Einzelpreis 30 Pfg. 3. Jahrgang
Die Freiheit erscheint morgens und nachmittags, Sonntags und Montags nur einmal. Der Bezugspreis beträgt bei freier Buftellung ins Haus für Groß- Berlin 10, M. im voraus zahlbar, von der Spedition felbft abgeholt 8,50 m. Für Boft bezug nehmen fämtliche Postanstalten Bestellungen entgegen. Unter Streifband bezogen für Deutschland und Desterreich) 16,50 M., für das übrige Ausland 21,50 m. zuzüglich Baluta- Aufschlag, per Brief für Deutschland und Desterreich 30,- m. Redaktion, Expedition und Verlag: Berlin C2, Breite Straße 8-9.
Mittwoch, den 11. August 1920
Nummer 324
Morgen- Ausgabe
Die achtgespaltene Nonpareillegeile oder deren Raum koftet 5,- M. einschließlich Tenerungszuschlag. Kleine Anzeigen; Das fettgebruckte Wort 2,- M., jedes weitere Wort 1,50 M., einschließlich Teuerungszuschlag. Laufende Anzeigen laut Tarif. Familien- Anzeigen und Stellen- Gesuche 3,20 m. netto pro Zeile. Stellen- Gesuche Wort- Anzeigen: bas fettgedruckte Wort 1,50 m., jedes weitere Wort 1,- m. Fernsprecher: Bentrum 2030, 2645, 4516 4603, 4635, 4040, 4021.
greibeif
der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands
Erregung in England
Vor der Entscheidung
SN. Haag, 10. August. „ Nieuwe Courant" schreibt zur politischen Lage: In England hat die politische Lage eine heftige Erregung hers aufbeschworen. Genau wie im Jahre 1914 liegt bei England die Entscheidung, ob es zu einem Kriege tommen wird. In Frants reich ist man viel ruhiger. In England führen gewisse Blätter eine heftige Kriegsagitation, andere wehren sich aus allen Kräf ten gegen einen Krieg. Auch die Arbeiter sind scharf gegen einen Krieg und meinen: Laßt Frankreich nur Truppen schiden. Engs land tut nichts. Frankreichs Hilfe würde aber Osteuropa nicht genügen, es sei denn, daß es fast alle seine Truppen aus Syrien und Cilicien zurüdzieht und an die polnische Front leitet. In Syrien find die franzöfifchen Truppen jedoch nur allzu notwendig. Wenn England sich aber dazu entschließt, andere Maßnahmen als Flottenoperationen zu treffen, so würde das gewiß sehr schwer in
ficherzustellen, bis das russische Bolt seine inneren Angelegenheiten geregelt habe. Dadurch hoffe Amerita, die Wiederherstellung des Friedens und der Ordnung in Rußland zu beschleunigen. Nach Echo de Paris" haben also die Vereinigten Staaten gegen Bolen Stellung genommen.
Die polnische Regierung verläßt Warschau
Amfterdam, 10. Auguft. Der Times" Korrespondent in Warschau telegraphiert unter dem 8. August: Die polnische Regierung soll nach amtlichen Mitteilungen nach Posen übersiedeln. Einige Minister haben indessen geäußert, vorläufig werde die Regierung in Warschau bleiben. Der Korrespondent bemerkt, daß man im Falle ihres Weggangs die Gefahr befürchte, daß in Warschau eine neue Regierung gebildet werden könnte.
Die mitteleuropäische Krise
Wie vor Jahren eine weltpolitische Situation das fleine Montenegro in den Mittelpunkt des Weltgeschehens gerückt, montenegrinische Geschütze den ersten Schuß zum Balkankrieg gelöst haben, so hat abermals die Eigenart einer friegerischen Situation einem Kleinen ohnmagtigen Staat eine bes deutungsvolle Rolle zugewiesen. Die Sowjetsiege an der polnischen Front haben die ungarische Konterrevo Iution zum begehrenswerten Bundesgenossen Frankreichs gemacht. Der Sieg Sowjetrußlands über Polen , der der Entwidlung des mitteleuropäischen Sozialismus neue Impulse verleihen wird, bedroht die Herrschaftsstellung des ungarischen Adels und der Kirche, also sowohl die politische als auch die ökonomische Basis der ungarischen Konterrevolution. teressen des französischen Imperialismus, dessen HerrschaftsDieses Schicksal eint das herrschende Ungarn mit den Inftellung durch einen Sieg Sowjetrußlands auf das stärkste gefährdet ist. Der Gendarm im Osten", Polen , ist auf die Knie gezwungen, die Tschechoslowakei sozial unterminiert, der Anschlußwille Desterreichs im unwiderstehlichen Wachstum. So stehen Frankreich neben Polen nunmehr zwei Bundesfontinental- europäische Politik Frankreichs erstrebt daher zwischen Ungarn und Rumänien Frieden zu schaffen und die Mehrkraft dieser beiden Staaten im Bündnis mit Polen gegen die anwachsende soziale Gefahr zu werfen.
bie Wagschale fallen. Auch 1914 hat England mit der Entfendung Protestkundgebung der franzöfifchen genossen zu Gebote: Ungarn und Rumänien . Die
eines Freiwilligenheeres begonnen. Jit aber erst einmal eine Operation begonnen, so ist es sehr schwierig, den Nachschub weiterer Truppen zu unterlassen und stillzulegen. Das wissen die britischen Arbeiter sehr wohl, daher protestieren fie energisch gegen eine Kriegspropaganda.
SN. London, 10. August.
Die unabhängigen liberalen Parlamentsmit. glieber haben eine Entschließung angenommen, in der sie gegen bie Intervention durch Lieferung von Truppen, Material oder Munition und gegen die Einführung der Blockade gegen Rußland Einspruch erheben. Sie richten an die Regierung die Forderung, fräftige Maßnahmen zur Wiederherstellung eines allgemeinen Friedens zu treffen.
Die Konferenz der Arbeiterpartei, bes Parlas mentsausschusses des Gewerkschaftskongres und des Bollzugsrates der Arbeiterpartei, in der über 6 Millionen Mitglieder vertreten wurden, nahm bekanntlich entschieden Stellung gegen den Krieg. In Arbeiterkreisen erklärt man, daß ein Generalstreit innerhalb weniger Stunden, nachdem die Parole dazu ausgegeben wurde, vollzogene Tatsache wäre.
Sozialisten
Die Vereinigung der Sozialisten des Saône - Departements forbert zu einer Kundgebung zu kommenden Sonnabend auf, um einen Inzwischen erhebt in Desterreich die Konterrevolution neuen Weltkrieg zu verhindern. Es sei die Aufgabe der Arbeiters frecher als je ihr Haupt. Die christlichsoziale Par schaft, die öffentliche Meinung aufzuklären und sich mit allen Kräftei, die zweitstärkste Partei der Republik , verkündet, was ten dagegen zu wehren, daß eine neue Berwidelung entstehe.
Der russische Heeresbericht
"
( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".) Kopenhagen , 10. August.
Der russische Seeresbericht vom 9. August meldet: Die Städte Prasznysz und Ostrolenta sind von unseren Truppen belegt worden. Wir haben Gefangene gemacht, Maschinengewehre und ein Artilleriedepot erbeutet und einige Ortschaften 18 bis 20 Werft südwestlich von Ostrolenta besetzt. Unsere Truppen erzwangen den Uebergang über ben Narewfluß beim Kloster Rozan und befehten das Kloster. Hierbei machten die Truppen Gefangene und erbeuteten den Train des Feindes. Wir erreich
Die Entente- Borschläge an Rußland ten Ortschaften 15 bis 16 Werft nordöstlich von Wyschtow und
HR. London, 10. Auguft.
Daily News" melden, daß im Anschluß an den Plan der Minster Konferenz Vorschläge folgenden Inhalts nach Mostau gesandt wurden:
1. Die russischen Friedensbedingungen find sofort und wollständig bekannt zu geben.
2. Die Konferenz wird sich von Anfang an auf die Hauptpros bleme, die für den Waffenstillstandsabschluß entscheidend sind, be= schränken.
3. Demzufolge werden Versuche gemacht, innerhalb von 24 Stun den zu einer Uebereintunft zu gelangen, die einen sofortigen Waffenstillstand ermöglicht.
4. Es wird ein ausführliches Protokoll über die Konferenz ver öffentlicht werden.
Die russische Friedensbereitschaft
( Eigener Drahtbericht der Freiheit".)
Die russische Regierung hat an die rumänische Regierung eine Note gerichtet, in der sie den Abbruch des Austausches von FunkSprüchen bedauert und das Ausbleiben der russischen Antwort auf ein Mißverständnis zurücführt. Sie wünscht die Wiederherstellung des funtentelegraphischen Verkehrs und betont, daß es ihr Freude bereiten würde, eine Friedenstonferenz zu Verhandlungen mit der rumänischen Regierung beschicken zu können. Sollte der von der russischen Regierung vorgeschlagene Ort Char to w nicht angenehm sein, so soll diese andere Borschläge für den Ort machen.
Zu dem russisch - französischen Konflikt aber die Schiffe im Hafen von Odessa stellt die russische Regierung fest, daß diese Schiffe, die russische Kriegsgefangene heimtransportierten, 28 demontierte Flugzeuge an Bord hatten, die offenbar für General Wrangel bestimmt waren. Die russische Regierung hat deshalb die französischen Schiffe am Auslaufen verhindert.
Amerika gegen die Unterstützung Bolens
Paris, 10. Auguft. Nach einem Telegramm des Echo de Paris" aus Washington wurde als Ergebnis von Beratungen bei Wilson eine Erklärung veröffentlicht, in der gesagt wird, die russische Armee sei nicht eine bolichewistische, sondern eine russische Armee, deren Generalstabschef, General Brusfilow, einer der bedeutendsten Offiziere des alten Regimes jei. Die Russen hätten kein Begehren nach polnischem Gebiet und wollten die Souveränität Bolens nicht antasten. Die amerikanisme Politit wünsche das russische Gebiet
besetzten nach Kämpfen den Fleden Brot und die Station Maltin. Wir besetzten die Stadt Sokolow. Jn Richtung Sied lic Lytom haben unsere Truppen, den Widerstand des Feindes brechend, am linken Ufer des Bug die Station Pljaterow besett. 10 bis 16 Werst westlich des Bug wird um den Besitz der Stadt Wloda wa gefämpft. Jm Abschnitt Cholm erzwangen unsere Truppen den Uebergang über den Bug südlich der Eisenbahnlinie Komel- Cholm und besetzten eine Anzahl Orts schaften auf dem Westufer des Flusses. Im Abschnitt Brody führten unsere Truppen hartnädige Kämpfe mit bedeutenden feindlichen Streitkräften. In der Krim setzten unsere Truppen den Vormarsch auf Cherson und Berislami fort. Das linke Dnjeprufer wurde erreicht. Wir haben Gefangene ge= macht, Maschinengewehre und eine Menge Patronen erbeutet. Im Abschnitt Werchne- Totmat haben wir diese Städte besetzt.
Der Korridor erreicht
DA. Allenstein, 9. Auguft. Der Allensteiner Berichterstatter der„ Dena" erfährt aus bester Quelle: Russische Truppen, und zwar Patrouillen der 4. tautasischen Reiterbrigade, haben heute nachmittag unweit des Dorfes Bialutten, südlich von Neidenburg , den Südzipfel des Sol= dauer Gebietes und damit den polnischen Korridor erreicht. Die Borhuten der russischen Infanterie haben Gru= dust zwischen Milawa und Przasnysz belegt.
Der polnische Kampfbericht
Der Warschauer Heeresbericht vom 9. August meldet: Abteilun gen feindlicher Kavallerie griffen die Bahnlinie Mlawa an. Ciechanow ist vorübergehend vom Feinde besetzt. 3wischen Bug und Narew teine Veränderungen. Nördlich von Siedlic gruppieren sich unsere Truppen um. Nördlich Brest - Litowst, im Raume von Stanislamiti, griff der Feind an und will nach Westen durchbrechen. Unsere Abteilungen, die Brody genommen haben, griffen weiter an und haben den Feind aus Radfiwilow herausgeworfen. Eine Batterie und vier Maschinengewehre wurden dabei erbeutet. Zwischen Strypa und Sereth , im Raume von Kotuttowicz und Kosada, haben unsere Abteilun gen angreifende feindliche Kavallerie zurückgeschlagen und dabei 400 Gefangene gemacht, einige Maschinengewehre und eine Regie mentskanzlei erbeutet.
Der polnische Heeresbericht meldet, daß die Bolsche wisten Ciechanow genommen und damit eine der beiden Eisenbahnlinien von Danzig nach Warschau abgeschnitten haben,
fie bisher offen zu deklarieren nicht gewagt hätte, durch ihren Führer ihren Widerstand gegen den Anschluß Deutschlands . Sie gaufelt dem durch den Krieg und durch die Zerreißung des Wirtschaftsgebietes in die traurigste Lage versetzten deutschösterreichischen Bolt in ihren Versammlungen und in ihrer Presse die Herrlichkeiten des alten Kaiserreiches vor. In Tirol fonspiriert sie unverhüllt mit den bajuvarischen Königsmachern, in Niederösterreich und Steiermart tonspiriert sie ohne Scheu mit den magyarischen Habsburgtrabanten. Mit aller Leidenschaft wehrt sie sich gegen den Aufbau einer verläßlichen republikanischen Wehrmacht, organisiert sowohl in Steiermart als auch in Tirol und Salzburg in den Heimwehren monarchistische Garden. Sie bahnte in Steiermark dem frechen räuberischen Einfall ungarischer Banden in das österreichische Städtchen Fürsten feld geradezu den Weg, dessen Zeughaus die magyarischen Kommitatschi stürmten und plünderten. Und alle Versuche der Republit, sich der drohenden Gefahr von Ungarn zu ers wehren, setzt sie offenen Widerstand entgegen.
ein
Während die Entente unter Führung Frankreichs Desters reich in den Zustand der Wehrlosigkeit versetzt, steht sie der Aufrüstung Ungarns trog Friedensvertrag von Neuilly geradezu mit Wohlwollen nach. Der Friedensvertrag von Neuilly gebietet Ungarn , seine Heeresmacht auf 35 000 Mann, sein Offiziertorps auf 2000 Mann herabzumindern. Die ungarische Regierung hat aber nach der Unterzeichnung des Vertrages zu seiner Heeresmacht vier weitere Jahrgänge einberufen und mit der neuerlichen Mobilisierung von Bauern und Reserveoffizieren begonnen. Hart an der Grenze, in Zalaegerszeg , erkühnt sich Ungarn , Bataillon österreichischer monarchistischer Offiziere und in den Dienst gepreßter österreichischer Soldaten mit der erklärten Aufgabe zu unterhalten, um sie bei einem Einfall in Desterreich mitzuverwenden. So bildet sich unter dem Schutz der ungarischen Regierung der Kern einer österreichischen tonterrevolutio nären Heeres macht, vergleichsweise der Heeresmacht der Szegediner Regierung während der ungarischen Rätediftatur. Woran die ungarische Heeresmacht leidet, das ist der Mangel an Waffen und Munition. Ungarn versucht unter den Augen der Ententemiffionen in aller Welt Waffen zusammenzulaufen. Ungarische Banden überfallen ein österreichisches Waffenlager und führen in hochbeladenen Autos tausende Gewehre, Maschinengewehre und Munition hinweg. Die Proteste der österreichischen Regierung, ihre Hilferufe bei der Entente verhallen wirkungslos; und so droht die Gefahr, daß ungarische Soldatesta eines Tages Wiener- Neustadt überfallen und sich in den Besitz der riefigen Waffen- und Munitionsmengen setzen, die am Steinfeld lagern; so droht die Gefahr, daß eines Tages die ungarische Heeresmacht sich auf Geheiß Frankreichs gegen Wien wälzt, in einem Blutbad ohnegleichen die Wiener Arbeiterschaft niederschlägt und Desterreich wieder unter dem blutbefledten Zepter der Habsburger beugt.
Die Gefährdung Desterreichs durch Ungarn bedeutet aber schlechtweg die Gefährdung des europäischen Friedens. Die Niederwerfung Desterreichs muß die Seere der tschechoslowakischen Republik sofort in Bewegung setzen. 3wischen Budapest und Wien liegt der schmale Ausläufer der Slowakei mit seiner Hauptstadt Preburg. Der ungarische Expansionsdrang muß sich notwen= digerweise sofort gegen die Slowakei richten, die Einverleibung der Slowakei in den magyarischen Gentrystaat erstreben. Die Restauration der österreichischen Konterrevolution bedeutet eine Stärkung der fonterrevo