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Die Berhandlungen des Ausnahmegerichts

3weiter Verhandlungsieg.

Um 2 eröffnete Landgerichtsdirektor Dransfeld, ber füz ben beanstandeten Landgeridjfsdirektor Ernst den Vorsiz über­nommen hatte, die Sigung und erklärte, daß an Stelle ber Land­gerichtsräte Jamrath und Senfel die Landgerichtsräte Sen= briner und Böttcher, für Major Schemmel Hauptmann Raufmann pom Reichswehrgruppenkommando ernannt worden feien. Der Borfigende erflärt, daß die von der Verteidigung be anstandeten Mitglieder des Gerichts sich nicht für befangen er­flärt hätten.

3n längeren Erflärungen legt Rechtsanwalt 2 amp dar, daß die Ablehnung des Gerichtes auf Grund des§ 23 der Straf­prozeßordnung erfolgt sei. Die drei gelehrten und ber militärische Richter hätten beim Borverfahren mitgewirkt und fönnten beshalb nicht über die Angeflagien richten. Der Borsigende Landgerichts­direktor Ernst habe zudem noch das Attenstüd in der Hand gehabt, das den Bermert frug Nicht für die Verteidigung bestimmi". Landgerichtsrat Jamrath habe selbst erklärt, bag er Gegenüber Stellungen von Angeklagten vorgenommen habe. Er habe also eine Bräjudifation vorgenommen. Rechtsanwalt Weinberg bittet um die Feststellung, ob bos neu gewählte Gericht ent: Sprechend dem Buchstaben des Gejezzes zusammengefeht sei.

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Der Borsigende, Landgerichtsrat Dransfeld erklärte bar­aufhin, daß bie Landgerichtsräte Menbriner und Böttcher ebenso wie Sauptmann Kaufmann vom Reichswehrgruppenfommando als Beifigender Richter gewählt jeien. Ihm, dem Bozfigenben, sei dieses Amt gemäß Abf. 4 der Ausführungsbestimmungen der Berordnung des Reichspräsidenten   vom 30. Mai, nach Anhörung des Kammer­gerichtspräsidenten, übertragen worden.

Rechtsanro. Bönheim gibi namens der Berteidigung die Erflä­rung ab, boß auch das heutige Gericht vor allem erit seine 3utändigteit feststellen müffe. Justizrat änil bittet, den Angeklagten Boß barüber zu vernehmen, daß Land­gerichtsrat Jamrath dem Angeklagten gewiffe Dinge auf den Ropi sugejagt habe. Aus diesem Grunde müffe er die Ablehnung bes beifigenden Richters unterstreichen. Justizrat Broh erblidt in dem Berhalten des Landgerichtsrats Jamrath, der selbst erklärt habe, baß er zugunsten der Ringeklagten Gegenüberstellungen vor­genommen habe, eine Bräjudizierung, da ein Richter meder zu­ungunsten noch augunsten eines Angetlagten eintreten dürfe. Das Gericht sei unzuständig, da die Berordnung des Reichspräsidenten  pom 30. Mai, wenn sie überhaupt hätte Gültigkeit haben sollen, der Gegenzeichnung des Justizministers, des Reichswehrministers und des Ministers des Innern bedurft hätte.

Der Vorsitzende vernimmt hierauf den Schlosserlehrling Bok. dem Landgerichtsrat Jamrath Straftaten auf den Kopf zugesagt haben soll. Der Angeliagte Voß erklärt hiezzu: Ich kannte den Namen des Richters, der mich verhörte, zwar nicht, doch ich ver­mochte ihn gestern sofort wiederzuerkennen. Herr Jamrath fragte mich, ob ich der Kampforganisation der K. B. D. angehöre. Ich erwiderte ihm, daß ich überhaupt nicht organisiert sei, weil es miz an Geld fehle. Der Richter sagte meiter zu mir: Mann, Sie haben boch auf der Rennbahn mit Holz- Handgranaten ge worfen und Maschinengewehre eingeschossen. Antlagevertreter Rammin: Die Ablehnung des Gerichtes aus§ 23 der Straf­prozeßordnung trifft hier nicht zu. Im Fall des Angeklagten Bog fann ein Berschulden des Landgerichtsrat Jamrath nicht in Frage tommen, denn schließlich muß der Angeklagte vom Richter einmal verhört werben. Der Antrag der Berteidigung, daß dieses Gericht über die Frage der Zuständigkeit des Gondergerichts erst beraten foile, erscheint hinfällig, da das Gericht bereits seine Zu­ständigkeit erklärt hat.

Burückweisung des Ablehnungsantrages

Auf die Ausführungen des Staatsanwaltes folgen furze Re­plifen der einzelnen Berteidiger. Dann zieht sich der Gerichts­hof zur Beratung zurüd. Rach anderthalbstündiger Beratung ver tünbet Landgerichtsrat Dransfeld folgenden Beschluß:

1. Weber bie Frage, ob das ertennende Gericht gefeglich berufen ift, hat das beschließende Gericht nicht zu entscheiben.

2. Der Ablehnungsantrag wird als unbegründet zurüdgewiejen und zwar aus folgenden Gründen: Die abgelehnten Mitglieder des Gerichts haben sich in dienstlicher Aeußerung als unbefangen erflärt. Eine Eröffnung des Sauptverfahrens im Sinne der Strafprozeßordnung hat nicht stattgefunden, weshalb eine Mit­wirtung des Gericgis an einem solchen Beschlusse nicht in Frage tommt. Die Bernehmung einzelner Angeklagter durch den Land­gerichtsrat 3ameath Relit teine Sandlung des Untersuchungs­righters im Sinne der Strafprozehordnung dar. Die Vernehmung ift nur im Interesse der Angeklagten erfolgt und nicht mit Rüd­ficht darauf, eine Entscheidung über die Einstellung oder Eröffnung des Berjahrens herbeizuführen. Was den Einwand betrifft, daß der Landgerichtsrat Jamrath von den sogenannten Geheimalten Senninis genommen habe, fann das Gericht hierin feinen Grunb zu Bebenfen der Unparteilichkeit dieses Richters croliden, nach Hem Landgerichtsrat Jamrath sich als völlig unbefangen erklärt hat.

Nach Verkündung dieser Entscheidung schließt Landgerichts­Direttor Dransfeld die Berhandlung. Nach wenigen Minuten wirb bann die neue Verhandlung von dem eingelegten, von der Berteidigung abgelehnten Gerichtshof, unter Borji des Landge= richtsdirektors Ernst, eröffnet. Aisbald erhebt sich Rechtsanwalt Dr. Bönheim und stellt im Namen der Berteidigung den An­izag, der Gerichtshof möge noch einmal in eine Prüfung feiner Zuständigkeit eintreten. Die Berteidigung stelle diesen Antrag xochmals, meil sie der Ueberzeugung sei, daß bem Gericht bei feiner ersten Entscheidung ein Beziehen unterlaufen fei.

Bei

her weiteren Begründung des Antrages fommt es zu einem Kleinen Zujammenikah zwien der Berteidigung und bem Borsigenden. Als Rechtsanwalt Dr. Bönheim unter anderent barauf hinweist, der Borsitzende

habe in feiner Begründung bes Bez fchlusses auf Zurüidmeifung des Ablehnungsanirages ba BOK gesprochen, daß nach ber fraglichen Berordnung jeber Minister in feinem Ressort die Entscheidungen und die Verordnungen zu treffen habe, s. 18. der Justisminister, die Entscheidungen für fein Amisgebiet zu erlaffen habe, unterbricht Landgerichtsoirettor Dr. Ernst mit den Worten: Das habe ich nicht gejagt."-Rechtsanwalt Dr. Bönheim: Dann bätten die familichen Berteidiger sich geirrt. Bor, etwas unwillig unter­brechend: Welcher Antrag wird denn nun gestellt? Wir wollen boh endlich weiterkommen." Rechtsanwalt Bönheim führt in ber Begründung sort und bittet um nochmalige Brüfung der Zu­tändigkeitsfrage und um einen Gezichtsbesching hierüber. Bom Justizral Dr. Broh wird dann nochmals ber schon in her ersten Sigung erhobene Einwand des Mangels ber Aftin- Legitimation des Gerimis wiederholt und nochmals begründet. Das Gericht sieht sich zu einer furgen Beratung zurüd und der Borsigende ver= findet dann, daß tein Anlag vorliege, nachmals die ganzen Fragez, die bereits gestern erörtert scien, durchzusprechen.

Rein Ausschluß der Deffentlichkeit

Bor Eröffnung der Berhandlung muß bann schließlich noch der am Dienstag vom Staatsanwalt geftelte Antrag auf lusschluß her Deffentlichteit erörtert werben. Juftizzat Broh bittet, den Antrag des Staatsanwalts abzuweisen, da die Angeklagten, die flar und offen gehandelt hätten, fein Interesse an einer geheimen Berhandlung hätten. Ober fürchtet der Herr Staatsanwalt, fuhr der Berteidiger fort, etwa, baß in diefem Brozeß ich Enthüllungen über Spigeleien unjauberiter Art ergeben werden, aber genügt ihm bie Tatsache, bah ber Staat sich unsauberer Spigeleien bebient, etwa zur Stellung seines Antzages? Bors.: Vielleicht äußert fid) ber Staatsanwalt über seine Gründe?

Staatsanwalt Remmin: Ich befürchte eine Gefährdung bes Staatswohls, möchte mich über meine Grünbe nicht näher aus­Tassen. Justizrat Broh: In diesem Falle stehen den tollsten Bermutungen Lor und Lüz offen. Glaubt ber Serz Staats­analt etwa, daß die 24 Angeflegten hier den Staatstörper schon

so unterhöhlt haben, daß allein die Erörterung ihrer Taten genügt, um den Staat zu stürzen? Justizrat ränt1: 3u ben wenigen Rechten der Angeflagien vor diejen Sondergericht gehört die Oeffentlichkeit der Verhandlung. Würbe man ihnen dieses legte Ret rauben, würde ein Sturm der Entzüftung losbrechen. Rechtsanwalt Bönheim: Da bie Anflage weber mündlich noch schriftlich erhoben ist, fann bas Gericht zu der Frage des Aus­Schlusses überhaupt nicht Stellung nehmen. Rechtsanwalt Weinberg: Da der Staatsanwalt teine Gründe genannt hat, tönnen wir auch zu seinem Antrage nicht poleminieren. Bors: Sie haben auch nichts zu poleminieren. Rechtsanwalt Wein berg  : Der Sert Staatsanwalt fürchtet offenbar, dag er im öffentlichen Verfahren die Umtriebe der Gegenrevolution aufbeden mu. Ursprünglich hieß es ja fogaz, es werde zur Sprache fommen, day Major Kaupijch zajammen mit den Engeklagten die bestehende Orbnung stilzen wollte. Rechtsanw. 2amp: Ein Husschluß ber Deffentlichteit in diesem Berjahren würde trot der unerfreus lien Aumefenheit der Militärs in diesem Enaie und trok bez Drahtnechase auf ber Gtraße ciuen Entrüftungssturm hervors rafen, der alles hinwegjegen würbe.- Boz.: Jch bitte dringend, fachlich zu bleiben. Das Gericht hat nach dem Gesetz zu handeln, unbekümmert um das, was außerhalb dieses Saales vor sich geht. Die Angeklagten Michaelis, Schulze und Burfert protestieren ebenfalls gegen Ausschluß der Deffentlichkeit. Das Gericht zieht fich zu furzer Beratung zurüd und der Borsigende verkündet, dah ber Antrag auf Ausschluß der Deffentliteit abgelehnt worden ist.

Die Anklageschrift

Nach Verkündigung des Gerichtsbeschlusses, daß der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ausschluß der Deffentlichkeit abgelehnt ist, stellt der Borsigende die Bersonalien jämtlicher Angetlagten fejt. Dabei stellt sich heraus, daß brei der Angellagten Analphabeten find.

Sierauf verlieft der Auflagenertreter die Anklageschrift, die vor dem außerordentlichen Geright nicht, wie es die Strafprozeß­ordnung vorschreibt, den Prozeßbeteiligten befannt ist. Die An­geflagten Michaelis, Falt, Schulze, Raag und feiffer werden beschuldigt, ohne Genehmigung der militäri­schen Dienststellen andere Personen zu militärischen Berbänden zusammengeschloffen und zum Zusammenschluß aufgefordert zu haben. Mit Ausnahme des Angeklagten Dröger werden alle Angeklagten der Teilnahme an diefen militärischen Verbänden, - der Angeklagte Dröger der Beihilfe dazu beschuldigt. Nach bem der Antlagevertreter eine gedrängte Begründung zu der An­flage gegeben hat, verlangt der Verteidiger Rechtsanwalt.n.­heim, daß der Staatsanwalt den Prozeßbeteiligten zum nächsten Berhandlungstag eine Riederschrift der Anflage überzeiche, da es der Berteidigung nicht möglich sein wird, die Anklagepunkte, die der Staatsanwalt in schneller Folge verlesen hat, im Gebächtnis zu behalten. Weiter verlangt Rechtsanwalt Bönheim die schrift: fiche Bekanntgabe des Eröffnungsbeschlusses der Hauptverhand­lung. Der Staatsanwalt erklärt sich bereit, die Wünsche der Bez­teidigung zu erfüllen.

Die Bernehmung der Angeklagten

Der Borsigende schritt dann zur Bernehmung des ersten An­getlagten Rari iebs. Dieser gibt an, daß er im Jahre 1919 Der... D. beigetreten sei, meil er glaubte, daß dieje Partei die ehrlichsten Absichten habe. Während des Kapp- Butsches wurde auch eine kampjorganisation( R. O.) innerhalb der A. 2. P. D. ins Leben gerufen. Am 19. Auguft, dem Tage der Gießerei in Weißensee sei er von dem Angeklagten Schulze nach einem Lofal in Weißensee gelidt worden, um Plakate in Empfang zu nehmen. Diese seien jedoch nicht angelommen, dafür wurde ihm aber gefagt, daß von einem Laubengelände Waffen ab­zuholen feien. Er sei mit mehreren anderen nach einer ihnen näher bezeichneten Straße gegangen, wo es zu einer Schießerei fam, bei ber fein Freund, der Mitangeflagte Krüger, schwer ner wundet wurde. Da er seinen Freund nicht verlassen wollte, fet er bann mit diesem zusammen festgenommen worden. Der Borsigende nahm den Angeklagten hierauf in ein Kreuzperhör, um fest­zustellen, wer ben Auftrag zur Abholung ber Waffen gegeben hat. Darüber fann der Angeklagte feine nähere Auskunft geben. Weiter versuchte der Borfizende, aus dem Angeklagten herauszubekommen, welche Bestrebungen sich in der K. D. bemerkbar gemacht hätten. Der Angeklagte erfiärt, bab bie R. D. von der R. A. P. 3. wäh rend des Rapp Butsches ins Leben gerufen mozden jei, im April aber wieder aufgelöst wurde. Sie hätte den 3wed verfolgt, den Drangfalierungen der Freikorps   und der Kappisten wirksam ent gegenzutreten.

Der Borsigenbe hielt dem Angelingten unter anderem eine frühere Ausiage por, in der er zugegeben hatte, daß die R. O. in Abteilungen und Gruppen eingeteilt war. Er selbst habe der Ab­teilung Wurf" angehört. Auch hatte er angegeben, daß diese Abteilung mehrmals Uebungen abgehalten hat. Auch steht in dem gleichen Protokoll, daß nach der Festnahme im Bolizeipräsidium von einem Kriminalkommissar aufgenommen morden ist, daß der Angellagte erklärt hätte, die K. D. verfolge die gleichen Ziele wie die Bolschewifi in Rußland  , Dazu erklärt der Angeflagte, bag er nach leiner Berhaftung im Bolizeipräsidium ihmer mishandelt worden sei, so daß er noch tagelang heftige Schmerzen im Kopf hatte. Er fei dadurch in einen verängtigten Zustand geraten und fei so zu diesen Aussagen getommen. Auf Beranlassung der Staatsanwaltschaft fragt der Borsitzende, wie cr zu zwei Gewehren gekommen ist, die in seiner Wohnung beschlagnahmt worden sind. Der Angeflagte erklärt dazu, daß sie in seiner Abwesenheit von einem Unbekannten abgegeben worden sind. Nach einigen Fragen der Ver­teidigung erklärt der Borfihenbe die Vernehmung des Ange­flagten für beendet und schließt die Sigung um 8% Uhr. Die Ver­handlung wird heute früh 9% Uhr fortgelegt.

Feine Methoden

Die Gehälter der Angestellten

Aus den Kreisen der Angestelltenräte der Reichs­und preußischen Statsministerien erhalten wir eine Zu­schrift, aus der wir folgendes wiedergeben:

In Nr. 430 der Täglichen Rundschan" vom 14. September 1920 macht das Mitglied des Reichstag3 Herr Morath. sehr anfecht­bare Ausführungen über das Verhältnis der Beamten und An­geftellten in den Reichs- und Staatsministerien, bie nicht unerwidert bleiben können. Danach hat der Staat Ueberfluß nicht an Beamten, sondern an Angestellten und obendrein noch an untüchtigen. Die Behörden, so folgert Morath weiter, übernehmen mit der Bet behaltung der Angestellten ein gutes Etüd Erwerbslosen= fürsorge.

Auf das allerentschiedenste muß die Ansicht zu­ridgewiesen werden, daß die Angeßellten nicht ihre Tätigkeit als folche entlohnt erhalten, ihre Tätigkeit als folche entlohnt erhalten, fondern aleigiam rbeitslofenunterstütung be. siegen. Gine folche Bewertung der Arbeitskraft der Angestellten verbicut niedriger gehängt zu werden. Ein großer Teil der Au­gefiellten ist gerade barum herangezogen worden, weil es den Be­Börben an Fachleuten für die vielen neuen Aufgaben der Kriegs- und Nachkriegszeit fehlte, was Morath übrigens au einer Stelle auch felbft eingesteht. Geftüßt roerden die Behauptungen Moraths auf Material, bas jeden Giraeweihten ohne weiteres extennen läßt, wie melifremb der Verfasser diefen Dingen gegen übersicht. Die Angestellten haben nach seiner Ansicht die Beamtens schaft überflügelt, beziehen mehr Gehalt als die Beamten, haben bellere Arbeitsbedingungen, bezahlte Ueberfunden, längeren Urlaub und was der Dinge mehr find; auch berewige der von dem fogtal bemokratischen Reichetangler Müller abgeschlossene Tarifvertrag die Einrichtung der Angestellten in ben Staatsbetrieben.

Betrachtet man diesen Tari? genauer, To fteht man oh weiteres, daß von einer höheren Besoldung der Angestellten gegen über der Beamtenschaft nicht die Rede sein tann. Es erübrigt fid an dieser Stelle, längere Auszüge aus dem Tarifvertrage zu geben zumal da schon vielfach in der Oeffentlichkeit darauf hingewiefel ift, mit welchen Gehältern die Augestellten ihr Dasein fristen sollen Morath sieht in feinem Artikel zwar den Zeiltarif an, aber die Ausführungsbestimmungen der beiden Finanz ministerien, welche diese Bestimmungen des Tarifes ein gutes Stüd verwässern, vollkommen außer Betracht. Auch verteunt er welche ungeheure Befferstellung der Beamte durch seine Untu barleit und Pensionsberechtigung dem Angestellten gegeber genießt Wie Morath außerdem behaupten lann: Für Beamsenforderunger waren feine Mittel vorhanden, aber bie weit größeren Geldaufmant erfordernden Anträge der Arbeiter und Angestellten wurden nod inner bewilligt", ist angesichts der Beamtenbesoldungsordnung un verständlich. Merkwürdig ist zum Teil fein Bahlenmaterial. S die 65 000 Köpfe Militärberwaltungspersonal bet den Abwickelung ftellen nanute er einen Gehaltsaufwand von 2, Milliarden Mar ir ein Gtatsjahr, daß hieße: Jeber Magestellte erhielte eine Jahres entlohnung von 40000 Mart, eine Freigebigkeit, die man dem Fistul selbst in dieser Seit tam zutrauen dürfte.

Moraths Darstellung fennzeichnet sich soweit als eint Irreführung der Oeffentlichkeit zu dem Zwed die Schuld an der fortdauernden Anschwellung des Etats au di Gehälter der Angestellten zu schieben.

Die Stromversorgung Berlins

Bon Otto Biska

Durch das Rohlenabkommen von Spaa ist die Strombelieferung Groß- Berlius in ein fritisches Stabium getreten. Die Verhältnist haben fich angespigt, wie es in No. 252 der Freiheit" vorausge fagt wurde.

Gemildert wird die Stromfrife gegenwärtig durch die allgemeint Wirtschaftsfrise. Aber selbst, wenn es möglich sein sollte, fic in ge miffem Umfange zu beheben, wird man für Groß- Berlin an eint über den gegenwärtigen Stromverbrauch hinausgehende industrielle Betätigung faum benfen fönnen, und war deshalb nicht, weil das Reichsschah- Ministerium jetzt bazu übergegangen ist, von den für unseren Bedarf vollkommen ungenügenben 40 000 Kilowatt Fernitrom bem Berliner   Industriegebiet noch 10000 zu beschneiden. Diesey Ausfall von 10000 Kilowatt Feruftrom, der vertragsgemäß nac Mitteldeutschland   und Sachsen   geliefert werden muß, ist durch eine Stromquelle irgendwelcher Mit für Berlin   nicht auszugleichen. Ein Ausgleich ist nur möglich, wenn die von der Kohlenwirtschaftsstelle in den Marken in einer Eingabe an das Reichsschaz- Ministerium gemachten Borschläge verwirklicht werden, und zwar so, daß haupt fächlich das sehr Starkjirom verbrauchende Stalt Stickstoff- Wert Pisterih mit möglichsier Beschleunigung in das viel rationeller arbeitende Raltstidstoffwert Leuna   übergeführt wird. Das Stickstoff wert Bisteris verbraucht von der gesamten 3fchornewiter Erzeugung allein 60000 Kilowatt. Zegt man diese unproduktive Fabrikation in bas Zeunawert, bas mit einer viel rationelleren Methode arbeitet so werden diefe 60000 Stilowatt für Norddeutschland fret, weil Leuna  von anderen Stromquellen seine Energie bezieht. Weiter wäre e leicht möglich, burch Begen einer Leitung auf ber nur 30 km langen Strecke Hegermühle- Friedrichsfelde noch 5000 Kilowatt für Groß Berlin frei zu bekommen.

Diese Borschläge, die neben anderen, weniger wichtigen von der Rohlenwirtschaftsstelle in den Marken gemacht wurden, find von den technischen Leitern der Stromversorgung im Reichsschatz- Ministerium glatt abgelehnt worden. Wir haben also die Tatsache zu verzeichnen, daß dem Jrbuftriegebiet Berlin   10000 Kilowatt ernstrom genommen find, ohne irgendeinen Grjat dafür an haben.

Die in der ersten Zeit nach dem Spaa- Abkommen propagierte Ums stellung der Betriebe auf Sohbrauntohlenfeuerung erweist sich nicht nur in der Betrieb durchführung, sondern auch aus anderen Grün­den viel schwieriger, als es zuerst den Auschein hatte. Eine ganze Anzahl von Betrieben, bie bisher auf Steinkohlenfeuerung einge richtet waren, find räumlich nur unter äußerst schwierigen Verhält niffen in der Lage, die viel mehr Baum verbrauchende Rohbraun tohlenfeuerung einzurichten. Auch die Zufuhr der notwendigen Braunkohlenmengen stellt an die zur Verfügung stehenden va porimittel Anforderungen, die die Eisenbahn einfach nicht bewältigen Tann. Um bei der Roßbraunkoble den gleichen Heizwert der Stein fohle zu erzielen, braucht man 3 Maggons jur Braunkohlenbeförde rung, bagegen nur einen bei der Steinkohle. Diese dreifache Bes laflung des Berkehrs, nur um die Braunkohlenmengen herannschaffen, die ben gleichen Wert ber vollkommen ungenügenden Steinkohlene Heferung haben, fann der Berkehr nicht tragen. Es würde alfo felbft dann, wenn es allen Betrieben, die bisser auf reine Stei. fohlenfeuerung eingerichtet waren, in fürzerer Zeit möglich sein sollte, fich auf Rehbranntehlenfeuerung umzustellen, nicht möglich sein, bia zur Feuerung nötige Braunkohle überhaupt herauschaffen su tönnen. Es zeigt sich also hier geradezu erschredenb, welche Berwüftung in Groß Berliner   Wirtschaftsleben durch die Gleichgültigkeit angerichtet wird, die die führenden technischen Personen im Meichsschazminis fterium gegenüber dem Trängen der Arbeiter und Unternehmerorganis fationen nach Ansban der bestehenden Fernkraftquellen an den Zag gelegt haben.

Jest, wo man auch dort langsam einzusehen beginnt, wohin man mit biefer Methode der Hebung des Wirtschaftslebens und dem Bieberaufbau gekommen ist, jetzt verlangt man von den Arbeitern, daß sie in den Betrieben, in denen die für die Verstärkung ec Stromquellen nötigen Maschinen hergestellt werden sollen, zu leber Kunden greifen, damit die Lieferungstermine dieser stromerzeugenden Agregaten nach Möglichkeit abgekürzt werden fönnen. Gleichzeitig sieht sich die Kohlenwirtschaftsstelle in den Marien gezwungen, ohne irgenbrote schuld an den Berhältniffen zu haben, die jetzt noch mit Zagesstrom arbeitenden Betriebe möglichst auf Nachtstrom un ftellen, irogdem in den Kommissionßigungen immer und immer wieder darauf hingewiesen wurde, daß durch die viele Jahre währende Unterernährung die Metallarbeiter nicht mehr in der Lage sind, die Körper und Nerven aufreibende Nachtarbeit für längere Zeit fiber­haupt leilen zu lönnen. Bir fehen also auch hier ben vollkommenen Widerfinn der gegenwärtigen planlosen Wirtschaft. Während des Tages, two bie Arbeiterschaft noch in der Lage ist zu arbeiten, tann fie aus Mangel an Eirom nicht ausreichend beschäftigt werden, und in der Zeit, wo Strom zur Verfügung steht, ist die Krbeiter fchaft, infolge ihres vecelendeten Rörperzustandes, nicht in der Lage zu arbeiten, um den Strom auszunuhen.

Man mag also hinfehen, wohin man will. Ueberall der gleiche und alte Zopfgeist, der es rerhindert, notwendige wirtschaftliche Auf gaben großzügig zu lösen. Eine Blenderung wird erst dann ein rieten, wenn Hand und Kopfarbeiter mit höchfter Energie und ges izagen von gemeinfamem Interesse, die Lösung dieser Fragen in bic Hand nehmen, um so den Wiederaufbau der zusammengebrochenen Wirtschaft in Deutschland   zu beschleunigen und ihren Teil zur ful turellen Wiedergeburt der ganzen Menschheit beizutragen

Die Notlage der Arbeiterschaft

Aus Eberswalde   wird uns geschrieben: Jn einer öffentlichen Bera sammlung unserer Parteigenoffen in Eberswalde   nahmen die Mrbeiter bes dortigen Industriebereichs Stellung gegen die unges heure Preissteigerung der Lebensmittel, insbesondere der Kartoffeln. Sie beauftragten den Magistrat der Stadt, eine Rominission, zu ber fie felbst brei Bertreter stellten, zum Ernährungs­minifterium zu entfenden, die dort sofortigen Preisabbau der int Lande erzeugten Ernährungsprodukte fordern soll." Dem arbei tenden Wolle, fo heißt es in der von der Bersammlung einstimmig gefaßten Resolution steht nichts mehr im ege zur Selbsthilfe: mer nichts mehr an ber Iteren hat, tann nichts als nur gewinnen." Nuz wenn die Regterung sich dazu anfrafft, gegen die wirtlichen Schübe linge bes Wolfes, gegen die Erzeuger und Händler von Waren, fit ber Schärfe vorzugehen, wie fie es gegenüber der Arbeiterschaft fo beliebt, wirb ce möglich sein, den Abbau der Raubwirtschaft au erzwingen."