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Alfons und Wilhelm

Der Matin" veröffentlicht den Bericht über eine Unterredung, die eine franzöfifche Persönlichkeit am 2. März 1917 mit dem Spanischen König Alfons XIII . gehabt habe; Alfons habe sich darin erboten, Desterreich von Deutschland zu trennen. Bei dieser Ge­legenheit erzählte der spanische König, wie wir dem Berliner Tageblatt" entnehmen, warum er Wilhelm II. nicht liebe. Alfons XIII . erklärte:

Sie fönnen sich denken, daß ich mir nicht die Idee einer direkten Intervention bei England und Deutschland in den Kopf gesetzt habe. Ich habe teine Neigung, die beiden Doggen auseinander zu bringen.

Ich nehme übrigens an, daß Sie die Gefühle tennen, die ich gegenüber dem Deutschen Kaiser hege.

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seit

Wir stehen seit zwölf Jahren nicht gut miteinander dem 3wischenfall von Vigo , den man Ihnen wohl, mehr oder minder entstellt, erzählt haben dürfte.

Als ich achtzehn Jahre alt war, ernannte der Kaiser Wilhelm mich zum Obersten eines seiner Regimenter. Das ist so Brauch, und außerdem dachte er, es würde Sie( die Franzosen ) ärgern. Einige Monate später tommt er nach Vigo . Ich gehe an Bord feines Schiffes, um ihn zu begrüßen, nachdem ich, auf den Rat feines Militärattachees einfache Uniform( de jour) angelegt habe. Während der Reise übe ich mich in meinem Waggon in recht schneidigen und preußischen Grußbewegun gen um ihm Eindruck zu machen.

Als ich auf Ded tomme sehe ich, daß alles um ihn herum in großer Uniform ist, und ich erkenne, daß man mich zu einer Dummheit verleitet hat. Aber das Schlimmste ist, daß ich im Augenblid, wo ich vor ihm stehe, all meine Schneidigteit, alle fleinen Uebungen, die ich gemacht hatte, vergesse und los lache... Er machte mir vor seiner militärischen Umgebung und vor der meinigen eine Szene mit Vorwürfen

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und Sie wissen, wie ich das liebe. Er macht mich auf meine Ungeniertheit, auf die Unkorrektheit meines Anzuges aufmerksam, und so weiter. Wenn man tommt, den deutschen Kaiser zu be grüßen, muß man große Uniform anlegen. Das hättest du nicht vergessen sollen!"

"

Aber es war- d ein Militärattachee, der mich falsch in­formiert hat!" Habe ich dir etwa erlaubt,

Wie? Dein Militärattachee?

mich zu duzen?"

Sabe ich dir selbst diese Erlaubnis gegeben?" Und die Szene ging in diesem Tone weiter Seit dieser Zeit gibt es teine fleine Gemeinheit, die er mir nicht anzutun versucht hätte, namentlich bei meiner ersten Reise in Deutschland .

Vor drei Wochen hat er mir durch meinen Better, den Kaiser Don Desterreich, den Tegt der deutschen Note über die Blockade ( das den Unterseebooten preisgegebene Gebiet) übersenden laffen, zwei Tage, bevor Sie veröffentlicht wurde. Er wünschte, ich sollte ihn meine persönliche Meinung wissen lassen, ganz als Kamerad und Freund. Ich habe mich darauf beschränkt, ihm zu antworten: Ich glaube, du bist völlig verrüdt."( Je pense que tu es complètement fou.") Acht Tage darauf schickte ihm meine Regierung eine längere und mehr abgewogene Antwort, die ihm nicht besser gemundet haben dürfte, als die erste."

Ob diese Geschichte vollkommen wahr ist, fönnen wir nicht be­urteilen. Aber ohne Zweifel entspricht sie dem Milieu, in dem die höfischen Auseinandersehungen, besonders wenn Wilhelm baran beteiligt war, vor sich gegangen sind. Man erkennt auch daran wieder, wie es in den Kreisen zuging, die sich von Gottes Gnaden berufen fühlten, die Bölfer zu regieren.

Späte Erkenntnis

Am Sonntag hielt der Bezirtsverband Groß- Berlin der S. P. D. einen Bezirtstag ab. Aus dem Borwärts"-Bericht ist zu ersehen, daß auf dieser Tagung ein anderer Ton herrschte, als man ihn bisher gewöhnt war.

Franz Krüger , der den Geschäftsbericht des Borstandes gab, betonte, daß das Er startenber Reattion hauptsächlich den Butschen von lints im Januar und März vorigen Jahres zu­zuschreiben sei. Diese hätten auch die Nosteschen Maßnahmen ver­ursacht. Damit set auch die Errichtung der Technischen Nothilfe" zu rechtfertigen. Krüger behauptet, es sei unwahr, daß der Bezirks­verband oder er persönlich die Technische Nothilfe ins Leben ge= rufen habe. Krüger sagte: Unter den damaligen Verhältnissen, wo die Stillegung lebenswichtiger Betriebe drohte, war die Technische Rothilfe" eine Notwendigkeit, womit auch unsere Barteimitglieder einverstanden waren. Mit der Zeit hat bie Technische Rothilfe" aber einen Einfluß betom men, den wir nicht billigen. Sie ist auf dem Wege, eine Organisation zu werden, die, ohne daß drin gende Rotstände porliegen, die Arbeiterbeme= gung schädigen will. Daß es so tommen tonnte, daran find Die Gewerkschaften nicht unschuldig, da fie das Mitwirten an der Technischen Nothilfe und den Einfluß auf dieselbe abgelehnt haben. Heute werden auch wir Stellung gegen die Technische Nothilfe, wie sie jezt ist, nehmen müssen."

Man mache aus Deutschland ein Kadettenhaus, und die deutschen Unteroffiziere zum Schulmeister- dann werden wir wieder ein fittlich gefestigtes Volt werden, dem die Sommerkorn, Marloh und die zeitfreiwilligen Helden von Mechterstedt als nationale Bala­dine voranleuchten.

Tollers Drama

Ernst Toller schreibt uns aus dem Festungsgefängnis, daß das Manuskript seines neuen Dramas Masse Mensch " be schlagnahmt worden sei und fügt seinem berechtigten Protest gegen dieses Borgehen hinzu:

,, Es geht die Sage, daß vor noch nicht zwei Jahren ein Ga lizier", namens Kurt Eisner , bayerischer Ministerpräsident war. Diese Sistorie ist wohl ebenso eine Legende wie bie, daß wir eine Revolution hatten. Ein andere Mär indessen tönnte Wirklichkeit

merden:

Ein fortgejagter König schoß

( in seinem früheren Reich, versteht sich) Ehrenscheiben,

Worauf die Republik beschloß, Richt länger Republit zu bleiben. Mit besten Grüßen

The Ernst Toller .»

Theater und Lichtspiele können nach dem Entwurf des Sozia­lisierungsgefeges, wie er von der Sozialisierungstom­mission vorgeschlagen ist, ohne Zustimmung der Reichsregierung von den Gemeinden unter ihre Kontrolle gebracht und tom munalisiert werden. Dieser Gedante wird, wie die Voss. 3tg." hört, auch von der Bühnengenossenschaft sehr start unterſtügt, da bie Schauspieler dadurch frei würden von den Direktoren als pri­vaten Unternehmern und von den Gemeinden größeres finanzielles Entgegenkommen erwarten. Es sprechen aber auch noch andere Gründe für diesen Schritt.

Der Rücktritt Mag Reinhardts von der Direktion des Deut­ schen Theaters und des Großen Schauspielhauses, mit dem schon öfters( zuletzt wegen der Luftbarkeitssteuer, und lodender An­gebote aus Amerita) gedroht wurde, soll wieder einmal bevor­tehen. Als Nachfolger werden Gerhart Hauptmann und Feliz Solländer genannt.

Die Ausfuhrabgabe für deutsche Bücher, die im Auslande dadurch ungemein verteuert wurden und bei der Höhe der Umrechnungs­turje den Export lahmlegten, ist erheblich herabgesetzt worden.

Krüger wandte sich dann der Frage der Unterzeichnung des Friedensvertrages zu. Durch die Haltung der Unabhängigen, die fich für die Unterzeichnung entschieden hätten, sei die opferbereite Einigung des deutschen Boltes zerstört worden, deshalb hätte der Vertrag unterzeichnet werden müssen. Zum Kapp- Butsch über­gehend, bedauerte Krüger, daß die bekannten acht Buntte nicht durchgeführt worden seien. Bei der Durchführung der acht Buntte hätten zum großen Teil auch ihre eigenen Geno sen, die in der vorigen Regierung waren, versagt. Wörtlich sagte Krüger:

Richts ist geschehen hinsichtlich der Reform der Reichswehr, der Entwaffnung der Realtio= näre, der Reform der Verwaltung, und die Aufhebung des Belagerungszustandes und der außerordent lichen Kriegsgerichte ließ lange auf sich warten. Die härtesten Urteile wurden im Ruhrrevier gegen Arbeitet gefällt, während die Kapp- Berbrecher nicht gefaßt werden.( 3ustimmung.) In Verwaltungs- und Militärtrei­fen scheint man nach dem Kapp- Putsch zu der Meinung gekommen zu sein, daß die Regierung ihnen gegenüber machtloser set, als sie es vorher war.'

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Die Reichstagswahl sei nach Lage der Verhältnisse nicht ungünstiger ausgefallen, als zu erwarten war. Zum Schluß befür­nisation für alle Fälle schlagkräftig daftehe. wortete der Redner eine rege Organisationsarbeit, damit die Orga­

Nach dem Kaffenbericht, den Bagels gab, sekte eine lebhafte Diskussion ein, in der u. a. Dr. Goldschmidt( Berlin ) erklärte, daß die neuen Mitglieder zum größten Teil aus, bürgerlichen Kreisen tommen, während die älteren Mitglieder nach links ab­geschwenkt seien. Weiter sagte er, daß bei der Gründung der Technischen Nothilfe" ein Bezirtsvorstandsmitglied ein Werbezirtular mitunterzeichnet habe, was zu der An­nahme berechtigte, daß der Bezirtsvorstand an der Gründung beteiligt mat. Zu Krügers Ausführun gen fönne er fagen, es sei mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte.

Dr. Paul Lensch machte der Redaktion des, Borwärts" den Vorwurf, sie habe während und nach dem Kriege eine unflare pazifistische Gefühlspolitit getrieben. Dagegen wandte fich Brolat. Durch die von Lensch während des Krieges vertretenen Anschauungen seien Folgen entstanden, die anscheinend Lenschiezt selber als unangenehm empfinde. Weiter erklärte Brolat, daß es nicht richtig gewesen sei, daß fie alle verkehrten Maßnah men ihrer Genossen in der Regierung gebedt hätten. In Zukunft würden sie sich das Recht der Kritik vorbehalten.

Es ist sehr erfreulich, wenn die G. P. D.- Leute zu der Einsicht ge­tommen find, daß die von ihren Genossen betriebene Regierungs­politit, ganz besonders die Rostesche Gewaltpolitit, eine verkehrte gewesen ist. Wenn sie sich jetzt an der Bekämpfung der Technischen Nothilfe" beteiligen wollen, so haben sie in Berlin im Rahmen der Gewerkschaften dazu die beste Gelegenheit. Wir fönnen es nicht unterlassen, auf die schweren Folgen hinzuweisen, die in gewert schaftlicher Beziehung die Technische Rothilfe verursacht. Daß 6. P. D.- Leute, die selbst langjährige Gewerkschaftsführer waren, fich dazu hergeben fonnten, an der Errichtung einer Organisation mitzuhelfen, die zur Bekämpfung von Streils, die von den Gewert schaften zur Abwehr schlechterer wirtschaftlicher Berhältnisse geführt werden mußten, wie es z. B. bei dem großen Metallarbeiterstreit in dem letzten Jahre der Fall war, ist eine Schmach, pon der fich die S. P. D. niemals reinwaschen kann.

Bur Nachahmung empfohlen.

Die Rheinisch- westfälische Zeitung" melbet aus Frankfurt a. M.: Zwischen dem Verband der Metallindustriellen für Hessen- Nassau und bie angrenzenden Gebiete einerseits und dem Frankfurter Metall­arbeiterverband andererseits tam eine Vereinbarung zustande. Rückwirkend auf den 25. Juni dieses Jahres soll eine Lohnerhöhung von 10 Prozent auf den Gesamtverdienst gezahlt werden. Bei Firmen mit vertürster Arbeitszeit soll der Ausfall der Arbeitszeit folgendermaßen vergütet werden: Bet Betrieben, bie bis zu 32 Stunden wöchentlich arbeiten, soll 80 Prozent bes Diffe renzbetrages, bet Betrieben, die unter 32 Stunden wöchentlich arbeiten, foll 50 Prozent des Differenzbetrages vom 1. August ab bezahlt werden. Für die Berechnung wird a) bet Lohnarbeitern ber jeweilige Tariflohn zugrunde gelegt, b) bei Affordarbeitern der Durchschnittsstundenverdienst der letzten vier Wochen, in denen boll gearbeitet wurde. Bom 1. August ab müssen die obigen Berein für Groß- Frankfurt a. M. barungen allgemein Plaz greifen. Die Bereinbarungen gelten unr

Damit ist ber Steuerabzug ausgeglichen und auch bie nieber­brückenden Folgen der Kurzarbeit sind zum Teil behoben. Wir sehen darin die wirksamste Art produttiver Erwerbs. lofenfürsorge, da solche Maßnahmen dem weiteren Sinten der Rauffraft der Maffen entgegenwirten. Bor allem aber ist hier ber Bersuch gemacht worden, die Lasten der Krise wenigstens tellweise auf die Schultern ber Unternehmer zu legen. Das wird natürlich nur dort möglich sein, wo in der Arbeiterschaft und in ihren Organisationen der feste Wille vorhanden ist, für diesen Grundsas einzutreten.

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Genehmigung von Ueberstunden

Der Reichsarbeitsminister teilt mit: In Kreisen gewerblicher Arbeitnehmer wird vielfach darüber geflagt, daß den Betrieben die Genehmigung zur Einlegung von Ueberstunden erteilt wird, während am gleichen Ort oder in der Nähe andere Angehörige des gleichen Gewerbezweiges arbeitslos find. Diese Klagen scheinen nicht immer der Berechtigung zu entbehren. Die Demo bilmachungskommissare haben allerdings schon bisher im allge meinen bie Weberarbeitsbewilligungen nur nach zuvorigem Be nehmen mit den zuständigen Arbeitsnachweis stellen er teilt. Um aber das Zusammenarbeiten völlig sicher zu stellen, hat der Reichsarbeitsminister die Demobilmachungskommissare durch ein Rundschreiben noch besonders angewiesen, fich jedesmal, bevor sie auf Grund der Ziffer 8, Abs. 3 der Anordnung über die Rege lung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter und des§ 10 der Ber­ordnung über die Regelung ber Arbeitszeit der Angestellten die wirtschaftlichen Bedürfnissen nach Mehrarbeit Genehmigung zur Ueberarbeit erteilen, zu vergewissern, ob den nicht durch Einstellung arbeitsloser Kräfte Genüge geschehen fann. Ist letzteres der Fall, so ist die Genehmigung zur Ueberarbeit zu versagen.

Warum, so umständlich? Warum verpflichtet man die Kommissare nicht einfach, die Genehmigung zur Erteilung von Ueberstunden nur in Uebereinstimmung mit den Ger wertschaften zu erteilen?

Georgien anerkannt. Das deutsche Reich hat bei der Republik Georgien eine amtliche Vertretung mit dem Size in Tiflis errichtet. Zu ihrem einstweiligen Leiter ist Dr. Ernst v. Druffel ernannt worden, der sich bereits in Tiflis befindet. Die deutsche Regierung hat ferner der Georgischen vorgeschlagen, die Gesamt­heit der deutsch - georgischen Beziehungen entsprechend der gegen­wärtigen Sachlage durch einen alsbald abzuschließenden Bertrag zu regeln.

Ratifizierung des Friedensvertrages mit Bulgarien . Der Aus tausch der Ratifizierungsurkunden des Friedensvertrages mit Bul­ garien hat gestern im Auswärtigen Amt in Paris unter Vorsit Don Jules Cambon stattgefunden. Bulgarien war durch Hadjimichow, dem Borfizenden der bulgarischen Delegation ver freten, Frankreich durch Jules Cambon , Belgien durch Rellyn Jacquemins, England durch George Graham, Italien durch Bonin und Siam durch Chareon.

Eine neue Verhaftung in Bolnisch- Preußen. Der rechtssozia­listische Kreisvorsitzende für den Kreis Bugig, Emil Gnadt, ist am Sonnabend früh 4 Uhr von den Bolen aus dem Bette heraus verhaftet worden. Gründe für die Berhaftung wurden nicht angegeben.

Betriebsräte

Die Arbeiterschaft in Halle für die selbständige Räteorganisation

Nachdem bereits sämtliche Gewerkschaften in Salle im Rahmen ihrer Organisationen zur Rätefrage Stellung genommen, hatten und nachdem auch die Generalversammlung der U. S. P. für Salle- Saaletreis eine Resolution hierzu angenommen hatte, fand am vorigen Freitag, den 6. Auguft, eine Konferenz fämtlicher Partei und Gewertschaftsfunttio­näre, der revolutionären Bertrauensleute und der Be triebsräte der Halleschen Betriebe zur endgültigen Ents fcheidung über diese wichtige Angelegenheit statt. Nahezu zweitaufend Funktionäre, das Rädgrat der gesamten Halleschen Arbeiterbewegung, nahmen an dieser Konferenz teil. Das Referat Dom Standpunkt der gewerkschaftlichen Zusammenfassung der Be triebsräte hielt der Genosse Robert Dißmann , das Korreferat für die selbständige Betriebstäteorganisation der Genosse Wilhelm Koenen . Die Bersammlung, die über sechs Stunden tagte, nahm zeitweise einen äußerst stürmischen Berlauf. Gegen wenige Stim men wurde folgende Resolution angenommen:

Die am 6. August 1920 im Boltspart in Salle tagende Konfes renz mtlicher Bartei- und Gewerkschaftsfunktionäre, der Bes triebsräte und der revolutionären Vertrauensleute des Halleschen Proletariats hält den Aufbau einer völlig selbständigen Bes triebsräteorganisation als Borauslegung für die Berwirklichung bes wirtschaftligen Räteintems für bringend ges boten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus ber politischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Die Konferenz hält eine Arbeitsgemeinschaft mit den Gewerkschaften für ge­boten. Als Grundlage für diese Arbeitsgemeinschaft dienen die Richtlinien, welche auf Grund der Konferenz am 12. Juni ( Mitteldeutsche Betriebsräte- Bollversammlung) von Vertretern der Partei, Gewerkschaften und der selbständigen W. R.-D. Tant Beschluß festgelegt find. Es muß jedoch ein enges Zusammen arbeiten zwischen W. R.D. und den Gewerkschaften im Interesse bes Gesamtproletariats erfolgen. Mit diesem Beschluß dürfte die Sachlage in Salle geflärt sein.

Allerlei Schiedssprüche

Das Betriebsrätegesetz und bie Erhaltung des Wirtschaftsfriedens

Uns wird geschrieben: Durch das Betriebsrätegesetz find die Forderungen der Arbeitnehmer auf ein wirkliches Mitbestim mungsrecht in feiner Weise erfüllt worden, aber auch die durch aus nicht weitgehenden und überaus auslegungsfähigen Para­graphen des B. R. 6. werden von den Unternehmern durch Aus Legungstünfte vollkommen wirkungslos zu machen verseht und bie Schlichtungsausschüsse, welche zur Erhaltung des Wirtschafts friedens " ins Leben gerufen find, tragen redlich dazu bei, diefer ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Einige charakteristische Schieds Sprüche, welche im Laufe der letzten Wochen gefällt worden sind, mögen dies beweisen:

Der Schlichtungsausschuß Altona fällte bezüglich bes§ 30 bes B. R. G. über Abhaltung von Sigungen der Betriebsvertretungen innerhalb der Arbeitszeit, folgenden Spruch:

Die Betriebsvertretungen sind nach§ 30 des B. R. G. nur dann berechtigt innerhalb der Arbeitszeit Sigungen abzuhalten, wenn die Berhandlung des Gegenstandes nicht bis zum Schluß der Arbeitszeit hinausgeschoben werden tann. it der Bor fitende der Betriebsvertretung der Ansicht, daß die Berhands fung des Gegenstandes nicht bis zum Schluß der Arbeitszeit hine ausgeschoben werden kann, so hat er der Firma mindestens eine volle Stunde vor Beginn, unter Mitteilung der Tagess ordnung, schriftlich Anzeige zuerstatten. Widerspricht die Firma, So bleibt es zunächst in das pflichtgemäße Ermessen des Bor figenden gestellt, ob er die Sigung dennoch abhalien will oder wicht. Sält er fie ab und ruft die Firma den Schlichtungsaus­chus an, so entscheibet dieser über die Dringlichkeit der Sigung. War sie nicht dringlich, so haben die Mitglieder der Betriebs vertretung feinen Anspruch auf Bezahlung ber durch die Teilnahme an der Sigung veräumten Arbeitszeit. Werden fortgefekt ohne Dringlichkeit während der Arbeitszeit Gigungen abgehalten, so tann darin unter Um Ständen eine gröbliche Berlegung der geschlichen Pflicht durch ben Borfihenden und auch die übrigen Mitglieder der Betriebss Dertretungen liegen, die eine Auflösung derselben gemäߧ 41 B. R. 6. rechtfertigt.

Dieser Spruch ist weiter nichts als eine Meinungsäußerung. Die Unternehmer machen sich jedoch die Regelung dieser Materie noch leichter, indem sie einfach bei Sizungen während der Arbeitszeit Gehalt und Lohn türzen, ohne Rüdsicht darauf, ob die Dringlich feit anerkannt ist oder nicht. Bei manchen Firmen schweben be reits hunderte von Klagen und die Betriebsvertretungen haben ihre liebe Not, diese Klagen zu bearbeiten. Der Unternehmer hat den Vorteil, daß die Betriebsvertretungen zur Einarbeitung in die Produktion überhaupt teine Zeit mehr finden.

Roch auffälliger ist ein vom Schlichtungsausschuh Groß- Berlin gefällter Schiedssprud) über die Gegenzeichnung von Nachträgen zur Arbeitsordnung auf Grund des§ 80 B. R. G.: Die Anordnung der Geschäftsleitung wegen Aenderung der Kontrolle bedarf nicht der Unterschrift des Betriebsrates. Begründung:

Die Arbeitsordnung vom 16. Juli 1906 steht im§ 14 Abs. 3 eine Kontrolle vor, die bei Eintritt in das Geschäft und beim Vers lassen zu passieren ist. Sie enthält teine Borschriften darüber, in welcher Weise dieje Kontrolle auszuüben ist. Die Geschäfts leitung hat sich also die Bestimmung über die Art und Weise der Kontrolle vorbehalten. Mithin liegt teine Aenderung der Arbeitsordnung vor, wenn sie während der Geltung der Ar beitsordnung in der Art und Weise der Kontrolle wechselt." Nach dieser Argumentation braucht die Arbeitsordnung nur be­langloje Redensarten zu enthalten. Wenn dann die Regelung der Sachen selbst durch Nachträge erfolgt, bann soll grabe ba wo es auf die Wahrnehmung der Interessen der Belegschaft an tommt, die Betriebsvertretung nicht mitzusprechen haben. Bei dieser Gelegenheit sei noch hervorgehoben, daß von den Unter­nehmern die Festlegung von Strafen so aufgefaßt wird, daß gene rell die Sätze gemeinsam mit der Betriebsvertretung festgesetzt werden, im einzelnen Falle jedoch die Bestrafung durch den Unter nehmer selbständig erfolgen foll

Den Bogel hat jedoch ber Schlichtungsausschuß Groß Berlin in diesen Tagen abgeschossen in einer Streitfache über Festsetzung von Sprechstunden während der Arbeitszeit. Dieser Schiedsspruch lautet:

Der Anspruch der Beschwerdeführer auf Verlegung der Sprechstunde des Betriebrates innerhalb der Arbeitszeit wird zurüdgewiesen.

Gründe:

§ 76 B. R. G. fieht für die Sprechstunde- wie§ 30 für die Sizungen des Betriebsrates als Regel die Zeit außer halb der Arbeitszeit an. Zu Ausnahmen ist nach§ 76 Gay 2 die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich. Ein An­Spruch des Betriebsrates und der Arbeitnehmerschaft auf eine Sprechstunde innerhalb der Arbeitszeit ohne die hier fehlende Zustimmung des Arbeitgebers besteht nach dem B. R.G. nicht.

Der Schlichtungsausschuß ist aber nach§ 20 W. O. vom 23. 12. 1918 bei Streitigkeiten, bei denen die Arbeitnehmershaft oder ihre gefegliche Vertretung beteiligt ist, allgemein befugt, Schiedssprüche zu fällen, und diese Befugnis ist bur bas B. R. G., wie§ 66 3iffer 3 ergibt, nicht aufgehaben. Vergl. auch die Ausführung des Demobilmachungstonialers im Mit