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3. Jahrgang

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Unter Streifband

bezogen für Deutschland   und Desterreich 16,50 m., für das übrige Ausland 21,50 m.

zuzüglich Baluta- Aufschlag, per Brief für Deutschland   und Desterreich 30,- M.

Redaktion, Expedition und Verlag: Berlin   C 2, Breite Straße 8-9.

Donnerstag, den 8. Juli 1920

Nummer 266

Morgen- Ausgabe

Die achtgespaltene Nonpareillegeile oder deren Raum kostet 5,- m. einschließlich Teuerungszuschlag. Kleine Anzeigen; Das fettgedruckte Wort 2,- M., jedes weitere Wort 1,50 M., einschließlich Teuerungszuschlag. Laufende Anzeigen laut Tarif. Familien- Anzeigen und Stellen- Gesuche 3,20 m. netto pro Beile. Stellen- Gesuche in Wort- Anzeigen: das fettgedruckte Wort 1,50 m., jedes weitere Wort 1,- M. Fernsprecher: Bentrum 2030, 2645, 4516 4603, 4635, 4649, 4921.

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Berliner   Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Reaktionäre Winke für Spaa Die österreichische Krise

Die Brandstifter

Die monarchistische Presse setzt ihr gewissenloses Treiben, tr., durch verlogene Nachrichten über Putschabsichten der Ar­beiterklasse auf die Konferenz in Spa a einzuwirken, munter fe fort. Sie berichtet jetzt, daß sich in Braunschweig   ein neuer Umsturzherd gebildet habe, es bestehe dort eine Rote Armee" in Stärke von etwa 4000 Mann, ut bewaffnet und von einem Oberkommando geleitet, das aus russischen Offizieren gebildet sei. Es wird sogar behauptet, daß sich das Oberkommando" bereits so start fühle, durch öffentliche Anschläge hervorzutreten. Wenn solche Anschläge in Braunschweig   tatsächlich erfolgt sein sollten, so ist ohne weiteres flar, daß sie von den militärischen Nach richtenstellen besorgt worden sind. Diese sind es auch, die der Rechtspresse das frei erfundene Material über die angeb­lichen Butsche übermitteln. Nach diesem Schema hat die Wehrmacht bisher immer gearbeitet, wenn die Entente auf die Einhaltung des Friedensvertrages drang, und sie tut es heute in einem verstärkten Maße, weil in Spaa endlich Ernst gemacht werden soll mit der Serabsehung der schädlichen, te überflüssigen und für die innere Gesundung des Landes tshöchst gefährlichen Reichswehr.

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Zu allem Ueberfluß hat jest eben der Oberpräsident der Provinz Sachsen  , Herr Hörsing, erklärt, daß in der Pro­pinz Sachsen absolute Ruhe herrsche, es bestehe feinerlei Putschgefahr, alle anders lautenden Meldungen seien frei er­funden. Herr Hörfing verlangte deshalb die Ausgebung des Belagerungszustandes. Das hat die Rechtspresse in helle Wut versetzt. Die beiden Kapp- Organe, die Deutsche Tageszeitung" und die Deutsche Zeitung", ver­steigen sich sogar dazu, die sofortige Absehung Hörsings zu fordern, weil er die Geschäfte der Militaristen durchkreuzt hat, und der Deutschen Tageszeitung" entschlüpft dabei fol­gendes Geständnis:

Herr Hörsing trompetet seine Fanfare in demselben Augen­bli heraus, wo in Spaa   der Minister des Auswärtigen und der Reichswehrminister in der schwierigsten Lage sind gegenüber den Entwaffnungsforderungen der Entente, und wo sie gerade mit dem Hinweis auf die innere Unsicherheit in Deutschland   diesen Forderungen beizutommen versuchen. Der Herr Oberpräsident für Sachsen   aber hält es für seine Aufgabe, ihnen, soweit es in feinen Kräften steht, das Konzept zu verderben und ihre Situation noch zu chweren. Die Richtigkeit der ganzen Hörsingschen Auffassung von Der Rage in Sachsen   einmal angenommen, dürfte die Aufhebung des Ausnahmezustandes, der nun monatelang bestanden hat, wohl nicht so dringend gewesen sein, als daß man damit nicht noch ein paar Tage hätte warten tönnen. Und wenn sie fchon jo dringend war, wäre es jedenfalls nicht notwendig ge= wesen, die im Hinblid auf Spaa   geradezu verderb= liche Motivierung dafür in alle Welt herauszuschreien.

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Hier wird also ganz offen eingestanden, daß die Putsch gerüchte und der Belagerungszustand gebraucht werden, um in Spaa   mit dem Hinweis auf die innere unsicherheit in Deutschland   den Forderungen der Entente auf Enwaffnung beizukommen. Damit wird von einem für diese Dinge gewiß zuständigen Blatte eingestanden, daß alle Nachrichten über innere Unruhen purer Schwindel sind, daß dieser Schwin­del aber notwendig sei, um die Entente einzuseifen, da­mit fie uns das Gnadengeschenk des Militarismus lasse. Die Regierung scheint mit dieser Motivierung durchaus einver­standen zu sein, denn sie hat die Aufhebung des Belagerungs­zustandes abgelehnt, sicher auch, um ihre unhaltbaren Motivierungen in Spaa nicht selber Lügen strafen zu müssen. Wir sind dem Kapp- Organ für dieses wertvolle Einge­ständnis sehr dankbar. Es ist für uns ein fiche.er Beleg da­für, daß die Wehrmacht die Rolle eines Brandstifters Spielt. Sie hat im neuen Deutschland   jede Daseinsberechti gung verloren. Um diese wieder zu gewinnen, legt sie selber das Feuer an, damit ihr Gelegenheit zum Löschen gegeben

werde.

Die dritte Sigung

Spaa  , 7. Juli.

Die dritte Sigung der Konferenz fand heute nach­mittag 3% Uhr statt. Anwesend waren die Vertreter der 5 interalliierten Mächte und die deutsche De egation, sowie die deutschen   und alliierten militärischen Sach­verständigen.

Interalliierte Besprechunget

Spaa, 7. Juli.

belgischen Delegation bezweifelt man, daß die Frage in Spaa gelöst werden wird. Man werde zweifellos auseinandergehen, ohne sich über diesen Puntt verständigt zu haben.

Die Chefs der alliierten Regierungen hatten heute früh eine längere Besprechung über die türkische   Frage. Der französische   Finanzminister Marsal ist heute früh aus Paris   wieder hierher zurückgekehrt.

Gestern hatten Lloyd George   und Millerand eine lange Unterredung. Sie haben dann jpäter Wenije los empfangen und sich längere Zeit mit ihm besprochen.

Weitere Teilnehmer in Spaa   eingetroffen Reichsjustizminister Dr. Heinze traf mit dem Reichsanwalt Richter in Spaa   ein, um über das Reichsgerichtsverfahren gegen die sogenannten Kriegsverbrecher vor der Konferenz Auskunft zu geben. Außerdem wird Geheimrat Schmiad vom Reichsmini­sterium des Innern erwartet.

Zur Teilnahme an den Beratungen über die Kohlen­frage, die voraussichtlich alsbald beginnen werden, sind von der deutschen   Regierung als Sachverständige folgende Herren dringlich nach Spaa   gebeten worden: Hugo Stinnes  , Geheim­rat Hilger, Geheimrat Arnhold, Herr Lübsen, Herr Hue, der Reichstohlenkommissar und Generaldirektor Konaeter.

General Le Rond, der Vorsitzende der interalliierten Kommis­fion für Oberschlesien  , ist Dienstag abend um 6 Uhr im Automobil

in Spaa eingetroffen.

Der Minister des Innern Severing reiste gestern nach Spaa ab. Der Zweck der Reise ist vermutlich die Regelung der Angelegenheit der Sicherheitspolizei.

Die mangelnde Vorbereitung der deutschen   Vertreter

H. R. Spaa, 7. Juli.

Das gestrige Ereignis war, jo berichtet der Sonderforrespondent des Nieuwe Rotterdamsche Courant", eine harte Lettion, die aber den Vorzug hat, daß von jezt an der Außenminister mehr in den Vordergrund treten wird und daß Fehrenbach gelernt haben wird, daß er sachlicher diskutieren muß als am Biertisch oder im Deutschen Reichstag. Das Auftreten Simons hat in Ententefreisen einen guten Eindrud gemacht. Man erblickt in ihm einen sehr fähigen Mann, der gestern mit großer Geschick= lichkeit zwischen den Schwierigkeiten hindurchsegelte und für die Unerfahrenheit seiner Kollegen um Entschuldigung bat.

Inzwischen ist ein zweiter Tag verloren gegangen. Es ist sehr sonderbar, daß die Deutschen  , nachdem sie am ersten Tage erklärten, teine militärischen Sachverständigen mitzuhaben, am zweiten Tage zwar mit militärischen Sachverständigen er scheinen, aber ohne Vorschläge. Die erste Folge davon ist, daß der Geduld der Engländer und Franzosen   eine schwere Probe auferlegt wird. Die Konferenz wird viel mehr Zeit beanspruchen als man anfangs geglaubt hat. Wegen der Sache würde man vielleicht mit der Zeit nicht largen, aber man wünscht leineswegs die unerfahrenen deutschen   Unterhändler zu Unterhändlern zu erziehen. Die Engländer wünschen, dem Konflikt ein Ende zu bes reiten, und die Franzosen sind, ohne daß man ihre Geduld noch länger auf die Probe ftellt, bereits nervös genug. Das ist eine große Gefahr für Szenen, wie man sie gestern erlebt hat.

Polen   wünscht Aufschub der Abstimmung

Warschau  , 6. Juli. In der heutigen Sigung des Sejm brachte der Abgeordnete Gdyt einen Dringlichkeitsantrag ein, der verfassunggebende Sejm möge an die Parlamente der verbündeten Mächte einen Aufruf ergehen lassen, um die Voltsabstimmung hin= auszuschieben. Der Antrag wurde mit sehr bedeutender Mehrheit angenommen.

Ferner wurde ein Antrag des Inhalts angenommen, daß die Bewohner der Volksabstimmungsgebiete, die durch das Ergebnis der Boltsabstimmung der Republit zufallen werden, ohne Rüd­ficht auf die Nationalität von der Militärdienstpflicht für acht Jahresreisein sollen.

Polnische Friedensvorschläge?

Warschau  , 7. Juli. T.-U. In der nächsten Sigung des Sejm werden die Sozialdemo fraten den bringlichen Antrag einbringen, daß Bolensofort Sowjetrußland Friedensvorschläge macht.

: Bergarbeiterunglück in Ungarn  

Frankfurt   a. M., 7. Juli.

Die Frankfurter Zeitung  " meldet aus Budapest  : Durch Explosion eines Dynamitlagers im Ungaria  - Schacht des Aninaer Kohlenbergwerks wurden 210 Bergleute ge= tötet. 170 Leichen sind geborgen.

Von Otto Leichter  , Wien  

Die Revolution des November 1918 war im wesentlichen eine bürgerliche Revolution mit proletarischen Mitteln. An das, was das Bürgertum in dem Kampf um die politische Demokratie nicht erobert hatte, wurde durch die Revolution des Rovember 1918 errungen. Das Proletariat, das diese Revolution mit seinen Mitteln durchgeführt hat, glaubte fast überall diese Revolution sei die proletarische Revolution, der Staat, der dadurch geschaffen, sei schon ein sozialistischer. Go ist es zu erklären, daß sowohl in Deutschland   als auch in Deutschösterreich Vertreter des Proletariats in die Regie­rungen der neuen Staaten eintraten, daß die Arbeiterklasse gegenübertrat, die es früher geübt und die auch jetzt am anfangs dem neuen Staatsgebilde nicht mit jener Vorsicht Blaze gewesen wäre. Denn wenn auch die Republik   und die politische Demokratie bessere Möglichkeiten bieten, den prole­tarischen Klassenkampf seiner Entscheidung zuzuführen, so sind sie es eben nur dann, wenn das Proletariat weiter fämpft und seine Forderungen immer mehr auf das Ent­scheidende, nämlich den Kampf um die Umgestaltung der fapitalistischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung fon­zentriert.

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Die ganze Krise, die der Sozialismus seit dem Ende des Krieges durchmacht, ist dadurch zu erflären, daß ein Teil des Proletariats fich fast ohne jeden Vorbehalt auf den Boden dieses neuen Staates gestellt hat, während der andere immer stärker werdende die proletarischen Massen zum Klassenkampf gegenüber dieser neuen Forin des Klassen= staates auffordert. Diejenigen, die meinten, sie seien mit einem republikanischen Parlament des allgemeinen Wahl­rechts schon am Ende ihres Zieles angelangt, werden Tag für Tag durch die eherne Gewalt der Tatsachen darüber be­lehrt, daß sie in einem bürgerlichen Staate leben, daß die Bourgeoisie dem Proletariat eine Machtposition im Staate nach der anderen entreißt, daß sich die anfangs besinnungs­losen Gegner der Arbeiterklasse immer mehr zur herrschenden Klasse machen. Es ist zwar ursprünglich die Taktik des Bür­gertums gewesen, weiter mit den Mitteln des Proletariats und auf seine Kosten sich einen Machtapparat gegen das Proletariat zu errichten, und es bedurfte der ganzen Maivi­tät" der deutschen   Rechtssozialisten, um selbst mit aller Energie alle Mittel zur Errichtung einer bürgerlichen Klassenarmee bereitzustellen. Wo die Sozialdemokratie nicht so ,, naiv" ist, dort ist eine solche Koalition ununterbrochenen Krisen ausgesetzt, die nichts anderes sind, als Versuche der proletarischen Vertreter, innerhalb der Koalition gegen die notwendigen Folgen einer solchen Koalition- die Steige­rung der Macht der Bourgeoisie anzufämpfen.

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Das sind die wesentlichen Voraussetzungen der Regierungs­frise in Deutschösterreich, die nun fast vier Wochen andauert und in diesen Tagen vor ihrem Abschluß steht. Sie ist aus­gebrochen bei der Frage der Soldatenräte in der neu auf­gestellten Wehrmacht. Der sozialdemokratische Staatssekretär für Heerwesen hatte einen Erlaß zum Vollzug des neuen Wehrgesezes herausgegeben, der Bestimmungen über die Soldatenräte enthielt. Die bürgerlichen Parteien in der österreichischen   Nationalversammlung  - Chriftlichsoziale und Großdeutsche glaubten wieder einmal den Zeitpunkt für gekommen, um für diesen Fall eine rein bürgerliche Koalition zu bilden, den Sozialdemokraten in der Regierung eine taftische Schlappe beizubringen; sie interpellierten, und in der Debatte wurden die schärfsten Beschimpfungen unserer Genossen in der Regierung vorgebracht. Daraufhin zog der Sozialdemokratische Verband der Abgeordneten die einzig mögliche Konsequenz und zog seine Vertreter aus der Regie­rung zurüd, worauf die Gesamtdemission des Kabinetts er­folgen mußte.

Obwohl die Frage der Errichtung von Soldatens räten und damit im notwendigen Zusammenhang die Be­schneidung der Rechte der Offiziere eine entscheidende Macht­frage in dem Ringen zwischen Proletariat und Bourgeoisie darstellt, war dieser Gegensatz zwischen den Koalitions­parteien nur der äußere Anlaß für die Koalitionskrise. Die deutschösterreichische Arbeiterschaft hat die Koalition seit jeher als ein Uebel angesehen, während der ersten Zeit ihres Bestandes freilich als ein notwendiges Uebel, wenn man die Republik   nicht den reaktionären Bestrebungen der kürger­lichen Parteien ausliefern wollte; später jedoc, als es sich immer zeigte, daß die Sozialdemokraten in der Koalition immer schwächer werden, daß die bürgerlichen Parteien die Sozialisierungsaktion sabotieren, daß die Vermögensabgabe vorerst auf die lange Bank geschoben wird und dann mög­lichst zahm ausfallen soll, daß in der Verfassungsfrage weit­gehende Zugeständnisse an die föderalistisei: christlich fozialen Landesregierungen gemacht werden müssen, und daß Sozialdemokraten die ganze Verantwortung, obwohl sie nur die halbe Macht haben, da wurde der Widerstand gegen die Koalition in der Arbeiterschaft immer stärler. Gerade der Reichsarbeiterrat, der Anfang Mai tagte, zeigte die Miß­stimmung gegen die Koalition sehr deutlich, und so bot der Vorstoß der Christlichsozialen in der Frage der Soldatenräte die willkommene Gelegenheit, die Regierung den bürgerlichen Parteien ganz einfach hinzuwerfen".

Wie Le Soir  " meldet, haben fich Marschall och und Marshal Lebensmittelunruhen in Königsberg   schließlich die Koalitionspartner jo tun, als trägen die

Wilson lebhaft mit den fürzlichen militärischen Ereignissen an der polnischen Front beschäftigt. Das Blatt glaubt zu wissen, daß die Polen   in Spaa   von den Alliierten teine Unter­fügung durch Entfendung von Truppen, sondern die Entsen. dung von Waffen und Munition erbitten werben. Nach den Morgenblättern sind die Verhandlungen in der Frage ber belgischen Priorität, die einen recht lebhaften Charat ter hatten, bisher zu teinem Ergebnis gelommen. In der

Königsberg  , 7. Juli.

Auf dem Altstädtischen Markt und auf dem Fischmarkt wurde heute früh eine Anzahl Berkaufsstände geplündert. Die Verkäufer wurden mißhandelt. Is die Menge auch ein Schuhgeschäft zu plündern drohte, erschien ein starkes Aufgebot Sicherheitspolizei mit Maschinengewehren und säuberte die Straße.