Binsenwahrheit, die aber stets eminent betont werden muß, weil in weiten Kreisen noch immer nicht das Verständnis für die Bedeutung dieses wichtigen psychologischen Faktors vot handen ist. Was vom Staatsminister Defer in dieser Beziehung gesagt wird, verdient das Fauftmotto:„ Wenn man es hört, möchts leidlich scheinen", doch die gegen die Arbeiter schaft und ihre Vertrauensmänner gerichtete Auflösung der Werkstätten, deren politische reaktionäre Ausschlachtung der Minister gar nicht mehr bestreitet, hat gezeigt, daß ein volles Verständnis für diese Frage bei der Eisenbahn ebenso wie bei den anderen Staatsunternehmen durchaus fehlt.
Die Auslösung und Nugung der Kräfte, die aus den Reihen der Arbeitnehmer zur gemeinwirtschaftlichen Betätigung empordrängen, wird von den fistalischen Betrieben zumeist noch mehr gescheut, als von der Privatindustrie. Die Bors stellung von Autorität, abgestempeltem Bildungsgang und behördlicher Stufenleiter ist in den Köpfen der meisten Beamten noch so start, daß sie eine gewaltige Abneigung vor Betriebsräten und ähnlichen„ revolutionären" Einrichtungen haben. So kommt es, daß die Empfindung, dem Gemeinwohl zu dienen, die in den in Reichs, Staats- und Kommunalbetrieben tätigen Menschen geweft und entwickelt werden sollte, bis heute nicht erreicht worden ist, und unter den
jetzigen Formen der Betriebsführung auch nicht herbeige
führt werden wird. Das ist ein Fehler, der nur durch eine gründliche Reform beim leitenden Personal beseitigt werden fann, weil es unmöglich ist, Menschen, die in der militaristischen Dentweise alt geworden sind, zu einer innerlich neuen Einstellung zu bringen.
Aufgabe der Betriebsräte bei den Staatsunternehmen, in den Reichs- und Kommunalbetrieben aber ist es, sich ein erweitertes Mitbestimmungsrecht in dem Sinne zu erfämpfen, daß sie sich nicht auf die Wahrung enger Eigeninteressen beSchränken, sondern die Notwendigkeiten der Gesamtheit zur Richtschnur ihres Handelns machen.
Ein Bunft aber, auf dem Minister Defer bei der Frage der Unterbilang nur furz hinweist, der aber für unsere Betrach tung ganz im Bordergrund steht, muß in diesem Zusammenhang noch einmal betont werden, obwohl wir bei verschie benen Gelegenheiten bereits darauf hingewiesen haben.") Eine vom finanziellen Standpunkt gesunde Verkehrspolitik fann nur betrieben werden, wenn nicht nur das reine Verfehrsunternehmen im Gemeinbesig ist, sondern die Urprodufte, beren es zum Betriebe bedarf. Ohne die Sozialisierung der Kohlen und Eisenindustrie, die eine gemeinwirtschaft lich orientierte Produktions- und Preispolitik in diefen 3weigen der Industrie ermöglicht, ist die Eisenbahn auf die Zahlung der hohen Preise der Schwerindustrie angewiesen. Bon ben hohen Preisforderungen dieser Industrie aber, von der Deutschlands Wirtschaft in stärtstem Maße abhängt, wird auch der Stand der gesamten Lebenshaltungstoften, alfo auch der Lohnsas, bestimmt. Wenn Kohle 16-20 mal so viel wie im Frieben foftet, Eisenbahnmaterial sogar das breißig bis fünfzigfache der Vorfriegsnotierung, dann fann bei einer Steigerung der Tarife auf das fünffache selbst bei strengster Wirtschaftlichkeit des Betriebes teine defizitfreie Rechnung vorgelegt werden. In dieser Trennung eng verbundener Wirtschaftsfattoren liegt der grundsägliche Fehler. Erst wenn die Sozialisierung dieser wichtigsten Industrien burchgeführt ist, können die Berkehrsbetriebe wirklich in die richtige Stellung innerhalb der modernen Wirtschaft gebracht, zu einem Instrument der Produktionssteigerung ausgestaltet werden.
*) U. a.„ Straßenbahn" in der Zeitschrift„ Der Sozialist".
Amerikanische Weizenpreise. Die ameritanische Weizenernte wird günftiger sein, als die bisherigen Schäßungen erkennen ließen. Infolgedessen sind die Breise gefallen. Während am 20. Juli Weizen per Dezember" in Chicago 2,75 Dollar per Bushel loftete, fostete er am 27. Juli nur noch 2,85 Dollar. In deutschem Gelde find das pro 1000 Kilo bei einem Kurse von 41 Mt. pro Dollar 3540 Mt.
Die Erste balchemistische Olympiabe". Laut Mostauer Funt spruch hat am 1. Auguft in Orel die Erfte bollchemistische Olym piabe" begonnen. An diesem kommunistischen Sportfest großen Stils beteiligten sich nach Mostauer Behauptung über 200 Sports verbände, Klubs, Pfadfinder und besonders kommunistische Turnabteilungen.
Die Mufiffunft war in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem Geschehen geworden, das eigentlich nur einzelne, mehr oder weniger Eingeweihte anging. Seiten sind Zeiten so reich an Künstlerpersönlichkeiten gewesen, von denen jede einzelne ein ganz spezielles Verständnis ihrer Eigenart zur Voraussetzung hatte. Sier tritt naturgemäß von selbst eine immer schärfere Scheidung zwischen Künstler und Kunstaufnehmenden ein: der Künstlerpersönlichkeit wird die Kunst immer mehr bloßes Mittel fein, sich mitzuteilen. Der Zuhörer soll aufnehmen, den un= gewöhnlichen Künstlermenschen begreifen und verstehen lernen.
Bie diese Entwidlung nur möglich geworden war, in jenem hehen Blütestand der tapitalistischen Welt, die sie zum Nährboden hatte, so mußte mit dem Zusammenbrechen dieser tapitalistischen Welt auch fie selbst in ihren Grundlagen erschüttert werden. Bis u ber Ratastrophe des Weltkrieges hatten die Künstler ihre fünstlerischen Angelegenheiten wie etwas im Grunde nur sie an gehendes unter sich allein ausgetragen. Ihr Publikum setzte sich zum größtenteil aus Schichten zusammen, die den Künstler als eine Art Luruserscheinung an fich werteten. Die daneben be stehende Boltsbühnenbewegung fonnte feine wirkliche Reform bedeuten: Es handelte sich hierbei um eine Art von Konjumper band wirtschaftlich wenig bemittelter Kreise, die im großen und gangen ohne bestimmenden Einfluß auf Kunst und Künstler blieb.
Bild hat sich mit einem Schlage verändert,
Das Entwaffnungsgesetz
Einige Feststellungen
Das Entwaffnungsgefeh findet die ungeteilte Zustimmung der bürgerlichen Presse. Von der„ Post" bis zur„ Bosnischen Beitung" wird zugleich eine große Sege gegen bie unabhängige Partei inszeniert, weil sie dem Gesezentwurf geschlossenen Widerstand entgegensegt und ihn als das bezeichnet, was er wirklich ist ein Ausnahmegesez gegen das Proletariat. Um den wahren Sachverhalt Waffen, welche nach dem Friedensvertrag nicht abgeliefert reden sich dabei alle Blätter herum. Die Tatsache, daß die oder vernichtet worden sind, von der Regierung und der Reichswehr an die Reaktion verschoben wurden, wird geflisfentlich verschwiegen. Wo steden denn die 1,9 Millionen Gewehre, die 8400 Maschinengewehre, die 4000 Minenwerfer, die Geschüße, Flugzeuge, Handgranaten und die Berge von Munition, über die das Reichswehrministerium, feine Auskunft" geben fann? Niemand wird ernsthaft zu behaupten wagen, daß die Behausungen des Proletariats Plaz für diese ungeheuren Mengen von Kriegsgerät bieten fönnten. Sie steden auf den Klitschen fagern in kisten verstaut in den Fabrikanlagen oder sind der Junker, sind zum Teil in den Wäldern vergraben, fäuberlich aufgestapelt in den Depots der Einwohnerwehr und der Zeitfreiwilligen. Die Regierung fennt die geheimen Waffenlager ganz genau, fie selbst hat für ihre Anlage peinlichst Sorge getragen. Wenn sie sie ausheben lassen wollte,
Diche Nachricht ist in verschiedener Sinficht interessant. Erstens zeigt sie, daß die bürgerlichen Sportvereine nichts weiter als ein Reservoir der nationalistischen Reaktion sind. Zweitens geht klar daraus hervor, welche Zustände in Ostpreußen herrschen, wo unter Leitung des Obertappisten von Dassel schon die Sportsleute in larmbereitschaft gegen die„ Roten " gelegt werden natürlich ohne Waffen!
Reaktionäre Gespenster
Die Berliner Universität beging am Dienstag den Friedrichs Wilhelms- ag. Dies ut eine in periodischen Swinhenrumen stattfindende eier zur Erinnerung an den Gründer der Sohens zollernuniversität, den wehteidigen Trottel Friedrich Wilhelm IIL
Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Eduard Meyer
hielt eine Feftrede. Et sonnte sich noch einmal in den Strahlen feiner eingebildeten Bedeutung. Bald wird er nicht mehr Rettor sein. Roch einmal benutzte er bie Gelegenheit, um der Menschheit feine zerbiffen- realtionäre Gesinnung zu offenbaren. Die gegens wärtige Zeit nannte er pathologisch gährend, an wirklichen Ges banten entsetzlich arm. Die wissenschaftliche Erziehung zum jelbständigen Denten zu übermitteln und zum Abschluß zu bringen, fei Aufgabe der Universitäten. Die Fähig leit zum Selbständigen Denten tönne nie Gemeingut werden. Aber die neue Zeit wende sich gegen alles, was felbständig, eigenartig, national und daher spezifisch deutsch " sei. Also auch gegen die Unis Deutsche soll ausgefilgt und durch die„ Eindde der farblosen Hos versitäten in threz gegenwärtigen Berfassung. Alles das spezifisch
mogenität und der toten Zahl" erfekt werden.
brauchte sie dazu kein besonderes Gesetz, sondern die geltenden tätsreform ist nur ein befcheiden fleiner und obendrein verſtüm
Bestimmungen würden vollauf genügen, die verschobenen allem Herr Seedt nicht. Sie will, um vor der Entente den Waffen zu erfassen. Das aber will die Regierung, will vor Schein des Rechtes zu wahren, einige hundert Arbeiter, bei benen vielleicht ein verrosteter evolver gefunden werden fönnte, ins Zuchthaus bringen, die großen Waffenlager der Reaktion aber unberührt lassen, wie fie es auch bisher getan hat. Das sind die Tatsachen, für die die praktische Anwenbung bes Gesetzes recht schnell die unwiderlegbaren Beweise erbringen wird. Die einseitige Sandhabung des Gesetzes ift birgt. Das sieht z. B. auch der General v. Löffler ein, es, die die für die Arbeiterschaft so großen Gefahren in ich der fich in der„ Frankfurter Zeitung " scharf gegen das Entmaffnungsgesetz wendet. Er schreibt dort u. a.:
Bor uns steht die unumstößliche Tatsache, daß eine gewaltsame Entwaffnung praktisch aussichtslos, aussichtslos, mit ihren Begleiterscheinungen überaus gefährlich ist, und nur freiwillige Waffen abgabe zu einem immerhin dentbaren Erfolge führen tann. Dazu muß man verstehen und imitande sein, das Intereffe fann. Dazu muß man verstehen und imitande sein, das Intereffe und die Mitwirkung im Bolte wirklich zu weden. Dazu gehört weiter die Androhung und Bollftredung härtester Strafen nach bestimmter Frist für Richtwillige mit einzelnen Stich= proben durch Einzelhaussuchungen an Berdachtsstellen. Aber bieje Stichproben und Strafen müssen einleuchtend und über zeugend ohne Ansehen ber Person durchgeführt werden. Es darf ich unter feinen Umständen wiederholen, daß Kappverbrecher ver winden, daß aber die Rechtsprechung anderswo wirijam bleibt und daß überdies die Militäejustiz durch ihr Wirken in mandjen Fällen den Einbrut der Einseitigkeit hervorruft. Deshalb darf Maßregel werben. Zu solchen einzelnen reicht voraussichtlich bie feine Hausfuchung eine militärisch geleitete und durchgeführte Polizei ans. Zur ganzen Wlahnahme brauchen wir feinen„ Reichstommiffae".
Das sind Gedankengänge, benen sich vor allem die sogenannte bemokratische Presse nicht verschließen sollte. Sie stimmt statt bessen in das Hezkonzert der reaktionären Blätter ein. Die„ Bossische Zeitung" hat sogar den Mut, von der heutigen Demonstration im Lustgarten zu behaupten, die Massen würden, ähnlich wie am 13. März, durch ,, irreführende Darstellungen auf die Straße gelodt". Möglich, daß hier der Wunsch der Vater des Gedankens ist, es möge wieder zu einem Blutvergießen kommen. Die Arbeiterschaft wird ihn durch ihr ruhiges Verhalten zuschanden machen. „ Sportsleute" gegen„ Bolschewisten"
Die Tägliche Rundschau" vom 2. Auguft( Abend) meldet: 3 ben leichtathletischen Meisterschaften des Bal= tischen Rasen und Wintersportverbandes in Danzig waren die Königsberger Vereine wegen der durch die bolshewistische Gefahr veranlaßten Alarmbereitschaft der Sportsleute nicht erschie
Ite 11."
bas edelste Instrument, das alle beherrschen, das ihr von ihnen unabtrennliches Eigentum ist, die menschliche Kehle. Der ungeheure Aufschwung, dem wir jetzt in der Arbeiterjängerbewegung miterleben, ist nicht nur eine Folge der größeren Befreiung durch verkürzte Arbeitszeit. Nein, die Masse als solche will Kunst geftalten, ihr großes Einheitsgefühl erleben, im Chorgesang si selbst und alle anderen umfassen. Das ist der Sinn dieser Be wegung, barin liegt ihre große umbildende Kraft: wir werden zu einer neuen einfachen Monumentaifunst tommen; der Künstler als Luxuswesen, dessen Reiz in gesteigerter Individualität beruht, wird verschwinden. Damit muß sich zugleich der Charakter der Kompofitionen ändern. Das große Aufglühen jedes Einzelnen in ber vom schöpferischen Taumel erfaßten Masse, das von dieser fingenden, gestaltenden Masse auf die Zuhörenden erschütternd und hinreißend überspringt, wird das Kennzeichen der neuen Kunst sein.
Boltschöre, Maffendhöre. Nicht in bem Ginn, in dem das Wort Boltschor bisher galt, als Bezeichnung für eine Bereinigung fingender Menschen, deren Ehrgeiz es war, es den auf Grund ihrer wirtschaftlich besseren Lage tünstlerisch gelanglich vorgebildeten bürgerlichen Chören gleichzutun; sondern Volkschöre als Zusammenfassung aller von dem ungeheuren Sturm der erfaßten Menschen, die sich von ihrer gemeinsamen Erschütterung durch fünstlerische Gestaltung mit Hilfe des allen angeborenen Instru menis, ihrer Stimme, beifreien müssen.
Der große Geschichtsforscher" ist in seiner entfeglichen Gedankens armut nicht in der Lage, den Gedanken der Zeit des Umsturies, in ber feine Reftorwürde zu Ende geht, zu begreifen. Die Universis melter Teil dieses Gedankens. Mit der Mut eines gereizten Stieres und mit dem Gepolter der Greisengaftigteit fämpft ec dennom gegen fie an. Die Möglichkeit der Schulung zum selbstäns digen Denken darf um Gotteswillen nicht Gemeingut werden. Sie muß vorbehalten bleiben einer fleinen Sight, bamit sie zum Beth an Kapital, an Produktionsmitteln und Geld, den Bes fig an Wissen füge und damit ihre Herrschaft über die Maffen fester begründe, denen Herr Professor Mener die Einöbe bet farblosen Homogenität der Fabrit gewiß nicht streitig machen will.
Deutsche Professoren gegen uns als Gespenster der Vers gangenheit.
Unter Bezug auf die Rede Meyers wird uns noch geschrieben: Und nun hört Arbeiter, vernehmt, was sich die deutsche Studen tenschaft in der Reichshauptstadt, auf der die Blide der Welt ruhen, geleistet hat: Auf dem Dache der Universität hat sie die schwarz- weiß- rote Fahne gehißt. Jit es nicht offene Konterrevos lution, auf einem Gebäude, das dem ganzen deutschen Volte gehört, die Fahne der Rappisten aufzuziehen? Hat sich die deutsche Stu dentenschaft mit diesem Att nicht außerhalb der Berfassung gestellt, die sie doch im Ruhrgebiet , Marburg usw. zu schäßen vorgab?
Saenisch und der Fall Siemsen
Der Verband sozialistischer Lehrer und Lehres tinnen von Deutschland und Deutschösterreich hatte, wie wir berichteten, an den Kultusminister Saenisch eine längere Protesteingabe gegen das Effener Urteil gegen unseren Genossen August Siemfen gerichtet, worin das Effener Urteil ein Urteil der Klaffenjustiz und des Halles" genannt wird.
Wie die P. P. R." erfahren, hat Kultusminister Saenif am 30. Juli dem Verband sozialistischer Lehrer und Lehrerinnen folgende Antwort gesandt:
Ihre Zuschrift vom 24. d. M. habe ich erhalten. Gleich Ihnen bebaure ich lebhaft, das harte, gegen den Oberlehrer Dr. Sie m fen gefällte Urteil des Effener Landgerichts, wenn ich selbsts verständlich mir aud) in meiner Stellung als Minister in der Bewertung dieses Urteils die äußerste Zurüdhaltung auferlegen muß, und wenn ich mir auch natürlich nicht den geringsten 3weifel daran erlauben darf, daß dieses Urteil nach bestem Wissen der beteiligten Richter gefällt worden ist. Die Ver urteilung des Oberlehrers Dr. Siemjen vermag in feiner Weise meine Wertschägung seiner hohen menschlichen und pädagogischen Qualitäten zu ändern. Es versteht sich, daß auch die weitere Verwendung des Herrn Dr. Siemsen im preußischen Schuldienst durch seine Verurteilung in feiner Weise berührt wird."
Waffenraub. In der Nacht zum Sonntag griff eine etwa 70 Mann starte Bande die Wachtposten des Kriegsgefangenenlagers Altdamm an, bemächtigte fich ihrer Gewehre und drang in das Sager ein, aus beffen Waffentammer noch weitere 20 Gewehre mit genommen wurden. Die Hauptwache des Lagers eröffnete das Feuer und vertrieb die Eindringlinge, bie die Gewehre fortwarfen und entflohen.
lich verewigt und der moderne Humanitäts- und Rechtsstaat doch auch leben tann, denn diese beletristischen Mode- und Trauers watentränen sind Tau und Regen auf seine Aziegsbudgets. Das lettische Mädchen dagegen war eine ungebildete Person, denn sie fang garnicht belletristisch und vaterländisch und verdienstmedail Tenhaft, man findet daher ihren Gesang in teinez Blumenlefe unserer Krieger, Briefter und Raubftaaten, die doch so Blumen lefen für ihre gebildete Jugend" haben. Ich fand ihn in einem altmodischen, längst ausgemusterten Buche, in Sippels Lebensläufen", und zwar zu hinterft unter den Beilagen. Franz alfo war fürs Baierland gestorben" und feine Braut in Tränen", welche teine Ahnung hat, wie ein gebildetes Fräulein ihren Schmerz abelt", wirft die dankbare Situation, dem Vaterland fein Teuersies geopfert" zu haben, faft vor die Soweine, denn sie macht ihrem Franz feinen anderen Nachruf als diesen: Dein Leben gehört Gott , dir und mir, und feinem von uns gibst du es, buy bringst es dem Vaterlande! Kennst du dies Ungeheuer? Ja tenne es nicht, ich mag es nicht, ich will es nicht tennen, Dieses blutdürftige Tier, das seinen Weg mit Menschenleibern pflastert, um weich zu treten, und an verwüsteten Feldern und ausgebrannten Wäldern seine Lust hat. Vaterland, wir häßlich Sift du! Auch meinen Geliebten hast du auf der Seele bu eine Seele hast! Baterland, du wohnst in einer Mörber grube! Franz, wie konntest du dich verleiten laffen? Ehre! Was ist Ehre? Weißt du es? Ich weiß es nicht. Man spricht von meiner jungfräulichen Ehre; aber wär' fies noch, wenn ich fie hinwürgen ließe? Was für ein Ding ist deine Soldatenehre, du erst haft,
wen
Dies in but bie großen wirtschaftlichen Veränderungen Der Krieg und das lettische Mädchen bekommt nach einem Lobe? Kann man nach Jeinem Lobe noch
Zusammenbruch durch bie Malien anfingen, bestimmend in den Vordergrund zu treten. Dadurch wurden fofort andere Ideale, andere Arten der Kunst ausübung zur Entwidlung gebracht. Die Masse als solche hat menig mit den verwirrenden Problemen der start entwidelten Einzelpersönlichkeiten zu tun; fie fann vor allem nicht nur auf nehmen, den mehr oder weniger merkwürdigen Erlebnissen der einzelnen Riinftlerpersönlichteit lauschen. Der Sinn einer Kunit für die Masse tann nur der sein, daß sie felbft sich schöpferisch betätigenb eingreift, daß ihr Gebotene ous einer Kunst für die Masse, zu einer Kunst der Masse umwandelt. Unsere Zeit ist eben eine folche, in der das Allgemeinheitsgefühl als schöpferisches Moment wieder volle Wirksamkeit gewinnt. Wir tennen aus der Geschichte solche Kunstgestaltungen der Maffe. höchste Aeußerung sind wohl die althellnischen Festzüge zu werten, wo jeder Einzelne als schaffendes Moment an und in dem Aufbau bes ganzen Buges mitwirtte Auch die protestantischen Kirchen gemeinden in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege bieten Chnliches: der Choral als alle vereinende einfache Kunstform fommt zur vollen Ausprägung. Und nun in unseren Tagen! Dez Ginzelne ganz aufgegangen in der ungeheuren Zusammenballung mit vielen anderen, will nicht mehr Bekenntnisse entgegennehmen, dem Künstler zuhören, sondern selbst gestalten, felbft aus fagen, was ihn und all die ihm verbundenen Einzelnen erfüllt. Dazu braucht er feine Instrumente, teine besondere Technit: nut
Als
Bon Ferdinand Kürnberger ( 1870).
Ein Boltslied aus alten Zeiten, das will mir nicht aus dem Sinn! 3wischen den Krokodilstränen der Solferinototenfeier und der Syänenpolitik, die ihren Rachen soeben nach neuen Solferinos aufsperzt tlingt mir ein altes lettisches Volkslieb im Ohre. Singe, wem Gesang gegeben, und wahrlich, dem lettischen Landmädchen war tein schlechter Gesang gegeben, als sie ihren armen toten Franz belang. Sie lang nicht bei Golferino unter den Gesandtenscharen aller Humanitäts- und Kulturstaaten, ihr Ge fang war daher echt. Er war so echt, daß ich ihn nicht einmal in Bersen habe. Ich habe ihn nirgends gefunden, wo man Boeften" findet, die mit der offiziellen Angabe dieses Titels sich müden. Wann hätte die Poesie der Poesien bedurft?
Das lettische Mädchen hattte einen Liebhaber und der Liebhaber war in der Schlacht gefallen. Eine alte Geschichte! Was aber weniger alt, sondern ziemlich neu ist, das sind die Worte des Mädchens bei dieser Gelegenheit. Wenn das gebildete Stadtfräulein ihren Premierleutnant„ bem Baterlande opfert", fo ift das sehr tragisch, sehr interessant und die Federn der Gans chil fern in einem so durchaus geschmadvollen und diftinguierten Trauermarenlüfter, daß die Gänferiche, in heller, belletristischer Begeisterung darüber, doppelt todesmutig sich in den Kampf stürzen", wobei die Wirtschaft von Gans und Gänferich sich treff
etwas bekommen? Weiß dieser Fels, wenn ich faae: ein schöner Fels und richtet die abgehauene Tanne sich in die Höhe, wenn ich fage: ein treffiicher Baum? Sören wir, wenn wir gestorben find? Und was ist Ehre, wenn wir sie nicht hören tönnen? Du hast falsch Gelb eingewechselt, Franz, schäme dich, daß du gestorben bist!
Hört man das an, so wird einem augenblidlich zumute, als fönnten Gans und Gänserich aufhören und müßten anfangen Menschen zu werden. Daher nennt man es auch Volkspoesie, zum Unterschied von der Boetenpoefie, wo einem nicht so zumute wird. Die Boetenpoeste ließe doch reden mit sich. Sie würde deflamieren gegen den Krieg" was sehr schön ist; gegen den Kabinettstrieg" was noch schöner ist: gegen die„ Schlachtbant", auf welche die mündig gewordenen Böller von der Willtür der Fürsten nicht mehr ich schleppen lassen" was am allerschönsten ist. Die Boetenpoefie hätte baber wohlweißlich ge sagt: Krieg, wie häßlich bist du! Krieg, du wohnst in einer Mördergrube! Dabei wäre alles in Ordnung geblieben. Die fcheuflichen Dinge: Arieg, Kabinettstrieg, Schiachibant, läßt man fi versteden hinter ein schönes Ding, genannt Baterland; jene fällt man faonungslos an, bieles behandelt man mit Achtung und so macht sich die Sache. Man ist modern und human gewefen und dabei fann doch auch die hohe Generalität, das hohe Militärbudget, der geftiate Kragen und die besternte Bruft