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Mittwoch, den 11. August 1920

Nummer 324

Morgen- Ausgabe

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Berliner   Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Erregung in England

Vor der Entscheidung

SN. Haag, 10. August. Nieuwe Courant" schreibt zur politischen Lage: In England hat die politische Lage eine heftige Erregung hers aufbeschworen. Genau wie im Jahre 1914 liegt bei England die Entscheidung, ob es zu einem Kriege tommen wird. In Frants reich ist man viel ruhiger. In England führen gewisse Blätter eine heftige Kriegsagitation, andere wehren sich aus allen Kräf ten gegen einen Krieg. Auch die Arbeiter sind scharf gegen einen Krieg und meinen: Laßt Frankreich   nur Truppen schiden. Engs land tut nichts. Frankreichs   Hilfe würde aber Osteuropa   nicht genügen, es sei denn, daß es fast alle seine Truppen aus Syrien  und Cilicien zurüdzieht und an die polnische Front leitet. In Syrien   find die franzöfifchen Truppen jedoch nur allzu notwendig. Wenn England sich aber dazu entschließt, andere Maßnahmen als Flottenoperationen zu treffen, so würde das gewiß sehr schwer in

ficherzustellen, bis das russische   Bolt seine inneren Angelegenheiten geregelt habe. Dadurch hoffe Amerita, die Wiederherstellung des Friedens und der Ordnung in Rußland   zu beschleunigen. Nach Echo de Paris" haben also die Vereinigten Staaten   gegen Bolen Stellung genommen.

Die polnische Regierung verläßt Warschau

Amfterdam, 10. Auguft. Der Times" Korrespondent in Warschau   telegraphiert unter dem 8. August: Die polnische Regierung soll nach amtlichen Mitteilungen nach Posen übersiedeln. Einige Minister haben indessen geäußert, vorläufig werde die Regierung in Warschau  bleiben. Der Korrespondent bemerkt, daß man im Falle ihres Weg­gangs die Gefahr befürchte, daß in Warschau   eine neue Regierung gebildet werden könnte.

Die mitteleuropäische Krise

Von Julius Braunthal  , Wien  .

Wie vor Jahren eine weltpolitische Situation das fleine Montenegro in den Mittelpunkt des Weltgeschehens gerückt, montenegrinische Geschütze den ersten Schuß zum Balkankrieg gelöst haben, so hat abermals die Eigenart einer friegerischen Situation einem Kleinen ohnmagtigen Staat eine bes deutungsvolle Rolle zugewiesen. Die Sowjetsiege an der polnischen Front haben die ungarische Konterrevo Iution zum begehrenswerten Bundesgenossen Frankreichs  gemacht. Der Sieg Sowjetrußlands über Polen  , der der Ent­widlung des mitteleuropäischen Sozialismus neue Impulse verleihen wird, bedroht die Herrschaftsstellung des ungari­schen Adels und der Kirche, also sowohl die politische als auch die ökonomische Basis der ungarischen Konterrevolution. teressen des französischen   Imperialismus, dessen Herrschafts­Dieses Schicksal eint das herrschende Ungarn   mit den In­ftellung durch einen Sieg Sowjetrußlands auf das stärkste gefährdet ist. Der Gendarm im Osten", Polen  , ist auf die Knie gezwungen, die Tschechoslowakei   sozial unterminiert, der Anschlußwille Desterreichs im unwiderstehlichen Wachstum. So stehen Frankreich   neben Polen   nunmehr zwei Bundes­fontinental- europäische Politik Frankreichs   erstrebt daher zwischen Ungarn   und Rumänien   Frieden zu schaffen und die Mehrkraft dieser beiden Staaten im Bündnis mit Polen  gegen die anwachsende soziale Gefahr zu werfen.

bie Wagschale fallen. Auch 1914 hat England mit der Entfendung Protestkundgebung der franzöfifchen genossen zu Gebote: Ungarn   und Rumänien  . Die

eines Freiwilligenheeres begonnen. Jit aber erst einmal eine Operation begonnen, so ist es sehr schwierig, den Nachschub weiterer Truppen zu unterlassen und stillzulegen. Das wissen die britischen Arbeiter sehr wohl, daher protestieren fie energisch gegen eine Kriegspropaganda.

SN. London, 10. August.

Die unabhängigen liberalen Parlamentsmit. glieber haben eine Entschließung angenommen, in der sie gegen bie Intervention durch Lieferung von Truppen, Material oder Munition und gegen die Einführung der Blockade gegen Rußland  Einspruch erheben. Sie richten an die Regierung die Forderung, fräftige Maßnahmen zur Wiederherstellung eines allgemeinen Friedens zu treffen.

Die Konferenz der Arbeiterpartei, bes Parlas mentsausschusses des Gewerkschaftskongres und des Bollzugsrates der Arbeiterpartei, in der über 6 Millionen Mitglieder vertreten wurden, nahm bekanntlich ent­schieden Stellung gegen den Krieg. In Arbeiterkreisen erklärt man, daß ein Generalstreit innerhalb weniger Stunden, nachdem die Parole dazu ausgegeben wurde, vollzogene Tatsache wäre.

Sozialisten

Paris  , 10. August.

Die Vereinigung der Sozialisten des Saône  - Departements for­bert zu einer Kundgebung zu kommenden Sonnabend auf, um einen Inzwischen erhebt in Desterreich die Konterrevolution neuen Weltkrieg zu verhindern. Es sei die Aufgabe der Arbeiters frecher als je ihr Haupt. Die christlichsoziale Par schaft, die öffentliche Meinung aufzuklären und sich mit allen Kräftei, die zweitstärkste Partei der Republik  , verkündet, was ten dagegen zu wehren, daß eine neue Berwidelung entstehe.

Der russische Heeresbericht

"

( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".) Kopenhagen  , 10. August.

Der russische Seeresbericht vom 9. August meldet: Die Städte Prasznysz und Ostrolenta sind von unseren Truppen belegt worden. Wir haben Gefangene gemacht, Maschinen­gewehre und ein Artilleriedepot erbeutet und einige Ortschaften 18 bis 20 Werft südwestlich von Ostrolenta besetzt. Unsere Trup­pen erzwangen den Uebergang über ben Narewfluß beim Kloster Rozan   und befehten das Kloster. Hierbei machten die Truppen Gefangene und erbeuteten den Train des Feindes. Wir erreich

Die Entente- Borschläge an Rußland ten Ortschaften 15 bis 16 Werft nordöstlich von Wyschtow und

HR. London, 10. Auguft.

Daily News" melden, daß im Anschluß an den Plan der Minster Konferenz Vorschläge folgenden Inhalts nach Mostau gesandt wurden:

1. Die russischen Friedensbedingungen find sofort und wollständig bekannt zu geben.

2. Die Konferenz wird sich von Anfang an auf die Hauptpros bleme, die für den Waffenstillstandsabschluß entscheidend sind, be= schränken.

3. Demzufolge werden Versuche gemacht, innerhalb von 24 Stun den zu einer Uebereintunft zu gelangen, die einen sofortigen Waf­fenstillstand ermöglicht.

4. Es wird ein ausführliches Protokoll über die Konferenz ver öffentlicht werden.

Die russische Friedensbereitschaft

( Eigener Drahtbericht der Freiheit".)

Paris  , 10. Auguft.

Die russische Regierung hat an die rumänische Regierung eine Note gerichtet, in der sie den Abbruch des Austausches von Funk­Sprüchen bedauert und das Ausbleiben der russischen Antwort auf ein Mißverständnis zurücführt. Sie wünscht die Wieder­herstellung des funtentelegraphischen Verkehrs und betont, daß es ihr Freude bereiten würde, eine Friedenstonferenz zu Ver­handlungen mit der rumänischen Regierung beschicken zu können. Sollte der von der russischen Regierung vorgeschlagene Ort Char to w nicht angenehm sein, so soll diese andere Borschläge für den Ort machen.

Zu dem russisch  - französischen Konflikt aber die Schiffe im Hafen von Odessa   stellt die russische Regierung fest, daß diese Schiffe, die russische   Kriegsgefangene heimtransportierten, 28 de­montierte Flugzeuge an Bord hatten, die offenbar für General Wrangel   bestimmt waren. Die russische   Regierung hat deshalb die französischen   Schiffe am Auslaufen verhindert.

Amerika   gegen die Unterstützung Bolens

Paris, 10. Auguft. Nach einem Telegramm des Echo de Paris" aus Washington  wurde als Ergebnis von Beratungen bei Wilson eine Erklärung veröffentlicht, in der gesagt wird, die russische Armee sei nicht eine bolichewistische, sondern eine russische Armee, deren Generalstabschef, General Brusfilow, einer der bedeutendsten Offi­ziere des alten Regimes jei. Die Russen hätten kein Begehren nach polnischem Gebiet und wollten die Souveränität Bolens nicht antasten. Die amerikanisme Politit wünsche das russische Gebiet

besetzten nach Kämpfen den Fleden Brot und die Station Mal­tin. Wir besetzten die Stadt Sokolow. Jn Richtung Sied lic Lytom haben unsere Truppen, den Widerstand des Fein­des brechend, am linken Ufer des Bug die Station Pljaterow besett. 10 bis 16 Werst westlich des Bug wird um den Besitz der Stadt Wloda wa gefämpft. Jm Abschnitt Cholm erzwan­gen unsere Truppen den Uebergang über den Bug südlich der Eisenbahnlinie Komel- Cholm und besetzten eine Anzahl Orts schaften auf dem Westufer des Flusses. Im Abschnitt Brody führten unsere Truppen hartnädige Kämpfe mit bedeutenden feindlichen Streitkräften. In der Krim   setzten unsere Truppen den Vormarsch auf Cherson   und Berislami fort. Das linke Dnjeprufer wurde erreicht. Wir haben Gefangene ge= macht, Maschinengewehre und eine Menge Patronen erbeutet. Im Abschnitt Werchne- Totmat haben wir diese Städte besetzt.

Der Korridor erreicht

DA. Allenstein, 9. Auguft. Der Allensteiner   Berichterstatter der Dena" erfährt aus bester Quelle: Russische   Truppen, und zwar Patrouillen der 4. tautasischen Reiterbrigade, haben heute nachmittag unweit des Dorfes Bialut­ten, südlich von Neidenburg  , den Südzipfel des Sol= dauer Gebietes und damit den polnischen Korridor erreicht. Die Borhuten der russischen Infanterie haben Gru= dust zwischen Milawa und Przasnysz belegt.

Der polnische Kampfbericht

Kopenhagen  , 10. August.

Der Warschauer Heeresbericht vom 9. August meldet: Abteilun gen feindlicher Kavallerie griffen die Bahnlinie Mlawa   an. Ciechanow   ist vorübergehend vom Feinde besetzt. 3wischen Bug und Narew teine Veränderungen. Nördlich von Siedlic gruppieren sich unsere Truppen um. Nördlich Brest  - Litowst, im Raume von Stanislamiti, griff der Feind an und will nach Westen durchbrechen. Unsere Abteilungen, die Brody genommen haben, griffen weiter an und haben den Feind aus Radfiwilow herausgeworfen. Eine Batterie und vier Maschinen­gewehre wurden dabei erbeutet. Zwischen Strypa und Sereth  , im Raume von Kotuttowicz und Kosada, haben unsere Abteilun gen angreifende feindliche Kavallerie zurückgeschlagen und dabei 400 Gefangene gemacht, einige Maschinengewehre und eine Regie mentskanzlei erbeutet.

Warschau  , 10. August.( Reuter.)

Der polnische Heeresbericht meldet, daß die Bolsche wisten Ciechanow genommen und damit eine der beiden Eisen­bahnlinien von Danzig   nach Warschau   abgeschnitten haben,

fie bisher offen zu deklarieren nicht gewagt hätte, durch ihren Führer ihren Widerstand gegen den Anschluß Deutschlands  . Sie gaufelt dem durch den Krieg und durch die Zerreißung des Wirtschaftsgebietes in die traurigste Lage versetzten deutschösterreichischen Bolt in ihren Versamm­lungen und in ihrer Presse die Herrlichkeiten des alten Kaiserreiches vor. In Tirol fonspiriert sie unverhüllt mit den bajuvarischen Königsmachern, in Niederösterreich   und Steiermart tonspiriert sie ohne Scheu mit den magyarischen Habsburgtrabanten. Mit aller Leidenschaft wehrt sie sich gegen den Aufbau einer verläßlichen republikanischen Wehr­macht, organisiert sowohl in Steiermart als auch in Tirol und Salzburg   in den Heimwehren monarchistische Garden. Sie bahnte in Steiermark   dem frechen räuberischen Einfall ungarischer Banden in das österreichische Städtchen Fürsten­ feld   geradezu den Weg, dessen Zeughaus die magyarischen Kommitatschi stürmten und plünderten. Und alle Versuche der Republit, sich der drohenden Gefahr von Ungarn   zu ers wehren, setzt sie offenen Widerstand entgegen.

ein

Während die Entente unter Führung Frankreichs   Desters reich in den Zustand der Wehrlosigkeit versetzt, steht sie der Aufrüstung Ungarns   trog Friedensvertrag von Neuilly  geradezu mit Wohlwollen nach. Der Friedensvertrag von Neuilly   gebietet Ungarn  , seine Heeresmacht auf 35 000 Mann, sein Offiziertorps auf 2000 Mann herabzumindern. Die ungarische Regierung hat aber nach der Unterzeichnung des Vertrages zu seiner Heeresmacht vier weitere Jahrgänge einberufen und mit der neuerlichen Mobilisierung von Bauern und Reserveoffizieren begonnen. Hart an der Grenze, in Zalaegerszeg  , erkühnt sich Ungarn  , Bataillon österreichischer monarchistischer Offiziere und in den Dienst gepreßter österreichischer Sol­daten mit der erklärten Aufgabe zu unterhalten, um sie bei einem Einfall in Desterreich mitzuverwenden. So bildet sich unter dem Schutz der ungarischen Regierung der Kern einer österreichischen tonterrevolutio nären Heeres macht, vergleichsweise der Heeresmacht der Szegediner Regierung während der ungarischen Räte­diftatur. Woran die ungarische Heeresmacht leidet, das ist der Mangel an Waffen und Munition. Ungarn   versucht unter den Augen der Ententemiffionen in aller Welt Waffen zusammenzulaufen. Ungarische Banden überfallen ein österreichisches Waffenlager und führen in hoch­beladenen Autos tausende Gewehre, Maschinengewehre und Munition hinweg. Die Proteste der österreichischen   Regie­rung, ihre Hilferufe bei der Entente verhallen wirkungslos; und so droht die Gefahr, daß ungarische Soldatesta eines Tages Wiener- Neustadt   überfallen und sich in den Besitz der riefigen Waffen- und Munitionsmengen setzen, die am Steinfeld lagern; so droht die Gefahr, daß eines Tages die ungarische Heeresmacht sich auf Geheiß Frankreichs   gegen Wien   wälzt, in einem Blutbad ohnegleichen die Wiener   Ar­beiterschaft niederschlägt und Desterreich wieder unter dem blutbefledten Zepter der Habsburger   beugt.

Die Gefährdung Desterreichs durch Ungarn   bedeutet aber schlechtweg die Gefährdung des europäischen  Friedens. Die Niederwerfung Desterreichs muß die Seere der tschechoslowakischen Republik sofort in Be­wegung setzen. 3wischen Budapest   und Wien   liegt der schmale Ausläufer der Slowakei   mit seiner Hauptstadt Pre­burg. Der ungarische Expansionsdrang muß sich notwen= digerweise sofort gegen die Slowakei   richten, die Ein­verleibung der Slowakei   in den magyarischen Gentrystaat erstreben. Die Restauration der österreichischen Konter­revolution bedeutet eine Stärkung der fonterrevo