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Dienstag, den 10. August 1920

Nummer 323

Abend- Ausgabe

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greiheis

Berliner Organ

Der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Beschlüsse von Hythe

Polen erhält Unterstützung

Amsterdam , 10. Auguft. " Telegraaf " erfährt aus Hythe von gut unterrichteter Seite, es bestehe Grund zur Annahme, daß die Alliierten beschlossen haben, Polen durch technische Ratgeber, durch Muni­tionssendung und möglicherweise durch einige Maß­nahmen zur See zu unterstügen, nicht aber durch Ent­sendung von Truppen. Die Konferenz zwischen den rufft schen und den polnischen Vertretern werde am Mittwoch in Minst stattfinden. Ka menew und Krassin würden in London blei ben, um die englische Regierung über die Besprechung in Minst auf dem Laufenden halten zu können.

Die allgemeinen Friedensgrundlagen

Aber

HN. London, 10. Auguft. Manchester Guardian " erfährt, daß die Konferenz in Sythe nicht nur über den Waffenstillstand, sondern auch über die allgemeinen Friedensgrundlagen unterhandelt und wenn Polen nicht im Voraus diese Prinzipien annimmt, würden die Waffenstillstandsverhandlungen sehr erschwert werden. andererseits würden diese Bedingungen nicht scharf sein. Die Grundlagen, welche von Polen genehmigt werden müssen, find: 1. Demobilisierung auf Friedensfuß. 2. Keinerlei Kriegsmaterial oder Munition von den Ententemächten anzu nehmen. 3. Die russische Regierung hält ihr Versprechen einer besseren Grenzregelung aufrecht. 4. Freier Handel via Bolen zwis schen Rußland und den anderen Staaten und 5. Amnestie für poli tische Bergehen.

Widersprüche

SN. London, 10. Auguft. Während die Central News" melden, daß die alliierten militä­

ab, was man unter solchen Maßnahmen verstehe. In der Erwiderung auf eine andere Anfrage bemerkte Bonar Law : Der Premierminister hat in der letzten Woche ausdrücklich dargelegt, daß wir unsere gegenwärtigen Schritte aus Besorgnis bavor unternehmen, daß die Bolschewisten die Unabhängig teit Polens vernichten könnten, und um unser möglichstes zu tun, damit Polen vernünftige Friedensbedingungen

erhält.

Bolen wartet ab

Rotterdam , 9. Auguft.

Nach einer Warschaner Meldung hat die polnische Regie­rung nach der Beratung mit den aus Baranowitsch zurückgekehr­ten Waffenstillstandsdelegierten beschlossen, die Antwort auf dic lette polnische Note, in der bestimmte Bedingungen gestellt wurden, abzuwarten, bevor die Friedensdelegierten nach Minit entsendet werden.

Dasczynski verteidigt Warschan

Kopenhagen, 10. Auguft. Nach einer Meldung aus Warschau äußerte sich der Vizepräsident, Rechtssozialist Dascynsti, Pressevertretern gegenüber, daß die Regierung die Stadt nicht räumen wolle; das diplomatische Korps wolle Warschau nicht verlassen. Zur Berteidigung War­ schaus werden möglicherweise alle Bürger unter die Fahnen ge= rufen.

Franzöfifche Hilfe für Wrangel?

London , 9. Auguft.

Ein Funkspruch Tschitscherins an Rame new beauftragt diesen, die Vermittlung Englands in einem Streit, der zwischen ben Marinebehörden von Odessa und dem Kommandanten der

französischen Flotte ausgebrochen ist, herbeizuführen. Tschitscherin

find, den Aufmarsch der Bolschewisten nach dem Westen aufzubehauptet, daß die aus Frankreich gekommenen Transportdampfer rischen und maritimen Sachverständigen sich vollständig darin einig halten, sagt der Korrespondent des Evening Standard", Lloyd George und die anderen alliterten Staatsmänner hätten be­schlossen, ihren Versuch, den Frieden zustande zu brin gen, nicht aufgegeben.

Zweideutige Reden

Die russische Frage im Unterhaus

London , 9. Auguft. Unterhaus. Ueber die russische Frage wurden zahl­reiche Fragen an Bonar Law gerichtet. Dieser gab bekannt, der Premierminister werde morgen eine Erklärung abgeben. Es bestehe nicht die mindeste Gefahr, daß das Haus sich einem Kriege gegenübersehe, ohne daß zuvor genügend Gelegenheit zur Erörterung der Lage gegeben worden sei. CInnes meinte, ob dies so aufzufassen sei, daß teine triegerischen Maßnahmen getroffen würden. Bonár Law entgegnete, das hänge davon

Allegrette und Batavia für General Wrangel bestimmte Kriegs. tontrebande enthalten. Aus diesem Grunde widersetze er sich ihrem Auslaufen aus dem Hafen und wünsche, daß die englische Regie­rung ihren Einfluß geltend mache, damit der Streit gütlich ge regelt werde.

Die Landsknechte der Reaktion

Kopenhagen , 10. Auguft. Nach einem Telegramm der Berlingske Tidende" aus War sch au meldet die polnische Breffe aus ministerieller Quelle, daß in Warschau eine Abordnung des ungarischen Parlas ments eingetroffen ist, die Grüße des ungarischen Bottes über­bringt, mit der Versicherung, daß die ungarische Nation bereit sei, Bolen zu Hilfe zu tommen. Ungarn fönne 3 ehntausende Don Männern Polen zu Hilfe senden, außerdem Munition, Ge= treide, Lazarette.

Internationale Solidarität

Die Aktion der englischen Arbeiterschaft

SR. London, 10. Auguft. Biele große Arbeiterverbände in England haben Beschließungen angenommen, worin Stellung gegen einen Krieg gegen

Rußland genommen wird. Man verlangt die Wiederaufnahme des Handels mit Ruhland und lehnt es ab, Munition für Polen oder für einen Krieg gegen Rußland anzufertigen oder zu trans portieren. Die Londoner Eisenbahner erklärten, falls ein Bersuch gemacht wird, nene Gesetze für die Militärdienstpflicht ein zuführen, sie ihr äußerstes tun werden, den Transport aller Regie­rungssendungen zu verhindern. Die britische Arbeiterpartei erhielt gestern ein Telegramm der deutschen Unabhängigen Sozia I ist en, worin sie gebeten wird, ihren Einfluß dazu zu benutzen, dah englische Soldaten nicht länger als Streitbrecher in dem Arbeiterkonflikt in Danzig auftreten.

Generalstreik bei einer Kriegserklärung SN. London, 10. Auguft. Daily Herald" jagt, daß, falls die Alliierten Sowjetruk land den Krieg erklären sollten, im ganzen Lande die Arbeit niedergelegt werden würde, um durch den Generalstreit einem Kriege vorzubeugen.

Warnung der Humanité"

Die Humanite" warnt in nicht mißzu verstehender Weise die französische Regierung vor dem polnischen Abenteuer. Der Krieg, der sich jetzt zwischen Bug und Weichsel abspiele, sagt das Blatt, Jei tein Krieg zwischen zwei Staaten, sondern ein Zusammenitog der Revolution und Gegenrevolution. Die Niederlage Pilsubstis erscheine wie ein Zusammensturz der Gewaltpolitif, die die Allifer­

ten gegen den Bolschewismus betrieben. Seine Konsequenzen würden über Polen , Galizien und Ukraine hinausgehen bis an die Genzen der westlichen Welt, wo die Arbeiter den Kampf mit fteberhafter Aufmerksamkeit verfolgten. Gestern sei die Frage gestellt worden: Was wird die Entente tun? Seute müſſe fie wieder gestellt werden. Die tonservativen Blätter von Paris und London drängten thre Regierungen, Versprechungen zu

halten, die sie Bilsubsti gegeben haben, damit ihm genügende militärische Streitkräfte zur Verfügung gestellt würden. Sumanite" fragt, ob sie sich solche Ratschläge überlegt hätten, ehe sie eine derartige Politit begünstigten, ob sie über die öffent­liche Meinung dies- und jenseits des Kanals unterrichtet seien Krieg die Massen gleichgültig gegenüberstehen und daß sie sich der und ob fie fich einbilden, daß einer umfangreichen Teilnahme am mit schuld schuldig machen wollten. Das Proletariat dies- und jenseits des Kanals habe in nnzähligen Kundgebungen zu deutlich Stellung genommen, als daß die unintelligentesten Minister sich noch Illusionen hingeben könnten. Die Saltung Frankreichs hänge von der Englands ab, deshalb müsse das französische Proletariat einig sein und sich mit dem eng­lischen in Verbindung sehen.

Der Poststreik in Desterreich

Wien , 10. Auguft.

Der gestern mittag ausgebrochene Streit der Telephon- und Telegraphen- Angestellten in ganz Desterreich dauert mit unver= minderter Stärte an. In den Verhandlungen mit der Re­gierung ist eine Einigung in nur zwei Fragen bisher erzielt worden, und man hofft, daß in den zwei Hauptfragen die Einigung im Laufe des heutigen Vormittag herbeigeführt wird. Die An­gestellten der Funtentelegraphie sind ebenfalls mit in den Streif getreten. Falls bis heute abend teine Einigung erzielt werden sollte, drohen die Postbediensteten mit dem Sympathiest reit.

Modenschau

Am Sonntag hat man endlich erfahren, welche Anzüge im tommenden Herbst und Winter die Herren, welche Kleider und Mäntel die Damen tragen sollen. Es war auf der Grunewaldbahn bei Berlin ein Moden- Rennen an gesetzt worden; die Unternehmer aus der Bekleidungs­industrie hatten diesen Tag für sich mit Beschlag belegt, um bringt. Alles war an diesem Tage vom Modenfapital ge­einem schauluftigen Pöbel zu zeigen, was die neueste Mode gesezt, die Konfektionshäuser schidten ihre Mannequins aus, fauft worden; für die Jodeys wurde ein hoher Preis aus Probierdamen, die sich dem Publikum zur Schau stellen müssen, Filmsterne und Theatergrößen wurden mit den neuesten Modestüden ausgerüstet. Die bürgerliche Presse be richtet spaltenlang über das Ergebnis dieser Modenschau; man erfährt, welche entzückenden Modelle die großen Ber­ liner Lurusfirmen gezeigt und wie gut diese zu den blizenden Augen und den zarten Gestalten der Filmgrößen und Manne­quins gepaßt hätten. Nunmehr brauche man nicht nach Paris zu gehen, wenn man neue Moden sehen wolle. Berlin habe gezeigt, daß es auch auf diesem Gebiete eine führende Rolle spielen tönne.

Aber nicht nur die Damen find durch die Modenschau ber Sorgen um das, was sie fünftig anziehen sollen, enthoben worden. Schon am Sonntag wußte das Berliner Tageblatt" zu berichten, was die Herren anzuziehen haben werden. Auf dem Rennplay, so wurden wir belehrt, habe eine leich tere Note" plakgegriffen; aber auch sie verlange gewisse ge­sellschaftliche Unterscheidungen, die durch die Verpflichtung gegenüber der Dame" bestimmt würden. Wir hörten, daß der schwarze oder graue Saffo mit gestreiftem oder farriertem Beinkleid, dazu Melone und weiße Gamasche die gesellschafts liche Herrenkleidung bilde; der einzelne Herr allerdings be­vorzuge schottischen Homespun oder fatifarbene Gabardine, die auch eine leichtfarbige Gamasche und den Strohhut ge­statteten. Im kommenden Herbst würden die Herren tragen: Rodpaletots, Fradmäntel, Herrenpelze mit viel Ver­Schnürungen, Sportmäntel mit Leder und dazu den soge nannten Cowboyhut.

Während auf diese Weise die besitzenden Klassen und die Kreise, die sich in ihren Dienst gestellt haben, ihre luxuriösen Bedürfnisse zur Schau stellen und aller Welt zeigen, wie sie trot Wirtschaftskrise auch in den kommenden Monaten aus dem Vollen schöpfen werden, wächst unausgesetzt das Elend in der proletarischen Bevölkerung. Je weiter der Sommer fortschreitet, desto drängender erhebt sich die Frage für das werftätige Volt, wie es im kommenden Herbst und Winter seine Blöße verdeden soll. Die Löhne und Gehälter der Ar­beiter und Angestellten reichen noch nicht einmal dahin, um das nadte Existenzminimum zu deden. Kein Gedanke daran, daß fie Neuanschaffungen an Kleidung, an Wäsche, an Bett­zeug, an Schuhwerk machen könnten. Auf diese Kreise muß die Modenschau wie ein herausfordernder Hohn wirken. Immer neue Betriebe werden geschlossen oder die Arbeitszeit wird in ihnen herabgesezt, die Erwerbslosen­ziffern steigen unausgesetzt, die Preise für die wichtigsten Lebensmittel gehen ohne Aufhören in die Höhe, immer schwie­riger wird es für den Arbeiter, für den Angestellten, für den Beamten, über die Nöte dieser Zeit hinwegzukommen.

Vor einigen Tagen hat die Frankfurter 3eitung" sich mit dem Thema Moral und Wirtschaft" beschäftigt. Es war dort zuerst die Behauptung wiedergegeben worden, daß in vielen Fabriken von den Arbeitern ein Terror verübt werde. Komme man aber, so fragt das Blatt, mit Ent­rüftung gar zu weit? Sei es nicht besser, den tieferen Seßereien und der durch den Krieg großgezogenen Berrohung Ursachen nachzugehen? Und da werde neben den doch wohl die materielle Not weiter Arbeiterfreise zu er wähnen sein.

Es ist feine Nebertreibung" so lesen wir in der Frankfurter Zeitung " Nr. 547 vom 7. August, wenn man feststellt, daß heute nur ganz besonders bevorzugte Arbeitnehmer in Deutschland in der Lage find, über die mehr oder weniger ge­nügende Ernährung hinaus noch Geld für Anschaffungen derjenige der Schuhfabrikanten, anerkannt, als er vor einem aufzubringen. Das hat neulich sogar ein Unternehmerverband, fofortigen Lohnabbau selbst für den Fall einer mäßigen Breis­ermäßigung warnte, da erst dann die Arbeiter die seit Jahr und Tag vernachlässigte Kleidung ergänzen fönnten. Und wie es in dieser Beziehung hinter den Kulissen oder besser gesagt mit ben Unterkleidern aussieht, und zwar nicht nur bei den Hand­arbeitern, das wissen am besten die Aerzte. Wenn man von besonders bevorzugten Klassen, wie etwa jugendlichen Arbeitern und Angestellten beiderlet Geschlechts oder Familien mit erwach­fenen, also voll mitverdienenden Kindern absieht, so find diese Bestände schon ungenügend gewesen, als noch die Industrie voll arbeitete. Inzwischen aber ist notorisch in vielen Gewerben die Arbeitszeit von 48-44 auf 30-32 Stunden und damit automatisch der Lohn um ein gutes Drittel verkürzt worden. Nun tommt gerade in diesem Augenblick der zehnprozen­tige Steuerabzug, dessen ethische und erzieherische Berech tigung an und für sich ebensowenig bestritten werden soll wie feine fistalische und wir schaftliche Notwendigkeit. Der Arbeiter, der im April mit 250 Mart Wochenlohn noch nicht einmal feine Amortisationsquote beden konnte, soll jezt mit 160 minus 16 gleich 144 Mart zurecht kommen. Das sind Erwägungen, die Soch auch Unternehmer und Kapitalisten anften sollten. Auch