noch hat er durch eine einzige Handlung zu dem Streit aufgerufen. Die hinterpommerschen Landarbeiter find ganz aus sich selber zur Arbeitseinstellung geschritten, ehe alle Schiedsinstanzen durchlaufen waren, weil sie seit Monaten von dem Pommerschen Landbund in der unverantwortlichsten Weise behandelt wurden. Sie haben seit Monaten auf eine Verbesserung des sogenannten Zwangstarifs gedrungen, dessen Lohnsäge durch die fortschreitende Steigerung der Preise gerade für die unentbehrlichsten Bedarfsartikel des Landarbeiters längst überholt waren. In allen übrigen Provinzen Breußens und im übrigen Deutschland haben die landwirtschaftlichen Ar­beitgeber im Laufe der letzten Monate anerkannt, daß die Ber­hältnisse sich zu Ungunsten der Landarbeiter verändert haben und haben sich zu einer verhältnismäßigen Ethöhung der Bar­löhne verstanden.

In Hinterpommern hatte es aber der Pommersche Landbund, hinter dem die Herren von Wangenheim, von Herz­berg, Lottin und andere stehen, sich vorgenommen, die Dr­ganisation der Arbeiter zu zertrümmern, um wieder die unbe schränkte Macht über ihre Arbeitsträfte zu erlangen. Als die Rechtsgrundlage des Zwangstarifs aufgehoben war, weigerten sich die Arbeitgeber, in Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Vertrages einzutreten. Der Schlichtungsausschuß wurde angerufen, in dem die Arbeitgeber und einige Arbeitnehmer­vertreter vom Bommerschen Landbund sich dafür entschieden, nicht einen Tarif für den ganzen Regierungsbezirt, sondern Durch die Spruchtammern der einzelnen Kreise Tarife ab­Schließen zu lassen.

Es bestand nun nach Ansicht der Landarbeiter die Gefahr, daß die Arbeitnehmerbeisiger des Bommerschen Landbundes in den einzelnen Spruchfammern mit den Arbeitgebern zusammen eine Mehrheit bilden und in allen Kreisen sehr ungünstige Tarife abschließen würden. Sie verlangten von ihrer Organisations­leitung die Genehmigung zum Eintritt in den Streif. Auch jetzt noch versagte dies die Organisationsleitung und gab den tele­graphischen Bescheid:

Vorstand und Beirat verlangen, daß Schiedssprüche der Kreisspruchtammern abgewartet werden. Befürchtung, daß Schiedssprüche wegen Teilnahme von Landbundarbeitnehmern ungünstig ausfallen, wird von uns nicht geteilt. Auf rasche Er­Tedigung durch Kreisspruchfammern ist hinzuwirken. Sollten einzelne Kreise ungünstig ausfallen, fann mit größerem Nach­brud freisweise Kampf geführt werden."

Die Befürchtungen der Landarbeiter bestätigten sich im Kreise Röslin. Sier fand sich ein Arbeitnehmervertreter in der Sigung der Spruchtammer am 21. Juni, der mit den Arbeit­gebern zusammen in eine Berlängerung der Arbeitszeit um 137 Arbeitsstunden willigte, der gegenüber nur ein geringer Aus­gleich in der Barlohnvergütung Play greifen sollte. Der Bar­lohnjay soll 1400 Mart betragen.

Durch den geschlossenen Streit Find nun die Arbeitgeber in ben anderen Kreisen doch zu der Einsicht gekommen, daß man es nicht auf einen für die Arbeiter ungünstigen Entscheid an­tommen lassen dürfe. Es haben mittlerweile direkte Berhand­lungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern statt­gefunden, die zu dem Abschluß von Tarifverträgen in den Kreis sen Dramburg, Kolberg , Stolp und Schlawe führ­ten. In den Kreisen Rummelsburg , Bublib, Lauenburg und Bütow ist am 25. Junt verhandelt worden. Ebenso soll in Bel­ gard und Neustettin verhandelt werden. Gegenwärtig wird nur noch gestreift in den Kreisen Lauenburg und Köslin .

Aus Vorstehendem ist für die Bevölkerung ersichtlich, daß nicht, wie eine gewisse Bresse behauptet, verbrecherische Absichten der Organisation der Landarbeiter dem Streit und einer Schädi­gung der Boltsernährung zugrunde Itegen, sondern daß nur der mangelnde Wille der Arbeitgeber bisher eine Einigung mit den hinterpommerschen Landarbeitern vereitelt hat.

Die Brotnot im Westen.

Der Brotmangel im rheinisch- westfälischen Gebiet wird immer brüdender. Alle Versprechungen und Busagen der Regierung find Windeter gewesen. Der Stadt Düsseldorf sind infolge bessen neuerdings Bugeständnisse gemacht worden. Auch ist an geordnet worden. Au chift angeordnet worden, daß Bet.

bergereien als komiker unvergleichlich und unübertrefflich, Woldemar Hente, der frischeste von allen und wie stets überaus erfreulich, Dazu Friz Langendorff, Gy eng unb Sebebur so fünstlerisch durchgebildetes Ensemble ist in der Operette selten -etn und begrüßenswert.

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Berliner Mufiknöte

B.

Die wirtschaftlichen Möte der Zeit greifen immer zerfetzender in das Berliner Mufifleben ein. Schon ist das Philharmonische Orchester burch finanzielle Schwierigkeiten in dem Wetterbestand feiner Ronzerte ernstlich gefährbet, und nun hat auch Siegfried Ochs den folgenschweren Entschluß faffen müssen, den Phil. harmonischen Chor, dessen Höhe der künstlerischen Leistungen ein Stück Mufitgeschichte in sich schließt, aufzulösen. Stermit ist wieder ein Grundstein des Berliner Konzertlebens gelockert.

Große Bolksoper und Volksbühne. Wir haben fürzlich barauf hingewiesen, daß das Projeft der Großen Boltsoper" als Oper der Blertausend greifbare Formen anzunehmen begonnen hat, insbesondere dant dem lebhaften Jutereffe, das die organisierten Theaterbesucher bem Plan entgegenbringen. Die enge Verbindung zotschen ber Großen Boltsoper und ber Boltsbühne soll auch bet ben vom 1. Auguft an in der Volksbühne stattfindenden Opern­borstellungen in die Erscheinung treten. Boltsoper, beren 8ahl sich felt ber Eröffnung der zahlreichen Werbes Die. Anteilzeichner der stellen in ganz Berlin erheblich vermehrt hat, erhalten zu diesen Operuvorstellungen Karten zu ben halben Kaffenpreisen.

Jm Walhalla- Theater findet am 15. Juli die erste bend­vorstellung bes mit großem Betfall aufgenommenen Schan­fpiels Die Internationale " von E. Hallupp statt. Melbungen für die folgenden Tage von Betrieben u. Gewerkschaften find baldigt an das Büro des Walhalla - Theaters au richten.

Eine Volkshochschule wird an der Universität& eipzig am 1. Juli ins Leben treten. Beiter ist Profeffor Dr. Schmeidler. -Georg Kerschensteiner , der bekannte Münchener Schul­reformer, übernimmt die Profeffur für Pädagogit in Leipzig .

Borträge ber this- fosialistischen Arbeits. gemeinschaft finden jeden ersten Montag im Monat, abends 7 Uhr, in der Aula der 22. Gemeindeschule, Berlin W., Ballas flraße 15, flatt. Erster Bortrag Montag, den 5. Juli, Dr. K. H. Buffe: Die Sozialisierung" der Frau. Die Lösung der Frauen­frage in ber tommenden Gesellschaft". Gintritt fret.

Tierleben des Meeres heißt eine Ausstellung, die bas Sentralinitut für Erziehung und Unterricht, Potsdamer Str . 120 febte Beit bis Mitte Juli veranstaltet. Die Ausstellung umfaßt eine größere Anzahl vou farbigen Naturstudien bes Thermalers Paul Flanberty, Berlin Bantom, bie das Tierleben der Nordsee wole des Mittelmeeres schildern. Die Ausstellung ist von 10 Uhr vormittags bis 6 Uhr nachmittags, Sonnabends nur bis 2 Uhr unentgeltlich geöffnet.

B

trauensleute der Arbeiterschaft in die Düsseldorfer Mehlverteilungsstelle als Kontrolleure eintreten sollen. Inzwische nist beispielsweise in der Industriegemeinde Ha a n die Brotratton auf 2 Pfund herabgesezt worden. Das Le bensmittelamt Wald( bei Solingen ) macht bekannt:

Die Mehlzufuhren waren in den letzten Tagen sehr gering, sodaß die Bäcker auf die neue Brotkarte nur einen Teil der Wochenration ausgeben tönnen. Sobald die zu­gefagten Mehllieferungen eintreffen, wird das auf die Karte noch zustehende Brot selbstverständlich nachgeliefert.

Mit diesen Mehlbelieferungsversprechen steht es aber böse aus. Mußte doch die Düsseldorfer Mehlverteilungsstelle der Stadt Essen mitteilen, daß 10 000 der zugewiesenen Sad Weizen­mehl noch nicht einmal in Antwerpen eingetroffen seien. Uebri gens wird ein Teil der erwartenden Auslandsfuhren tein Brots getreide, sondern Mais- und Hülsenfruchtmehl bringen, aus dem auch jetzt no das Brot faft allgemein aus mehr als zur Hälfte besteht.

Weber quantitativ noch qualitativ ist eine balbige Besserung zu erwarten. Um so empörender ist es, daß jetzt im Regie­ rungsbezirk Aachen den Printen bädern große Men= gen 65- prozentigen Mehls geliefert werden. Solche Verschwendung ist angesichts der Brottatastrophe im Nachbarbezirt standalös und wirtt natürlich erbitternd.

Die Werbekraft der U. S. P. D.

Glänzender Verlauf der Versammlungen Die Versammlungen der U. S. B. D., die gestern abend in Groß- Berlin tagten, bewiesen wieder die ungeschmälerte Werbe­traft unserer Partei. Die Hoffnung der Rechtssozia­listen, die da glauben, durch bemagogische Ausnügung der prin zipiellen Oppositionsstellung, die die U. S. P. D. zur Regierungs­bildung eingenommen hat, ihr die Massen abspenstig zu machen, wird ein großer Selbstbetrug bleiben. Unsere Versamm­lungen waren durchweg so gut besucht, daß vielfach Parallelver­sammlungen abgehalten werden mußten. Die Besucher befun­beten ihr vollstes Einverständnis mit der Haltung der U. G. B. D., fie gaben durch ihre Zustimmung zu erkennen, daß nur die Grundsäge der U. S. P. D. , angewendet im praktischen Kampf des Tages, die Arbeitertlaffe aus ihrem Elend befreien fönnen. Die Lebensmittelteuerung, hervorgerufen durch den schamlofen Wucher der Erzeuger, wurde eingehend er= erörtert, ebenso die Ursachen der Wirtschaftskrise, die immer weiter um sich greift und das Proletariat in einem stei­genden Maße verelendet. Auch die Not der Erwerbs= Tosen tam zur Sprache, und bei allen Fragen zeigten die Ver­fammelten ihre Uebereinstimmung damit, daß der Kapitalismus die ihm gestellten Bobleme nicht lösen kann, daß nur ber Sozialismus den Weg zur Rettung aus der Not zeigt. Wir registrieren kurz die wichtigsten Versammlungen:

In den Germaniajälen sprach Genosse Schwarz ( Mannheim ) vor etwa 3000 Personen. In der Diskussion be sprach ein Postillon die traurige Lage der unteren Bost­beamten, die immer mehr ins Elend geschleudert werden, ohne daß ihnen nennenswerte Hilfe wird.

Im Moabiter Gesellschaftshaus referierte Genosse Blettner( Hannover ) im überfüllten Saal. In der notwen big gewordene Parallelversammlung im Garten sprach der Ge nose Hennig. Der reiche Beifall, womit die Rebner unter brochen wurden, gab den besten Beweis dafür, daß die Ver­sammlungsbesucher vollständig mit den Zielen der U. S. . D. einverstanden waren.

In der Böhow Brauerei mußten wegen der Ueber füllung die Tische entfernt werden. Der Saal erwies sich aber doch noch zu flein, die Bersammlung wurde beshalb in den großen Garten verlegt. Genosse Scholze referierte und fand ungeteilten Beifall.

In Lichtenberg fanden zwet überfüllte Bersammlungen statt. Referenten waren Genoffin Wadwig und Genosse Reich. Die Versammlung in der Bartaue nahm eine Rejos Iution an, in der die sofortige Erhöhung der Erwerbs= Tojenunterstützung gefordert wird.

In den Andreasfestfalen mußte wegen Ueberfüllung eine Parallelversammlung anberaumt werden. Besuch etwa 3000 Personen. Genosse Lipinsti( Leipzig ) referierte.

In Graumanns Fe[ älen sprach Gen. Kotte. Auch dieser Versammlung war überfüllt, besonders start waren die Frauen vertreten.

Bor etwa 1000 Personen prach In Treptow - Baum­ Schulenweg Genosse Berthele. Eine ganze Anzahl Reuauf nahmen wurden gemacht.

Zusammenbruch einer Schieberzentrale

Aus Kattowig wird uns gemeldet:

In dem ehemaligen Wirkungstreife des Reichs- und Staats tommissars Otto Sorsing( Rechtssoztalist), fett Oberpräsident von Sachsen , des Oberbürgermeisters von Kattowiz und demo­tratischen Reichstagsabgeordneten uno Ministerkandidaten Pohlmann, fett Regierungspräfident in Sachsen , und des Gehilfen des ersteren, Referendar Gotthilf, jegt Landrat in Nordhausen ( Sachsen- Magdeburg- Nordhausen) find die Stügen des Wuchers und des Schiebertums, das sie haben groß werden laen, endlich zusammengebrochen. In Kattowig in Oberschlesien wurde anläßlich ber Berhaftung bes Leiters des städtischen Lebensmittelamts, Sekretär Pasdziernit eine endlose Schieberaffäre aufgebedt, in beren Berlauf bisher nach und nach folgende Personen verhaftet wurden: Molkereibesizer Hoffmann, Frau Hoffmann, Frau Pasdziernik, Frau Regierungsrat Febermann, die Schwägerin des Basdziernit, Bureaubame Anny Schula, Mitarbeiterin des B., Großbäckerei- Inhaber Martide, Magistrats- Sekretär Hain Bantbeamter Paul, Gemüsegroßhändler Bodo Paun, der Kauf­mann und rechtssozialistische Funktionär Gotthilf, elt Bruder des oben genannten Landrats, sämtlich aus Katto­wit, ferner der Leiter der Fettversorgungsstelle für ganz Ober Schlesien, Sekretär Wazlawek aus Oppeln . Ein Teil der Fest­genommenen wurde in schlesischen Lurusbädern verhaftet. Wet­tere Festnahmen stehen bevor. Die Statsanwaltschaft hat eine besondere Abteilung der Bearbeitung dieses Falles geschaffen, mit dem Gig in Kattowiz. Es hat ich herausgestellt, daß bec Wert der verschobenen Ware( Kartoffeln, Butter, Zuder, Mehl, Gemüse) in die Hunderttausende geht, wobei auch die Stadt in Mitleidenschaft gezogen wurde."

So wird in der oberschlesischen Bresse berichtet. Interessant an ber ganzen Geschichte ist, daß der Magistrat der Stadt Kattowit schon seit Jahren vor Basdziernit gewarnt wurde, diesem aber immermehr Glauben schentte als ben Anflägern. Schon 1917 hatte der damalige Lebensmitteldezetnent Stadtrat Dame fein Amt niedergelegt. 1919 tat sein Nachfolger, Stadtrat Guttmann, desgleichen. Aber der damalige Oberbürger meister Bohlmann ließ lieber die Stadträte Dame und Gutt mann fallen, als daß er dem Pasdziernit das Bertrauen ver­Jagte. Preßfehden, Beleidigungsklagen, alles wurde in den Wind geschlagen. Die Bureautratte siegte. Als es fich in Myslowig bei einer ähnlichen Schieberaffäre heraus. stellte, daß der dortige Bürgermeister Dr. Heuser bem behörd Itchen Spedauffäufer Morgalla zu viel Bertrauen geschenkt habe, fuhr Dr. Seuser nach Breslau und erschoß sich. Die Herren Bohlmann, Sörfing und Gotthilf aber gehen nach Sachsen uno bleiben Bertrauensleute der Regierung.

Wenn einmal irgendwo ein lintsradikaler Windbeutel im Besitz von fünf Pfund geschobener oder gehamsterter Butter et tappt wird, bann pofaunen bies alle bürgerlichen und rechts­fozialistischen Blätter aus mit der fettgebrudten Ueberschrift: Prattischer Kommunismus". Was aber in Kattowiz aufgedeckt wurde, daß ist das System, unter dem das Bolt die ganze Kriegszeit hindurch zu leiden hatte. Ist unter den Verhafteten etn eingiger Proletarter zu finden? Wenn Ober Schlesien

oder ein Teil davon dem Deutschen Reiche verloren gehen sollte, Herr Hörfing, Otto und Herr Bohlmann, Sie fino schuld daran, denn sie haben solche Zustände groß werden lassen!

Deutscher pazifistischer Studentenbund. Am Montag, den 5. Juli, abends 7% Uhr, spricht Dr. Mar Deri im Audito­rium 33 der Universität über das Thema Der Weg zu Pazifismus.

Ablehnung des Frauenstimmrechts in Belgien . Die Rammer bat bei der Debatte über die Verfassungsrevision den Antrag eines fatholitchen Abgeordneten auf Einführung des Frauenstimmrechts mit 89 gegen 75 Stimmen abgelehnt

Die Gewerkschaftskommission zur Betriebsrätefrage

Bor Eingang in die Tagesordnung beschloß die Berfammlung, daß awei der vom Zentralverband ausgeschlossenen Delegierten an ben Berhandlungen nicht teilnehmen können, da eine Ueberprüfung der Berechtigung des Ausschlusses in der Gewerkschaftskommiffion nicht erfolgen kann.

Genoffe Rusch übermittelte die Einladung eines russischen Ge werkschaftsführers eine Studientommission nach Ruß­ land zu senden. Diese Stommission soll sich vor allem infor mieren über Ausfuhrmöglichkeiten von Robstoffen und Nahrungs­mitteln aus Rußland , über Absatzmöglichkeiten für die deutsche Industrie, über Auswanderungsmöglichkeiten. Er verwies darauf, daß im Jahre 1913, 25 000 Menschen aus Deutschland zum größten Teil nach Amerila und Auftralten ausgewandert sind. Neue Möglichkeiten für die drängenden Auswanderer sind jetzt nur in Rußland au fuchen. Die deutsche Einfuhr aus Rußland war 1918 fast so groß wie die aus Amerika . Außer Nahrungsmitteln hat uns Rußland Grubenbölzer, Mangan, Platin und Eisenerze geliefert. Auch die deutsche Ausfuhr dorthin war von Ber Seutung. Rußland ist in der Lage und hat den Willen deutsche Wenn die Friedensverträge unferen Erzeugniffe abzunehmen.

Verkehr mit Rußland unterbinden, und wenn wir die Vers träge ändern wollen, müssen wir den Arbeitern der En­tente zeigen, daß der deutschen Arbeiterschaft die Möglichkeit genommen wird, sich zu ernähren. Deutsche Arbeiter sollen fest­stellen, ob Rußland die Macht hat, Verträge abzuschließen und einzuhalten. Der Kommission wird völlige Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit zugesichert. Der Antrag Rusch wird an­genommen und durch Stimmzettel werben Rasch, Siegle und Gaernt in die Stubienkommiffion gewählt.

In der Fortseßung der Distuffion über die Betriebsrätefrage sprach zuerst Stegle. Wenn man den Gewerkschaften nur die Aufgabe zuweisen will, Lohnkämpfe zu führen und Tarife abju schließen, bann wäre es nicht notwendig gewesen, sie zu revolutio­nieren. Die Räteorganisation follte ursprünglich erst aufgebaut werden, wenn die Arbeiterschaft die wirtschaftliche Macht erlangt bat. Durch das Betriebsrätegefet haben sie wesentliche Aufgaben der Gewerkschaften erhalten. Wenn die Gewerkschaften die Mittel aufbringen, müssen fie das Recht haben, über die Werwendung der Mittel uneingeschränkt zu bestimmen, und zwar die Gesamt­beit der Mitglieder, nicht die Instanzen. Der Ausschuß der Gewerkschaftskommission unterbreitet folgende Grklärung zur Annahme:

Die Generalversammlung der Betriebsräte des Wirtschafts bezirts Groß- Berlin faßte am 24. Junt 1920 den Beschluß, neben den Gewerkschaften eine felbständige Organisation der Betriebsräte aufzubauen. Die Betirebsräte haben weiter auss gesprochen, daß über diese Organisationsform nicht die Ars beiter und Angestelltenschaft, sondern die Betriebsräte selbst zu entscheiben haben. Troy dieser flaren und eindeutigen Stellungnahme foll nochmals der Versuch gemacht werden, eine Berständigung zwischen der Betriebsrätezentrale Münzstraße und der Gewerkschaftskommission herbeizuführen. Auch die Ge werkschaftskommission ist durchaus der Meinung, daß eine Bers ständigung und ein Zusammenarbeiten der Bteriebsräte mit ben Gewerkschaften zwingende Notwendigkeit ist.

Die Gewerkschaftskommission steht deshalb nach wie vor auf bem Standpunkt, daß eine selbständige Betriebs räteorganisation von den Gewerkschaften nicht als berechtigt anerkannt werden kann, ben Betriebsräten aber innerhalb der Gewerkschaften ihre volle Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit garantiert werden soll Die Finanzierung der Betriebsräte it aus Iteglich Sache der Gewertschaften. Indem die Gewerkschaftstommiffion nochmals diesen grundsätzlichen Stand­puntt befont, spricht sie die Erwartung aus, daß die Betriebs rätezentrale ihren uhnaltbaren Standpunkt aufgibt und fich tm Interesse der Einheit und Geschlossenheit der Arbeiterschaft dieser Aufassung anschließt, denn nur die Zusammenfassung ber Betriebsräte durch die Gewerkschaften und ihrer Mitarbeit in thnen verbürgt der gesamten Arbeiterklasse bei den bevor Rebenden wirtschaftlichen und politischen Kämpfen den end güftigen Steg.

Genoffe Malzahn: Bon Selten des Partelvorstanbes ist auf Grund bes Attionsprogrammes barauf hingewiesen worden, baß fie an der Selbständigkeit der Räteorganisation festhalten. Im ersten Entwurf der Gewerkschaftskommission heißt es: die General versammlung der Betriebsräte entscheidet über technische und ors ganisatorische Fragen selbstständig. Erst in den weiteren Ber handlungen hat man immer nene Schwierigkeiten hinzugetragen. Wir geben durch die steigende Arbeitslosigkeit und Leuerung ben fchwersten Rämpfen entgegen, und wir wiffen, daß diefe ent fcheidenden Abwehrkämpfe nicht von den Gewerkschaften finanziert werden können. Die Arbeiterschaft wird trotzdem diese Kämpfe und den Rampf um ihre Räteorganisation burchführen müssen. Wenn man schon das Umlageverfahren einführt, soll man boch das Vertrauen haben, daß diese Wittel nicht unfinnig verwendet werben, da ja doch die Gewertschaften durch ihre Bertreter in ber Zentrale milbeftimmen und ihnen Rontrollrechte zugestanden sind. Wir können auch nur bis zur Grenze unserer revolutionären Neber jeugung nachgeben. Die Erklärung des Ausschusses macht jebe weitere Berständigung fast unmöglich.

Genoffe Reimann: Wenn wir bie Betriebsräte erfaffen und fchulen, besteht niemals die Gefahr, bas sie zu Instrumenten der Arbeitsgemeinschaft werden können. Wenn sie den Gewerkschaften bie Betriebsräte nehmen, nehmen sie ihnen bas Rückgrat. Wir brauchen in den tommenden kämpfenble Einheit und Geschlossenheit der Arbeiter.

Genoffe 3ista: Man fürchtet bier ben flaren Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, der sich gegen die Richtlinien des Gewerkschaftsbundes wendet, um die Gefahren und Konsequenzen bte sich daraus ergeben tönnen, nicht auf sich nehmen zu müssen. Alle Gewaltmaßnahmen der scheinsosialistischen Regierung haben nicht vermocht, den Rätegebanten in der Arbeiterschaft aussit merzen. Diefen Gedanken wird auch bie Gewerkschaftstommiffion nicht ignorieren tönnen. In der Frage der Finanzierung ist die Betriebsrätezentrale von ihrem feinerzeitigen Standpunkt abge gangen und habe ben Standpunkt der Gewerkschaftskommiffion afzeptiert. Auch in der Frage der Kontrolle wird eine Ginigung erzielt werben, wenn wir zu den Vertretern der Gewerkschaften Bertrauen haben. Ein Answeg wäre auch die Aufstellung eines Etats für die provtfortfche Rätezentrale, in beffen Grenzen sie ihre Ausgaben halten müßte. Wir müssen ben Mut aufbringen, unfer eingenes Arbeitsergebnis, felbst gegen ben Gewerkschaftsbund an vertreten. 8wingen wir die Betriebsräte- Bentrale gegen uns zu arbeiten, so wird die Revolutionierung der Gewerkschaften ins Ungewiffe verzögert.

Die Debatte wurde nun gefchloffen. Von den Referenten sprechen im Schlußwort Nörpel( Afa) und Reinknecht( G. B. D.) gegen bie Ginigung. Richard Müller vertrat den Standpunkt der Betriebsrätezentrale und Vollmershaus die Er* flärung bes Ausschusses.

Nach verfchiedenen Richtigstellungen ergab bie Abstimmung 78 Stimmen für und 51 Stimmen gegen bie Erklärung des Aus­schuffes ber Gewerkschafts- Kommission. Genoffe tu fch beantragte, baß der Ausschuß beauftragt wird, erneut in Verhandlungen ein Autreten, was vom Borfihenden Genoffen Saboth augesichert wurde