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Betriebsräte

Betriebsrätekonferenz des Schuhmacher- Verbandes Die Betriebsräte des Schuhmacherverbandes waren ab 9. August in Nürnberg   versammelt. Zu der Tagung hatte auch der Wert­meisterverband der Schuhindustrie fünf Bertreter entfandt. Buz Geschäftslage bemerkte Verbandsvorfigender Simon, daß die Geschäftstodung in der Suhindustrie einen ungeheuerlichen Umfang angenommen hat. Eine Zählung hat 985 gänzlich ſtillgelegte Schuhfabriken und 31 927 arbeitslose Echuh­arbeiter festgestellt. Außerdem wurden 29 006 Arbeiter gezählt, bie unter außergewöhnlich eingeschränkter Arbeitszeit stehen, so daß nur der britte Teil der Schuharbeiterschaft noch voll be­Ichäftigt ist.

Simon ist in einer Gutachterfommision des Reichswirtschafts­rats mit Jeinen Borschlägen bie auf Erfassung der Rohhäute fofort nach Schlachtung der Tiere durch Schaffung eines Bäute­monopols, Gründung eines Einlaufsfonditats für die Säuteein­fuhr und planmäßiger Bewirtschaftung von Säuten und Leber Hinauslaufen nicht durchgebrungen. Die Konferenz beschloß im Sinne dieser Forderungen erneut bei der Regierung vorstellig

zu merebn.

Der Punkt Betriebsräte und Gewerkschaften löfte eine zege Debatte aus. Die Berliner   und Erfurter   Delegierten tellten sich auf den Boden der Zusammenfassung der Betriebsräte in einer besonderen Betriebsräte- Zentrale. Auch von anderer Seite wurde bemängelt, daß die Zusammensehung der General­tommission nicht die Gewähr biete, baß es vorwärts geht. Rach eingehender Erörterung des Für und Wider, insbesondere der Sachlage, bie sich durch die Aufottroyierung des Betriebsräte= gefeges und durch die Saltung großer Arbeiterverbände entwidelt hat, entschied man sich für die Zusammenfassung der Betriebsräte auf dem Boden des Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes  . Gegen vier Stimmen fand folgende Resolution Annahme:

Die dem Zentralverband der Schuhmacher angehörenden Be­triebsräte der Schuhindustrie, in Nürnberg   zu einer Konferenz versammelt, erklären:

1. Das Betriebsrätegesetz entspricht nicht den Anforderungen, die Don ber Arbeiterschaft an ein Gefey, welches diesen Namen verbient, gestellt werden fönnen. Sie verlangen, daß das Betriebsrätegesetz ausgebaut und inhaltlich so gestaltet wird, daß die Betriebsräte den Produktionsprozeß im Interesse der produzierenden Arbeiter und der Verbraucher beeinflussen tönnen.

2. Die Aufgaben, bie bie Betriebsräte zu erfüllen haben, können

nur dann fruchtbringend gestaltet werden, wenn sie im engsten Zusammenwirten mit den auf revolutionärem Boden stehenden Gewerkschaften und deren Vertretern ausgeübt werden. Die Konferenz verwirft daher die Zusammenfassung der Betriebs­räte in selbständigen Organisationen. Nur in der Zusammen­faffung der Betriebsräte in den Gewerkschaften liegt die Ge­wahr, daß eine Zersplitterung der Kräfte verhindert, die Einheit der Arbeiter in wirtschaftlichen Kämpfen gewahrt, und den Betriebsräten jener Einfluß in den Betrieben ge­fichert wird, der sie befähigt, im Interesse der Gesamtheit fruchtbringende Arbeit zu leisten".

Die Konferenz beschäftigte sich bes weiteren mit der Aus­arbeitung von Richtlinien für die Tätigkeit der Be­triebsräte in der Schuhindustrie und mit dem Entwurf einer Arbeitsordnung. Sie nahm ferner ein Referat über die Buch­führung in ber Schuhindustrie, welches von einem Fachmann, Herrn Kalbstopf- Nürnberg, übernommen worden war, entgegen. Ueber die Sozialisierungsfrage sprach in Berhinderung des vorgesehenen Referenten, des Genossen Dr. Silferding, Bürgermeister Dr. Freund Nürnberg. Die Kon­ferenz war insgesamt von 62 Delegterten der Betriebsräte besucht.

An die Betriebsräte und Betriebsobleute der Metallindustrie

Bom Deutschen Metallarbeiterverband   wird uns geschrieben: Das Betriebsrätegese schreibt vor, daß an einem bestimmten Termin durch Verhandlung mit dem Betriebsrat eine neue Arbeitsordnung eingeführt werden muß. Das Betriebs­rätegesetz fab für diesen Termin den 15. Mai vor. Durch Ver­ordnung des Arbeitsministeriums ist dieser Termin auf den 1. September verlegt worden.

Nachdem der Hauptvorstand mit dem Gesamtverband Deutscher  Metallindustrieller mehrere Monate über die einheitliche Grund­lage für die Arbeitsordnung verhandelt hat, ist der Termin für bie Neueinführung der Arbeitsordnung so nahe gerüdt, bak bie Betriebsräte und die Betriebsobleute auf der Grundlage der

zwischen den Spizenverbänden vereinbarten zentralen Arbeits­ordnung mit ihrem zuständigen Unternehmer in Verhandlung zur Schaffung einer Betriebsarbeitsordnung eintreten müssen.

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Die schwere Stunde

Roman

DOR

Victor Banin

Und je mehr ich dente, um fo bichter wird das undurch bringliche Chaos in meiner Geele. Und weshalb benke ich nur baran? Sollte es der russische Serbst, der fortwährend gegen das Fenster peitschende Regen sein, die mir diese trüben Gebanken eingeben? Aber ich will sie vergessen, vor ihnen fliehen.

Ich Sh bin einem Menschen gleich, der sich in der Abend­bämmerung in einer unermeßlichen Steppe verirrt hat. Rings um, bis zum unendlich weiten Horizont tein Pfosten, fein Kurgan  , fein Baum nichts als eine glatte, unendliche, in Dämmerlicht fich verhüllende Steppe. Ich verliere mich wohin soll ich gehen?....

Den 29. November.

Beilage zur Freiheit"

Der Verband Berliner   Metallindustrieller hat zwar uns für den 20. Auguft zu einer Sigung eingeladen, in ber eine für die Mit­glieder der Berwaltungsstelle Berlin   und ben Mitgliedern des Berbandes Berliner   Metallindustrieller allgemein gültige Arbeits­ordnung beraten werden soll. Da wir bis heute nicht im Befize glauben wir annehmen zu lönnen, daß diese örtlichen Verhand: irgendwelcher Entwürfe seitens der Metallindustriellen sind, lungen bis zum 1. September nicht im entferntesten erledigt sein werben. Gegenüber der Bestimmung, daß bis zum 1. September in den Betrieben eine neue Arbeitsordnung vorhanden sein muß, eventuell der Betriebsrat refp. der Betriebsobmann sich mit dem Unternehmer in Verhandlungen zur Schaffung einer solchen Arbeitsordnung befinden muß, kann das Resultat der örtlichen Verhandlungen nicht abgewartet werden, sondern ist es jetzt Auf­gabe der Betriebsräte und Betriebsobleute, fich fofort an bie Beratung der Arbeitsordnung heran zu machen.

Die Arbeitsordnung, die von unserer Verwaltungsstelle mit bem Berband Berliner   Metallindustrieller vereinbart werden würde, hätte nut Mirtung für bie Metallbetriebe, die dem Berband Berline: Metallindustrieller angehören. Für die Metallbetriebe, deren Inhaber einer anderen oder teiner Organisation angehören, hätte die mit dem Verband Berliner   Metallindustrieller dersin­barte Arbeitsordnung eine wirtung nicht. Schon aus diesem Grunde ist es notwendig, daß alle diejenigen Arbeiterräte und Obleute, deren Firmeninhaber nicht dem erband Becliner Metauindustrieller angehören, unabhängig von den örtlichen Berhandlungen sofort in die Berhandlung zur Schaffung einer für die Betriebe maßgebenden Arbeitsordnung eintreten, für die auch als Grundlage die zentralen Abmachungen zu gelten haben. Die Ortsverwaltung.

Betriebsräteversammlung der graphischen Gewerbe. Freitag, den 20. August, nachmittags 5 Uhr in der Bockbrauerei, Fidicin­Straße 2. Tagesordnung: 1. Die Produktionssabotage der Unter­nehmer. Referent Hedert. 2. Die Arbeitslosigkeit im Graphischen Berufe. 3. Bericht über die Einigung in der Betriebsrätefrage. 4. Eventuell Wahl der Organe. 5. Berschiedenes. Die Versamm lung findet im Einverständnis mit der Betriebsrätezentrale statt. Bollzähliges Erscheinen sämtlicher Betriebstäte erwartet

Der Vorstand des Graphischen Kartells.

Gewerkschaftliches

Berliner   Gewerkschaftsvertreter

Mittwoch, 18. August 1920

stalten fich oftitione vom Lande heranholten, obwohl hier genügend Transportarbeiter und Kutscher frei wären.

In der Diskussion wurde von den verschiedensten Vertretern allerlei Möglichkeiten zur Arbeitsbeschaffung bargelegt. So von Kraag, Bertreter des Metallarbeiterverbandes, der in Bezug bau ber Untergrundbahn Nord- Süd, Siedlungsbauten usw. Bor­auf die Torfgewinnung, Reparatur von Schulen, Straßen, Weiter­schläge macht.

Barvermögen, das sie während des Krieges und nach dem Kriege Ortmann bebauerte, daß ganz besonders die Bauern thr mühelos zusammengetragen hätten, aus Angst vor Steuern einfach zögen. Auf dem Lande tenne man eben die ungeheure Not, die in der Tasche behielten und dadurch dem öffentlichen Verkehr ents fich in den Großstädten durch die Arbeitslosigkeit bemerkbar mache, nicht. Er bemerkte, daß der Transportarbeiterverband hinter die Schliche einer Firma gekommen sei, die für 14 Millionen M. Stahl nach Spanien   verschoben. hätte und so ließe sich mit dem notwendigen Drud und Auf­mertfamfeit vieles erreichen. Es wäre allerdings notwendig, daß auch die Behörden den nötigen Mut aufbrächten, zuzufassen.

Galla schilderte ganz besonders bie schlechte Lage der Musiker. Es sei geradezu ein Standal, daß Magistrats beamte, die ein Orchester zusammengestellt hätten, neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch noch Konzerte veranstalteten. Eben­fallspielen bie Musittapellen der Sicherheitswehr und Reichswehr in der Woche 6 bis 7 Mal, so baß hierdurch den eigentlichen Berufsmufitern ihre Verdienstmöglichkeit entzogen würde. Mindestens 2000 Muftter tönnten mehr beschäftigt wer bent, wenn die oben Angeführten nur ihrer eigenen Beschäftigung nachgingen und nicht neben derselben noch den Musikern die Arbeit fortnähmen. Wiederholte Borstellungen bei den Behörden hätten ich als fruchtlos erwiesen.

Ferner beschäftigte sich die Sigung noch mit statistischen Fragen, die absolut bei dieser Aftion notwendig seien.

Steinfeger und Berufsgenossen!

Auf wiederholte Eingaben an die zuständigen Behörden und Verwaltungen um Herausgabe von Rotstandsarbeiten ist uns teine Antwort zugegangen. Inzwischen hat sich die Arbeitslosig Zeit in unserem Berufe noch mehr gesteigert. Weil nun aber verschiebene Straßen der bringenden Ausbesserung bedürftig sind und fein neues Material bazu erforderlich ist, ersuchen wir alle, zuständigen Behörden und Berwaltungen um sofortige Seraus gabe von Pflasterarbeiten.

Gleichzeitig ersuchen wir alle arbeitslosen Steinfeger, Stein­hauer, Rammer und Silfsarbeiter zu der Protest versamm Harmonie, Invalidenstraße 1, zu erscheinen.

und produktive Erwerbslofenunterstützung lung am Feitag, den 20. d. M., nachmittags 4% Uhr, in der

Mit der produttiven Erwerbslosenunterstügung beschäftigte sich eine Sigung der Gewerkschaftsvertreter unter Leitung der Ber­ liner   Gewertschaftskommission nach einem Vortrag von Körsten, dem Leiter des Arbeitsbeschaffungsamtes beim Landesarbeitsami Berlin  .

Zunächst berührte Kör sten in seinem Vortrage die Auszahlung ber Sonderunter stilgung durch das Reich an die Erwerbs lofen, die in nachstehender Weise erfolgen soll:

Bei Arbeitslosigkeit von länger als 60 Tagen 8 Tagesfäge, bet 90 Tagen 10 Tagessäze, 120 Tagen 12 Tagesfäge, bei 150 Tagen 15 Tagessäße, bet 180 und mehr Tagen 18 Tagesfäge.

Er führte weiter aus, daß er der Ansicht sei, daß bie Arbeits­zeit allgemein auf 24 Stunden herabgest wer den müsse, und alles daran gesezt werde, um Arbeitsmöglich feiten zu schaffen. Vor allen Dingen seien die Gewerkschaften die berufensten Organisationen dazu, dem Landesarbeitsamt Mit­teilungen von Arbeitsmöglichkeiten zu übermitteln. Das Landes­arbeitsamt werde dann diese von den Gewerkschaften gemachten Vorschläge auch wirklich dazu benutzen, um endlich einmal etwas Positives in der Erwerbslosenfrage vorzunehmen.

In Bezug auf die Beschäftigung von Berliner   Wr beitern auf dem Lande, sei er durch besondere Kenntnisse ber Landwirtschaft doch zu einer anderen Ansicht gekommen. Richt jeber eigne fich für diese Tätigkeit. Es täme auch hinzu, daß die wohnlichen Verhältnisse auf dem Lande vielfach miserable feien. Außerdem set bedauerlich, daß die Gutsbesitzer lieber Bolen be­schäftigen, während die deutsche Arbeiterschaft arbeitslos jei. Sierin müsse selbstverständlich eine Aenderung vorgenommen

werden.

Körten gibt weiter bekannt, bag auch 1000 Arbeiter in den Schwäbischen Jura verlangt würden zum Bau einer 250 Kilo meter langen Straße über den Jura. Alles dies fet allerdings heißen Stein. nur bei den 80 000 Arbeitslosen in Berlin   ein Tropfen auf den

Abends 7 Uhr findet für alle Domänner, Betriebsräte, Ver­trauensleute sowie alle Borstandsmitglieder aus dem Tarifbezirt Groß- Berlin eine wichtige Sigung in demselben Lokale statt. Erscheinen aller betreffenden Kollegen ist bringend erforderlich. Ausweistarte legitimiert. J. A.: J. Sibura.

Versammlung der LohnempfängerinReichsbetrieben Die im Deutschen   Transportarbeiter- Verband organisierten ge­werblichen Lohnempfänger der Reichsbetriebe und Verwaltungs behörden nahmen am Freitag in einer start besuchten Versamm lung im großen Saale des Gewerkschaftshauses den Bericht über die Lohnverhandlungen im Reichsarbeitsministerium entgegen. Die Lohnjähe der Betriebsarbeiter sind auch diesmal wieder benen der Eisenbahner angepakt worden und es war der Lohnkommission nicht möglich, über die niedrigen Löhne der Eisenbahner hinaus­zutommen. Besonders großen Unwillen erwedte es unter den Ver jammelten, daß man der Gestaltung ihres Lohnabkommens wie berum Verhandlungen ausschlaggebend zugrunde gelegt hat, an benen sie nicht beteiligt waren. Wenn auch bei den über 24 Jahre alten männlichen Beschäftigten eine Lohnerhöhung von 50 bis 70 fg. pro Stunde zu verzeichnen ist, so steht fest, daß bei ben 18 jährigen und barunter bereits eine Lohnreduzierung von 20 bis 40 Big. pro Stunde eingetreten ist. Unverständlich war es den Bersammelten, daß eine scheinbar jo tarte Organisation wie der Deutsche   Eisenbahner- Berband einen Abbau der Löhne zustimmen fonnte. Die in den Reichsbetrieben Beschäftigten find gegenüber den Eisenbahnern eine kleine Gruppe und wirb bet jebem Ber fuch, über die Löhne der Eisenbahner hinauszutommen, entgegen gehalten, daß, wenn die große Gruppe der Eisenbahner mit dem Erreichten zufrieden set, man doch der kleinen Gruppe der Reichs betriebe nicht mehr bewilligen fönne.

Besonders wenig Entgegenkommen hat die Regierung bei ben Frauen gezeigt. Diesen bebanernswerten Geschöpfen, benen fast durchweg durch den Völkermord der Ernährer geraubt worden ist und die nun gezwungen sind, burch ihrer Hände Arbeit ihr freude lofes Dasein zu fristen, hat man die Stunde gange 20 Pfg. be lobten jedoch, nun erst recht alles daran zu feygen, um auch den legten Indifferenten ihrer Organisation auzuführen, um geschlosse

Großzügig müsse bie Torfgewinnung vom Reich und Staat in die Wege geleitet werden.. Bei den beschäftigten Doppeleristenzen set nunmehr ein Berbienst von 750 M. feitgefeßt, willigt. Refigniert nahmen die Betsammelten das Angebot an, ge­

ber allerdings zu niedrig wäre, weil dadurch allzu große Härten entständen. Redner bedauert ferner, daß die Berliner   Bostan

wäre, und dies tommt mir als das größte Verbrechen vor, das ich jetzt begehen könnte.

Was ist mit mir geschehen? Ich weiß es selber nicht, eines nur ist mir flar: wenn mein Leben von neuem be­ginnen würde, so hätte es sich von dem Augenblide an, wo Olja zum erstenmal mein Kabinett betrat, anders gestalten ein zugrunde gerichtetes Leben weniger auf meinem Ge­tönnen, und ihr Leben gleichfalls..., und vielleicht gäbe es wissen....

scheint es plöglich, als sei in diesem Augenblid im Hause etwas Oft erwache ich des Nachts mit starfem Herzklopfen. Mir Schredliches, Unabänderliches geschehen; ich fühle die Gegen­Daß nur bie Nerven schulb find, kann ich mich trobem nicht wart des Todes, und obwohl ich versuche mich zu überzeugen, beruhigen.

Ich stehe auf, gehe leise, ohne Geräusch zu verursachen, zu Oljas Türe, lausche aufmertfam hin, tann aber nicht die geringste Bewegung, nicht den geringsten Laut vernehmen, wodurch die innere Angst immer mehr wächst und wächst Jch wage es aber nicht, in ihr Zimmer zu treten, was soll ich erstarrt....... ihr denn sagen? Zuweilen stehe ich stundenlang da, vor Kälte

Ich weiß nicht, weshalb ich früher mein ganzes Leben hin­

Olja ist noch immer nicht genesen. Sie liegt im früheren Zimmer von Rjussia. Abgemagert, eingefallen ist sie, und auweilen, wenn ich fie mit geſchloſſenen Augen liegen sehe, fo trampft fiaj schien mir müsse sie Weight per mir das Herz schmerzhaft zusammen, the einer Toten....

Von Zeit zu Zeit wiederholen sich ihre Anfälle, dann liegt fie stundenlang bewußtlos. Njuffia fürchtet sich vor diesen Anfällen und dann sind es nur der Gute Mensch und ich, die Olja pflegen. Wenn fie erwacht, ist sie schwach, traftlos, es fcheint, als atme fie, aber als lebe sie nicht....

Es ist auch schwer, ich ohne fräftigende Nahrung zu er­holen; sie ist die mitroftopische Portion Brot und das warme Wässerchen, das Suppe genannt wird. Sie liegt in einem falten Zimmer, wir haben sie mit allem, was wir haben, zu gedeckt. Früher verließ ich oft das Haus, es war so betrübend und unangenehm, in der falten, ungemütlichen Wohnung zu figen, jezt aber fommt es mit vor, als hätte das Haus einen Inhalt bekommen.

Ich habe teine Luft fortzugehen. Ich ftge in Oljas faltem 3immer, in meinen Mantel gehüllt, die Füße frieren, der ganze Körper ist von Kälte durchzittert, die Zähne flappern, und doch habe ich feine Lust fortzugehen. Es scheint mir immer, als fönnte sie etwas benötigen, ohne daß ich zugegen

durch einen merkwürdigen Etel vor einer gefallenen Frau empfang. Es laten hit immer, als mulle fle smugig sein. Gedanken an eine gefallene Frau immer ein irgendwo ge Ich weiß auch nicht, wie es fam, daß mein Gedächtnis bei dem lesenes Bild mir vor Augen rief. Die Kaimüden waschen niemals das Geschirr, sondern geben es, nachdem sie fertig gegessen haben, dem Hunde auszuleden. Dieses ausgeledte Geschirr wird dann als reines wieder gebraucht. Und immer fam es mir seither vor, als fei eine gefallene Frau dieses Schmuzige Kaimüdengeschirr, das von den Hunden ausgeledt

wurde.

Mit meinem Verstande bebauerte ich fie, in meinen Büchern widmete ich ihnen Seiten der Teilnahme, und doch konnte ich dieses Gefühl des Etels ihnen gegenüber nicht überwinden. diefes Gefühl des Efels ihnen gegenüber nicht überwinden. Jezt fühle ich aber sonderbarerweise nicht ben geringiten Jezt fühle ich aber sonderbarerweise nicht ben geringften Etel Olja gegenüber. Jedesmal, wenn ich ihr totenbleiches, abgezehrtes Gesicht Jehe, fühle ich bloß eine unendliche Reue und Schande, ich möchte auf die knie fallen und mein Opfer mit untröstlichen Tränen beweinen.

3uweilen fragt sie mich mit ihrer träntlichen Stimme, indem sie forschenden Blides mir ins Gesicht schaut:

,, Sie, Nitolai Petrowitsch, Sie müssen mich wohl sehr­fte betont besonders dieses Wort sehr" verachten? a?" " Ich? Wofür?" frage ich mit unnatürlich erstaunter Stimme, indem ich versuche, meine Augen zu verbergen und füge hinzu: Sie find so lieb, so gut!..

Ach, es ist nicht bas, Kolja," sagt fie plöglich, launisch zum du" übergehend, du sprichst nicht die Wahrheit. Es ist ja nicht möglich, mich nicht zu verachten, verstehe doch. Ich bin ja tein Mensch, ich bin ja eine Gefallene..., verstehst bu? eine Gefallene..." fagt fie müde, jeden Buchstaben lang ziehend.

Sobann, als wäre ihre Kraft erschöpft, schließt sie bie ber tiefen, eingetretenen Stille scheint es mir, als beweinte Augen und verbedt fie mit ihrer Sandfläche. Und in

jemand lautlos und tränenlos fein zugrunde gerichtetes Leben. Durch eine fleine, nicht zugefrorene Stelle ber Fenster­Scheibe blide ich auf den Sof. Draußen fällt Schnee, weißer Schnee, und ich bente mir: beweinen wohl die Schneefloden thren Fall auf die Erde, oder sollten sie gefühllos- falt jein?

Es ist merkwürdig, zuweilen scheint es mit, als gäbe es feinen Unterschied zwischen Olja und Wowa. Meine Ge fühle zu beiden verschmelzen, verfließen in ein allgemeines ,. mich völlig ergreifendes Gefühl, bas ben einzigen Inhalt meines jegigen Lebens bilbet. Beibe stechen hin, sterben ben Sungertop, und am Unglüd belber bin ich allein schuld bes einen, weil ich ihn auf bie Welt gebracht habe, der anderen, weil ich ihr funges Leben gebrochen und zerstampft habe. Und beide tommen mir wie große hilflose Kinder vor. Väterchen, gehst du zu Tante Olja? So nimm mich mit, wir wollen gu britt bei ihr bleiben! zu

Und Wowa legt sich auf das Bett, neben Olja, in feinen großen Belz gehüllt, und die Aehnlichkeit zwischen biefen beiden großen Kindern wird badurch noch mehr betont. Ich blide auf fie beide und fühle instinktiv, daß sie beibe zum Tode ver urteilt sind. Ich flüstere mir leise zu: Du bist ihr Henter!

Zuweilen in der Abendbämmerung, wenn die Seele von unerklärlicher Trauer erfüllt ist, erfaßt sie meine Hand, hält fie in ber thrigen, während sie mit der freien Sand darüber streicht. Mit ihren frankhaft glänzenden Augen blidt sie lange in mein Geficht, als wollte te jeben tieinsten Bug im Gedächtnis einprägen. Dann schließt sie wieder müde bie Augen und die Trauerschatten graben sich noch tiefer in ihrem Gesichte ein

Cortfehung folgt.)