Bom kongreß der Mostaner Internationale

Schlußßigung des Kongresses

( Eigener Drahtbericht der Freiheit".)

Kopenhagen  , 10. Auguft.

Aus Mostau wird gemeldet: Am 7. August fand im großen Theater die Schlußßigung des großen Rongresses statt. Das Mos Tauer Proletariat begrüßte die Vertreter des Weltproletariats. 2enin eröffnete die Sigung und sprach über die Genugtuung der Arbeiter darüber, daß der gegenwärtige Kongres bis zu einem gewissen Grade die politische Verantwortung übernommen hat, die bis dahin die ruffische Arbeiterklasse und die russische kommunisti­sche Partei tragen mußte. Wir wußten und hofften, daß die energische Revolutionsarbeit des russischen Proletariats und Bauerntums durch das internationale Proletariat unterstügt wer den wird und daß wir dessen Hilfe erhalten würden. Er schloß mit dem Wunsch eines baldigen Zusammentreffens mit dem inter­nationalen Proletariat an der Kampffront.

Die Bertreter der schottländischen Arbeiterpartei und der finnischen   Kommunisten, Gallaher   und Mejer, sprachen von einem neuen Ueberfall Englands auf Sowjetrußland und nannten England und seine Verbündeten Räuber und Bedrücker. Radek Sprach über die Lage Polens  . Der Verzweiflungsschrei der pol nischen Bourgeoisie beweise, daß ihr der Tod nicht nur durch die Rote Armee, sondern durch die eigene polnische Arbeiterlasse drohe. Trotty, der bei Erscheinen von der ganzen Versamm Inng stürmisch begrüßt wurde, gab in einer längeren Rede eine Charakteristik der Ziele der Bourgeoisie in den Hauptländern des Westens und wies auf die, bevorstehenden Konflikte zwischen Amerita und England bezüglich der Eroberung der Meere hin. Eine Wiedergeburt Europas   sei ohne die rußischen Rohmaterialien und das russische Brot unmöglich, ebenso unmöglich sei allerdings der Wiederaufbau Europas   ohne die deutsche   Technit und ohne die deutsche   Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse Europas   hat bei ihrer Rückkehr aus dem Kriege eine noch viel blutdürftigere Bourgeoisie vorgefunden und ist deshalb mit recht aufs tiefste empört. Die Ergebnisse des Kongresses zusammen­faffend, erklärt Trojky, daß der Kongres in seinen Resolutionen die Kampferfahrungen in der Arbeiterklasse im Ringen mit dem neuen Imperialismus zusammengefaßt hat. Welcher Stolz für unsere Mostauer Arbeiter, daß in der Moskauer   Schmiede mit den Händen des russischen   Proletariats dieser herrliche unvergleich­liche Stahl für das internationale Proletariat geschmiedet worden ist. Mit diesem Stahl werden wir uns und die Arbeiter der ganzen Welt bewaffnen und werden ihnen zurufen: Stoßt ihn in den Rüden des Weltfapitals.

Als letter sprach Sino wjew barüber, daß das Streben der Arbeiter nach Zusammenschluß der größte Faktor in der Welt­geschichte ist. Er weist darauf hin, daß die Bewegung im Osten begann und sich weiter ausdehnen wird, ohne durch irgendwelche Gegenmaßnahmen aufgehalten werden zu können. Die dritte Internationale öffnet ihre Türen allen proletarischen revolutio nären Organisationen.

Jeinem untätigen Berharren gegenüber der revolutionären Arise, bis alles wieder in Ordnung fomme", zeige sich dieselbe Erscheis nung wie in den obersten Schichten der Französischen so= zialistischen und Deutschen   unabhängigen sozial demokratischen Partei"; es fehle nicht nur das Vera ständnis für die revolutionäre Krise, sondern auch der Wille, sie in revolutionärem Sinne auszunuzen.

Ein Musterbeispiel für das Wesen ihrer opportunistischen Politik und Gedantenrichtung gebe Otto Bauer   in seinem neuen Buche Bolschewismus oder Sozialdemokratie". Es sei eine Analyse der Ideologie der Verräter am Sozialismus, der Kerenski  , Scheidemann   usw. und entwickelte die Theorie des Opportunismus, die heute noch viele Arbeiterparteien beherrsche.( Um unseren Lesern ein eigenes Urteil über die Schrift Bauers zu ermöglichen, fom men wir demnächst auf diese wichtige wissenschaftliche Beröffent­lichung zurüd. Red. d. Fr.") Opportunismus sei eben, was Bauer behaupte, daß nämlich die Anwendung von Gewalt im Klaffenkampf der modernen Demokratien die Vergewaltigung der Jozialen Machtfaktoren" bedeuten würde. Und dieser Opportunis mus in den westeuropäischen Ländern erhalte sich nur deshalb noch so start und lebensträftig, weil die vorgeschrittenen Länder ihre Kultur geschaffen haben und schaffen durch die Möglichkeit, auf Kosten einer Milliarde unterdrückter Menschen zu leben, weil die Kapitalisten dieser Länder viel mehr bekommen, als ihnen der Profit aus dem Raub an den Arbeitern ihres eigenen Landes einbringt. Aus diesem Grunde konnten sie eine hübsche Summe geben. Das geschah durch Sebung der Kultur in den großen Ren­für Bestechungen der Arbeiterführer und Arbeiteraristokratie aus­tren, durch Gründung von Bildungsinstituten, durch Schaffung tausenderlei Stellen für die Führer der Genossenschaften, für Ge­werkschaftsführer, Parlamentsvertreter usw. Das geschieht über­all, we moderne zivilisierte fapitalistische Verhältnisse herrschen. Die dafür ausgegebenen Milliarden sind die ökonomische Grund­lage des Opportunismus in der Arbeiterbewegung, der überall in Westeuropa   eine sehr viel größere Beharrlichkeit der opportunisti­schen Führer, der Spigen der Arbeiterklasse, der Arbeiteraristo­tratie gegen die kommunistische Bewegung gebracht hat. Dieser Opportunismus ist tein proletarischer, sondern ein bürgerlicher Sozialismus. Er verteidigt die Bourgeoisie besser als sich selbst. Ohne die opportunistischen Führer fönnte diese sich nicht halten; das beweist nicht nur die Geschichte des Kerensti- Regiments in Rußland  , sondern auch die Geschichte der deutschen demokratischen Republik   mit ihrer sozialistischen Regierung, das beweisen analoge Erfahrungen in Frankreich  , England und in den Vereinigten Erfahrungen in Frankreich  , England und in den Vereinigten Staaten  

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Diesen Opportunismus zu befämpfen ist unsere erste Aufgabe, schwerer und wichtiger noch als die Korrektur der Fehler des linfen" Kommunismus, des Antiparlamentarismus in verschie denen Ländern.

Zum Schlusse seiner Rede sagte Lenin  , daß der 2. Rongreß der 3. Internationale nicht nur die Vertreter der revolutionären Be wegung in den tapitalistischen Herrscherstaaten, sondern auch die Bertreter des revolutionären Gedankens in den folonialen und durch den Weltkrieg in eine foloniale Lage gebrachten Ländern umschließe. Der Weltimperialismus müsse fallen vor dem ver einigten Ansturm des Weltproletariats, das überall durch den Weltkrieg revolutioniert worden. Die Hauptaufgabe des Kon­gresses sei, die praktischen Grundlagen auszuarbeiten oder anzu­Seuten, auf denen die bisher unorganisierte Aufklärungsarbeit unter Millionen von Menschen systematisch betrieben werden

Lenins   Rede in der ersten Sigung fönne. Die Rätebewegung habe jest auch im ganzen Often, in

In seiner ersten Rede auf dem Mostauer Kongreß die nun­mehr im Wortlaut vorliegt- sprach Lenin   ausführlich über die gegenwärtige Lage. Die nationale imperialistische Entwidlung, Die zuerst in der Eroberung von Kolonialbesitz ihr Genüge fand, erwuchs in ihren Auswirkungen zum Machtkampf der verschiedenen imperialistischen Mächtegruppen um die Beherrschung der Welt und führte so notwendig zum Weltfriege. Die Entscheidung fiel für die Engländergruppe und brachte Rußland  , Deutschland  , Desterreich und Bulgarien   mit rund einer Viertel Milliarde Men schen in eine toloniale Lage. Der Versailler Vertrag versette fort­geschrittene Bölter in einen generationenlangen Zustand von Ab­hängigkeit, Armut, Sunger, Verwüstung und Rechtlosigkeit. Kein zivilisiertes Bolf fet je in solcher Lage gewesen. Insgesamt be fänden sich jetzt rund einundeinviertel Milliarde Bevölkerung in einem folonialen Berhältnis, das sie der Ausbeutung durch den Kapitalismus unterwerfe. Nugen zögen daraus nur Amerika  , Japan  , England und einige fleine neutral gewesenen Länder mit nur einer Viertelmilliarde Bevölkerung. Wirtschaftlich aber sei die ganze Welt von Amerika   abhängig geworden.

Die tapitalistischen Gegensäge habe der Weltkrieg gleichfalls ge waltig zugespigt, und zwar u. a. durch die Gestaltung des Schul­benwesens zwischen den einzelnen Ländern. Lenin   zitiert die Key nesche Darstellung von der Berschuldung Europas   an Amerika   und England, die zu seinem Bankrott führen müsse. Außer Amerika  feien alle übrigen Staatswesen zu Schuldnern untereinander und gegen Amerifa geworden. Auch England, das seine Darlehen an Rußland   mit 6 Milliarden in seine Attiven eingesetzt habe, aber nichts davon zurückerhalten werde. Rußland wie alle übrigen Schuldenländer könnten nicht zahlen, selbst wenn sie wucherischer Weise bereits zwanzigmal Bezahltes nochmals zahlen wollten. Die Folge aller dieser Kriegswirkungen sei der stets wachsende Drud auf die Arbeiterschaft aller Länder, auf bie alle Lasten abgewälzt würden, während die Kapitalisten sich bereichern wollten. Im Mißverhältnis zwischen Preisen und Arbeitslohn täme dies zum Ausbrud. Es sei unmöglich, es zu ändern, solange die tapitalistische Produktion auf der Grundlage bes Privateigentums fortbestände. Der Mechanismus der fapita­listischen Weltwirtschaft müsse immer mehr auseinanderfallen; die Entwertung des Geldes mache es auch den Siegerstaaten unmög lich, diejenigen Handelsbeziehungen, die auf den Einkauf von Rohstoffen und Berkauf von Waren beruhten, mit den besiegten Ländern aufrecht zu erhalten, weil diese wegen ihrer niedrigen Valuta zahlungsunfähig seien.

Aus dieser Entwidlung ist zu folgern: einerseits stieg die Not ber Massen unerträglich und einundeinviertel Milliarde der in foloniale Abhängigkeit geworfenen Bölter wurden zuerst davon betroffen, andererseits wuchs aber auch in den Siegerländern die Berarmung der Proletarier. Ueberall wuchs ihre soziale und wirtschaftliche Entrechtung und als Folge davon ihre Empörung, bie jest nicht mehr wie im Kriege durch militärische Disziplin niedergehalten werden tann.

Die Weltrevolution saugt ihre Kraft aus den gegenwär tigen Berhältnissen: unerträgliche Lage des Weltproletariats, ökonomischer Niedergang der Siegerstaaten, Unmöglichkeit einer Berbesserung, solange tapitalistische Profitwirtschaft zugunsten, eines Säufleins reich Gewordener fortbesteht. Auch der Völker bund verjagte; er ist ein Instrument der Siegerstaaten, was fich bei den Angriffen auf Sowjetruhland besonders flar zeigte. Daß Sowjetrußland nicht unterlag, liegt in dem 3wiespalt bei ben Ententemächten, von denen die eine gegen die andere handelte. Jebe will die Beute des Weltkriegs für sich haben. Daraus muß Die Weltkrise entstehen, deren wirtschaftliche Wurzeln der Kom­munistischen Internationale so glänzende Erfolge brachten. Nun muß sich beweisen, ob die revolutionären Parteien genügend flaffenbewußt, organisiert und entschlossen sind, die Krise der bür­gerlichen Gesellschaft der ganzen Welt für eine erfolg- und sieg reiche Revolution auszunügen. Lenin   fritisierte dann scharf den Opportunismu's, der in vielen Arbeiterparteien noch herrsche, insbesondere in ber eng lischen Independent Labour Party". Ihr Führer, Ramsen" Macdonald, sei ein Kompromißler und Kleinbürger. In

ganz Asien  , unter allen Kolonialvöltern begonnen. Ueberall er­hebe sich der Ausgebeutete gegen seine Ausbeuter. Wenn die Sowjetrepublit jeht noch auf Rompromisse eingehen müsse, weil sie zurzeit noch schwächer sei als die internationalen Imperia listen, so wisse sie, daß sie die Interessen von 1% Milliarden, von mehr als 70 Prozent der Bevölkerung der Erde perteidige. Lenin mehr als 70 Prozent der Bevölkerung der Erde verteidige. Lenin  Schloß:

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Wir tönnen mit Stolz sagen: Auf dem ersten Kongreß waren wir eigentlich nur Propagandisten; wir haben dem Prole­tariat der ganzen Welt nur unsere Grundideen verkündet, wir haben es aufgerufen zum Kampf. Wir haben nur gefragt: wo find die Menschen, die fähig sind, diesen Weg zu beschreiten? Jetzt haben wir überall ein vorgeschrittenes Proletariat. Ueber­all gibt es, wenn auch oft schlecht organisiert, eine proletarische

Zukunft nicht nur im allgemeinen abgelehnt, sondern daß auch noch mehr wie bisher die Abend und Nacht­stunden zur Arbeit herangezogen werden müssen.

Die privatfapitalistische Wirtschaftsweise, die es dem Un­ternehmer gestattet, seinen Betrieb nach eigenem Gutdünken einzurichten, wird der gutgemeinten Regelung des Reichs­tommiffars feinen großen Erfolg versprechen. Hätten wir eine jozialistische Wirtschaft, dann wäre es leicht, die Folgen des Kohlenabkommens in der Weise, wie es be absichtigt ist, zu lindern. Es fönnten dann von einer zentralen Wirtschaftsstelle aus die Betriebe bestimmt werden, die an Stelle von Steinfohlen mit anderen Brennstoffen zu arbeiten hätten. Jest aber werden die Unternehmer die Kosten scheuen, die eine solche Umstellung bedingt, und die Folge wird sein, daß in fast allen Betrieben Kohlenmangel eintritt und die Betriebe geschlossen werden. Das hat dann eine vers mehrte Arbeitslosigkeit zur Folge.

Die Kohlennot in Süddeutschland  

Auf dem Wasserwege sind vom Ruhrgebiet   nach Roblenz und den Häfen rheinaufwärts von Januar bis zum Mai gut 1,8 Millionen Tonnen Steintohlen versandt worden. Das ist nicht sonderlich viel, auch ist seitdem feine entsprechend starte Zunahme eingetreten. Infolgedessen wird es wohl zutreffen, daß man auch bei beschei densten Ansprüchen" nicht behaupten fann, daß die Schaffung von Rohlenvorräten in Süddeutschland   in befriedigendem Maße ers reicht sei"( wie die Handelspresse feststellt). Die Kohlen sind aber Süddeutschland   nicht nur inapp zugeniessen, sie sind auch durch den Wassertransport ungebührlich( um etwa 40 Proz. allein für die Strede Ruhr- Frankfurt  ) verteuert. Unmutig stellt selbst ein so gut tapitalistisches Organ wie die Kölnische Zeitung  " fest, daß die Frachtfäße und Schlepplöhne eine ungeheuerliche Höhe er reicht haben und daß man die Schiffsbefizer, ohne ihnen zu nahe zu treten, zu Revolutionsgewinnern rechnen darf."

Glüdlicherweise( für die Süddeutschen) arbeitet die Eisenbahn wesentlich billiger als die Binnenschiffahrt, auch bewältigt sie ohne Störungen ganz erhebliche Mehrmengen gegen das vorige Jahr. Dazu liefert Mitteldeutschland größere Mengen Braunkohlen nach dem Süden. Trogdem wird Süddeutschland   einen fohlen armen, dafür aber einen fohlen teuren Winter haben.

Kohlenüberfluß in Oberschlesien  

Die Interalliierte Kommission in Oppeln   hat vor kurzem vers fügt, daß auf den Gruben Oberschlesiens   regelmäßig größere Koh­lenmengen auf die Halden zu stürzen seien. Da gegenwärtig die Wagengestellung der Eisenbahnverwaltung den Ansprüchen der Bechen   entspricht und sogar noch gesteigert werden könne, bleikt für diese Verfügung feine andere Erklärung übrig, als daß die Interalliierte Kommission hier Vorräte für Polen   an Sammeln will, dessen Belieferung mit oberschlesischer Kohle schon heute über seinen Bedarf hinausgeht, so daß es davon an Schwe ben, natürlich zum Weltmarktpreis, größere Lieferungen abgibt. Gegen diese Haldenverfügung wenden sich nun aber die Beleg­schaften der oberschlesischen Gruben. So hat sich die Belegschaft der fistalischen Königin Luise Grube glatt geweigert, Rohle auf die Salden zu stürzen und ihr Verhalten dem Vertreter der Interalliierten Kommission gegenüber damit begründet, daß 1. die genenwärtine Zeit der Wagengestellung äußerst günstig sci und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrandtohle; 2. daß mit Eintritt der Ernte die Wagenstellung erheblich zurüd­gehen werde und die Verwaltung dann sowieso gezwungen sein werde, einen größeren Prozentsaz der Kohle zu stürzen und 3. daß bas lance Lagern der Kohle auf der Halde besonders zur Sommer zeit die Gefahr einer Selbstentzündung berge.

Während des Zeitraumes vom 1. bis 20. Juli hat Frankreich  ungefähr 1 Million Tonnen Kohlen auf dem Wasserweg aus dem Ausland erhalten, die sich folgendermaßen verteilen: enoliche Kohle 690 000 Tonnen, denische Roble 100 000 Tonnen, amerika­nische Kohle 210 000 Tonnen. Die erheblich höhere Einfuhr im Monat Juni betrug 730 000 Tonnen aus England, 90 000 Tonnen aus Deutschland  , 230 000 Tonnen aus Amerika  , insgesamt 1 050 000 Tonnen.

Armee, und wenn unfere internationalen Genojen uns fest helfen Lebensmittelausfuhr mit behördlicher

werden, eine einige Armee zu organisieren, o fann uns nichts hindern, unsere Sache zu Ende zu führen. Diese Sache ist die der proletarischen Weltrevolution, ist die Sache der Gründung der Welträterepublik."

Aufhebung der Reichsfleischkarte

Von zuständiger Stelle wird den B. P. N." mitgeteilt: Durch Verordnung vom 7. August ist nunmehr die Reichsfleisch farte mit Wirkung vom 23. August 1920 aufgehoben und durch die Kunden liste ersetzt worden. Wahlweise ist auch die Ge­meindefleischkarte, falls darauf von dem einen oder anderen Lande besonderer Wert gelegt werden sollte, zugelassen. Die Aufhebung geschah, weil die Reichsfleischtarte ihren 3wed, den Fleischver brauch zu überwachen, im Gasthausverkehr tatsächlich immer mehr verloren hat, und für die Ueberwachung des Ver­brauchs in den Einzelhaushaltungen die Kundenliste in den Schlächtereien ausreicht.

Die ersten Wirkungen des Kohlen­abkommens

Die Kohlenwirtschaftsstelle in den Marken teilt uns mit: Gemäß ber Weisung des Herrn Reichskommissars für die Kohlenver­teilung muß infolge des Rohlenabkommens von Spaa mit wesent­lichen Einschränkungen in der Zuweisung von Steinkohle an die Industrie allgemein jo fort gerechnet werden. Es wird daher von der Kohlenwirtschaftsstelle ausdrüdlich darauf hingewiesen, daß die schnellste Umstellung auf rationel le Ver feuerung von Rohbraunkohle und von anderen minder­wertigen Brennstoffen im eigensten Interesse aller Betriebe liegt, da voraussichtlich auf unabsehbare Zeit mit einer auch nur einiger maßen ausreichenden Steinkohlenbelieferung und wohl auch Britetts nicht zu rechnen sein wird.

Betriebe, deren spezifischer Kohlenverbrauch zu hoch ist oder die von geringer poltswirtschaftlicher Bedeutung sind, werden in Zu­funft mit hochwertigen Brennstoffen nicht mehr beliefert werden fönnen.

Betriebe, die sich in absehbarer Zeit ganz oder teilweise auf Berfeuerung von Rohbraunkohle oder von anderen minderwertigen Brennstoffen umstellen fönnen, werden ersucht, der Kohlenwirts schaftsstelle sobald als möglich den voraussichtlichen Zeitpunkt der Umstellung und ihren danach erforderlichen Brennstoffbedarf, unter Angabe, ob Bahn- oder Wasseranschluß vorhanden, an­zugeben. Die von der Hauptstelle für Wärmewirtschaft( Geschäftsa stelle im Hause des Vereins Deutscher   Ingenieure, Berlin   NW. 7, Sommerstr. 4), in Druckschrift C 12 zusammengestellten Richtlinien für die Erzielung sparsamster Brennstoffwirtschaft bei Dampftraft. anlagen" wird zur Nachachtung empfohlen.

Da sicherlich auch die Belieferung der Elektrizitätswerte eine Minderung erfahren wird, macht die Kohlenwirtschaftsstelle darauf aufmerksam, daß Anträge auf Mehrbelieferung mit elektrischem Strom in der Zeit von 7 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags in

Hilfe!

Man sollte es faum für möglich halten, während Millionen ber beutschen Bevölferung unterernährt sind, während es für Kinder und Säuglinge an wichtigsten Nährmitteln mangelt, während in folgedessen die Krankheits- und Sterbeziffern in Deutschland   riesens haft anschwellen, und während alle diese furchtbaren Tatsachen von der deutschen   Regierung in einer eingehenden Denkschrift der Entente in Spaa offiziell zur Kenntnis gebracht werden: gibt es Behörden in Deutschland  , die pflicht vergessen oder im mildesten Falle unfähig genug find, Ausfuhrgenehmigungen für bedeutende Mengen hochwertiger Rährmittel zu gestatten. in Tageszeitungen und Fachblättern( Medizinische Klinit", Apotheferzeitung" ufm.) finden sich Angaben, denen zufolge ben Wyla- Werken in Well die Genehmigung zur Ausfuhr von 80 000 kilogramm Malz­extrakt nach dem Ausland gegeben worden ist. Die Berliner  Firma Morgenroth hat daraufhin dem Ausland folgendes Angebot gemacht:

Freibleibendes Angebot: prima didflüssiaer Malzertratt. Nur für den Export, nicht für das Inland. Cine von mir ver­tretene Malzertrafifabrit in Baden   erhielt ron den deutschen  Behörden die Ausfuhrgenehmigung für alzig Tonnen Malz­extraft. Dieses Quantum tann je nach Wunsch verarbeitet mer ben: 1. zu Nährzweden, 2. als diastischer Ma'zertrakt für das Bädergewerbe( Badhilfsmittel), 8. als Crischlichtungsmittel für die Textilindustrie( wie Diaftafor)."

Die Südd. Apotheferzeitung" bemerkt hierzu: Also in einer 3eit, in der noch Tausende von deutschen   Kindern an Unterernäh rung leiden, wo jeder Apotheker über jede cinzelne Buchse Malz­ertraft froh ist, die er für seine franten Kinoer sugeteilt bekommt, hält es eine deutsche Behörde für richtig, 80 000 Kilogramm Malz= ertraft nach dem Ausland ausführen zu lassen. Großzügig, wie man einmal ist, erklärt man sogar, daß der Malzertratt auch als Entschlichtungsmittel in der Textilindustrie verwendet werden

tann."

Diefer Standal übertrifft reichlich alles, was in dieser Hinsicht bereits früher in Deutschland   geleistet worden ist. Es gibt einfach teine Entschuldigung für ein solches Vorkommnis. Die Angelegen heit ist jetzt zum Gegenstand einer tieinen Anfrage im Reichstag   gemacht worden. Wir verlangen mit aller Ent­fchiedenheit, daß die Schuldigen an der Erteilung der Ausfuhr­erlaubnis sofort von ihren Boften entfernt werden. Wir verlangen aber auch weiter, daß die Regierung Maßnahmen trifft, die ein für allemal derartigen Unfug unmöglich machen!

Poststreit in Wien  . Wie die Arbeiterzeitung" meldet, faßte am Sonnabend eine vom Wiener   Gewerkschaftsverband der Post­und Telegraphen Angestellten einberufene Ber­trauensmännerversammlung einstimmig den Beschluß, wegen der Nichtbewilligung einiger Forderungen am Montag, 2 Uhr mittags, in den Ausstand zu treten. Die Streitleitung wird den In­stituten, die im Interesse der Deffentlichkeit arbeiten, wie den Spi tälern, ber Feuerwehr und der Rettungsgesellschaft, ferner den diplomatischen Vertretungen und der Reparationstommission tros des Ausstandes Gelegenheit zu telephonischem Verkehr bieten.

Heute Zahlabend in Groß- Berlin