and Ordnung" die Herabsehung der Reichswehr auf 100 000 Köpfe nicht gestatte.

Ueber die Ruhe und Ordnung und über diejenigen, die Sie stören, haben wir genug gesagt und genug geschrieben, und wir wollen es nicht wiederholen. Frankreich  und England werden jedenfalls nur sehr wenig Verständnis für die Erwägungen der Ordnungsfreunde aufbringen können und fie werden das Sträuben Deutschlands   auf den Versuch zur Erhaltung einer auch nach außen verwendbaren Armee zurüdführen. Damit ist dann von vornherein eine Atmosphäre geschaffen, die die Neigung zu einem Ent­gegenkommen in der Frage der Wiedergutmachung nur schwer wird aufkommen lassen. Der Militarismus hat das Elend des Krieges über uns gebracht, der Mili­tarismus droht auch die geringen Möglichkeiten einer Ver­ringerung der dem deutschen   Bolle auferlegten Lasten zu zerstören.

Die Frage freilich, was dann werden soll, wenn die Entente auf ihrem Schein besteht und die deutschen   Ber­treter sich auf ihre Deflamationen über die durch ein starkes bewaffnetes Aufgebot zu bewerkstelligende Sicherung des Wirtschaftslebens beschränken, scheint unserer Regierung verhältnismäßig wenig Kopfzerbrechen zu machen. Wahr­Scheinlich wird sie, wenn sie mit leerer Hand von Spaa zus rückkehrt, sich darauf berufen, daß sie die Würde Deutschlands   gewahrt habe. Würde aber ist ein Be­griff, über den sich streiten läßt, und wir hätten den drin­genden Wunsch, daß die Intereffen der arbeitenden Be­völkerung nicht auf dem Altar der äußeren Ehre geopfert werden. Zu schönen und stolzen Gesten ist die Zeit nicht angetan, und wir haben an dem einen Baron Lersner und an der verdorrten Hand des Herrn Scheidemann gerade genug.

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Die deutsche Regierung hat dem Obersten Rat am 30. Tuni ein eingehendes Gutachten der deutschen   wirtschaft­lichen Sachverständigen über die deutsche   wirtschaftliche Leiftungsfähigkeit nebst zwei amtlichen Denfschriften über die 3ahlungsfähigkeit Deutschlands   und über die tienerbelastung in Deutschland   übereicht. Das Gutachten enthält eine ausführ liche Darstellung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands  , Schildert den Zustand der deutschen   Finanzen und beschäftigt lich mit den Vorauslegungen der Feststellung des Wiedergut machungsbetrages. Eine eingehende Besprechung dieser Denke Schriften müssen wir aus Raummangel auf die nächsten Tage verschieben.

Der bürgerliche Bloc in Junttion

Die gestrige Sigung des Reichstags begann mit der Ab= Jehnung der Besprechung der unabhänigen Interpellation über die Borgänge in Thal. Da der Reichswehrminister den Standpunkt einnahm, daß die Interpellation erft besprochen wer­ben könne, wenn ein rechtsträftiges Urteil vorliege, mußte das Haus nach der Geschäftsordnung durch Mehrheitsbeschluß ent­fcheiden. Da eine einfache Abstimmung zweifelhaft war, er­folgie die Abstimmung durch Hammelsprung, bei dem die bürger­lichen Parteien gegen die fofortige Beratung ftimmten. Trotz­dem fand das standalöse Urteil gegen die Marburger Studenten in dieser Sizung seine gebührende Verurteilung. Bei dem An­trag auf Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit enthüllte Genosse Rosenfeld das Wesen der Militärjuftis, die alle Mordtaten an revolutionären Arbeitern ungefühnt gelassen hat. Er ver­langte die sofortige Erledigung des Gesehentwurfs ohne Kommissionsberatung, doch wurde sie von dem bürgerlichen Blod beschlossen.

Ebenso wie Genosse Rosenfeld das Verhalten der Rechts­parteien in dieser Frage, so tennzeichnete Genosse Breit scheid bei den Erörterungen über die Wiedereinsehung des Untersuchungsausschusses das Verhalten aller am Ausbruch und Der Verlängerung des Krieges schuldigen Parteien, die feine. Untersuchung wollen, weil sie das bißchen Wahrheit, das aus diesen Berhandlungen fich unter Umständen ergeben tönnie, außerordentlich fürchten. Da aber Zentrum und Demokraten für den Untersuchungsausschuß stimmten, wurde die Einsegung beschlossen.

Bei der Beratung des Ratetats gab Genosse Crisplen die Erklärung ab, daß die Unabhängige Sozialdemokratie den Rot­etat ablehne, weil sie der Regierung ihr Mißtrauen ausge­sprochen habe. Die Rechtssozialisten stimmten bem Rotetat u. Am Montag wird die Beratung der unabhängigen Inter­vellation über die Steigerung der Lebensmittelpreise zur Ver­handlung gelangen.

Der Stenerabzug

Jm Steuerausschuß des Reichstages tam es auch heute noch nicht zu einem Beschluß. Als Ergebnis der mehrstündigen Aus­sprache fann die allgemeine Auffassung aufgestellt werden, daß von keiner Fraktion mit Ausnahme der Unabhängigen die Aufhebung der SS 45 ff. des Einkommensteuergeseyes ver­treten wird, dagegen die schablonenhafte Anwendung gemildert werden soll. Es soll versucht werden, durch Erhebung eines Bauschalbetrages in ciner der Steuerleistung nahe kommenden Höhe eine Erleichterung des Abzuges zu ver­suchen, sodaß der feste Satz von 10 Prozent nicht unter allen Um­Ständen festgehalten werden kann. Von Rednern des Beutrums, der Demokraten, der Deutschen Volkspartei  , der Sozialdemokraten und der Bayrischen Wollspartei wurde dargelegt, daß die Be­völkerung, auch die Arbeiterschaft, an der Notwendigkeit der Steuerleistungen überzeugt sei und feineswegs an Sabotage dente. Es wurde Anfklärung gewünscht, auch in der Presse, über die Steuergefege und die Verwendung der Stenerbeträge. Staats­fetretär Mösle fagte eine Prüfung zu. Schließlich wurde ein interausschuß eingesetzt, in den jede Fraktion ein Mitglied entfendet. Bum Berichterstatter fit das Plenum wurde ber Sentrumsabgeordnete Allelette bestimmt.

Noch ein Notetat

In der geftrigen öffentlichen Sigung des Reichsrats wurde mit­geteilt, daß dem Reichstage ein zweiter Notetat unterbreitet werden soll, der noch vor der Bertagung des Reichstags zur Berabschiedung gelangen müsse. Der Berichterstatter erklärte, daß ber Netchstag dazu bereit sei und es für zweckmäßig erachte, während der Reichsrat noch in der Beratung der einzelnen Etats Stände, biejenigen Teile, die bereits bewilligt seien, dem Haus­haltsausschuß des Reichstages zur Vorbereitung für das Plenum zuzuweisen.

Der Ausschuß des Reichstags für Auswärtige Ans gelegenheiten hielt am Sonnabend früh eine Sigung ab, in der in Anwesenheit des Minthers Simons eine ausgedehnte Be­fprechung der Regierungserklärungen über die vorbereitenden Ver handlungen für Spaa stattfand.

Der Pommeriche Landarbeiterstreik. Jm Landarbeiterstreit in Pommern   sind auch heute keine wesentlichen Veränderungen zu verzeichnen. In Bubli tam es nicht zu materiellen Ber­handlungen; fie scheiterten schon an der Vorfrage, ob die Arbeit nehmergruppe des Landbundes zu den Berhandlungen zugelassen werden solle oder nicht. Der Landarbeiterverband wollte auch in diesem Falle von dem einmal eingenommenen pringipte!! Stande puntt nicht abweichen, während der Landbund setzte Forderung ber Zulassung aufrecht erhielt.

Bor schweren Zeiten

Jm Handelsteil des Berliner Tageblatts" am Sonn­abend abend beschäftigt sich Dr. Adolf Roeder mit den Ursachen des Konjunkturrüdgangs. Er führt an, daß das jezige Bild eine besondere Note erhalte durch den Streit der breiten Schichten der Konsumenten. Die andauernden Preissteigerungen hätten allmählich ein solches Ausmaß erreicht, daß der größte Teil der Be­völferung trok Lohn- und Gehaltserhöhungen kaum noch) in der Lage sei, die Mittel zur Befriedigung anderer als zur Fristung des lebensnotwendigen Bedürfnisses aus­zugeben. Weiter Kreise habe sich eine große Er= bitterung darüber bemächtigt, daß troh der außer­ordentlichen Besserung des Marffurses die Preise im Kleinhandel, und namentlich für Lebensmittel, heute nur wenig verschieden von denen in der Zeit des schlechten Balutastandes seien. Roeder zeigt an einer Tabelle, daß die Preise im Großhandel schon wesent­lich gesunken sind; so sind die Börsennotierungen zurüd­gegangen von Anfang März bis 30. Juni 1920 für 100 Schweizerische Franken von 1613,25 auf 696,80 Mart, für ein englisch   Pfund Sterling von 339,75 auf 151,85 Mart, für einen amerikanischen   Dollar von 99,90 auf 38,45 Mark; für 100 Kilo Raffinade- Kupfer von 3700-3800 a 1025­bis 1050 Mark, für Nickel von 8000-8100 auf 3600-3800 Mark, für die Tonne Hafer von 4760-4800 auf 2240 bis 2320 Mart, für den Zentner gelbe und grüne Erbsen von 380-540 auf 100-130 Mart, für den Zentner Widen   von 180-205 auf 70-80 Mart, für den Zentner gepreßtes Stroh von 34-38 auf 9-10 Mart, für 1 Kilo Rohbaum­wolle von 106 auf 40 Mart. Diese Preissenkung hat sich aber im Handel, besonders im Kleinhandel, nach nicht im entferntesten bemerkbar gemacht. Die Unternehmer wollen die Konjunkturverluste nicht tragen und gehen zur Ein­schränkung der Produktion über. Die Kleinhändler, die teuer eingekauft haben, wollen an den alten Preisen fest­halten, damit sie nicht mit Verlust zu verkaufen genötigt find. Dr. Roeder führt dann folgendes aus:

Einzelne Betriebe nehmen jetzt, um sich vor allzu schweren Ver­luften zu schützen, Arbeiter und Angestelltenentlaf= sungen vor. Es ist dabei zuzugeben, daß die schwierige Lage, in der sich manche Firmen befinden, teilweise dazu zwingt, aber von dieser bedenklichen und gefährlichen Maßnahme solte doch nur im äußersten Nolfall Gebrauch gemacht werden. Schon jetzt haben sich die Verhältnisse am Arbeitsmarkt erheblich verschlechtert, und die Arbeitslosigkeit würde dadurch nur noch weiter wachsen. Es würde also die Gefahr neuer inner­polttischer Berwicklungen heraufbeschworen, ganz ab gefehen davon, daß durch die zunehmende Arbeitslosigkeit die Rauftraft der großen Massen immer weiter finkt. Auch der 2ohnabbau, der eventuell in Frage kommt, darf nicht rigoros betrieben werden, da ja in Wirklichkeit die Löhne und Gehälter dem heutigen hohen Preisniveau aller Waren durchschnittlich feineswegs angepaßt sind und ein allzu früher Abbau zu einer dauernben Verelendung großer Teile unseres Volkes führen würde. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, daß der 10 proz. Steuerabzug vom Lohn und Gehalt im Sinne ciner Schwächung der Rauftraft wirken muß. So verständlich es erscheint, daß die Regierung angesichts der unfagbar traurigen Finanzlage des Deutschen Reiches fein Mittel unversucht läßt, um die Steuerzahler eindringlich an ihre Pflichten an erinnern, und nm das Einkommen möglichst an der Quelle zu erfaffen, so muß doch betont werden, daß der Moment der Einführung dieses Bohnabzuges wenig glücklich gewählt war. Soweit die Opposition gegen den 10 proz. Abzug auf Steuerschen beruht, muß sie unbedingt bekämpft werden. Bet einer Reichsschuld von ungefähr 265 Milliarden Mark fann sich Deutschland   den Lurus der Steuerbrüdebergerei, Die beloaders von den vielen

Revolu

tionsgewinnlern betrieben wurde, nicht mehr leisten, und es ist nur zu bedauern, daß durch die nen: Art der Steuererhebung gerade diese Kreise nicht wirk fam genug erfaßt werden fönnen, sondern in erster Linie die Festbesoldeten, für die eine Steuerhinterziehung immer schon sehr ristant war und daher wohl nur in beschränktem Maße geübt wurde.

Diese Ausführungen bilden eine bemerkenswerte Illustra tion zu der Rede, die der Reichsfinanzminister Dr. Wirth im Steuerausschuß des Reichstags am Freitag gehalten hat; er machte darin den Arbeitern den verstedten Vor­wurf, daß sie durch den Widerstand gegen den Steuerabzug Steuersabotage treiben wollten. Hier wird wieder einmal bestätigt, daß durch die neue Art der Steuerhebung gerade die kapitalistischen   Kreise nicht wirksam genug erfaßt werden, daß sie dagegen in härtester Weise die Arbeiter und Angestellten trifft.

Die Wirkungen des Konjunkturrüfganges bekommen die Arbeiter gerade jetzt deutlich zu spüren. Nach den Ver­öffentlichungen des Juniheftes des Reichsarbeitsmarkts" hat sich die wirtschaftliche Krise in besorgnis­erregender Weise verschärft. Es wird dort berichtet:

Die Folge ist, daß in sämtlichen Industrlen Inlands- und Auslandsabsazz stockt und Betriebseinschränkungen und Silllegungen immer mehr um sich grelfen. Am schwersten betroffen sind die Lederindustrie, die Möbelindustrie und die Konfettion, an deren Hauptstandorten die Erwerbslosenzahlen start ge= wachsen sind. Die Aussichten sind äußerst ungünstige, wenn es nicht gelingt, durch die seitens der Regierung eingeleiteten, vor allem auf Verhinderung weiterer Kohlenpreissteigerungen ztelenden Maß­nahmen den Preisrückschlag in einen organischen Pretsabbau über­zuleiten. Nach der Statistik der Arbeiterfachverbände be­trug der Hundertfaz Arbeitsloser im Monat Mat bei dem Textil­arbeiterverband 6,2 gegen 3,6 im Vormonat, bet bem Holzarbeiter verband 8,2 gegen 1,3, bei dem Banarbeiterverband 2,3 gegen 1,9, bei ben Fabrikarbeitern 2,1 gegeu 1,6, bei den Dietallarbeitern 1,8 gegen 1,2, bei den Transportarbeitern 1,7 gegen 1,5, bei den Gee meinde- und Staatsarbeitern 1,4 gegen 1,2, cublich bei dem Christ­ lichen   Metallarbeiterverbande 0,6 gegen 0,4 im Vormonat. Die Arbeitsnachweise mußlen ebenfalls eine weitere Zunahme der Stellungsuchenden feststellen.

Um 1. Mai betrug die Zahl der Erwerbslosen( Hauptunter. flügungsempfänger) 292 326, am 1. Juni 271 961; auf das mann­fiche Geschlecht famen hiervon 209 407( am 1. Mai 228 573), auf das weibliche 62 554( am 1. Mai 63 753). Die Zahl der unter= stützten Familienangehörigen Erwerbsloser( Buschlagsempfänger) fant ebenfalls von 278 490 am 1. Mai auf 254 159 am 1. Juni. Demgegenüber weisen allerdings die Berichte der, Demobilmachungskommissare über die Zahl der aus öffentlichen Mitteln unterstügten Erwerbs Iosen einen Rüfgang der Gesamtzahlen auf.

Diese Zahlen stehen scheinbar im Widerspruch zu den Veröffentlichungen der Arbeiterverbände. Dieser Wider­spruch dürfte zum Teil wenigstens seine Auftiärung darin finden, daß von den früheren Erwerbslosen inzwischen viele in die Landwirtschaft abgewandert sind, daß dagegen in der Industrie umfangreiche Arbeiterentlassungen vor­genommen werden, durch die vor allem die Einrichtungen Ser Gewerkschaften in Mitleidenschaft gezogen werden.

Zusammenfassend muß man sagen, daß die werttatige Bevölkerung schweren 3eiten entgegengeht und daß alles vermieden werden muß, um die Notlage des Proletariats noch zu verschlimmern. Die bürgerlichen Par­teien und auch die Rechtssozialisten haben aber gerade

bafür nur geringes Verständnis; bet ben Beratungen über den Steuerabzug im Steuerausschuß des Reichstags war nur die Unabhängige Fraktion für die Be­seitigung dieses Ausnahmegesetzes gegen bie Arbeiter und Angestellten. Die anderen Fraktionen wollen die Bestimmungen nur mildern, also alles beim alten lassen.

Es geht zu Ende

Die Deutsche Tageszeitung" prophezeit den Untergang Deutschlands  , wenn auf der Konferenz in Spaa die Herab­segung der deutschen   Wehrmacht auf 100 000 Mann tatsächlich be­schlossen werden sollte. Diese Prophezeiung fönnte vielleicht noch einige Berechtigung haben, wenn die Reichswehr ein te publi­tanisches Seer wäre und in der Praxis bewiesen hätte, daß sie im Falle der Gefahr bereit ist, die Republik   vor ihren wirk­lichen Feinden zu beschützen. Dagegen sprechen aber alle Er­fahrungen. Die Wehrmacht ist ein monarchistisches Herrschaftsinstrument geworden; sie ist es heute noch mehr wie vor dem 13. März, weil inzwischen alle verfassungs­treuen Elemente aus der Reichswehr systematisch aus= gemerzt wurden. Die Notwendigkeit, diese Wehrmacht nicht nur herabzusetzen, sondern völlig zu beseitigen, ist daher schon lediglich aus innerpolitischen Gesichtspunkten dringend geboten. Die eilfertige Justiz

Das Berliner Tageblatt" meldet aus München  : Der unab­hängige Sozialist Lining, der im Gewerkschaftshaus den Plan eines neuen Generalstreits vorgetragen hat, ist verhaftet worden.

Wie immer, wenn es sich um Arbeiter handelt, facelt man nicht mit der Verhaftung. Die Marburger Mörder ht man trog dringendster Verdachtsgründe frei umherlaufen lassen, damit sie sich über ihre Aussagen in Ruhe verständigen und sich die nötigen Entlastungen beschaffen konnten. Eine General­streitbesprechung gilt also im neuen Deutschland   erheblich ver­brecherischer als brutale Mißhandlung und Mord.

Wo ist Kellel?

Eine Frage an den Justizminister Polizeihauptmann v. Kessel, einer der Hauptschuldigen an der Ermordung der 32 unschuldigen Matrosen, hat sich in dem Prozeß gegen Marloh des Meineids schuldig gemacht. Er wurde im Februar unter Antlage gestellt, befam aber fünf Minuten vor dem Urteilsspruch einen schweren Grippeanfall", so daß der Prozeß vertagt werden mußte. Etwa 14 Tage später tam der Kapp Putsch und machte Kessel plöglich wieder so gesund, daß er als Kommandeur einer Char­ lottenburger   Polizeiabteilung den Kampf gegen die republi­tanischen Arbeiter aufnehmen konnte. Mit dem Verschwinden des Lüttwigspukes verschwand dann auch wieder Herr v. Kessel, und es hieß, er sei dabei, seine angegriffene Gesundheit in einem Sanatorium zu reparieren. Inzwischen sind mehr als vier Mo­nate vergangen. Wir erlauben uns daher, an den Justiz minister die ganz ergebende Anfrage zu richten, wie es i:.zwis schen mit der werten Gesundheit des Herrn v. heel geworden ist; ob sich sein Zustand gebessert oder verschlimmert hat; wann und ob die Weiterführung des Prozesses in Aussicht genommen ist; oder ob mit Zustimmung des Angeklagten, der Richter, des Justizministers und der ärztlichen Sachverständigen die Eulens burgfomödie eine zweite und wesentlich verbesserte Aufführung erleben soll? Antwort dringend erbeten!

Bom Segen des Kapitalismus

Aus der Kaliindustrie

Die Aktiengesellschaft Deutsche Kaliwerte zu Bernt­rode( Untereichsfeld), ein Großlonzern des Kalibergbaues, dessen 15 Schachtanlagen mit insgejamt 86,6 Taufendstel, also mehr als ein Zwölftel an der Gesamtförderung des 1918 förderfähi­gen Wertes des Kalisunditais beteiligt sind, erstattet eben den Geschäftsbericht für 1919. Neben einer Abwehr gegenüber Go­zialisierungsbestrebungen enthält er u. a. auch Klagen über die hohen Arbeitslöhne. Diese Klagen scheien in einem eigentüme Itchen Lichte, wenn man hört, daß die Gesellschaft auf ein Attien­fapital von 40,85 Millionen Mark 25 Prozent Divi dende bezahlen kann, gegen 7 Prgzent und 8 Prozent in den beiden früheren Jahren. Der Reingewinn betrug 44,5 Millionen Mart. Nicht weniger als 30 Millionen Mart werden zurüidgestellt" für Steuern und zur Deckung für eventuelle Kursvetluste aus Schuldscheindarlehen. Ob diese rie­figen Rückstellungen berechtigt sind, erscheint mehr als frag­lich. Man suchte wohl nur der Verlegenheit zu entgehen, 50 oder gar noch mehr Prozent Dividende zahlen zu müssen.

Bom Braunkohlenbergbau

Der Geschäftsbericht des Rheinischen Braunkohlenbrikett­Synditates in Köln   für das am 31. März abgelaufene Ge­schäftsjahr 1919/20 weist darauf hin, daß es immer noch nicht gelungen ist, die infolge der langen Kriegsjahre start abgenügten Anlagen wieder leistungsfähig zu machen. Unter diesen Umständen ist die troydem erreichte Förderzahl geeignet, die ewigen Bor­wiirdse über die Sabotage des Wiederaufbaues durch die Ar­better erneut zu widerlegen. Das Syndikat verzeichnete in seis nem Geschäftsbericht als

Braunkohlen­Förderung ( Tonnen) 25 225 831

Brifett Herstellung ( Tonnen)

5 759 624

1919/20

1916/17

23 628 210

5 876 368

1914/15

18 892 038

5 208 569

1913/14

21 183 990

5 941 763

Das Synditat erreichte 1919/20 einen Landabsatz von 853 842, einen Eisenbahnversand 3 302 588 und einen Schiffsversand von 1 237 952 Tonnen. Die Preise für Braun­fohlenbrifetts wurden erhöht am 1. Mai und am 1. Juli 1919 um je 6 M. pro Tonne, am 15. Oftober und am 1. Dezember 1919 um je 9 Mart, am 1. Januar 1920 um 23 Mart und am 1. Fe­bruar nochmals um 36.50 Mart. Innerhalb eines Jahres also eine Berteuerung am 89,50 Mart pro Tonne, 4,47 Mart pro Zentner.( 3unt Bers gleich jei bemerkt: im Jahre 1914 fostete die Tonne beste Fett­steintohle ab Wert Essen 11,80 Mart, pro Zentner also 59 Pfennig.)

Italienischer Untersuchungsausschuh über die Kriegsschuld frage. Auch in Italien   nimmt die Frage nach den Schuldigen am Kriege einen immer weiteren Raum in der öffentlichen Distuffion ein. In sämtlichen Kammerkommissionen haben nuns mehr die Sozialisten einen Antrag eingebracht, die vorges nommene Finanzenquete auf das politische Gebiet auszudehnen. Vor allem sollen die mit dem Kriegsausbruch und der Kriegs­führung zusammenhängenden Fragen untersucht werden. auch die Katholikenpartei für den Antrag unserer Genossen ist, dürfte seine Annahme wahrscheinlich sein.

Da

Böhmische Kohlenlieferungen an Deutschland  . Jm Monat Mai sind aus Böhmen   nach Deutschland   im ganzen 152 389,4 Tonnen Brauntohlen geliefert worden. Davon gingen 128,903,5 Tonnen nach Sachsen   und 23 375.9 na dem ilbrigen Deutsch  land. Außerdem wurden 5200 Tonnen Buntertoyle auf dem Wasserwege nach Deutschland   geliefert.