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3. Jahrgang

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Freitag, den 20. August 1920

Nummer 340

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Morgen- Ausgabe

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greiheis

Berliner   Organ

ber Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands  

Ernste Lage in Ostpreußen  

Die Wühlerei der Orgesch

( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".)

Die Lage in Ostpreußen   ist sehr ernst. Die Gefahr der bewaff­neten reaktionären Organisationen wird vergrößert dadurch, daß ste sämtlich der Orgesch angeschlossen sind, die über 40 000 Bes waffnete und 200 000 Waffen verfügt. Die Leitung des Selbst­schutzverbandes ist in den Händen des entlassenen Sipo- Offiziers Preu. Die Gewerkschaften begannen eine Gegenorgani sation. Der Oberpräsident versucht einen Ausgleich zu schaf= fen durch einen Aufruf zur Bildung von Grenz- und Ortswehren. Er berief einen Provinzialwehrausschuß ein. Die Verhandlungen, die zwischen den Vertretern der Deutschnationalen bis zu den Rechts­sozialisten stattfand, verlief erst günstig. Offenbar auf einen Wint aus München   verhielt sich die Orgesch plötzlich ab= lehnend. Die Deutschnationalen, das Zentrum und Die Deutschen   Volksparteiler erklärten den Austritt aus dem Ausschuß. Der Oberpräsident wat daraufhin allein auf die Demokraten und die Rechtssozialisten an­gewiesen. Es erscheint aber trotzdem eine Verständigung wahr­scheinlich, da die Orgesch als Träger der bestehenden Organisa­tionen alle Mittel in der Hand behält. Die Unabhängigen lehnen jede Beteiligung ab. Da in den zu bildenden Ausschüssen sich eine bürgerliche Mehrheit befindet, liegen somit alle Macht­mittel, sowie die Auslegung und Handhabung der Bestimmungen bei der Orgesch. In den Städten, bei denen sich auf seiten der Arbeiterschaft eine Mehrheit befindet, werden teine Orts gruppen gebildet, da angeblich genug Sipo- Leute vor­handen sind. Dafür werden die dortigen Ortswehrkräfte als Grenzschuh verwendet, es wird also eine Verschiebung der Arbeiter auf das Land zwecks Zersplitterung vorgenommen. treiben zu offenen Konflikten. Sie propagieren nationalboliche Die Situation ist infolgedessen sehr gespannt. Orgeich- Spiket wistische Experimente teils ganz offen, teils fordern sie in zer­lumpter und zerrissener Matrosenuniform zur Bildung einer Räterepublit auf. Diese Machenschaften sind bei der Erregung der Arbeiterschaft und infolge der Nähe des Kriegsschauplatzes höchft gefährlich. Die leitenden Parteitreise der Unabhängigen Sozialdemokratie warnen vor allen unbesonnenen Ers perimenten und suchen mit aller Energie die Arbeiterschaft ruhig und besonnen zu erhalten, unter Hinweis darauf, daß polis tisch und militärisch den Russen alle törichten Experimente höchst unbequem seien. In der Hartungschen Zeitung" wird heute offen­bar offiziös gefragt: Woher nehmen die Orgesch und die Ditschuh verbände ihre Millionen? Im polnischen Korridor herrscht eine gewisse Nervosität. Die Paßkontrolle ist lässig. Flücht lingszüge befinden sich auf allen Bahnhöfen. Es sind Auf­rufe erschienen, sich an die Front zu melden. Die Dirschauer Weichselbrücke ist militärisch bewacht, da Gerüchte über Spren­gungsabsichten laut geworden sind.

Polnischer Frontbericht Warschau   vorläufig entlastet

TU. Warschau  , 19. August.

Amtlicher Heeresbericht vom 18. August, abends: Nord­front: Bomerellische Abteilungen begannen eine energische Gegen offensive in der Richtung Strasburg  . Im Abschnitt Litno, Sierpoe und Radziono beobachteten unsere Flieger Rüdzugs­bewegungen des Feindes. Nördlich von Modlin   nahmen unsere Abteilungen in fiegreichem Kampfe 1300 Gefangene und erbeute­ten 30 Maschinengewehre und Geschütze. Eine bolschewiſtiſche Brigade wurde versprengt. Der aus Pultust sich zurückziehende Feind nahm den Bürgermeister und alle Geistlichen mit. Auf dem Warschauer   Brüdentopf wurde der Feind zu eiligem Rüd­zuge gezwungen. Nowo minst wurde am 17. abends von Bofener Truppen besett.-3entrum: Die Armee der Zen­trumsfront dringt weiter siegreich vor und nahm Kaduszin, Sied­lec, Miendrzyrzec, Wisnica und Wlodawa  . Bis jezt nahmen wir 5000 Gefangene, 20 Geschütze, 70 Maschinengewehre, sowie gewaltige Trainmengen. Die Beute wächst stündlich. Südfront Ruhe. An der Königsberg  , 19. Auguft.

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Die Polen   haben den Russen bei der Einnahme von Ciechanow  und Strasburg   die gesamte Bagage abgenommen. Die Russen, die in Richtung auf Soldau   flüchten, versichern, daß auf polnischer Seite französische   Truppen aufgetreten seien. Von einem Gewährs­mann erhält das Allensteiner Volksblatt" noch folgende Mit­teilung: In Soldau   hat sich eine Schuhwehr gebildet, die aus Un­abhängigen besteht. Die Mitglieder der Schuhwehr, die Gewehre und rote Binden tragen, haben die Grenze besetzt und verhindern die Ausfuhr von Vieh und Getreide.

Der russische   Bericht Wlozlawek besetzt

Mostau, 19. August.( Durch Funkspruch.) Unsere Truppen erzwangen den Uebergang über die Weichsel  und besetzten Wloczlawet. In den Abschnitten Rowo- Georgiewst und Warschau   dauern die Kämpfe mit der bisherigen Hartnädig­feit an. In Richtung Lowitsch erzwangen unsere Abteilungen den Uebergang über den westlichen Bug und besetzten Bust und Slotschow. Jm Abschnitt Butschatsch dauern die Kämpfe am Flusse Strypa mit wechselndem Erfolge an. Am Dnjepr   und am Ufer des Schwarzen Meeres   ist die Lage unverändert. Im Krimabschnitt, in Richtung Orechos fämpfen unsere Truppen mit wechselndem Erfolge am Flusse Karatscheta; wir machten Gefangene.

Die Lage an der russisch  - polnischen Front ist in ein friti­sches Stadium getreten. Gelingt es den Polen  , über Siedlec hinaus auf Brest  - Litowst und nördlich auf Sokolow vor­zustoßen, dann dürfte die ganze vor Warschau   befindliche Front der Russen ins Wanten tommen und ein Rückzug

auf den Bug würde wahrscheinlich. Die im Korridor und westlich der Bahnlinie Warschau  - Danzig   operierenden Sowjettruppen aber müßten notgedrungen den Rückzug an­treten. Die Russen melden in ihrem letzten Heeresbericht die Besetzung von W1ozlawek, südöstlich Thorn  , auf dem linken Weichselufer gelegen. Dieser Erfolg bleibt solange ohne Bedeutung, bis nicht zum mindesten die polnische Offen­five in Richtung MI awa zum Stehen gekommen ist, um so mehr, als auch die Polen  , fedenfalls von Thorn   und Grau­ denz   aus, nach Strasburg Lautenburg vor gestoßen sein wollen. So tönnte das Gebiet des nörd­fichen Weichselbogens für die Russen eventuell zur Sackgasse werden, wenn nicht auf der Hauptfront der polnische Vor­marsch zum Stehen kommt.

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Zur Stunde hängt für die Russen viel von einem geord­neten und schnellen Nachschub ab, wenn ihre bisherigen Bewegungen nicht einen fühlbaren Rückschlag erleiden sollen. Ob die polnischen Kräfte für eine längere Gegenaktion aus­reichen, muß nach der allgemeinen Lage bezweifelt werden. Aber sie fönnen ihre Positionen immerhin vorübergehend bedeutend verbessern. Das würde die Friedensverhandlun gen nicht gerade erleichter. An den bisherigen Erfolgen hat die Unterstützung, die den Polen   durch Munitions= transporte der Entente zuteil wurde, sicher den stärksten Anteil.

Warnung

an die Arbeiterschaft!

Nationalbolschewismus

Aus verschiedenen Berliner   Distrikten geht uns die Mels dung zu, daß sich in letzter Zeit eine größere Anzahl von Per­sonen zur Aufnahme in unsere Parteiorganisation meldeten, die sich bei näherer Nachforschung als ehemalige Offiziere der Baltikumtruppen herausstellten. Nach diesen Feststellungen wurde den betreffenden Herren natürlich die Aufnahme in die Organisation verweigert, denn unsere Parteigenossen haben nicht die geringste Lust, ihre Organisationen zum Tummelplatz von Personen zu machen, die wenn auch ein­zelne von ihnen von idealistischen Motiven geleitet sein sollten in ihrer großen Mehrheit zweifellos Ziele verfolgen, die mit dem revolutionären Sozialismus nicht das geringste gemein haben.

Die gekennzeichnete Erscheinung, deren Wurzeln zum Teil auch auf die geheimen Rüstungen der Konterrevolution zu stehen dürften, ist jedoch nur eines der Symptome einer rüdgehen und mit den Spizelorganisationen in Verbindung neuen sozialpolitischen Strömung, die in jüngster Zeit einen Umfang erreicht hat, von dem Außenstehende kaum eine Ahnung haben. Wir sprechen hier vom National­bolschewis mus, der in den letzten Wochen in breiten Kreisen des Bürgertums populär geworden ist und auch pro­letarische Schichten zu verseuchen droht.

Ansäge der nationalbolschewistischen Ideologie machten sich bereits im vorigen Jahre zur Zeit der Friedensverhand­Jungen bemerkbar. Als Prophet des Nationalboljchewismus trat der deutschnationale Professor Dr. Paul Eizbacher hervor, der während des Krieges in überschwenglicher Weise den U- Boot- Krieg verherrlicht hatte. Nun verherrlichte et in ebenso überschwenglicher Weise den mit einem nationalen Mäntelchen umtleideten Bolschewismus, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, alle Klassen der Nation zusammenzuschweißen friedens zu zerbrechen. und die Ketten des von der Entente aufgezwungenen Gewalt

In die Fußtapfen des deutschnationalen Professors traten bald darauf die beiden Hamburger   Führer der Kommu­nisten, Dr. Lauffenberg und Wolffheim, die da­mals noch nicht aus der Kommunistischen Partei ausgeschieden waren. In einem großsprecherischen Manifest wandten sich die beiden an das deutsche   Proletariat mit der Aufforderung, alle nationalen Kräfte zusammenzufassen, sich mit Rußland  zu verbünden und gemeinsam den bewaffneten Kampf gegen Die Entente aufzunehmen.

Die Agitation der beiden Hamburger Führer löste eine heftige Diskussion innerhalb der Kommunistischen Partei aus Spaltung der kommunistischen   Partei und zur Bildung der und gab, neben einigen anderen Ursachen, den Anstoß zur Kommunistischen Arbeiterpartei  ( K. A. P. D.  ), die, wenn sie sich auch von der nationalbolschewistischen Propaganda Lauffenbergs und Wolfsheims abgrenzte, ihre ganze politia sche Wirksamkeit auf abenteuerlichen Putschismus und natio nalbolschewistische Phrasendrescherei einstellte.

Die durch den russisch  - polnischen Krieg eingetretene Situas tion hat für die abenteuerlichen ationalbolschewistische Phraseo logie plötzlich einen recht breiten Resonanzboden geschaffen. Deklassierte bürgerliche Elemente, die ihre Existenz bedroht sehen, nationalistische Studenten und Offiziere, die sich vor jedem siegreichen Militarismus beugen, selbst wenn er in Form der, Roten Armeen auftritt, revanchelustige Militärs und Politiker, die sich von den Roten Armeen die Kastanien aus dem Feuer holen lassen wollen, sie alle haben plöhlich eine stille Liebe zum Bolschewismus in ihrem Herzen entdeckt und predigen die nationale Einheitsfront" zum Kampf gegen das Polentum und die Entente.

Die führenden deutschnationalen Blätter, vor allem die ,, Deutsche Tageszeitung", haben in einer Reihe von Artikeln vor dem Nationalbolschewismus gewarnt, der in den Kreisen Der Studenten und jüngeren Offiziere um sich greife. Man darf jedoch diese Warnung nicht ernst nehmen, denn die ganze Politik der reaktionären Organe ist in letzter Zeit darauf eingestellt, durch heftige antipolnische und antifran­lands den Boden für die nationalbolschewistische Agitation ihrer jüngeren Anhänger zu bereiten. Das Ziel der deutsch­nationalen Revanchepolitiker ist offensichtlich darauf ge­richtet, die starke Erregung, die jetzt in der deutschen   Arbeiter­Klasse gegen die Kriegstreibereien der französischen   Imperia­

Wie uns aus zuverlässiger Quelle bekannt ges worden ist, planen provokatorische Elemente im Anschluß an die heute hier stattfindende Arbeitslosenver- zösische Propaganda und durch gleichzeitiges Umwerben Ruß­jammlung

putschistische Unternehmungen allerbedenklichster Art. In Verbindung damit sollen auch in

Jm Vorgehen des bolichewistischen Nordflüge Is gegen die Weichsel   scheint infolge der Rückwirtung der Lage bei Warschau  sche Gegenoffensive auf der ganzen Front die Eisenbahnlinie verschiedenen Städten des Reiches angebliche Arbeiterputsche listen um sich greift, für die Propaganda eines neuen Krieges

über­

Warschau- Siedlez- Ludow- Miendzyzd schritten; die Orte sind in polnischer Sand; die Offenfioflanke wurde durch die Rüderoberung von Wisnice und Woldawa durch die Polen   gefestigt. Eine unmittelbare Gefährdung War: ich aus aus nördlicher und südöstlicher Richtung ist vorläufig beseitigt. In der Richtung Lemberg   haben die Bolsche­wisten den Bug überschritten. Allenstein  , 19. Auguft.

Dem Allensteiner Volksblatt" geht aus Reidenburg von heute vormittag eine Nachricht zu, wonach sich die Einnahme von Ciechanow durch die Polen   bestätigt. Die Polen   haben gestern nachmittag 6 Uhr Strasburg   genommen und stehen 8 Kilometer von Lautenburg   entfernt. Eine Anzahl Flüchtlinge ist aus Strasburg   in Rostau angekommen. Gestern nachmittag 4 Uhr wurde von einem polnischen Flieger eine Bombe auf den füdischen Kirchhof in Soldau   abgeworfen. Seute vormittag 9 Uhr warfen nolnische lieger in der Nähe von Soldau   drei Bonben ab,

in Szene gefegt werden.

Wir warnen die Genossen in Berlin   und im Reiche vor diesen Unternehmungen. Gegenüber den dunklen und aben: teuerlichen Elementen, die sich jetzt wieder an die Arbeiter­schaft herandrängen, ist

erhöhte Wachsamkeit

gegen Frankreich   auszunuzen. Als Maskierung dieses eigent­lichen Zieles der deutschnationalen Reaktionäre tritt nun der Nationalbolschewismus hervor, der den Arbeitern plausibel zu machen sucht, daß es in diesem Augenblic gar keinen grundsäglichen Unterschied zwischen den Bestrebungen des Bürgertums und denen des Proletariats gäbe, daß vielmehr alle sich zum Kampfe gegen die Fesseln des Versailler Friedensvertrages, vor allem gegen Frankreich   erheben müßten, um dann gemeinsam an den sozialen Aufbau im Innern zu schreiten.

am Plaze. Die Arbeiterschaft darf den bezahlten Agenten der Konterrevolution und den nationalistischen Kriegs­treibern nicht den Gefallen tun, sich in Abenteuer hineinhezen zu lassen, die von tatastrophalen Folgen sein könner Das Zentralkomitee der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  . tatastrophale Ereignisse heraufbeschwören, indeus

besgleichen über Soldau   Flugblätter, worin mitgeteilt wird, bas Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Soldaudem Erdboden glei gemagt werden würde.

Diese Lodrufe des Nationalbolschewismus bedeuten namentlich in dieser erregten Zeit eine eminente Gefahr. Nicht nur, daß sie den nationalen Einheitsgedanken und den fozialen Burgfrieden predigen, den Klassenkampfgedanken verwischen und die nationalistische Massenpsychose vom August 1914 wieder herzustellen fuchen, fie fönnen auch direkt