Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang Donnerstag, 2. September 1920
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Nummer 363
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Abend- Ausgabe
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der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands
Der polnisch- litauische Konflikt
Neue Verwickelungen
Die Verlegung der militärischen Operationen nach dem Rorden und Nordosten hat in Verbindung mit den bisherigen militärischen Erfolgen der Polen neue Verwidelungen herporgerufen, die die Lösung der Ostfragen noch mehr zu er= gebungen hervorgeht, richtet sich jetzt das Bestreben der Polen nicht nur darauf, die Grenzen weit über das Bereich des ethnographischen Bolens nach Often hinauszuschieben, sondern auch darauf, I itauisches Gebiet für sich in Anspruch zu nehmen und vor allem die Hand auf die Hauptstadt Litauens , Wilna , zu legen.
Außer von den fleinen Randstaaten ist die litauische Republik bisher nur von Deutschland und Rußland anerkannt
worden. Trotzdem besten die Ententemächte hier diplomatische und militärische Missionen, die äußerst tätig sind. Die russische und militärische Missionen, die äußerst tätig sind. Die russische Regierung hat sich mit dem Friedensvertrage ferner den freien Durchgangsverkehr durch Litauen gesichert und fest gelegt, daß für den Transit teine höheren Transportkosten erhoben werden dürfen als für den Warenverkehr im Innern Litauens . Diese Abmachungen sind insofern von großer Bedeutung, als Litauen in seinem Verhältnis zu Deutschland als Durchgangsland zwischen Deutschland und Ruhland beurteilt werden muß. Uebris gens haben die Bolschewisten, die offenbar bemüht find, ihren politischen Kredit zu heben, ich bisher ziemlich genau an die abgeschlossenen Verträge gehalten. Das alte litanische Gebiet haben sie überhaupt nicht berührt und nur die Gebiete besetzt, die die Polen in den Händen hatten und die aus strategischen
3u diesem 3wed wird jetzt vor allem gegen den russischlitauischen Friedensvertrag Sturm gelaufen und der Versuch gemacht, die Berhandlungen, die in Ausführung des Fries densvertrages zwischen Rußland und Litauen fortgeführt werden, zu durchkreuzen. Es ist bezeichnend, daß das Oberste sondere Räumungsabkommen getroffen. Komitee der Polnischen sozialistischen Par= tei, zu beteuern, sich in der litauischen Frage an die Spize der Kriegstreiber gestellt hat und u. a. erklärt, daß es de zwi schen Sowjetrußland und Litauen geschlossenen Frieden vom 12. Juli 1920 als„ Gewaltfrieden" betrachte und demgemäß night anerkenne. Marschall Pilsudski geht natürlich noch weiter, indem er auch nach dem Osten hin Eroberungsziele propagiert und die ehemalige deutsche Schüßengrabenlinie, die von Baranowitschi über Binst längs des Styr und Stochob berlief, als die beste polnische Grenze erklärt. Daß diese Grenze weit über die von Lord Curzon im Namen des Obersten Rates der Alliierten festgesetzte Linie hinausreicht
Gründen besetzt werden mußten. Ueber diese Gebiete wurden be
und
große Teile Weißrußlands und der Ukraine umschließt, ficht den ehemaligen prominenten Führer der Polnischen So zialistischen Partei nicht an. Er stellt sich vielmehr bewußt an die Spitze der polnischen Imperialisten, selbst auf die Gefahr hin, neue folgenschwere Verwickelungen im Often heraufzubeschwören und den Krieg weiter in die Länge zu
ziehen.
Die Bestürzung, die die Neußerungen Pilsudskis in Lon bon hervorgerufen haben, ist bezeichnend für den Ernst der neugefchaffenen Situation. Man sieht in diesen Aeußerungen mit Recht eine Rundgebung der von Frankreich unterstützten polnischen Militaristen, den Frieden mit Rußland zu sabotieren und die in Versailles festgesetzten Grenzen unbeachtet zu lassen. Da die englischen Regierungsfreise, im Gegensaz über die militärische Schlagkraft Polens hingeben und den zu den franzöfifchen, sich feinen allzugroßen Erwartungen Ausstreuungen über den Zusammenbruch der russischen Armeen feinen Glauben schenken, befürchten sie im Hinblick auf die Lage im Osten mit einem Schlage zu Ungunsten Polens und der Entente verändern könnten. Sie dürften mit dieser Annahme recht haben. Denn wenn es England nicht gelingt, den polnischen Eroberungsdrang zu zügeln, wird der mili
um so fühlbarer sein.
Der polnis.fitauische Konstitt hat sich vers 1härft. Die Berhandlungen find gescheitert. Die polnische Delegation ist abgereift. Die Bolen forderten die Bahnlinie Grodno- Molodetschno und die Garantie, daß die Bahn Grodna- Wilna von den Russen nicht militärisch benugt werden darf, ferner Militärtonvention gegen Rußland . Bei weiterem Vormarsch der Bolen ist der Krieg nicht zu vers meiben. Litanische Flieger haben bereits Augustowo mit Bomben belegt. Die Engländer suchen zu vermitteln, indem sie die Polen
zurüidgalten.
( Eigener Drahtbericht der„ Freiheit".) Kowno , 31. Auguft.
Die polnische Delegation, die mit der litauischen Regierung über die Grenzfestlegung verhandeln soll, ist gestern hier eingetroffen. Die litanische Regierung wird versuchen, die von der Sowjetregies rung festgelegte Grenzlinie im wesentlichen zu behalten. Der Ver trag mit der russischen Regierung sieht eine Grenze vor von der Düna , vom Oftzipfel des ehemaligen russischen Gouvernements Kurland, also noch öftlich von Dünaburg , genau füdlich nach I und die Bahnverbindung olod- Minst russisch bleibt. Die Molodetschno, von dem der Bahnhof litauisch wird, die Stadt
Grenze folgt dann der Beresina und dem Njemen und zwar füdlich von Grodno . Sie ist nicht ganz bis zur deutschen Grenze durchgeführt. Da hierdurch Wilna , Grodno , Swenzyany in litauisches Gebiet fallen, die Polen sich aber bisher nicht bereit erklärt haben, diese Gebiete aufzugeben, fo werden die Berhandlungen äußerst schwierig sein.
Auch diese Abkommen haben die Bolschewisten prompt innegehalten. Danach war das Gebiet in brei Zonen eingeteilt. Die erste Zone umfaßt das Gebiet nördlich von Wilna , also etwa um Swenzyan. Die zweite 3one schloß Wilna felbst ein. Sie sollte zum 1. September geräumt sein, was auch troß der ungünstigen militärischen Operationen prompt erfolgt ist. Für die dritte Zone, die Grodno umfaßt, ist ein bestimmter Räumungstermin nicht festgelegt. Es heißt in dem Bertrage, daß das Gebiet geräumt werden wird, sobald die strategische Lage es gestattet. Das ist solange nicht möglich, wie die Russen die Bahn Grodno- Molo detschno brauchen.
Bolnisch- litauische Kämpfe
Kowno , 1. September. ( Litauische Tel.- Agent.) Da die Polen im Widerspruch zu den gepflogenen Verhand lungen über die Festjehung der Demariationslinie mit Litauen nach. Kämpfen mit litanischen Truppen am 30. Auguft Suwalti bejetten und ihnen wenige Tage vorher Augustowo entrissen, wurde der polnischen Militärmission in Kowno nahegelegt, das litauische Territorium zu verlassen, da ihre Anwesenheit dem früheren Zwede nicht mehr entspreche. Sie reiste beshalb heute nach Warschau zurüd. Die beabsichtigte Entfendung einer litauischen Delegation nach Warschau kommt unter diesen Umständen auch nicht mehr in Frage.
Kowno , 1. September. ( Litauische Tel.- Agent.) Litauischer Generalstabsbericht vom 1. September: Jm Süden mußten Teile der Mariampoler Truppen unter dem Drude der viel stärkeren Polen nach Kämpfen zurückgehen. Es gab auf beiden Seiten Tote und Verwundete.
Bündnis mit Wrangel
Paris, 2. September.
Die Generalstabsoberste Stromfeld und Julier, der Gene ralstabsoberleutnant Tombor waren die obersten Leiter der ungarischen roten Armee und die militärischen Ratgeber ber Räteregierung. Stromfeld wurde von dem Militärgerichte zu drei Jahren schweren Kerkers verurteilt. Nach seinem Prozeß wurde nun der Oberstleutnant Tombor vor die mili tärischen Richter gestellt und nach einer Verhandlung, die drei Wochen währte, freigesprochen. Die Anklage lautete auf Hochverrat und Aufruhr, durch die er an der Errichtung der Räteherrschaft und ihrer Erhaltung mitgewirkt haben soll. Aber Tombor und die lange Reihe der aufmarschierten Zeugen, meistens gewesene Generalstäbler, haben den schlüssigen Beweis erbracht, daß Tombor sich zwar der Räteregierung zur Verfügung gestellt, daß Vertrauen der Volkskommissäre erwerben wußte, aber vom ersten Augenblicke an daran arbeitete, die rote Armee in ein Werkzeug der Gegenrevolu tion umzuwandeln, die Kommandogewalt der Offiziere wie derherzustellen, um die durch die Siege gewonnene Prestige der roten Armee gegen die Herrschaft des Proletariats zu tehren oder aber durch die Sabotage der Organisation und des Nachschubes, als die militärische Lage sich verschlechterte, den Todesstoß der roten Armee zu versetzen und offen mit
dem Landesfeinde zu paktieren.
Das Kriegsgericht würdigte diese Verdienste des Tombor und sprach ihn frei, obwohl dieser Freispruch die ganze gegen revolutionäre Justiz als ein Werkzeug des Justizmordes. brandmarkt. Tombor wurde mit der Begründung freiges Sprochen, daß obwohl die Proletarierbittatur als Aufruhr zu betrachten ist,.... der Umstand allein, daß er im Dienste blieb, nicht als Teilhaberschaft an dem Aufruhr zu bezeich nen" sei. Dieser Freispruch ist darum ein Schlag gegen die ganze fonterrevolutionäre Justiz, weil Tausende bisher verurteilt und noch seit einem Jahre in Untersuchungshaft gehalten werden, lediglich, weil sie im Dienst blieben" oder Dienst nahmen.
Tombor war einer jener nationalbolschewisti schen Offiziere, die die ungarische Räteregierung als ein Werkzeug der nationalistischen Bestrebungen mißbrauchs kommissäre des Krieges gingen aus der alten, ursprünglichen ten und sich aus diesem Grunde ihr anschlossen. Die Bolts tommunistischen Partei hervor, Szamuelly und Po gany waren es eine Zeitlang, aber der eigentliche Kriegss kommissar war Bela Szanto, ein Kommunist strengster Observanz, allerdings ein Mann, der nichts von Krieg und Militär verstand und dessen erster Ratgeber eben der Genes ralstäbler Tombor wurde. Mehr. als alle innere und äußere Schwierigkeiten trug diese teilweise unfähige, teilweise vers räterische Verwaltung der roten Armee zum Sturze der Räteherrschaft bei. Obwohl es genügend bekannt sein dürfte, perlohnt es sich doch auf diesen nationalbol ungarischen Räteherrschaft gerade heute, wo sich ähnliche Bewe gungen in Deutschland bemerkbar machen, hinzuweisen. In der Periode der Oktoberrevolution agitierten die Kom munisten sehr oft mit dem Hinweise auf die die Grenzen Galiziens überschreitende russische rote Armee, die die mörs derischen Bestimmungen der von der Entente festgesetzten Waffenstillstandsbedingungen umstoßen und Ungarn von den erniedrigenden und vernichtenden Friedensbedingungen bes freien werde. Lenins Armée war in den Monaten Februar und März 1919 die Hoffnung aller guten ungarischen„ Pas trioten".
W
Nach einer Melbung der Information" aus Warschau fin den augenblicklich zwischen dem Abgesandten des Generals Branche wistischen Ursprung gel, Belzow, und den Polen in Warschau Verhandlungen statt gel, Belzow, und den Polen in Warschau Verhandlungen statt über ein gemeinsames Borgehen der polnischen Truppen mit benen des Generals Wrangel.
Der Dreibund und der Bergarbeiterstreik
SN. London, 2. September. Heute wird die Konferenz des Dreibundes anfs neue zusammentreten und man erwartet, daß sie heute die Mittel beraten wird, die einen Streit im letzten Augenblick noch vers hindern können. Die britische Regierung hat bisher ihre Hal tung in der Angelegenheit nicht geändert, obgleich der Arbeits minister Sernes bekanntgab, daß die Regierung bereit fei, nene Borschläge zu erwägen, falls sie von seiten der Grn benarbeiter gemacht würden. Der Unterausschuß des indu triellen Dreiverbandes wurde für ständig erklärt und hat die Befugnis erhalten, falls nötig, eine Sonderfonferenz der Arbeiterschaft zusammenzuberufen.
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Diese nationalistische Färbung des Kommunismus, gegen die die Theoretiker und Führer der Kommunisten mit ihren prinzipiellen Erklärungen nicht auftommen fonnten, trug März ohne irgendwelchen Widerstand erfolgte unde sehr viel dazu bei, daß die Uebernahme der Macht am 21. nationale Begeisterung die Sowjetherrschaft begrüßte, die dem schwächlichen und erfolglosen Verhandeln mit der Entente, das die Regierung Karolni betrieb, ein Ende machen und mit der Waffe in der Hand die alten Grenzen Ungarns wiederherstellen werde. Diese Stimmung war so
Maschinengewehre gegen den Hunger start, baß Bela Khun durch fie bestimmt wurde, das An
Demonstrationen in Augsburg Augsburg
, 1. September. Während einer für heute nachmittag im Rathans anberaumten Sigung von Bertretern der Stadt, der Regierung, der Arbeits geber und Arbeitnehmer bildeten sich in den Außenvierteln der
Stadt Demonstrationszüge, die sich nach dem Rathaus hin bewegten. Die Bevölkerung demonstrierte für billigere Lebensmittel Ein starkes Polizei- und Sicherheitswehr aufgebot hielt die Straßen vor dem Rathaus besetzt. Die Menge verlangte u. a. stürmisch die Entfernung der Maschinengewehre, und schließlich sah ich die Polizeiwehr genötigt, der Menge den Sicherheitswehr von der Menge hart bedrängt und mußte von der Waffe Gebrauch machen. Auf eine Maschinengewehrjalve, die als Schredsalve gedacht war, stob die Menge auseinander. Zwei Berfonen wurden getötet und zwei verlegt. Zur Zeit herrscht Ruhe. Ein starkes Polizeiwehranfgebot hat das Rathaus belegt.
Die litauische Regierung, die Wilna zur Hauptstadt des Landes machen will, hofft offenbar auf die politische Unterstützung der Engländer. Die Grenziinie ist strategisch für Litauen sehr günstig, Borbeimarsch vor dem Rathaus zu gestatten. Dabei wurde die da fast überall Seen- Ketten das Land nach Osten sichern. Bins Instock haben die Russen im Bertrage nicht berührt und auch den Litauern nicht zugesprochen, offenbar mit der Absicht es sich selbst für den Korridor vorzubehalten, den sie zur deutschen Grenze zu ziehen wünschen.
gebot des General Smuts, der im Auftrage des Obersten Rates mit einem Friedensantrage, und dem Vorschlage der Aufhebung der Blockade und der Anerkennung der Regie rung nach Budapest fuhr und dafür nur den Rückzug auf die von der Entente festgelegte Demartationslinie forderte, zurückzuweisen. Sogar die Arbeiter waren dieser Stim mung zugänglich was Wunder daß die Offiziere der alten Armee, die in der pazifistischen Oktoberrevolution sich aufs Pflaster geworfen sahen, der roten Armee zuströmten.
Tombor und Julier waren die Führer dieser Offiziere. Aber als die Räteregierung an die Verwirklichung ihres sozialrevolutionären Programms schritt und der Vormarsch der russischen roten Armee ausblieb, statt ihrer aber im April die imperialistischen rumänischen, jugoslawischen und techoslovakischen Truppen den Vormarsch begannen, schlug diese Stimmung in ihr Gegenteil um. Der Räteregierung erwuchs der grimmigste und gefähr. lichste Feind eben in diesen getäuschten Nati