Brotest gegen die Lebensmittelteuerung

Deutscher Reichstag

8. Sigung. Moniga ben 5. Juli Zunächst wird die Diätenvorlage, wonach jeder Abgeordnete monatlich 1500 M. Tagegelder erhalten soll, ohne Aussprache dem Geschäftsordnungsausschusse überwiesen.

Brotversorgung und Lebensmittelpreise

menschluß der Landwirtschaft zu 3wangsge­nossenschaften mit solidarischer Haftung, die unter Ausschaltung des privaten Handels direkt mit den Ver­brauchergemeinden in Verbindung treten müssen. Eine Erhöhung der Preise darf aber nur eintreten, wenn die Löhne der Arbeiter und Angestellten vorher erhöht find. Wir werden diesen Kampf gegen die Gefährdung der Lebenshaltung der Massen mit aller Entschiedenheit führen.( Lebh. Beifall b. d. U. Soz.)

Mordprozeß Blau

Die Plädoyers

Die gestrige Sihung wurde von den Plädoyers des Staatss anwaltes und der Verteidigung ausgefüllt. Der Staatsanwalt Dr. Orthmann betonte zu Anfang seiner Rede, daß die Ans getlagten Ficht mann und Hoppe sich nach seiner Uebers zeugung des Morbes schuldig gemacht haben und der Ans getlagte Winkler Beihilfe beim Mord geleistet habe. Er ers wartete daher von den Geschworenen, daß sie die Schuldfragen für alle drei Angeklagten bejahen. In dreistündiger Rede ging er eingehend auf die in der Anklage aufgestellten Behaup fungen ein und beschäftigte sich ebenso mit dem Ergebnis der Bes weisaufnahme. Der Staatsanwalt betonte, daß er sich von feiners lei politischen Gesichtspunkten bei der Prüfung der Schulbfrage leiten lasse. Er wolle aus diesem Grunde auch nicht behaupten, daß die Beweisaufnahme ergeben hätte, daß die tom Inter - munistische Partei als treibender Faktor bei dieser Mordaffäre mitgewirkt habe. Dessenungeachtet tönne er aber behaupten, daß ber an Blau verübte Mord planmäßig betrieben worden sei. Er kam zu dem Schluß, daß die Schuldfrage von den Geschwore nen bejaht werden müsse, damit das Recht zum Siege tomme.

Ein Regierungsvertreter:. Jm allgemeinen sind die Landwirte ihrer Lieferungsfrist nachgekommen. Wir brauchen auch jetzt Aus­landsgetreide, und dessen Preise müssen bei der Kalkulation in Rechnung gezogen werden. Die Frühdruschprämien fönnen wir nicht entbehren.( Ruf bei den U. Soz.: Ist das alles?) Auf Antrag Burlage ( 3tr.) wird Besprechung bei der pellation beschlossen.

Auf der Tagesordnung steht zunächst eine Interpellation Erfe lenz( Dem.), Trimborn( 3tr.), Stefemann( D. Vp.) über die Brotversorgung im rheinisch- westfälischen Industriegebiet. Sie weist darauf hin, daß die gelieferten Brotmengen zum über wiegenden Teile aus Ersagstoffen, wie. Bohnenmehl, Maismehl usw. bestehen. Die Zustände dauern schon monatelang und können in furzer Zeit schwerwiegende Folgen haben. Mit dieser Interpellation verbunden wird eine Interpellation Hente ( U. Soz.) über die fortgesette Steigerung der Lebensmittelpreise.. Sie fragt: wie und wann gedenkt der Reichskanzler den durch die in Aussicht stehende überaus gute Ernte möglichen Abbau der Preise für Getreide, Kartoffeln, Fleisch in die Wege zu letten? Was gedenkt der Reichskanzler gegen diejenigen Landwirte zu unternehmen, die sich in offener Berhöhung behördlicher Anordnungen der Abduktion. Unsere ganze Ernährungswirtschaft ist nichts als ein lieferung ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse entziehen? Welche Maßnahmen plant er gegen den junehmenden Lebensmittel­wucher?

Abg. Erkelenz ( Dem.) begründet die erste Interpellation. Wenn im Ruhrrevier nicht Abhilfe geschaffen wird, müssen sich schwer wiegende politische Konsequenzen ergeben.

Abg. Dr. Herk( U. Soz.):

Die Ausführungen des Vorredners haben deutlich die Not der Bevölkerung gezeigt. Es sind nicht nur die Kreise der Arbeiter= schaft, sondern auch die Angestellten und Beamten leiden unerträgliche Not. Es bedürfe nur eines fleinen An­stoßes, um dem Groll über diese Not Ausdruck zu geben. Dieser Anlaß waren die ungeheuerlichen Obstpreise. Wir sind gegen die meist durch Lockspigel hervorgerufenen Lebensmittelunruhen auf­getreten, weil dadurch gegen die Notlage nichts erreicht ( Sehr richtig! bei den U. Soz.). Die" Post", das Organ der Schwerindustrie, aber hat dazu aufgefordert. Wir sind aber aus all diesen Gründen aufs schärfste gegen einen sogenannten planmäßigen" Abbau der wangswirtschaft. solange Angebot und Nachfrage sich nicht das Gleichgewicht halten.( Bei­fall bei den U. Soz.) Die Ausführungen des Reichsernährungs­ministers erwecken den Anschein, als ob die Regierung vor dem Ultimatum der Großagrarier polltommen tapi­tuliert hätte.( Sehr richtig! links.) Die Kreise der Klein­und Mittelbauern haben sich den temperamentvollen Aeußerungen des Herrn Dr. Heim angeschlossen, daß auch die Landwirtschaft Ruacht nehmen müsse, die Großagrarier aber fennen nur ihren schrankenlosen Profit.( Sehr wahr! bei den Soz.) Die find nie in Einklang mit den Preisen gewesen. Die wöchentlichen Kosten für Lebensmittel eines erwachsenen Menschen sind­nach den Berechnungen des Statistischen Amtes der Stadt Berlin

-

von Juli 1919 bis Mai 1920 von 26,55 Mt. auf 70,12 Mt. d. h. um mehr als 164 Prozent gestiegen, die Löhne dagegen in Berlin nur um etwa 50 Prozent. Die rationierten Lebensmittel, die im Juni 1914 7,77 Mt. gekostet haben, tosteten im Juni 1920 101,04 Mt. Das ist eine Berteuerung um das Dreizehnfache. Das Existenzminimum einer Familie mit zwei Kindern stieg von Juni 1914 bis Juni 1920 von 1492,40 Mt. auf 15 440 Mt.( Hört, hört,

Abg. Käppler( Soz.): Die Frage, ob wir bis zur Ernte reichen, fann noch nicht beantwortet werden. Süd- und Westdeutschland sind heute ausschließlich auf Auslandseinfuhr angewiesen. Das bedauerliche ist, daß wir anstelle des Brotes nicht Kartoffeln geben können, weil die Ablieferung in die Städte nicht im ge­ringsten genügt.( Sehr richtig!) Es gibt nur einen Weg zur Lösung dieser Schwierigkeiten: Erhöhung unserer Gesamtpro­Fortwursteln nach den alten Methoden. Die kapitalistische Wirt­schaft ist nicht fähig, uns wieder hoch zu bringen. Von einer Ver­billigung der Lebensmittel, wovon die Regierung spricht, merkt man in der Tat nichts. Eine solche Ernährungspolitik fann unsere Fraktion nicht mitmachen. Die Aussehung von Frühdrumnrämien hat tatsächlich eine Vermehrung der Anlieferung zur Folge und macht uns darum unabhängiger von der Auslandseinfuhr. Es ist anzunehmen, daß wir durch die Frühdruschprämie auf diese Weise einen ganzen Monat Einfuhrgetreide sparen.

Der Präsident verliest einen Antrag Ledebour( U. Soz.): Die Behandlung der Interpellation durch die Regierung entspricht nicht der Anschauung der Reichstages.

Abg. Sauerbrey( U. Soz):

In den Säuglingsheimen sind die furchtbaren Folgen der Unterernährung deutlich zu beobachten. Die Photographien dieser Unterernährten, mit englischer Krant­heit behafteten Kinder sollten auf jedem Gutshofe ausgehängt werden.( 3uruf rechts: Die englische Hungerblockade!) Ich leugne nicht die Schuld der englischen Imperialisten, aber die deutschen Agrarier haben die Hunderblockade fortgesetzt. Der ge= treue Fridolin des Reichsernährungsministers hat eine Antwort gegeben, die uns nicht befriedigen tann.( Sehr richtig! bei den U. Goz.) Sie läuft darauf hinaus, daß die Landwirte der Not des Voltes nur dann steuern fönnen, wenn sie dafür große Pro­fite triegen.( Sehr wahr! bei den U. Soz.)" Zu einer solchen Re= gierung fönnen wir kein Vertrauen haben. Die 3wangswirtschaft hat mit Sozialismus nichts zu tun, aber selbst diese Notstands­maßnahme wird von den Agrariern sabotiert. Im rheinischen Industriegebiet haben sich die Ernährungsverhältnisse geradezu zu einer Katastrophe zugespitzt. Der Obst wucher im Rhein I and muß tiefe Erbitterung auslösen. Ueber all das gibt der Regierungsvertreter teine Auskunft.( Sehr richtig!) Die fort schreitende Profetarisierung wird zu einer fortschreitenden Revo Iutionierung.( Beifall bei den U. Soz.)

Nächste Sigung Dienstag 2 Uhr: Kleine Anfragen, Inter­pellation über die Arbeitslosigkeit, Fortsetzung der Besprechung über die Ernährungslage. Schluß 6 Uhr.

Nach der Mittagspause bekam Rechtsanwalt Dr. Weinberg das Wort, dessen Plädoyer sich ebenfalls auf drei Stunden auss dehnte. Der Verteidiger betonte, daß ihm in seiner langjährigen Praxis noch nicht vorgekommen sei, daß ein Staatsanwalt so wenig objet in die Ergebnisse der Beweisaufnahme in seinem Plädoyer gewürdigt habe, wie in diesem Prozeß der Staatsanwalt Dr. Orthmann. Der Staatsanwalt hat

den Spigel Toifl geradezu als Kriegshelden verherrlicht. Seine Heldentaten" sollen beeinflußt worden sein von der fo genannten Fichtmanngruppe. Mit feinem Wort ging der Staatss anwalt auf die Schandtaten des Lockspizels Toifl ein. Er ging daraüber hinweg, daß Toifl in ungezählten Fällen junge Leute zu Raub und Mordtaten anfforderte und daß er, wie der Fall Orlowsky beweist, der Anführer bei solchen Raubfahrten war. In unerhörter Folge find, so fuhr der Verteidiger fort, in ben verflossenen einundeinhalb Jahren politische Morde heute ungefühnt sind. Er erinnere nur an die begangenen Mords taten an Karl Liebknecht , Rosa Luxemburg , Leo Jogie ches, Kurt Eisner , Gustav Landauer , er erinnere weiter an den Mord der 30 Matrosen, sowie jezt vor kurzem an den Massenmord an den 15 Arbeitern aus Thale . Reine dieser hier ausgeführten Mordtaten hat bis heute seine Suhne gefunden. Aber jezt, nachdem auf Grund von Spielberichten jugendliche fommunistische Arbeiter bezichtigt werden, einen Polizeispiel ers mordet zu haben, jetzt, nachdem die Beweisaufnahme die Schuld der Angeklagten nicht ergeben hat, sondern es sich gezeigt hat, daß in unerhörter Weise bie Lodipigel und ihre Hintermänner fortgesegt zu dieser Mordtat aufgefordert haben, und was nicht genau festgestellt werden konnte, diese auch jedenfalls ausgeführt haben, jezt beantragt der Staatsanwalt troydem die Todesstrafe für zwei der Angeklagten und schwere Zuchthausstrafe für den dritten Angeklagten. Und da behauptet der Staatsanwalt noch, daß er sich bei der Bewertung der Sachlage von jeder politischen Tendenz freigehalten habe. Wenn der Staatsanwalt von so genannten Gruppen", gesprochen hat, so meinte er damit Terroristengruppen innerhalb der fommunistischen Partei. Jch behaupte meinerseits ebenfalls, daß T.- Gruppen bestehen und sage, daß es

Toifl- Gruppen

find, Gruppen, die von Toifl ins Leben gerufen wurden, in der die Spizelgilde ihr Unwesen trieb.

Der Verteidiger ging dann in eingehender Weise auf die in der Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen ein. Re oes An= getlagten Fichtmann tam er zu dem Schluß, daß der Alibi­

bei den u. Goz.) Der höchſtqualifizierte Metallarbeiter in Berlin Preußische Landesversammlung beweis, den Fichtmann geführt hat, reſt os gelungen lei, und er

verdient einschließlich den Julagen für Frau und Kinder nur 268,20 Mt. gegenüber einem Eristenzminimum von mindestens 297 Mt. Der Brotpreis, der bis Ende 1919 noch 58 Pfg. für das Kilogramm betrug, ist in weniger als einem halben Jahr auf 2,37 Mt. gestiegen.( Lebh. hört, hört!)

Die Ernte von 1920 steht sehr gut und trotzdem hat die Regierung neue Preiserhöhungen in Aussicht genommen, die alles bisherige in den Schatten stellen und noch weit über das hinausgehen, was an Steigerung der Produktionskosten durch die Indertommission festgestellt ist. Es ist falsch, daß die Produktions­tosten der Landwirtschaft in dem Umfange gestiegen sind, wie sie der Reichsernährungsminister angegeben hat. Redner zitiert eine amtliche Denkschrift des Wirtschaftsministeriums, die zahlreiche Beweise dafür liefert. Die Berechnungen der Inder­tommission widersprechen allen statistischen Grundsägen. Die jett vorgeschlagene

Erhöhung der Breise

von 1100 Mt. für Weizen auf 1700 Mt. die Tonne, anstatt im Borjahre 400 bzw. 450 Mt., ist unerhört und würde die Lebens­verhältnisse der Massen aufs äußerste gefährden. Die Landes­regierungen und Gemeinden haben gegen diese Festsetzung eben­falls den schärfsten Protest erhoben. Der Berliner Magi Strat hat in einer Eingabe erklärt, daß die Preispolitit. der Reichsfentrate das Hier der Gesundung der wirtschaft­lichen Verhältnisje in immer weitere Ferne zu rüden, wenn nicht gänzlich zu vereiteln droht.( Hört, hört.) Wenn man über die hohen Düncemittelpreise jammert, warum hat rian dann die riesigen Gewinne der Düngemittelindustrie, besonders der Kaliindustrie, nicht beschlagnahmt?( Sehr ri tig!) Die Pro­duktion an Düngemitteln ist fünstlich niederaehalten worden, um

Sigung vom 5. Juli 1920.

In einer früheren Sizung der preußischen Landesversammlung war beschlossen worden, den Ehrensold für die Kriegsvete minister geantwortet, daß eine einmalige Beihilfe von 80 M., ranen von 1870-71 zu erhöhen. Daraufhin hat der Reichsfinanz­am 1. Mai gewährt worden ist. Mehr zu tun, verbiete die Finanz­lage des Reiches nicht. In der gestrigen Sitzung wurde daraufhin ein Antrag von sämtlichen Frattionen gestellt, erneut zu fordern, den Veteranen einen der Geldentwertung entsprechend höhten Sold zuzubilligen.

er

Es

In der Aussprache stimmten alle Frattionen därin überein, es müßten unbedingt soviel Mittel vorhanden sein, um den zumeist in dürftigsten Verhältnissen lebenden Veteranen helfen zu fönnen. zumal bisher so gut wie alles an thnen versäumt wurde. wurden für allerlei andere höchst unnüze Dinge Gelder aus­gegeben, da müßten die wenigen Millionen aufzubringen sein. Genosse Ludwig: Die bürgerlichen Parteien haben nie die Mög lichkeit, die sie hatten, dazu benugt, für die Veteranen ausreichend zu sorgen. Die Veteranen mußten betteln gehen. Wir haben stets eine ausreichende Fürsorge gefordert und unterstützen auch jezt alle darauf abzielenden Bestrebungen.

unter allen Umständen freigesprochen werden müsse, da er an der Tat in teiner Weise beteiligt gewesen sei Die Beweisaufnahme habe auch nicht ergeben, daß oppe an der Mordtat beteiligt. gemesen jei Es sei dem Staatsanwalt nicht celungen, den Be weis für die in der Antlage aufgestellte Behauptung zu erbringen. Die von Soppe gegeben Darstellung sei psychologisch durchaus vers tönnen. Aus diesem Grunde müsse auch Soppe von der Anklage ständlich und habe von teiner Zeugenaussage entfräftet werden des Mordes freigesprochen werden. Dasselbe treffe auf den An­getlagten Wintler zu, dem die Beweisaufnahme in teiner Weise die Schuld auf Beihilfe des Mordes bewiesen hat.

Rechtsanwalt Liebknecht ging in einstündiger Rede eben­falls nochmals eingehend auf alle Punkte der Anklage ein und tam ebenfalls zu dem Schluß, daß die Angeklagten freigesprochen werden müssen.

Der Angeklagte Fichtmann erklärte in seine Schlußwort, daß er sich frei fühle von jeder Schuld, da er in feiner Weise an der Mordtat beteiligt sei. Er bat um seinen Freispruch.

Der Angeklagte Soppe griff auf einige besonders charakte ristische Punkte zurück und zeigte, daß der Staatsanwalt in seinem Plädoyers zu falschen Schlüssen gekommen ist. Bezüglich seines politischen Standpunktes betonte er nochmals, daß er Gegner Borsigende den Geschworenen die Rechtsbelehrung erteilt hatte, zogen sich diese zur Beraturg zurüd.

Der Antrag wurde formaler Bedenken wegen nicht zur Abeglicher politischer Gewaltatte sei. Nachdem der Stimmung gebracht und soll in den nächsten Tagen erneut er fcheinen.

Der Gesezentwurf zur Ueberführung der Standesherrlichen Bera regale an den Staat wurde dem Handels- und Gewerbeausschuß überwiesen.

Nächste Sigung heute mittag 12 Uhr.

riesige Breiſe zu erzielen.( Sehr wahr! bei den 1. Goz.) Es muh Anschlag auf eine Kriegsbeschädigten­

jegt unter allen Umständen mit dem Abbau der Preise begonnen werden, wobei bei den Brot- und Getreidepreisen der Anfang gemacht werden muß.( Sehr richtia!) Im Gegensah dazu hat die Regierung ohne Bewilligung des Reichstages und ohne Be fragung des voltswirtschaftlichen Ausschusses wieder eine Früh­bruschprämie genehmigt, statt, wie unser Genosse Wurm es von hier aus verlangt hat, die staatliche Organisation des Früh­brusches in die Hand zu nehmen. Auch die Erhöhung der Ge­treidepreise will die Regierung ohne den Reichstag erledigen, nur mit dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß, dem diese Befugnis aber nicht mehr zusteht.( Sört, hört!) Die Annäherung an die Weltmarktpreise ist das Sehnen der Groß agrarier.( Sehr richtig!) Dem Schiebertum im großen muß entgegengetreten werden. Das wäre Aufgabe der Wuchergerichte gewesen, die aber durch Sabotage der Rechtsbehörden ihre Tätig= feit nicht aufnehmen konnten.( Sehr richtig!) Wir fordern die so­fortige Borlage eines Kommunalisierungsgesetzes, das den Ge­meinden die Möglichkeit schnellen Zugreifens und eigener Tätig­feit zur Bersorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gibt. Wir sind nie gegen die produktive Landwirtschaft aufaetreten, sondern nur gegen den Großgrundbesig, der andere für sich arbeiten fäßt.( Sehr richtig! bei den u. Soz.) Ihn gilt es möglichst bald und durchgehend zu sozialisieren. Für die Ueber­gangszeit aber wenden wir uns aufs schärfste gegen den b bau der Zwangswirtschaft, denn hinter diesem Ruf steht nur die nadte Gewinnsucht. Der Hauptmangel der Zwangs­wirtschaft ist, daß fie durch die Gegenwirtung des Großgrund­befizes usw. nur auf dem Bapter steht.( Sehr richtig!) Demgegenüber fordern wir den genossenschaftlichen 3usam­

versammlung

Der Internationale Bund der Kriegsbeschädigten und hinter bliebenen hatte zu gestern abend 7 Uhr in der Turnhalle in Sagen i. W. eine Kundgebung für den Weltfrieden und Bölker-. verföhnung einberufen, in der der Bundesvorsitzende Karl Tiedt. Berlin sprechen sollte. In dem Augenblid, wo der Referent das Lokal betrat, erfolgte in dem bis auf den letzten Blaz gefüllten Saal eine starte Explosion, durch die zahlreiche Menschen zum Teil schwer verlegt wurden. Der Saal gleicht einem Trüm merhaufen. Die nähere Untersuchung ergab, daß die Explosions. stoffe unter dem Ofenfuß bis an den Treppenaufgang zur Bühne gelagert waren. Genosse Tiedt wurde nicht verlegt und richtete an die vor dem Gebäude Bersammelten eine Ansprache, in der cr darauf hinwies, daß der Internationale Bund sich nicht abhalten laffe, trotz alledem seinen Kampf gegen die Dreieinigkeit: Kapi. talismus, Imperialismus und Militarismus zu führen.

Metallarbeiterstreit im Saargebiet. Die gesamten Werke der Metallindustrie mit Ausnahme der Brebacher- Sütte und in Som burg in der Pfalz sind im Ausstand. Die Streifleitung erklärte den Bierboykott. Der Bierpreis ist infolgedessen um die Hälfte gesunken. Die Arbeiterschaft wird von ihren Führern zur größten Ruhe und Besonnenheit ermahnt.

Mar Klinger tot

Naumburg a. d. Saale , 5. Juli. Am Sonntag mittag ist auf seinem Sommerfit in Großjena an der Unstrut, wo er, wie alljährlich seit Mai weilte, der Maler und Bildhauer Geheimrat Professor Max Klinger einer Herzlähmung im Alter von 63 Jahren erlegen. Sein Ab. leben erfolgte völlig unerwartet ohne vorhergegangene Krantgeit. Wegen der Ueberführung der sterblichen Ueberreste des Künstlers ist noch nichts bestimmt.

May Klinger war einer der bekanntesten deutschen Künstler. Er war Maler und Bildhauer, dürfte aber am ehesten durch seine Radierungswerte Geltung behalten. Seine Radies rungen hatten eine Zeitlang wohl den höchsten Kurswert auf dem internationalen Martte. Der Ruhm des Malers Klinger war nie unbestritten. Was man aber auch gegen ihn sagen mag, er gehörte zu den Wenigen, die neue Wege suchten. Er hat in seinens Urteil des Paris" und in seinem Christus im Olymp" eine ers bindung von Malerei und Plastit versucht und in seinem plasti­schen Hauptwert, dem. ,, Beethoven ", hat er einen wichtigen Schritt getan, die farbige Plastit neu zu erobern. Wir behalten uns eine tritische Würdigung seines Schaffens vor. Klinger wurde am 18. Februar 1857 zu Leipzig geboren, studierte in Berlin und Karlsruhe , lebte lange im Ausland( Brüssel, Paris , Rom ) und zuletzt in Leipzig . Im Leipziger Museum ist die um­fangreichste Sammlung seiner Werke. Dem Beethoven ist hier eine Art Tempel geschaffen. In der Leipziger Universitätsaula befindet sich sein Kolossalbild Die Blüte Griechenlands". Zulegt malte er ein Riesenbild für das Chemnizer Rathaus. Mit beiden Schaffungen monumentaler Kunst enttäuschte er. Seine Radie­rung Mutter und Kind" aus dem Zyklus Vom Tode" wird sich vielleicht am längsten im Bewußtsein der Nachkommen erhalten.

Heute Nachmittag 5 Uhr im Luftgarten groke Demonstrations- Bersammlung

Tagesordnung:

Die Arbeitslosenfrage, ihre Ursachen, Folgen und ihre Lösung Angestellte, Arbeiter und Arbeiterinnen erscheint in Massen!

1