Frauenstimme
Nr. 13+ 41.Jahrgang
Beilage zum Vorwärts
26. Juni 1924
Von kommenden Dingen.
Von Walther Nathenau.
Sorge, im oberen Kampf um Repräsentation, Bildung und männliche Berufsarbeit. Diese Ausartungen mechanisierten Lebens haben das Wesen unserer Frauen berührt.... Dem Neid der Nachbarin, dem lüsternen Blick des Straßengängers, der gutmütigen Nachgiebig feit der Männer opfern wir die Tages- und Nachtarbeit von Millionen...
Bor hundert Jahren sind die häuslichen Hantierungen der| last und schmerzliche Prostitution, im unteren Mittelstande rechnende bürgerlichen Frau erloschen. Die Berufsteilung übernahm die Sorge für Gespinst und Gewebe, für Kleidung, Licht, Feuer und Nahrung; Garten und Hof gingen ein, es verblieb Haushalt, Erziehung und Küche. Der wachsende Wohlstand schuf die bürgerliche Dame; an die Stelle der Arbeit trat Bildung. Es entstanden in gehobenen Kreisen die Anfänge der Geselligkeit, nachbarliche Gassengespräche und Boltsfeste verdrängten in Häusern, deren Wohnstube sich öffnete, gesellschaftlicher Besuch und Verkehr. Von der Wohnung trennte sich die Werkstatt, von der Heimstätte löfte sich der Geschäftsraum; die Arbeitszeit dehnte sich aus, der Geschäftsmann, Beamte, Gelehrte verließ tagsüber das Haus, der Hausstand war aus dem Rahmen immerwährender Gemeinschaft gesprengt.
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Sie
Nun war ein äußerer und innerer Bezirk geschaffen; den äußeren, des Berufs und Erwerbs, verwaltete der Mann, inneren, der Ordnung und Erhaltung, übernahm die Frau. wurde Herrin der Häuslichkeit, Verwalterin, und wie es die Geld wirtschaft erforderte, Käuferin. Der Mann erwarb, die Frau gab Heute ist die Frau fast alleinige und unaufhörliche
aus
Räuferin
So ward die Frau der neuen Wirtschaft unvermittelt und ge= waltsam im Laufe des Jahrhunderts in unerhörte Lagen versetzt; Hinausgetrieben aus dem häuslichen Abschluß, mit Bildung belastet, geselligem und rechnerischem Berkehr zugewiesen, mit der Pflicht äußerer Lebensgestaltung behaftet, vielfach in männliche Berufe geleitet, hat sie den gewaltigsten Forderungen standgehalten, die je mals unvorbereiteter menschlicher Natur zugemutet wurden; sie ist nicht erlegen und hat unser Jahrhundert zum mann- weiblichen gestaltet.
Bedenkliche Nebenwirkungen aber waren unvermeidlich. Rechenhaftigkeit, Raufgewohnheit, Straßenverkehr, äußeres Auftreten, Selbstbestimmung haben die mütterliche Seite des Frauenwesens nicht vertieft. Dirnenhang, vormals vom Manne gebändigt, durfte sich entfalten. Es erhob sich eine der unerquicklichsten Erscheinungen unserer Zivilisation, das Lugusweib.. Die neu bereicherte Gefellschaft verlangte maßlofe Geselligkeit, um sich im Reichtum zu üben und soziale Vorteile zu erschleichen; aus diesem gefährlichen und frechen Spiel wurde eine Art Pflicht, eine herzlose Unterhaltung, ein Geschäft und ein Leben. Sorge für üppige Wohnräume, Dienerfchaft, Schmuck, Kleidung, Körperpflege, Tafelaufwand, vornehme Gäste füllten dieses Leben aus; vorteilhafte Liebschaften gaben ihm Erregungen; Pferde, Jagden, Reisen, herabgewürdigte Künfte schafften Gesprächsstoff; fümmerliche Wohltätigkeiten, Hofbeziehungen und politische Rabalen sorgten für den Schein der Daseinsberechtigung; Erziehung und Haushalt wurden bezahlt; und neben der Beratung des Mannes in gemeinschaftlichen Interessen der Laufbahn beschränkten sich die Pflichten des Weibes darauf, zwei- oder dreimal in der Narkose zu gebären.
So verworfene Frauenleben wurden an der Spitze der mechantschen Stufenleiter geduldet und verherrlicht; in den Tiefen Arbeits
Der Frauentag.
Von vielen Teilnehmern der Frauenreichskonferenz am 15. Juni im Plenarsaal des Preußischen Landtages ist noch nachträg Ich zum Ausdruck gebracht worden, daß diese Tagung der Frauen einen sehr guten Eindruck hinterlassen habe. Einmal wegen ihrer großen Sachlichkeit, die trotzdem oder gerade deshalb von einem leidenschaftlichen Willen zur Arbeit für den Sozialismus beseelt war. Zum erstenmal nach der Einigung wurden die Frauen der Partet aus dem ganzen Reich zur fachlichen Beratung zusammen
Dieses Spiel mochte geduldet werden, solange es als Privatangelegenheit eines törichten Haushalts galt. Da wir erkannt haben, daß Warenhunger, Gier nach Käuflichem, zu den fressenden Schäden unserer Wirtschaft gehört, ist dieses Laster und seine Stillung Staatsund Menschheitssache geworden.
Es wäre gegen die Würde der Frauen, wollten wir ihnen die Verantwortung für die Not der Zeit mit gefälligem Lächeln vorenthalten. Wir müssen ihnen sagen, daß das Hundertfache der Tränen, die sie durch stille Wohltat trocknen, an den harmlosen Nichtigkeiten haftet, die sie in Schachteln, Paketen und Gefährten in ihre Häuser schleppen lassen.
Die Schuld für jede Schlechtigkeit des Mannes trägt die Mutter, die Schuld für jedes Irren und Gleiten der Frau trägt der Liebende nicht wiederbringlich; das Weib bleibt der Liebe bildsam, ihm wird und Mann. Der Mutter entwächst der Knabe, sein frühes Irren ist das Reuetor des Himmels nie verschlossen. Erkenntnis, Welt und innere Stimme bleiben dem Mann vernehmlich und wälzen ihm die Verantwortung zu, seine Schuld ist die höhere. Gegen den Mann darf das irrende Weib Klage führen, und die furchtbare, entwurzelte Wirrnis der weiblichen Suchung ist die härteste Klage..
Durch die Mechanisierung des Lebens hat der Mann die Gefährtin aus der schützenden Hausstatt gerissen, in Welt und Wirtschaft getrieben, ihr den Schlüssel entwunden und den Geldbeutel in die Hand gedrückt; er hat ihr die Wahl gelassen zwischen Rechneret, Koketterie, äußere Arbeit und vereinsamten Leben...
Wir haben den Frauen zu danken, daß ihr verängstetes Suchen eine Bewegung verbreitet, die nur im Ziele irrt. Uns liegt es ob, dies Ziel zu entschleiern, das nicht in äußerer Herrschaft begründet ist; nicht Rückkehr zum verödeten Hof und Garten, zum veralteten Rocken und Webstuhl dürfen wir erzwingen, auch nicht ödes Fortschreiten zu Ranzeln und Tribunalen. Wandlung zu hoher Mensch lichkeit ist das erste Ziel, Berachtung fäuflichen Glücks, albernen Schmucks und schnöden Müßiggangs; Verantwortung für inneres Glück und Ordnung des allmenschlichen Hausstandes das letzte. Je entschiedener Wohlfahrt und Erziehung, Pflege und Lebensschmud zu sorgen der Gemeinschaft, zu Berantwortungen der Gesellschaft werden, desto reiner und bedeutender werden die neuen Pflichten des Weibes; und wenn der Inhalt dieser Pflichten frauenhaft und natürlich bleibt, so dürfen wir vor den Formen, mögen fie auch der Mittel der Organisation, des gedankenmäßigen Aufbaues, der Verkettung bedürfen, nicht erschrecken.
geführt. Aeußerlich erschienen die Berhandlungen vielleicht manchem gar nicht so weltbewegend. Keine der wichtigen Spezialfragen ber großen Politik stand zur Debatte. Aber für jeden, der das politische Leben der letzten Jahre beobachtet hat, war eins flar: es ging auf diefer Tagung um eine Lebensfrage der Partei.
Die vielen ernsten Sozialdemokratinnen, die dort an der Verhandlung teilnahmen, seit langen Jahren stehen sie in der politi schen Arbeit. Sie sind hineingewachsen in ihre Aufgaben als politisch geschulter Staatsbürger, fie beurteilen die Streitfragen, die aus der politischer Tagesarbeit herauswachsen, aus ihrer inne