Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang Sonnabend, den 28. August 1920 Nummer 355
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Krieg der Weltreaktion!
Der Internationale Metallarbeiter- Rongres in Kopenhagen nahm folgende Resolution an:
Bum ersten internationalen Kongres nach Kriegebeendigung zu jammentretend, entbieten die Delegierten der Metallarbei terorganisationen von 11 Ländern ihren Kollegen und dem übrigen gewerkschaftlichen und sozialistischen Proletariat brüderlichen Gruß
Der 8. internationale Metallarbeiter- Kongres verurteilt den Krieg und erklärt, bak jeder Krieg zerstörend wirkt, daß der Krieg die Bestrebungen der tapitalistischen Klassen und Regierungen, die Serrschaft des Kapitalismus zu festigen und zu verlängern, offen ichtlich macht. Der Kongres verurteilt jede Befehung eines Landes, jede offene oder verstedte Intervention oder Einmischung der Res gierenden eines Landes in das Recht der Völker, selbst die Form ihrer Berfassung und ihrer Regierung zu bestimmen. Der Kongres
verurteilt jebe
Bergewaltigung der Neutralität oder Unabhängigkeit eines Landes lowohl die früher begangenen als auch die späterhin beabsichtigten, unter welchen Vorwand immer fie vorgenommen werden sollten. Der Kongres lenkt die Aufmerksamkeit des ganzen Proletariats auf die Unfähigkeit des Kapitalismus und seiner Regierungen, einen gerechten und wirklichen Frieden zu Hande zu bringen, ber die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ent widelung alle Bölfer sichern könnte. Bor allem verweist der Ron reh das Proletariat auf den ungerechten imperialistischen Frieden, Der vom Kapitalismus ben Bölfern Europas auferlegt wurde. Dieser Frieden ist ein untrüglicher Beweis und ein beredtes Bei piel bafür, daß ein Krieg tatsächlich weder die Probleme der natürlichen Entwidlung sichern, noch viel weniger die sozialen Probleme lösen, oder die Befreiung des Proletariats herbeiführen fann. Dies tann auch nach der prinzipiellen Auffassung des inter nationalen Metallarbeiterbundes nur durch den revolutionären, Don internationaler Solidarität des Proletariats getragenen, von Jeinen Organisationen geführten Klassentampf beschleunigt und herbeigeführt werden. Der Krieg wedt und peitscht natio nalistische Leidenschaften auf, reißt das Proletariat auseinander, verurteilt es zur Ohnmacht und behindert es daher in der Verfolgung seiner gewerkschaftlichen Ziele.
Der Kongres beträftigt, daß Ziel und Gründe, die zur Errichtung Des internationalen Metallarbeiter- Bundes führten, hente mehr denn je Gettung haben.
Und beshalb betont er mit besonderem Rachbrud die Pflicht der angeschlossenen Organis sationen, den Bestrebungen des Kapitalismus den festen Willen und die ganze Attionstraft bes Proletariats mit am so größerer Energie entgegenzustellen, als der Kapitalismus jest allejeine Kräfte zur Berwirtlichungseiner Ziele sammelt
Diese Pflicht besteht gegenüber allen vom Kapitalismus entfeffelten Kriegen, ganz besonders gegenüber den mit Hartnädigkeit fortgeführten
Krieg gegen das russische Proletariat. Dieser Krieg zeigt ebenso wie der Kampf gegen das ungarische
Proletariat die gemeinsame Schuld und das Zusammenwirten der tapitalistischen Regierungen an der Niederringung nicht nur der Arbeiter Sowjetrußlands und Ungarns, sondern des Sozialis
mus überhaupt.
In Erkenntnis der Gemeinsamkeit der proletarischen Interessen und im solidarischen Zusammenwirten mit der gewerkschaftlichen Internationale in Amsterdam fordert der Kongreß die Metallarbeiter aller Länder auf, ihre Klassensolidarität durch Verweigerung der Herstellung von Waffen, Munition and jeglichen Kriegsgerätes für die Feinde Sowjetrußlands und für jeden anderen Krieg, burch Ueberwachung der auszuführenden Aufträge und durch Unterkügung der Transport arbeiter und Eisenbahner in der 3urüdhaltung Don Truppeus, Waffen- und Munitionstraus porten attiv zu betunden.
Der Kongres fordert die Metallarbeiter der ganzen Welt auf, jedem Appell des internationalen Gewerkschaftsbundes von Amster bam zur Attion in dieser Richtung Folge zu leisten. Darüber hinaus aber fordert er sie auf, den Kampf des russischen Prole tariats für seine Unabhängigkeit gegen den internationalen Kapi talismus dadurch die wirksamite Unterstügung zu geben, daß sie mit verdoppelter Energie' in ihrem eigenen Lande den Kampf gegen die Reattion und die imperialistischen Machtinitis tutionen aufnehmen, was das einzige Mittel ist, die revolutionären Errungenschaften der russischen Genossen zu retten und die Weiter führung der sozialen Revolution zu sichern.
Die polnischen Friedensbedingungen Bedingungen haffen, die zu einem befriedigenden Ergebnis der
TU. Kratan, 28. Auguft.
Der dem polnischen Außenminister Sapieha nahejtehende " Czas" nennt als Hauptpunkt der polnischen Friedensbedingun gen: 1. Anerkennung der äußeren und inneren Unabhängigkeit Bolens. 2. Zuerkennung einer Ditgrenze, bei der alle Gebiete mit überwiegend polnischer Bevölterung oder polnis sher Kultur an Bolen fallen. 3. Dauernde Zugehörig feit Otgaliziens zu Bolen; die Unabhängigkeit Litauens und Weißrußlands muß insoweit gewährleistet werden, daß nicht bie Gefahr einer Abhängigkeit von Sowjetrußland besteht. Um bies zu erreichen, könnten diese Randstaaten vielleicht vorläufig unter den Schutz des Völkerbundes gestellt werden.
An diesen Friedensbedingungen fällt besonders die Forderung der dauernden Zugehörigkeit Ostgaliziens an Polen auf. Wie erinnerlich, ist die ostgalizische Frage der Gegenstand steter Beratung des Obersten Rates und der Friebenstonferenz gewesen. Eine endgültige Lösung war noch nicht gefunden. Wenn jetzt Polen versucht, mit dem Gewicht seiner militärischen Erfolge zu erreichen, daß Ostgalizien ihm einverleibt wird, so wird es auf den Widerstand nicht nur der Utrainer stoßen, sondern auch aus den Reihen der Alliierten selbst dürften ihm Schwierigkeiten bereitet werden. Es stimmt also nicht so ganz mit der polnischen Beteuerung, daß die Friedensbedingungen ohne Rüdsicht auf die militärischen Erfolge aufgestellt seien.
Eine Erklärung der polnischen Regierung Die polnische Regierung veröffentlicht eine Erklärung, in ber es heißt: Der Sieg bez polnischen Armee äubert nichts in der Haltung der polnischen Regierung in der Friedensfrage. Der Entschluß der polnischen Regierung, eine gerechte Lösung des Zwistes mit der bolichewistischen Regierung herbeizuführen, ist niemals erschüttert worden. Wir führen teinen Krieg gegen die russische Nation und haben es nie getan. Wir wünschen feineswegs, uns fremdes Land anzueignen; wir sind im Gegenteil der Ansicht, daß freundschaftliche Beziehungen zur russischen Nation eine Grundlage für den dauernden Frieden Osteuropas find. Unsere Friedensbemühungen müssen aber vergeblich bleiben, wenn die Verbindung ber polnischen Regierung mit ihrer Abordnung in Minst durch technische Schwierigkeiten des Funtverkehrs und der Kurierverbin bung gestört wird. Die polnische Regierung muß verlangen, daß alle Schwierigkeiten der Verständigung mit der Abordnung in Minst ohne Berzug behoben werden; denn allein eine direkte
und regelmäßige Verbindung mit unserer Abordnung kann die Verhandlungen führen.
Polnischer Frontbericht
TU. Warschau, 28. Auguft.
Amtlicher Heeresbericht vom 7. Auguft. Nordfront: Jm süblichen Abschnitt ist die Lage unverändert. Mittelfront: Jm Laufe des 26. vermehrte sich unsere Beute an der deutschen Grenze um vier Geschüße, 13 Maschinengewehre und große Munitionsmengen. Um dem vom Feinde geplanten Angriff auf Brest- Litowst zuvorzutommen, gingen Abteilun gen der 3. Legionärdivision am 25. d. M. ihrerseits zum Angriff über. An der Eisenbahnstation 3abinta( an der Straße BrestLitowst- Minst) wurden die Hauptkräfte des Feindes beim Ausladen überrascht und durch Maschinengewehrfeuer auf turze Entfernung dezimiert. Dabei wurden 650 Gefangene gemacht, barunter 11 Offiziere und 2 Generalstabsoffiziere, 12 Maschinenge wehre und 4 Lastautos erbeutet. Der Kommandant der 57. Gowjetdivision und sein Stabschef fielen in diesem Gefecht.
Südfront: Destlich von Lemberg find hartnädige Kämpfe im Gange, die bei Dziedzilom einen besonders erbitterten Charat ter annahmen. Im Raume Bobrta und Swirz wurden mehrere feindliche Angriffe abgewiesen. Bei Pohorylce wurde die 27. Sowjet- Infanteriebdivision versprengt und 120 Gefangene gemacht. Längs des Dnjestr feine Veränderung.
Stillstand des polnischen Vormarsches Verstärkungen der Russen
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TU. Kopenhagen, 28. Auguft. Aus Warschau wird gemeldet, daß die polnische Offensive infolge Ermüdung der Truppen und wachsendem Widerstand der Bolschewisten vorläufig zum Stillstand gekommen ist. Im Norden sind die Polen bis Grajewo vorgedrungen und weiter füblich wurde Orschowico eingenommen. Die Kämpfe bei Lemberg werden wahrscheinlich alsbald zum Stillstand kommen. Infolge der zunehmenden Desertion der polnischen Truppen plant man die Errichtung eines besonderen Feldgerichtshofes.
TU. Kopenhagen, 28. Auguft.
Aus Neidenburg in Ostpreußen wird gemeldet, daß die Bolschewisten große Verstärkungen erhalten, die in der Richtung Suwalfi- Augustowo vorgeschickt werden. Im ganzen sollen 36 Eisenbahnwagen mit Munition die Stadt passiert haben.
Die rufisch- finnischen Verhandlungen. In Systerbued ist gestern die durch den Waffenstilstandsvertrag festgesezte russisch- finnische Kommission zusammengetreten.
Zur Regierungsbildung in Thüringen
Aus Thüringen wird uns geschrieben:
F. P. Wenn die Unmöglichkeit, auf Grund der letzten Landtagswahl eine parlamentarische Regierung zustande zu bringen, der Ausdruck für die Lebensfähigkeit des neuen Staates Thüringen wäre, so stünde es um dessen Zukunft herzlich schlecht. Reaktionäre Kreise glauben denn auch schon aus diesem politisch unflaren 3ustande die Konsequenz ziehen zu müssen; sie stellen der neuen staat. lichen Einheit, die in erster Linie durch das ent schlossene Eingreifen der sozialistischen Parteien nach der Rovemberrevolution Wirklichkeit geworden ist, ein nahes Ende in Aussicht und die Reaktion würde um den Preis der Wiedereinführung der Monarchie bedenkenlos zu der alten Staatlichen Berriffenheit zurüdfehren. Diese reaktionären
Soffnungen stüßen sich auf das Er starten der Gegen
revolution und den Machtzuwachs, den das Bürgertum als Folge der fruchtlosen und demoralifterenden Koalitions politif im Reiche erhielt. Nachdem die Reichstagswahlen mit ihrer deutlich bemerkbaren Rechtsorientierung stattgefunden hatten, wußten wir, daß die Entscheidung zwischen Bours geoisie und Proletariat in dem bis dahin start sozialistischen Thüringen bei den Landtagswahlen auf des Messers Schneide stand. Die bürgerlichen Parteien, gefördert durch die skrupellose Hetze der Rechtssozialisten gegen die U. S. P. und die kommunistischen Stimmenzersplitterer, erhielten denn auch am 20. Juni 27 Mandate, während die sozialisti schen Parteien es nur auf 26 Mandate brachten.
Man sollte nun annehmen, daß auf Grund dieses Wahl ergebnisses mit Leichtigkeit eine rein bürgerliche Regierung gebildet werden könnte. Doch ist dem nicht so. Die demo fratische Frattion, in Stärfe von vier Vertretern, lehnte von vorneherein eine Regierungsgemeinschaft mit der Deutschationalen und Deutschen Volkspartei infolge deren aftiver Beteiligung am Kapp- Putsch ab. Ihre Absicht war, ene Koalitionsregierung, ähnlich der alten Reichsregierung, wobei auch die U. S. P. mitbeteiligt sein sollte. In diesem Bestreben wurden die Demokraten unterſtüßt durch die Rechtssozialisten, die alle demagogischen Künste Spielen ließen, die Tattit unserer Partei in der Frage der Koalitionspolitik zu durchkreuzen. Diese Roßtäuscher träumten von einem billigen Erfolg: entweder schwägen wir die U. S. P. in die Regierung oder wir bringen sie zu einer glatten Ablehnung ohne jede Erörterung.
Die Unabhängige Sozialdemokratie Thü. ringens hat weder das eine noch das andere getan; fie. hat es zu verhindern verstanden, sich ihre Tattit durch ihre Gegner vorschreiben zu lassen. Als am 20. Juli der neuge wählte Landtag in Weimar zusammentrat, war der erste Gegenstand seiner Verhandlungen die Bildung der neuen Regierung. Die Vertreter unserer Partei ließen als stärkste Fraktion die Dinge an fich herankommen. Von den RechtsSozialisten gefragt, ob sie zur Teilnahme an einer sozialistischen Regierung bereit feien, erklärte sich unsere Fraktion dazu bereit und stellte sofort ihre grundsäglichen Bedingungen, die dem Aktionsprogramm der Partei entsprechen. Zum obersten Grundsatz wurde ers hoben, daß der sich überall anbahnenden Diftatur der Bourgeoisie die Dittatur des Proletariats entgegen gestellt werden müsse. Gefordert wurde deshalb, daß unserer Partei in der neuen Regierung die absolute Mehrheit, der maßgebende, beherrschende Einfluß gesichert werden müsse; das war unbedingt notwendig gegenüber den Rechtssozialisten und den Demokraten, die ja nun einmal das Zunglein an der Wage sowohl nach rechts wie nach lints bilden. Weiter forderte unsere Fraftion: Auflösung der Einwohnerwehren, Bildung von Arbeiterwehren; Amnestie für alle von der gegenrevolutionären Justiz Eingeterferten; Beseiti gung der reaktionären Beamten, Demokratisierung der Verwaltung; Vergesellschaftung des Großgrundbesitzes, der Kraftquellen, Bodenschähe, Bergwerte usw.; Trennung von Kirche und Staat, Einheitsschule, Volkshochschulen, Hebung des allgemeinen Bildungswesens, planmäßiger Ausbau der Wohlfahrtspflege. Die neue Regierung sollte sich ferner verpflichten, bei der Reichsregierung darauf zu bringen, daß das thüringische Gebiet von allen militärischen Verbänden befreit und der Ausnahmezustand aufgehoben werde, die Klasseniustiz, insbesondere die Militärgerichtsbarkeit sofort beseitigt wird, daß mit der Vergesellschaftung der oben angeführten Einrichtungen und Güter umgehend begonnen werden darf und ein Gesetz zur Enteignung der früheren Fürsten ge schaffen wird, schließlich forderte unsere Fraktion die sofortige Aufnahme von Sandelsbeziehungen zu Rußland und Friedensverhandlungen.
Die Bedingungen unserer Partei entsprechen den Grunda fäßen des revolutionären Sozialismus und sie waren zugleich ein entschiedener Vorstoß gegen die fonterrevolutio nären Mächte. Die Rechtssezialisten stimmten diesen Richtlinien zu, die Demokraten lehnten sie ab, wie nicht anders zu erwarten war. In einer furzen Gegenerklärung betonte unsere Fraktion, daß die von ihr aufgestellten Bedingungen das mindeste dessen darstellen, was in der Gegenwart im