Wirtschaftskrisis und Arbeitslosigkeit

Eine Interpellation der Rechtssozialisten und Anträge unserer Genossen zur Frage der Arbeitslosigkeit und ihrer Befämpfung gab dem Hause Anlaß zu einer Debatte über dieses Problem, die heute fortgesetzt wer ben wird, und dem Genossen Dißmann' Gelegenheit zu einer Abrechnung, die auf den Grund der Dinge führte. Hilflos steht die tapitalistische Welt der Erscheinung der Ar­beitslosigkeit gegenüber. Alle Silfe, die sie zu bringen ver steht, bewegt sia) auf dem Niveau der öffentlichen Wohl­fahrtspflege, des Almosenwesens. Auch die großen Zahlen, die der Arbeitsminister Brauns dem Parlament in verwirrender Fülle darbot, ändern an diesem Wesen der Erwerbslosenunterstügung nichts, die als milde Gabe widerwillig gegeben wird. Die bürgerliche Sozialpolitik des Klassenstaates bentt auch garnicht daran, an diesem Wesen etwas zu ändern. Mit der Unterstützung wird der Neben zwed verfolgt, in den erwerbslosen Arbeitern das Gefühl ber Abhängigkeit vom Staate zu weden. Sind doch sogar Anregungen gegeben worden, diese Abhängigkeit zu be­nuzen, um die Erwerbslosen zur Streitarbeit zu zwin­gen. Solche Zwede würden unerfüllt bleiben, wenn man fich entschlösse, die Unterstügung nicht nach Maßgabe der Be­dürftigkeit", sondern auf Grund eines Rechte s der Arbeiter zu gewähren, und die Mittel dafür aus den Sädeln der Nutz­nießer der fapitalistischen Freiheit", der Unternehmer, zu ziehen. Gleiche Rebenzwede verfolgt das Unternehmertum mit der produttiven Erwerbslosenfürsorge, von der neuerdings ein großes Aufhebens gemacht wird. Auch in den schon erwähnten Zahlen des Ministers. Die Kapitalisten machen von den als produktive Erwerbslosen­fürsorge gegebenen Produktionszuschüssen sehr gern Gebrauch, wenn dabei Liebesgaben für sie abfallen. Sie winken Sofort ab, wenn damit eine Kürzung ihrer Freiheit ver­bunden ist, mit der sie im trüben Wasser des fapitalistischen Chaos zu fischen gewohnt sind. Die ursächlichen Zusammen­hänge zwischen fapitalistischer Wirtschaftsanarchie und Ar­beitslosigkeit zeigte Genosse Dißmann in seiner Rede. Er zeigte dem Hause, daß der Kapitalismus die Arbeitslosigkeit wohl hervorruft, aber weder beseitigen oder auch nur in be­friedigendem Maße einschränken fönne oder wolle. Der Sozialismus werde auch die Befreiung von der Ar­beitslosigkeit bringen.

Beim Thema Ernährungswesen schilderte unser Genosse Dr. Moses in sachkundigen Darlegungen die trost: lose Ernährungslage der arbeitenden Bevöirerung. Der Dank des Vaterlandes: Arbeitslosi leit und Hunger.

Deutscher Reichstag

18. Sigung, Mittwoch, den 4. Auguft. Haushalt des Arbeitsministeriums Reichsarbeitsminister Brauns : Vorgestern hat der Abgeordnete Morath darauf hingewiesen, daß mein Amtsvorgänger im Mini­Iterium einen Kurjus im Kopfrechnen eingerichtet hat. Zahl­reiche Militäranwärter und Kriegsbeschädigte hatten schon vor der Revolution in den Versorgungsämtern gearbeitet. In einzel­nen Fällen schien es wünschenswert, solche Kurse für die Leute einzurichten, die bereits in der Praxis die notwendigen Bor­fenntnisse erworben hatten. Es entspricht doch dem Wunsche aller Barteien, wenn Kriegsbeschädigte gerade bei den Behörden An­ftellung finden, die ihre Angelegenheiten bearbeiten.

Beim Reichswehrministerium weist Frau Abg. Zieh( U. Soz.) auf die Notlage der heute noch in den Lazaretten befindlichen Kriegsbeschädigten hin. Die Lazarettinfassen müssen wenigstens eine einmalige Aufwandsentschädigung bes tommen, damit sie fich neue Schuhe und ein ganzes Hemd faufen fönnen. Viele Heeresangehörige haben immer doch nicht ihre Entlassungsanzüge und ihr Entlassungsgeld erhalten. Die Red nerin bespricht den Fall eines als Munitionsarbeiter schredlich Verstümmelten, der nirgends Hilfe und Unterstüßung findet.

Abg. Fries( U. Soz.): Der Kadavergehorsam, der dazu führte, baß die Untergebenen ihren Vorgesezten fürchteten, wird von uns aufs Jahärffte verurteilt. Eine Erziehungsmethode, bei der 19jährige Leutnants die Briefe alter Wehrmänner fontrollierten, lehnen wir ab. Die Seelsorge beim Militär hat während des Krieges Hunderttausende vom Christentum abgewandt. Die Kriegsmoral hat dahin geführt, daß wir bestraft wurden, wenn wir einem Kriegsgefangenen ein Stüd Brot gegeben hatten.

Abg. v. Gallwig( D.- Nat.): Die Tätigkeit und der Einfluß der Militärgeistlichen war ein hervorragender.( Beifall und Wider­Spruch.)

Abg. Plettner( U. Soz.): Der Militarismus dient auch heute in der Form der Reichswehr einzig den Interessen der Reattion. Die Belpigelung der Arbeiterorganisationen hat Formen ange­nommen, die standalös find, jedes einzelne Vorstandsmitglied der Gewerkschaften, der U. S. B. und der K. P. D. wird genauestens überwacht.( 3uruf rechts: Republitanischer Führer bund.) Es ist bekannt, daß auch heute noch in der Reichswehr darauf hingearbeitet wird, daß kein Soldat diefer Organisation angehören darf.( 3uruf rechts: Sehr verständlich!) Daß aber umgefehrt Offiziere und Mannschaften bestimmt werden, um biese Organisation zu bespigeln.

Abg. Mumm( D.- Nat.): Die Reben hier lassen die Frage er­stehen, ob wir eigentlich noch in einem deutschen Reichstag find. Man denkt unwillkürlich an die Millionen des Herrn Joffe.

Abg. Sauerbrey( U. Soz.): Militarismus und Christentum haben miteinander nichts zu tun. Infolgedessen hat die Seelsorge innerhalb des Militärs leinen Play.

Abg. Andree( 3ir.): Die christliche Arbeiterschaft erblidt in der Reichswehr fein Instrument gegen die Arbeiter, sondern ein Organ zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Crdnung und Sicherheit. Abg. Abolf Hoffmann( U, Soz.): Ihre( zum Zentrum) Partei

ist die

Partei des Volksbetrugs. Beim Militär soll man die Leute mit Geistlichen ungeschoren lassen. In der Zeit unseres finanziellen Elends dürfen nicht Mil­soll sich seine Geistlichen selbst bezahlen. In dem Mißbrauch der Religion zur Förderung des Kapitalismus und Militarismus er­bliden wir eine Tatsache, die wir mit allen Mitteln bekämpfen werden. Night Sag bringen wir, jonbern Erfennt nis.( Sehr richtig!) Bebet fagte einst, wenn Sie in Deutschland russische Zustände schaffen, bann wundern Sie sich nicht, wenn wir russische Methoden anwenden. Dasselbe lage ich Ihnen heute auch. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, baj Kapitalismus , Impe­rialismus, Militarismus nicht mehr auf dem deutschen Bolte lasten und daß die Kirche nicht mehr als getreue Dienerin dieser Mächte das Bolf verbummt.( Beifall bei den U. Soz.- Unruhe.)

Genoffin Zieg: Den preußisch- deutschen Militarismus, der uns in der ganzen Weit verhaßt gemacht hat, weil er die Welt bebrohte, ben haffen wir aus Herzensgrund. Er hat alles Edie im Soldaten zers brochen. Wilhelm hat den Soldaten gesagt, fie müßten unter Umständen sogar auf Bater und Mutter schießen, und die deutsche Republit hat das wahr gemacht. Rußland ist ge zwungen, sich mit Silfe von Militär gegen die Imperialisten zu verieidigen. Schuld daran ist der schändliche Friebensvertrag von Brest - Litomst. Sie mögen uns mit der gelauften Breffe, mit Zucht­haus uber Reichswehr befämpfen, die Arbeiterschaft steht geschlossen hinter dem internationalen Sozialismus.( Parm rechts. Beifall bei ben U So8.)

Abg. Dr.Everling( D. Vp.): Der Krieg ist immer noch ein not mendiges Uebel.( Widerspruch links.) In der Notwehr darf und foll man fämpfen.( 3uruf lints: Hat Christus die Notwehr ge predigt?) Wenn man wieder fingen und fagen wird von Hinden­ burg und seinen Mannen, wird das deutsche Volt wieder gesunden. ( In andauernden Lärmszenen geht der Rest der Rede unter.) Abg. Lic. Mumm( D.- Nat.): Die Humanität ist erst durch das Christentum in die Welt gekommen.( Lachen lints.) Abg. Andree( 3tr.): Jch bleibe dabei, die Sozialdemokratie ist eine Partei des Hasses.

( Schr

spricht in Abwesenheit der Rechten, die nur die Fraktionsbiener Genosse Adolf Soffmann: als Sorchposten zurüdläßt, auch die anderen bürgerlichen Parteien find nur durch Bosten vertreten: Das Christentum ist nur noch ein Mittel zur Unterdrüdung der Mühseligen und Beladenen. War der Einbruch in Belgien etwa Rotmehr? gut! links.) Ganz Deutschland hat am 31. Juli 1914 gegen den Krieg protestiert, die Polizei ist aber in die Malfe hineingeritten. frebit gestimmt. Im Plenum haben sie allerdings die Disziplin In der Graftion haben meine Freunde gegen den Kriegs= gehalten, um die Partei nicht zu sprengen. Ich habe das bedauert. Das deutsche Proletariat wird nicht balden, daß das boscheristische Rußland niedergeschlagen wird. Serr Mumm, der ja ein sehr tapferer Soldat ist, schleudert hier seine Verleumdungen in die Welt und dann verläßt er den Saal.

Vizepräsident Bell rügt den Ausdrud Berleumdung".

Abg. Hoffmann( fortfahrend): Es gibt nur ein Baterland, und das ist die Welt. Eine Nation: und das ist die Menschheit, und eine Religion: das ist die Liebe: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!( Lebhafter Beifall bei ben 1. Soz.)

Abg. Behrens( D. Nat.): Die Unabhängigen haben die Reichss wehr bei der Arbeiterschaft als Spigelorganisation denunziert. Dagegen müssen wir protestieren.

In einer persönlichen Bemerkung stellt Abg. Soffmann( U. So3.) feft, daß er fein Ministergehalt nur für das Vierteljahr be­tommen habe, in bem der Austritt erfolgte. tehrsministeriums werden angeno ni me n. Die Etats der Reichswehr, der Justiz, des Schatz- und Ber­Es folgt der Saushalt des Ministeriums für Ernähe rung und Landwirtschaft.

Genosse Dr. Mojes:

Breite Schichten des Proletariats befinden sich im Zustande bes langfamen Sungertodes. Während des Krieges und auch noch nachher wurde gesagt, daß wir feine Nachteile aus der Unter­ernährung hätten jegt geben die Zahlen ein erschütterndes Bild. Wir Aerzte, die unter der Proletarierberölferung tätig find, wir wissen, wie fürchterlich bie Rot und die Sterb lichkeit infolge der Unterernährung ist. Auf den Wiederaufbau des Menschen

müssen wir besonderes Augenmert richten und nicht Raubbau treiben mit der legten Kraft der Arbeiterbenölferung, insbeson dere der Bergarbeiter.( Beifall bei den U. Goz.)

Zum Haushalt des Reichspoftministeriums bringt Abg. Frau Zieh( U. Soz.) in Einzelfällen Beschwerden gegen die willtür­liche Abschiebung Berliner Postbeamten vor, die den Eindruck ermeden, als ob man vom Lande politisch indiffe rente Leute. heranhole, um politisch links orientierte Postbeamte aus Berlin fortzubringen.

Ein Regierungsvertreter betont, daß die Postverwal­tung niemals Beamte aus politischen Gründen nach Berlin ge= zogen habe.

Der Not- Etat wird bann gegen die Stimmen der Un­abhängigen angenommen.

Es folgt der Bericht des Ausschusses über die vorläufige Re­gelung des Reichshaushaltes.

Genoffin Zich:

Die gepflogene Aussprache im Unterausschuß hat gezeigt, daß die Regierung die Vorschüsse an die Beamten erst nach erfolgter Einstufung vornehmen will. Der gesamte Ausschuß hat sich auf unseren Standpunft gestellt, daß die Borschüsse doch gerade bis zum Zeitpunkt der Einstufung notwendig find. Wir siehung der Beamtenorganisationen. bitten, auch unseren weiteren Antrag anzunehmen auf 3u

Die Anträge des Ausschusses werden angenominen. Es folgen die sozialdemokratischen Interpellationen: Was gedenkt die Reichsregierung gegen die zunehmende Ar­beitslosigteit zu tun? Wie gedenkt sie insbesondere in der jegigen Arise die Stillegung von Betrieben zu ver hindern und Arbeitsgelegenheit für die Arbeitslosen zu be schaffen?, die verbunden wird mit dem

unabhängigen Antrag über die Erwerbslosenfürsorge, ber verlangt, daß die Säße ber Erwerbslosenfürsorge auf das Existenzminimum zu erhöhen find; baß der daraus sich er gebende Differenzbetrag vom 1. März zid wittend nachzu bezahlen ist; daß die Unterstügungsfäße für männliche und weibliche Erwerbslosen gleich gemacht werden sollen, dah das Einkommen beschäftigter Familienmitglieder auf die Unter ftügungsfäge night angerechnet werden dürfen; daß Arbeits­beschaffung burch Wiederaufnahme geeigneter tillgelegter Be triebe erfolgen muß, daß eine weitere Stiflegung und Entlassung von Arbeitern zu verhindern ist und daß die Kurzarbei ter aus der Erwerbslosenfürsorge eine ihrem Verdienstentgang entsprechende Unterstügung erhalten.

Abg. Körten( Soz.) begründet die sozialdemokratische Inter­pellation: Heute ist oft für ben Arbeiter auf Monate hinaus teine Möglichkeit vorhanden, Arbeit zu finden. Wir haben heute 357 000 Arbeitsloje mit 329 000 Angehörigen. Davon 20 Broz. allein in Großberlin. Im Ruhrgebiet find 40 000 neue Arbeits­träfte neu untergebracht worden; mehr fann man aber erst tun, wenn für Unterkunftsmöglichkeit gesorgt ist. Auch auf dem Lande fönnen nur wenig Arbeitslose untergebracht werden, weil man bort eine Abneigung gegen die Großstädter hat. Man arbeitet lieber mit Belen. ( Sort, hört.) Das patriachalische Verhältnis

hat sich überlebt und der Tarifvertrag beherrscht das Ar­beitsverhältnis. Man fönnte Leute, die auf dem Lande mit an­deren Arbeitern beschäftigt sind, wie Kanal- und Bahnbau, der Landwirtschaft wieder zuführen. Die Moftbehörde hat 450 Bestillione vem Lande nach Großberlin geführt.( Sört, hört links.) Das ist ganz falsch, da hier die Möglichkeit besteht, städtische Arbeiter zu beschäftigen. Billig bekommt man diese allerdings nicht, dann muß eben in den Etat mehr eingestellt oder durch Die Erwerbslosenfürsorge geholfen werden. Die Lage ist geradezu frost los. In Reukölln machen B. die allein auf Karten zu beziehenden Lebensmittel 620 M. im Monat aus.( Sört, hört.) Rechnet man das allernotwendigste, Miete ufm. hinzu, lo tommt man auf 1000 M. Dabei hat dann der Arbeiter noch kein Stüd Kleidung. 1000 20. verdienen aber die wenigsten Arbeiter zur Zeit, denn viele Industrien arbeiten nuz halbe Zeit. Die Bevölkerung ist also nicht mehr faufträftig. Dazu tommen noch immer mehr anschwellende Arbeiterent. Iajjungen So haben allein in letzter Zeit die Reichsbetriebe 18 000 Menschen entlassen. Sogar die Kriegsbeschädigten dürfen bis auf 6 Prozent entlassen werden. Die Löhne und Gehälter find auf das höchstens sechsfache gestiegen, die Lebensbedürfniffe aber auf das zwanzig und breizigfache.( Sehr richtig.) Mit der Serabfegung der Löhne ist also nicht geholfen. So wie in Bir majens fann man nicht arbeiten. Schuhwaren werden drin. gend gebraucht, da dürfen teine Betriebseinstellungen vorge nommen werden. Es ist viel zweddienlicher, mit den für die Er werbslosenfürsorge aufgewendeten Mitteln die Produktion zu interftligen. Die Roistandsarbeiten müssen unbedingt fortgelegt werden. Die Bautäitgleit muß forciert werden; fo fann man durch Siedlungen und Kanalbauten besonders dem Brauntohlenbezir helfen. In Berlin fehlt es an 30 000 ob nungen, hier fönnte man wenigstens bie Dagelpfle aus

Bauen,

Eine halbe Stunde von Berlin nach Often stehen 200 Wohnun gen auf einem Truppenilbungsplag leer. In Berlin ist jedes Haus reparaturbedürftig, ba tönnten tausende von Arbeitern beschäftigt werden. Gegen das Berliner Berkehrselend tut die Bahn­verwaltung nichts. Nach dem Often haben wir noch zweigleisige Bahnen. Aber es scheint, als ob wir abbauen, statt aufbauen. Der Redner empfiehlt die Richtlinien der Gewerkschaften. Arbeitsminister Braune: Seit Beendigung des Krieges besteht eine chronische Arbeitslosigkeit. Im Januar hatten wir 447 000 Unterstügungsberechtigte, am 1. Juni nur 270 000, gegen­wärtig aber wieber 557 143. Dazu tommt die teilweise Ein­schränkung vieler Industrien in den letzten Monaten. Im Borders grund aller Sozialpolitik steht die Arbeitsvermittlung. Das Arbeitsministerium tut alles in seinen Kräften Stehende. Selt November 1918 bis zum 31. März 1920 find insgesamt 1400. Millionen Mart für die Erwerbslosenfürsorge bewilligt worden. Die gewerfchaftliche Unterftigung wird in Zukunft nicht mehr auf die Erwerbslosenunterfügung angerechnet.( Beifall links.) Den Kurzarbeitern wird dadurch entgegengelommen, daß die An­rechnung ihres Lohnes von 70 auf 60 und in manchen Fällen auf 50 Prozent herabgelegt wizb.( Beifall.) Bei den großen Arbeitgeber und der Handel zufammenarbeiten. Rein privats Ausgaben müssen mit dem Reich auch die Länder, Gemeinden, wirtschaftliche Gefichtspunkte bürfen unter feinen Umständen enis fcheidend jein.( Beifall.) Auch die Arbeiter müssen mithelfen. bie Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, durch Unterlassung jedes über­flüffigen Streits. Das Beispiel der Ueberst unbenarbeit ber Bergieute tönnte auch bei anderen Kategorien Nach­ahmung finden, z. B. im Berfehrsgewerbe. Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Krisis, trotzdem haben wir soziale Fortschritte gemacht.( Beifall.)

Genoffe Robert Dißmann

Die Arbeitslosigkeit trifft heute die Arbeiterschaft weit­aus schwerer als in der Bortriegszeit. Und wenn in der Kriegs­zeit immer der ,, Dant des Waterlandes" in Aussicht gestellt wurde, so haben die Arbeitslosen heute ihre Ansprüche auf Grund dieses Versprechens anjumelben. Statt dessen trat bald nach der minimalen Säge ein. Gelbst bürgerliche Stadtver Einführung der Unterstügungssäge eine schamlose Reduzierung waltungen lahen ein, daß mit biefen zebuzierten Sägen die Erwerbslosen dem Berhungern preisgegeben waren.

Wir haben aber auch zu verlangen, daß dieSäge für weib­iche Unterstützungsberechtigte die gleiche Söhe aufzuweisen haben.

Es ist unmöglich, daß mit den gewährten Sägen eine Familie ihren nadten Unterhalt bestreiten tann, besonders angesichts des Umstandes, daß die Arbeiterschaft Jahre des Elends und der Unterernährung hinter sich haben. In der 1. Woche soll überhaupt feine Unterstützung gezahlt werden. Ich frage den Herrn Arbeitsminister: Wie soll während dieser Woche die Fa= milie ihr Leben überhaupt fristen fönnen?

Der Gesezentwurf der Regierung fieht ferner vor, daß der Rentenempfänger, bez zu% erwerbsunfähig ist, überhaupt vom Bezug der Unterstügung ausgeschlossen sein soll. Ist dies der Dank des Vaterlanbes?

Wir beantragen, daß unter Mitwirkung der Gewerkschaften ein angemessenes Existenzminimum ausgezahlt werden muß. Ein Standal aber ist es, daß die Gewerkschaftsunterstützungen noch vom Staat in Abzug gebracht werden, das bedeutet eine di­refte Strafe für die Solidarität der Arbeiterschaft und entspricht vollkommen dem Geist, wie er sich in den Arbeitsgemeinschaften breit macht.

Der Herr Arbeitsminister führt an, daß eine Summe von 1 Mil­liarde 400 000 Mark für die Erwerbslosen aufgewendet wurden. Wenn Sie in allen den Jahren des Krieges

Hunderte von Milliarden für Zwede bes Mordes aufbrachten, so müssen Sie jezt auch Milliarden aufbringen, um Menschen am Leben zu erhalten.

Aber das Problem hängt zusammen mit dem ganzen Wirts Ichaftssystem. Und wenn wir das Uebel an der Wurzel er­faffen wollen, dann muß das herrschende System beseitigt und

durch den Sozialismus erseht werden. Das hat die Arbeiterschaft

auch erkannt. Und darum find zu Millionen aufgeftanden, um den Sozialismus zu verwittlichen. Aber mit Handgranaten und Maschinengewehren werden sie empfangen.

Die Arbeiter wissen, daß viele Milliarden ins Ausland ges Jchleppt wurden, um sie dem deutschen Steuerfistus zu entziehen. Der Kapitalismus aber findet sich auch über die Grenzen der Länder hinweg. Schauen Sie doch einmal dorthin, wo Gebiete des Deutschen Reiches durch den Versailler Frieden vom Reich getrennt find. Weber 75 Prozent des Rapitals im Saargebiet it in ausländischen Händen. Das ist bie internationale Colibarität des Kapitals. Und vergleichen Sie damit das ständige vaterländische Geheul, das Sie hier immer anftimmen. Und ebenso verhält es sich in Danzig und in allen Teilen bes besetzten, aber auch des unbelegteft Gebietes. Die Spefulation des deutschen Kapitalismus ist eine offensicht liche. Sie woll en ben französischen, englischen und amerikanischen Kapitalismus gegen die deut sche Arbeiterschaft ausspielen, wenn diese die politi sche Macht erobert und den Sozialismus verwirklichen will. Es ist aber auch notwendig, einiges über die Entwidlung auf dem Eisenmarkt zu sagen. Wie bei den Kohlen und den anderen Warenpreisen erlebten wir eine tolle Teuerung auch auf dem Eilen marit. Sie betrug, verglichen mit den Preisen vor dem Kriege: bei vorgewalsten Rohblöden eine 35fache Breissteige rung, bei Walzdtaht eine 40fache, bei Grob- und Feinblechen eine 45fache und bei Mittelblechen eine 50fache Preissteigerung. Und halten Sie dabei feft, daß die Schrottpreise um das 60fache ftiegen. Und demgegenüber sind die Löhne nur um das 6fache ge tiegen.

10 Milliarden

hat die deutsche Voffswirtschaft allein der wilden Preistreiberei ber Schwerindustrie im letzten Jahre opfern müssen. Durch diese Preistreiberei fritt euch eine Arbeitslosigkeit in den Waggon fabriten ein, weil selbst der Staat die Riesenpreise nicht mehr zahlen fann.

Wie man aber die weitere Produktion unterbindet, zeigt sich nicht nur am Abbau hunderter von 3iegeleien, fon­bern auch bei Brauereien, und die hohen Schrottpreise zeugen davon, daß tausende von Werkzeugmaschinen auf den Schrotthaufen geworfen worden sind. Da sehen Sie, mer treibt Sabotage am deutschen Wirtschaftsleben, wer vermehrt das Elend der Arbeits­Tofigteit? Und gegen diese Sabotage des Unternehmertums hilft fein fanfter Appell des Herrn Arbeitsministers, ba müßten ganz andere Seiten aufgezogen werden.

Das Arbeitgebertum nuit die Reife aus, um fein Mütchen an der Arbeiterschaft zu fühlen! Anstatt die Kauftraft der Masse zu heben, wird sie durch weitere Lohnabzüge geschwächt. Die Unternehmer haben seit acht Wochen die Parole

teine Lohnerhöhung, sondern Lohnabzüge. Wir verlangen, daß durch die

Produktionskontrolle

der Arbeiter und Angestellten dieser Sabotage und dem Wirt­schaftselend gesteuert wird. Trotz des reattionären Geistes bes Betriebsrätegelebes werben sich die Ar­beitnehmer das kontroll und Mitbestimmungs­recht ertämpfen.

Die Arbeiter werden alle Opfer auf ich nehmen, um eine planmäßige Wirtschaft zu errichten und das kann nur eine Sozia lifti che fein.

Auf Antrag bes Abg. Miller- Franken( Soz.) wird die Be­predung der Interpellation in Berbindung mit bem unabhängi gen Antrag belloffen, jedoch auf Donnerstag vormittags 10 he vertagt. Außerdem britte Lesung des Entwaffnungsgeleges.