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20 Pfg. 3. Jahrgang

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Montag, den 9. August 1920

Nummer 321

Abend- Ausgabe

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greiheit

Berliner   Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Bolen zu einem Borfrieden bereit

Verhandlungen in Minsk  

London  , 9. Auguft.( Reuter.)

Ein drahtloses Telegramm aus Moskau   an die englische Regierung besagt: Die polnische Regierung teilt mit, daß fie bereit sei, Delegierte nach Minst zu entfenden, um einen Waffenstillstand und einen Borfrieden abzus schließen. Die bolichewiftische Regierung ist deshalb der Ansicht, daß das von den Alliierten verfolgte Ziel, nämlich die Einstellung der Feindseligkeiten und die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Rußland   und Polen  auf der Grundlage voller Unabhängigkeit Bolens am schnellsten und einfachsten durch direkte Verhandlun gen erreicht werden würde. Am Schluß des Telegramms gibt bie bolichewiftische Regierung der Ueberzeugung Ausdrud, die Alliierten würden anerkennen, daß die von ihnen ans gestrebten Ziele auf der bevorstehenden Konferenz in Minst vollständig erreicht werden würden.

TU. Warschau, 9. Auguft. Die Sowjetregterung hat am Sonnabend abend von Moskau  einen von Tschitscherin   unterzeichneten Funkspruch an die pol nische Regierung gesandt, in dem sie diese auffordert, am 8. Auguft, abends 8 Uhr auf bee Chauffee Miedzyrzecz- Brest- Litowst Dele gierte zu entfenden. Die russische   Regierung erklärt sich in dem Funfspruch bereit, auf der Basis der vollständigen Unabhängigkeit Polens   in Verhandlungen einzutreten, in denen gleichzeitig die Friedensbedingungen festgesetzt werden sollen.

Die Beratungen in Hythe

Paris  , 8. Auguft.

Die Konferenz zwischen Miller and und Lloyd George  hat in Sythe vormittags um 10 Uhr 15 Minuten begonnen und bis 1 Uhr 30 Minuten gedauert. Um 2 Uhr 30 Minuten wurde folgendes Communique aus englischer Quelle veröffentlicht:

Die englische Regierung hat von den Sowjets eine endgültige Antwort auf die Note, die ihnen Freitag überreicht wurde, nicht erhalten. Indessen hat sie Andeutungen über die Absichten der Bolschewiften erhalten und sie lassen voraussetzen, daß diese sich weige rn, der vorgeschlagenen Einigung zuzustimmen. Man weiß, daß nach der Konferenz, die Lloyd George  , Bonar Law  und Lord Curzon Freitag   mit den Hauptdelegierten der Sowjet­regierung in London   hatten, ein Memorandum nach Mos. tau geschickt wurde, um den Abschluß einer Waffenruhe an der russisch  - polnischen Front für eine Zeit von zehn Tagen zu erlangen, unter der Bedingung, daß man beiderseits in den Stellungen ver bleibe, ohne sie während dieser Zeit zu verbessern. Da sich die Sow­jets weigern, die Operationen zu unterbrechen, hat den ganzen Bormittag ein reger Meinungsaustausch über die zu treffenden Maßnahmen stattgefunden, der um 3 Uhr wieder aufgenommen werden soll.

Lord Riddell  , der diefes Communique den Journalisten mit­teilte, beendete seine Erklärungen mit den Worten: die Lage ist

ernit.

Paris  , 8. August. Nach einer Havasmeldung aus 5 ythe dauerten die Beratun gen am Sonntag bis 7 Uhr 30 Minuten abends. Man glaube, daß die Sowjets sich weigerten, die angebotene Waffenruhe anzu­nehmen, weil sie Zeit gewinnen wollten, um Warschau   einzuneh­men. Die militärischen Sachverständigen hätten den Auftrag er­halten, bis Montag vormittag einen Bericht über die zu ergreifen­Den Maßnahmen auszuarbeiten. Es scheine, daß eine Verschärfung der Blodade gegen Rußland   in Aussicht genommen sei. Lloyd George   habe ich davon überzeugt, daß die Erhaltung Polens   für die Sicherheit Europas   notwendig sei.

Paris  , 8. Auguft.

Nach einer Meldung des Journal des Debats hat die englische Regierung der Sowjetregierung vorgeschlagen, daß die Alliierten barauf verzichten, sich in die polnisch- russischen Friedensverhand lungen einzumischen Polen   werde teine Freiwilligen mehr aus heben, und die alliierten Militärmissionen würden nicht mehr in­tervenieren. Auch würde kein Kriegsmaterial mehr nach Polen  gesandt, und die beiden Heere würden in ihren jezigen Stellungen bleiben. Das sei in großen Zügen der Plan, der nach Moskau  übermittelt worden sei und auf den Lloyd George   heute vormittag eine Antwort zu erhalten hoffte.

London  , 8. Auguft.( Reuter.) 3wischen Washington  , London   und Paris   findet fort­gesetzt ein reger Meinungsaustausch über die polnische Frage statt. Es ist bekannt, daß die Alliierten versuchsweise einen Plan für die von Amerita an Polen   zu gewährende Hilfe in Borschlag gebracht haben. Die Einzelheiten werden indessen

geheim gehalten.

Paris  , 8. August. Wie Matin" aus London   meldet, hatte Lloyd George   gestern wiederum eine lange Unterredung mit Kamenew   und Kras sin. Man glaube, die englische Regierung sei bereit, ihren ersten Standpuntt aufrechtzu erhalten, d. h. die

Eröffnung von Waffenstiftands- und Friedensverhandlungen an­zuraten. In den Londoner   offiziellen Kreisen sei man heute optimistis.

Rumänien   bleibt neutral

Butaret, 8. August. Ministerpräsident General Averescu erklärte in der Kammer bezüglich der Rolle, welche Rumänien   im russisch   polnis schen Konflitt zufalle, Rumänien   bewahre vollstän bige Rentralität. Die Gerüchte, wonach die rumänische Re gierung die Durchfuhrerlaubnis für fremde Hilfstruppen nach der polnischen Front erteilt habe, entbehrten jeder Grundlage.

Paris  , 8. Auguft. Nach einer Havas- Meldung hat bie Sowjetregierung einen Funkspruch an die rumänische Regierung gerichtet, wonach fie fich bereit erklärt Verhandlungen aufzunehmen, um die noch schwebenden territorialen und politischen Fragen zu lösen. Die Sowjetregierung schlägt als Berhandlungsort Charlow vor.

Der polnische Heeresbericht

TU. Warschau, 8. Auguft.

Der polnische Heeresbericht vom 8. Auguft lautet: Im Norden nahm die feindliche Infanterie nach schweren Kämpfen Oro lenta ein. An der NarewIinte füblich von Rozan   find Kämpfe im Gange mit feindlichen Abteilungen, die den Fluß überschritten haben. Zwischen Narew   und Bug Kämpfe im Raume von Przetysz. Jn der Gegend von Maltina unternahmen unsere Abteilungen Gegenangriffe und machten dabei einige hundert Gefangene. Im Raume von Sofo Inow befinden sich unsere Abteilungen in schwerem Kampfe mit dem Feinde. In der Gegend von Janow ergaben sich bei einem unserer Angriffe einige hundert Bolschewiften mit Offizieren. Westlich von Brest  , in der Gegend von Piszczas und Kijowier greift der Feind weiter an. Unsere Abteilungen leisten ihm Widerstand und machen Gegenangriffe. An der Buglinie südlich Brest  find unsere Truppen in loser Fühlung mit dem Feinde. Im Raume von Wlodawa   führte der Feind heftige Angriffe gegen ben Brüdentopf, wurde aber zurückgeschlagen. Westlich von Mitulince, zwischen Sereth   and Strypa, sind Gefechte mit dem angreifenden Feinde im Gange.

Der russische   Bericht

Paris  ,& Auguft.

Ein Fundspruch ans Moskau   meldet über die militärischen Operationen: Im Westen von Lomsha haben wir Mychonst eingenommen. In Richtung Siedlce   fanden heftige Kämpfe statt. In der Gegend von Brest  - Litowst wurde Terespol besetzt. Nordöstlich von Brody schlug unsere Kavallerie den Feind. Wir rüdten gegen 2uzt vor. Unsere Truppen über­schritten die Strypa und besetzten mehrere Ortschaften westlich dieses Flusses.

Warschau  , 9. Auguft.( Savas.)

Es werden starke bolshewistische Truppenkonzentrationen vor Warschau   und im Norden der Stadt gemeldet. Man erwartet einen weitausholenden Angriff der roten Truppen, um den Vor­marsch auf die Hauptstadt zu versuchen.

Bolens heiliger Krieg"

2 Amsterdam  , 9. Auguft. Nach einer Brüsseler Meldung hat der polnische Ministerpräst­dent eine Proflamation an das polnische Bolt gerichtet, worin es heißt: Die Bolschewisten hoffen Warschau   zu besehen und dort den Frieden zu diftieren. Die Regierung der nationalen Verteidigung, die Regierung der Bauern und Arbeiter(?) ruft die ge­samte Nation auf zur Verteidigung der Freiheit. Der heilige Krieg beginnt an den Toren von Warschau  . Weiter heißt es in dem Aufruf: Die Regierung wolle einen gerechten und dauernden Frieden und wünsche in gutem Einvernehmen mit ihren Nachbarn zu leben. Sie sei bereit, alle Bürgschaften zu geben, die mit der Ehre der Nation, die tein fremdes Gebiet begehre, in Einklang zu bringen sind. Der bolfchemistische Einfall fei eine Gewalttat, die den Missetaten der Despoten des 18. Jahr­hunderts gleiche, welche Polen   zerstückelt habent. Die Regierung set entschlossen, das Vaterland bis zum letzten Streifen Landes zu verteidigen, Warschau   zu beschützen und die Invafion abzu wehren, um die Unabhängigkeit des Landes zu retten. Der Auf­ruf schließt mit den Worten: 3 u den Waffen, Bürger!

Horthy- Ungarn hilft

TU. Warschau, 8. Auguft. Eine Delegation des ungarischen Parlamentes unter Führung des Baron Syntyniß stattete am Freitag dem Vizepräsidenten Daf zyn stt einen Besuch ab. Baron Syntynik wies darauf hin, daß Ungarn   der polnischen Regierung bereits vor zwei Wochen ein Silfsangebot gemacht habe, aber bisher ohne Antwort geblieben sei. Ungarn   wolle Bolen nach wie vor unterstützen, und zwar nicht nur durch Entsendung einiger zehn tausend Mann, Munition und Kriegsmaterial, sondern auch durch Lieferung von Getreide der diesjährigen Ernte. Ebenso stellt das ungarische Rote Kreuz auf Anforderung seine Dienste Polen   zur Verfügung.

Die Weltmacht der Bergarbeiter

Die Katastrophe der Politit der bürgerlich- tapi­talistischen Klassenstaaten, die durch den Krieg eingetreten ist und im Wahnwitz des Friedens von Bersailles und St. Germain ihren Ausdrud findet, hat in fast allen Ländern eine maßlose Verwirrung der Wirtschaft mit sich gebracht, die einer starten, wahrscheinlich endgültigen Erschütterung der tapitalistischen Wirtschaftsordnung gleichkommt. Das tapis talistische Wirtschaftsprinzip gilt in endlos weiten Kreisen, nicht nur bei dem Kern des sozialistischen   Proletariats, dessen Einsicht dieser drastischen und blutigen Belehrung nicht erst bedurfte, als abgetan. Das sozialistische Wirts schaftsprinzip tritt hervor als Mittel zur Rettung, als nahes 3iel auf dem Wege, der herausführt aus Verwirrung und Elend.

Dadurch wird die gegenwärtige historische Situation zu einer revolutionären im Sinne des flassenbewußten Proletariats der Welt. Die Arbeiterklasse trägt die Zufünft der Menschheit in ihrer Hand.

Die ökonomische Verwirrung erzeugt einen großen Bedarf an produktiver Arbeit. Erlösung durch Arbeit ist die Parole, die auch der Kapitalismus ausgibt. Bestand und Fortdauer der menschlichen Gesellschaft hängen offensichtlicher denn je von der Arbeit in Schächten, Fabriten und Bureaus, auf Aedern und Eisenbahnen ab. Das steigert die Macht der Arbeiterklasse gewaltig. Wo Arbeit so dringend nötig ist, ist Arbeitsverweigerung nicht nur ein Mittel, um den Arbeitsvertrag zu verbessern, sondern um eine Welt aus den Angeln zu heben oder wieder einzurenten.

trok aller nieberbrückenden Plagen, die in gewöhnlichen Zeit­Troh Wirtschaftsfrisis, Arbeitslosigkeit und wassenetend, läuften die Attionstraft der arbeitenden Massen schwächten, fönnen wir diese Feststellung machen. Gewiß ist Arbeitslosig feit in den einzelnen Produktionszweigen hemmnis für die gewerkschaftliche Aktion, um die Verbesserung des Arbeits vertrages. Arbeitsverweigerung im einzelnen Falle kann hier zum nuglos niederbrennenden Strohfeuer, zum zwed­fosen Werkzeug von Kraft werden. Aber in den entschei benden Produktionszweigen, von deren Arbeit, wie wir oben sagten, die Existenz von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat absolut abhängig ist, gibt es feine Arbeitslosigkeit. Und selbst wenn es sie gäbe, dann wäre die entschlossene Ar­beitsverweigerung für einen Zweck, der über die Verbesse­rung des Arbeitsvertrags hinausreicht, in diesen Produktions­zweigen gleichbedeutend mit der Einsehung der Macht der gesamten Arbeiterklasse, mit der Brachlegung der ganzen Produktion.

Ein solcher Produktionszweig ist der Kohlenbergbau. Die Bergarbeiterorganisationen der Welt sind darum eine Macht, die stärker ist, als alle auf bewaffnete Armeen ges stügte bürgerlich- tapitalistische Staatsgewalt, die stärker ein tann, wenn sich die Organisationen ihrer Macht be­wußt werden. Darum wurde die deutsche Bergarbeiter­schaft während und nach Spaa von dem gesamten internatio nalen Kapitalistentum mit lodenden und versöhnlichen Schmeichelreden umworben. Darum sind die Verhandlungen und Beschlüsse des internationalen Bergarbet tertages in Genf   so ungemein bedeutungsvoll für die Zukunft des Kampfes der Arbeiterklasse.

Vier Forderungen und Entschlüsse Find es, die der Tagung das Gepräge geben: Der Sechs= stundentag, die Sozialisierung des Bergbaues, der internationale Generalstreit der Bergarbeiter, zu dessen Durchführung im Kriegsfalle, eventuell in Ver­bindung mit anderen Organisationen( Transportern, Eisen­bahnern), das Exekutivkomitee verpflichtet worden ist, und die internationale Regelung der Kohlenver. teilung.

Kein einziges der gestedten Ziele ist zu erreichen durch Verträge mit dem Grubenkapital, wie etwa eine Lohn­erhöhung. Sie alle treffen in den Lebenstern des Staatsgefüges des tapitalistischen Klassenstaates. Sie find indes nicht zu verwirklichen durch gütliches Verhandeln und Kompromisseln mit den Organen der Staatsgewalt. Diese stehen auf der Wacht bei den Lebensinteressen des Ka­pitals und daher tommen bei, Verhandlungen mit ihnen letzten Endes nur Versprechungen heraus, wie die Erfahrung genügend lehrt. Steht hinter den Beschlüssen nicht der feste Wille zur entschlossenen Arbeitsverweigerung, bann werden sie niemals Wirklichkeit werden. In einem Falle, in der Resolution über die Verhütung des Krieges, ist der internationale Generalstreit denn aug als das einzige, für alle bindende Mittel erklärt worden. Aftionen zur Erreichung der gesetzten Ziele in jedem eins zelnen Lande find somit Aktionen gegen die Staatsgewalt, politische Artionen. In der gegenwärtigen revolu tionären Situation aber werden sie zu entscheidenden Schlägen im letzten entscheidenden Klassentampf. Der Besitz ber Kohle und die freie Verfügung über sie, das heißt die Verfügung über Transport und Verwendung der Förderung, bilden die Basis der gegenwärtigen Ordnung. Jetzt mehr denn je, denn das Kapital hungert infolge der Kohlen­knappheit und des Mangels an Vorräten nach der wertvollen, unentbehrlichen Speifung für alle Profitmühlen.

Der Kampf der Bergarbeiter um die in Genf   erhobenen Forhemmgen ist der Klassentampf des role