Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang Mittwoch, den 25. August 1920
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Nummer 349
Abend- Ausgabe
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greiheit
Vor dem Entscheidungskampf
Eine Rundgebung der Sowjetregierung
Mostau, 24. Auguft. Durch Funkspruch.
In einer Kundgebung der russischen Regierung heißt es: Wir müffen jegt Garantien gegen neue Ueberfälle ver langen. Wir glauben dem polnischen Arbeiter und verlangen, daß er bewaffnet wird. Wir glauben der polnischen Bourgeoisie nicht, deren Delegation jogar jetzt den Frieden sabotiert. Ihre Delegation hat begonnen, den Frieden mehr zu sabotieren, als sie unsere Migerfolge der letzten Tage gesehen hatte. Wir müssen des halb an dieser Front einen entscheidenden Kampf führen. Wir müssen unsere rote Armee unterstützen. Der Kampf mit den weißgardistischen Dieben ist unsere erste politische Schuld.
In der Moskauer Gouvernementstonferenz wurde nach dem Bericht Buharius über die internationale Lage der Republik und die Aufgaben der russischen fommunistischen Bartei im Zusamenhange mit dem gegenwärtigen Augenblid folgende Re folution gefaßt: In Anbetracht dessen, daß unsere Weitarmee dank Der verstärkten Unterstützung Bolens durch die französische Regie rung ernste Migerfolge erlitten hat, während die Front Wrangels ebenfalls von großer Bedeutung wird und das Kuban- und Donez gebiet bedroht, hält die Parteikonferenz es für unbedingt not wendig, die Wefront mit allen Mitteln zu unters Kügen und gleichzeitig die Front Wrangels zu pernichten. le Bartelorganisationen werden aufgefordert, eine schnelle Parteimobilisierung durchzuführen und die Frage der Unterstützung der Wrangelfront zu erörtern.
Sie der„ Berlingske Tidende" aus Warschau telegraphiert wird, verlautet von tompetenter Seite, daß die polnische Regierung gestern eine neue Rote von der Sowjetregierung erhalten hat, Die von Tschitscherin unterzeichnet ist. In dieser Note lehnt die Sowjetregierung jede Verantwortung für die ungenügende drahtlose Verbindung zwischen Minst und Warschau a b, die aus schließlich darauf zurückzuführen sei, daß die Funkstation in Wars ſchau zu schwach ſei. Im übrigen enthält die Note teine
positiven Mitteilungen.
Polnische Friedenssabotage
Nach einer Meldung der„ Daily Mail" aus Minst, ist die polnische Antwort auf die ruffischen Vorschläge am Montag überreicht worden. Bon fünfzehn Punkten haben die Polen une einen Bunit angenommen, den der Demobilisation, falls Rußland gleichfalls demobilisiert.
Die Aufhebung der Neutralität Danzigs Paris , 24. Auguft.
Savas meldet, daß der Oberkommissar von Danzig Sir Res ginalb Tower burch eine Note der Botschaftertonferenz auf gefordert worden ist, die Entladung des für Bolen bes timmten Kriegsmaterials im Danziger Hafen gegebenenfalls burch Truppen und Schiffe der Alliierten icherzustellen, falls die dortigen Hafenarbeiter sich weigern jollten, die Schiffe zu entladen.
Polnischer Frontbericht
TU. Warschau, 25. Auguft.
Amtlicher polnischer Heeresbericht vom 24. Auguft. Nord. front: Die rechte Abteilung der 4. Sowjetarmee tonnte nach
herumirren, auf.
Kolno, der durch starke Abteilungen unserer 4. Armee besetzt ist, durchstoßen. Die Verfolgung des Feindes durch die 4. Armee geht weiter. Unsere 5. Armee greift zerstreute Abteilungen der Sowjettruppen, die westlich der Eisenbahnlinie Modlin- Mlawa Zentrum: Die Armeen des Zentrums haben durch eine Schwenkung nach Norden Knyszyn , Stawisztt und Kolno einges schlossen und so einen Ring um die 4. und 5. Sowjetarmee gefloifen. Der Feind, der von allen Seiten be brängt ist, versucht mit größeren Abteilungen unter verzweifelten Kämpfen den Ring zu sprengen. Am 23. b. M. ging er bei Kolno neunmal zu erbitterten Angriffen über, die durch das vortreff liche 60. Bosensche Infanterieregiment abgeschlagen wurden unter schweren Verlusten für den Feind. Das Regiment ging zum Gegenangriff über und machte 1000 Gefangene, darunter einen Divisionsgeneral. 10 Geschüge, mehrere Regimentsfahnen, zahlreiche Autos und Train wurde erbeutet. Bei der Eroberung von Lomza fielen 2000 Gefangene, 9 Geschütze, 22 Maschinengewehre und viel Kriegsmaterial in unsere Hand. Nach der Einnahme von Bialystok durch die 1. Legionärdivision am 22. früh, fanden in der Stadt noch 20 Stunden lang erbitterte Straßentämpfe statt, und zwar mit der aus Grodno zu Silfe geeilten 55. Sowjetdivision und der ortsansässigen jüdischen Bevölkerung, welche die bolschewistischen Reihen verstärkte. In den Kämpfen bei Bialy stock machte die 4. Legionärdivision 7000 Gefangene und eroberte 18 Geschütze, 42 Maschinengewehre und große Mengen technisches Material. Infolge dieser Niederlage frat bei den feindlichen Abteilungen pofftommene Zersegung ein. Kalmüden und Don
tofaten gehen in Scharen zu uns über. Im Raume non Brest Litowst Ruhe. Bei Mlodawa, Opalin und Hrubieszow erfolgreiche örtliche Kämpfe, bei denen Gefangene und Maschinengewehre erbeutet wurden.
Südfront: Südlich Lemberg nahmen Abteilungen unse rer 5. Infanteriedivision das Städtchen Swirz, zersprengten dabei eine boljchemistische Brigade und nahmen das ganze 565. Sowjetregiment gefangen. Im Rayon der Brka wurden 3 Kosatensotnien zersprengt und 200 Gefangene gemacht. Nördlich von Kamionta- Strumilowa und Bojaniec und östlich von Kurowiece sind fleine Gefechte mit feindlichen Abteilungen im Gange.
Ein Funtentelegramm aus Mostan vom 23. August, 10.30 Uhr abends meldet, daß sich in der Gegend von Brest Litowst heftige Kämpfe mit dem Feinde abspielen, der die Offensive ergriffen habe. Auch im Gebiet der Grube Schof Luom seien schwere Kämpfe im Gange.
Amsterdam, 24. August.
Einer Reutermeldung zufolge hat Balfour gestern abend Ramenem zugleich mit einer Abschrift des Luzerner Commu niques ein Schreiben übersandt, in dem er fragt, ob die jetzt den Polen vorgelegten Bedingungen derartig feien, wie Giolitti und Lloyd George es auf Grund der der italienischen und der englischen Regierung seiner Zeit gemachten Mitteilungen an nehmen müßten. Er fragt ferner, ob die Sowjetregierung falls diese Boraussetzung richtig sei, beabsichtige, die Bedingun gen aufrecht zu erhalten. Balfour ersucht um Antwort bis spätestens Freitag abend. Eine Abschrift dieser Mitteilung ift an Tschitscherin gesandt worden.
Abreise der Sowjetvertreter ans London ?
London , 25. Auguft.( Savas.) Ramenem und Krassin haben ihre Pässe verlangt und sollen beabsichtigen, England am Freitag zu verlassen.
Neue Maßnahmen in Nene Maßnahmen in Oberschlefien
Beuthen, 24. Auguft.
In einer Konferenz der Streifausschüsse und der Führer der politischen Parteien Oberschleßtens, an der n. a. auch Korfanty teilnahm, erklärte der Obertontrolleur Major Ortley u. a.: die heftigen Anflagen der Deutschen gegen die Polen und ber Polen gegen die Dentschen milffen abstoßend wirken, besonders, wenn man weiß, daß jede Partei fich lediglich nach der einen Seite hin unterrichtet. Dieses Verfahren, das heute in Ober schlesien üblich ist, hat zur Verschärfung der gegne rischen Gefahle der beiden Rationalitäten beigetragen. Es ist selbstverständlich eine verhältnismäßig einfache Sache, Trappen aufzubieten und Leute zu entwaffnen, welche das Band ohne eine Spur von Recht terrorisieren und es wäre auch nötig, an diesen Clementen ein Exempel zu statuieren und sie für die Nichtachtung von Befehlen und Erlassen der Interalliierten Koms mission zu bestrafen. Ortlen wandte sich hierauf der Errichtung sogenannter Bürgerwehren zu, die er wegen der finanziellen Be lastung der Gemeinden ablehnte, und ließ sich gegen das Treiben der Leute aus, die ohne Recht den Verkehr unterbinden, Hauss suchungen vornehmen, stehlen und rauben. Hierauf gab Ortley folgende Borschläge bekannt, denen von den poli tischen Parteien zugestimmt worden sein soll.
1. Abschaffung der Sicherheitswehr und Ersatz durch eine Abstimmungspolizei. 2. Für die Uebergangss
zeit wird eine Silfspolizei gebildet, die der Ortspolizei unterstellt wird. Die Hilfspolizei wird aus Gemeindemitteln be joldet und erhält teine Feuerwaffen. Diese Bildung ist sofort in die Wege zu leiten. 3. Abgabe der Waffen bis morgen früh neun Uhr. Wer bis dahin abliefert, bleibt straffrei, gegen die übrigen wird auf Grund der Bestimmungen vorgegangen. Das Bandennnwesen
Rattowit, 24. August. W. T. B. meldet: Auf der Eisenbahnstrede Kattowig- Myslos wih lehrt allmählich die Ordnung wieder. Die Bahnhöfe Find von franzöfifchen Truppen befeht. Die Reisenden werden nach Waffen untersucht. Auf dem Bahnhof von Myslowig find Bekanntmachungen der Eisenbahndirettion Kattowih, die von dem Ententevertreter bei der Eisenbahndirektion gegengezeichnet sind, angeschlagen, in denen jebe Einmischung Unbefugter in den Eisenbahnbetrieb oder jeder Terror gegen Eisenbahnbedienstete verboten wird. Trotzdem grellrote Platate die Zivilisten zue Waffenabgabe bis Sonntag nachmittag 4 Uhr auffordern, sieht Waffenabgabe bis Sonntag nachmittag 4 Uhr auffordern, sieht man noch überall Bewaffnete. Im Kreise Gleiwig ist ein zunehmendes Bandenunwesen festzustellen. Die Stadt Rybnit wurde heute besetzt. Die Ausschreitungen in den Landfreisen nehmen einen überaus großen Umfang an.
( Siehe auch 3. Seite.)
Der christlich- nationale Mörderkurs
Sat Stefan Friedrich, der Begründer des christlich- natlos nalen Kurses, der Führer der Konterrevolution, gewesener Ministerpräsident und Kriegsminister des weißen Terrors den Grafen Tisza ermorden lassen oder nicht? - das ist jetzt die große Frage, die in Ungarn alle Gemüter bewegt und der gegenüber alle anderen Fragen: der Vor marsch der Sowjettruppen, der Zusammenbruch der Entente und andere ähnliche Kleinigkeiten zurüdzutreten haben. Obs wohl der Prozeß, dem Anscheine nach, mit großer Sachlichkeit und Unparteilichkeit geführt wird, ist er durch und durch ein politischer Prozeß, dessen Ausgang viel weniger von dem tatsächlichen Hergang der Erschießung Tiszas als von den verschiedenen Strömungen der ungarischen Konterrevolution bestimmt sein wird.
Tisza wurde am 31. Oftober 1918, am Tage des Aus bruches der Revolution, erschossen. Es verlautete, daß Sol daten in seine Wohnung tamen, deren Führer erklärte:„ Sie haben den Krieg verbrochen, haben so viele Millionen auf die Schlachtbank geschidt, jetzt müssen Sie sterben." Er wurde darauf erschossen, und seine letzten Worte waren:„ Dies mußte so tommen." Es war das einzige Mal, daß Tisza und die öffentliche Meinung eines Sinnes waren: sein Tod wurde als etwas selbstverständliches aufgenommen, die revolutionäre Welle mußte ihn wegspülen, er war der repräsentative Mann derjenigen Welt, die mit Kriegsende Die und Revolutionsausbruch zusammengebrochen war. revolutionäre Regierung, deren Mitglied ich war, hatte weber den Willen, noch die Macht, die Vollstreder eines Bolfsurteiles, denn so und nicht als ein Mord wurde damals die Tat empfunden und gewertet, irgendwie zu ver folgen. Es war ein tragisches, aber verdientes und unver meidliches Schicksal- damit wurde über die Tat zur Tagesordnung übergegangen.
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Nach dem Siege der Konterrevolution setzte die Famille Tisza und die ganze ungarische Ariftotratie alle Hebel in Bewegung, die Täter und wie sie annahmen die Anstifter auszuforschen. Dabei ließen sie sich von der vor gefaßten Meinung leiten, daß Graf Michael Karolyi, der alte Feind Tiszas, einer der Anstifter, und Genosse Josef Pogany, der Führer des Kampfes gegen die Offiziere und der Präs fident des revolutionären Soldatenrates, einer der Täter sein müsse; sie hofften so die Auslieferung dieser zwei verhaßten Bersönlichkeiten zu erlangen. Zwei Mitglieder des
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Offiziersoldatenrates( nicht des Poganyschen) wurden verhaftet, Oberleutnant Hüttner und Kadettaspirant Sztany fovszky, die ihre Mitwirtung am Morde eingestanden, Pogany auch der Tat beschuldigten, statt Karolyt, aber gegen seine journalistischen Ratgeber, Paul Keri und den Abgeord neten Ladislaus Fennes, aussagten, als den Haupts anstifter bes Mordes Stefan Friedrich, den Ich damaligen Ministerpräsidenten angaben. fenne alle Ereignisse der Oftoberrevolution aus eigener Anschauung, fenne auch Süttner und Sztanykovszky, ich halte fie für moralisch minderwertige Abenteurer und nach meinem Urteil verdienen alle ihre Aussagen wenig Glauben. In diefer meiner Auffassung fann mich nur eines wankend machen: die Art und Weise, wie Friedrich auf diese ihn belastenden Aussagen reagierte. Er hat seine ganze Macht aufgeboten, Polizei und Gericht dazu gezwungen, Hüttner und Sztanykovszky durch Drohungen, Bersprechungen, Mißhandlungen zu der Rücknahme ihrer Aussagen zu bewegen. Hüttner sagte in der Verhandlung aus:
„ Der Polizeirat Dorning war während des Verhörs sehr freundlich zu mir. Aber auf einmal sagte er, daß an meiner AusDer Verhand sage tein wahres Wort und ich ein Strolch set. lungsleiter: Bei welcher Stelle ihrer Aussage wurde dies Ihnen gesagt. Hüttner: Solange ich über die Beteiligung Keris und Fenyes' aussagte, war er sehr höflich, als ich aber über Friedrich zu sprechen begann, fagte er mir, daß alles erlogen sei... Darauf wurde ich so blutig geschlagen, daß ich mich zwei Tage lang nicht rühren fonnte."
Er berichtete des weiteren, daß er dann nach seiner Miß handlung wieder vernommen wurde und seine Friedrich be lastenden Aussagen zurüdzog. Der Detettiochef Ragn versprach ihm in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Vary einen Auslandspaß und 50 000 Francs und die Mög lichkeit der Flucht, wenn er feine Aussagen zurüdzieht. Sztanykovszky erzählte, daß, nachdem er gegen Friedrich aus gesagt hatte, seine Sän be in eine reise einge flemmt wurden, bis er seine Aussage zurüdzog. Gegen den Polizeibeamten, der die Friedrich belastenden Aussagen zu Protokoll nahm, wurde ein Disziplinarverz fahren eingeleitet und der Untersuchungsrichter Rovacs, der die Untersuchung in einem Friedrich feindlichen Geiste führte, beging einen Selbstmord oder wurde ermordet. Diese Braffiten und nicht die Aussagen der Süttner und Sztanykovszky bilden das eigentliche Belastungsmaterial gegen Friedrich. Daraus schöpfte auch die Familie Tisza Berdacht und feste es durch, daß die Untersuchung den muis tärischen Behörden übergeben wurde, auf welche die Aristofratie einen größeren Einfluß ausüben founte als Friedrich Eine Handhabe dazu bot der Umstand, daß der eine Teil der Beschuldigten Militärperfonen waren, eben jene, gegen die