Der Schimpanse.� Der Echiinponsc. welcher, wahrend ich diese Jole» in die schnellläufige Feder des Eilschreibsrs fließen lasse, in meinem Zimmer um- hergeht und sich nach Herzenslust umerhält, langte in der traurigsten Verfassung an. Er war ermüdet und en.iaitet von der Reis«, krank und geistig und leiblich herabgekommen. In dieser Lage verlangte er die sorgsamste Pflege, eine solche, wie man sie einem kranken Kinde ange- deihen laßt, und erhielt dies« und«ine treffliche Erziehung durch«inen der ausgezeichnetesten Tierpfleger, meinem alten Freund Seidel, In der freundlichsten Weise. Kein Wunder, daß er an diesem Manne hängt wie ein Kind an seiner Mutter, daß er sich seinen Wünschen fügt und in überraschend kurzer Zeit zu dem soigsamsten Pflegling unter der Sonn« geworden Ist. Namentlich seitdem er seine Krankheit voll- komme» überwunden hat, zeigt er sich als«in ganz anderes Ee- schöpf als vorher. Er ist rege und tätig ohne Unterlaß, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, sucht sich ununterbrochen mit irgend etwas zu beschäftigen, und sollte er auch nur mit seinen Händen klatschend auf feine Fußsohlen klopfen, ganz so wie Kinder es eben- falls zu hin pflegen. So ungeschickt er zu sein scheint, wenn er geht, so behend und gewandt ist er wirtlich, und zwar bei jeder Bewe- gung. Eigentliche Beweglichkeit und Behendigkeit entfaltet er aber doch nur beim Klettern, und hierin unterscheidet er sich, wie wahr- fcheinllch alle übrtgen Menschenaffen, wesentlich von seinen Orb- mmgsoerwandten. Er klettert nach Art eines Menschen, nicht nach Art eines Tieres, und turnt in der ausgezeichnetesten Weise. Mit seinen Armen ergreift er einen Ast oder sonstigen f)alt und schwingt sich nun mit überraschender Gewandtheit über ziemlich weite Eni- scrnungen weg, macht auch verhältnismäßig große Sätze, immer aber so, daß er mit einer Hand oder mit beiden einen neuen Halt er- greifen kann. Die Füße spielen beim Klettern und Turnen den Händen gegenüber eine untergeordnete Roll«, obgleich sie selbst- verständlich ebenfalls in Miileidenschaft gezogen und die höchst be- weglichen Zehen gebührend benützt werden. Mit dem Ihm gebotenen Turngerät macht er sich vom Morgen bis zum Abend zu schassen und weiß ihnen fortwährend neue Seiten der Verwendung abzu- gewimven. Er schaukelt sich minutenlang mit Behagen, klettert an seiner hängenden Leiter aus und ab. setzt dies« in Bewegung, geht am Reck , mit den Händen fest hängend, hin und her und führt andere Turnkünsteleien mit vollendeter Fertigkeit aus, ohne jemals im Geringsten unterrichtet worden zu sein. So sicher er sich auf diesen ihm bekannten Turngeräten suhlt, so ängstlich gebärdet er sich, wenn er auf«inen Stuhl klettert, welcher ihm nicht fest genug zu sein scheint: Ein wackliger Stuhl z. B. erregt sein höchstes Bedenken. Den Händen fällt der größte Teil aller Arbeiten zu, welche er ver- richtet. Mit ihnen untersucht und betastet, mit ihnen packt er Gegen- stände, während der Fuß nur aushilfsweise als Greifwerkzeug be» nützt wird. Mein Schimpanse kennt sein« Freunde genau und unterscheidet sie sehr wohl von Fremden, befreundet sich aber bald mit allen, welche ihm liebreich entgegenkommen. Am behaglichsten befindet er sich im Kreis« einer Familie, namentlich, wenn er aus einem Himmer Ins andere gehen, Türen öffnen und schließen und sich sonstwie zu unterholten vermag. Man vermeint es ihm anzusehen, wie gehoben er sich fühlt, wenn er sich einmal frei unter ihm wohl» wollenden Menschen bewegen und mit Ihnen am Tisch« sitzen darf. Merkt er, daß man auf sein« Scherze eingeht, so beginnt er mit inen Händen auf den Tisch zu klopfen und freut sich höchlich, wenn in« Gastgeber ihm folgen. Außerdem beschäftigt er sich mit genauer Untersuchung oller denkbaren Gegenstände, öffnet die Ofentüren, um sich das Feuer zu betrachten, zieht Kisten heraus, kramt sie aus und spielt mit dem, was er vorfindet, vorausgesetzt, daß es nicht verdäch. tig erscheint; denn er Ist in hohem Maße ängstlich und kann vor einem Gummiball sich entsetzen. Sehr genau merkt er, ob er be- obachtet wird oder nicht. Im«rsteren Falle tut er das, was ihm *) Brehm, Wildtiere, Auswahl aus den ersten Auflagen von Brehms Tierleben.— Wir gebe» eine Probe aus dem der her- klebende» Jugend besonders wertvollen Buch, die besonders die Liebe und Anteilnahme am Tier zeigt. i erlaubt wird, im letzteren läßt er sich mancherlei Uebergriffe zu« indem er, ohne gerade hierzu abgerichtet oder gelehrt worden zu sein, seinen Arm zärtlich um die Schulter des Wohltäters legt und ihm ein« Hand oder recht menschlich auch einen Kuß' gibt. Genau dasselbe tut er, wenn er des Abends aus seinem Käfig genommen und aus das Zimmer gebracht wird. Er kennt die Zeit und zeigt sich schon eine Stunde, bevor er in sein Zimmer zurückgebracht wird, höchst unruhig. In dieser letzten Stunde darf sein Pfleger sich nicht entfernen, ohne daß er in ausdrucksvolles Klagen ausbricht. Wird cr gehagen, so setzt er sich wie ein Kind auf den Ärm seines Pflegers, schulden kommen, gehorcht aber, wenn sein Pslcger ihm etwas ver- bietet, aus das bloße Wort hin, obwohl nicht immer sogleich. Lob feuert ihn an, namentlich wenn es sich um Turnen und Schwingen IxHidelt. Beschenkt oder freudig überrascht, beweist er sich dankbar, schmiegt den Kopf an dessen Brust und scheint sich außerordenilich behaglich zu suhlen. Bon nun an hat er anscheinend bloß den einen Gedanken, so bald als möglich auf fein» Zimmer zu kommen, setzt sich hier aus dos Sofa und betrachtet seinen Freund mit treuherzigem Blicke, g'eichsam alz wolle er in desien Gesichte lesekk, ob dieser ihm heute abend wohl Eesellschaft leisten oder ihn allein lasten werde. Wenn cr das erster« glaubt, fühlt cr sich glücklich, wogegen er, wenn cr das Gegenteil merkt, sich sehr unglücklich gebärdet, ein betrübtes Gesicht schneidet, die Lippen weit vorstößt, jammernd ausschreit, an dem Pfleger emportlettcrt und krampfhast an ihm sich festhält. In solcher Stimmung hilft auch freundliches Zureden wenig, wäh- rend dies sonst die vollständigste Wirkung auf ihn äußert, ebenso wie er sich ergriffen zeigt, wenn er ousgescholten wurde. Man darf wohl sagen, daß er die an ihn gerichteten Wort« vollständig versteht, denn er befolgt ohne Zögern die verschiedensten Befehle und betrachtet alle ihm zukommenden Gebote; doch gehorcht er eigentlich nur seinem Pfleger, nicht aber Fremden, am wenigsten, wenn diese sich heraus. nehmen, in Gegenwart seines Freundes etwas von ihm zu verlangen. Im hohen Grade anziehend benimmt er sich Kindern gegen» über. Er ist an und für sich durchaus nicht bösartig oder heim. tückisch und behandelt jedermann eigentlich freundlich und zuvor» kommend, Kinder aber mit besonderer Zärtlichkeit, und dies umso mehr, je kleiner sie sind. Mädchen bevorzugt er Knaben, aus dem einfachen Grunde, weil letztere es selten Unterlasten können, ihn zu necken, und wenn er auch auf solche Scherze gern«ingeht, scheint es ihn doch zu ärgern, von so kleinen Persönlichkeiten sich gejoppt zu sehen. Als er zum ersten Male meinem sechswöchigen Töchterchen gezeigt wurde, betrachtete er zunächst das Kind mit sichtlichem Er» staunen, als ob er sich über besten Menschentum vergewlssern müsse, berührte hierauf das Gesicht überaus zart mit einem Finger und reichte schließlich freundlich die Hand hin. Dieser CHarakterzug, welchen ich bei allen von mir gepflegten Schimpansen beobachtet habe, verdient besonders deshalb hervorgehoben z» werden, weil er zu beweisen scheint, daß uiiscr Menschenaffe auch im kleinsten Kinde immer noch den höherstehenden Menschen sieht und anerkennt. Abweichend von anderen Affenarten ist er munter bis in die späte Nacht, mindestens so lange, als das Zimmer beleuchtet wird. Das Abendbrot schmeckt ihm am besten, und er kann deshalb nach seiner Ankunft im Zimmer kaum erwarten, daß die Wirtichasterin ihm den Tee bringt. Erscheint dieselbe nicht, so geht er zur Tür und klopft laut an diese an; kommt sene, so begrüßt er sie mit freu» digem„Ohl Ohl", bietet ihr auch wohl die Hand. Tee und Kaffee liebt er sehr, den ersteren stark versüßt und mit etwas Rum gewürzt, wie er überhaupt alles genießt, was auf den Tisch kommt, und sich auch an Getränken, namentlich an Bier, gütlich tut. Beim Esten stellt er sich aus das Sofa, stützt beide Hände aus den Tisch oder legt sich mit dem einen Ann auf, nimmt mit der einen Hand die Obex» taste von der unteren, schlürft mit Behagen den flüssige» Inhalt und geht dann erst zu den eingebrockten Brotstückchen über. Soweit er diese erlangen kann, zieht er sie mit den Lippen an sich; so be- dient er sich, da ihm untersagt ist. mit den Händen zuzulangen, des Löffels mit Geschick. Während des Estens zeigt er sich aufmerksam auf alles, was vorgeht, und seine Augen sind ununterbrochen nach allen Seiten gerichtet. Nachdem er gespeist, will er sich in seiner Häuslichkeit noch ein wenig vergnüge», jedenfalls noch nicht zu Bette gehen. Er holt sich«in Slück Holz vom Ofen oder zieht die Hausschuhe seines Pflegers über die Hände und rutscht so im Zimmer umher, nimmt ein Hand- oder Taschentuch, hängt sich dasselbe um oder wischt und scheuert das Zimmer damit. Scheuern, Putzen, Wischen sind Lieb» liugsbeschästigungen von Ihm, und wenn er einmal ein Tuch gepackt hat, läßt er nur ungern es sich wieder nehmen. Sobald da, Licht ausgelöscht wird, legt er sich' zu Bette, weil er sich im Dunkeln fürchtet. Cr schiäst ruhig die Nacht hindurch, streckt und reckt sich aber mitimter, namentlich.»venu es ihm zu kalt oder zu warm wird. In schwülen Sommernächten ruht er lang» gestreckt auf dem Rücken, beide Hände gleichzeitig unter den Kopf gesteckt: im Winter hingegen liegt er mehr zusammengekauert. Mit ' Tageshelle ermuntert er sich und ist von mm an wieder so rege als ! tags vorher,..,
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