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Die Stimme öer �erztin. Gegen den§ 218. Gegen den Abtreibungsparagraphen(8 218 StrGB.) wendet sich die Berliner Aeiztin Dr. Hermine Heusler-Edel- huizen in bemerkenswerten Ausführungen in derSozialen Praxis" fM. 32). Sie leitet zutreffend die Schaffung der Straf- beftimmung und ihre Verteidigung durch Kirchen und Parteien aus dem Zahlenwahn ab, dem es auf die Masse der Staatsangehörigen oder Seelen statt auf ihre Beschaffenheit ankommt. Sie fragt: Ware es bei der angeblichen Notlage unseres Volkes nicht zweck- mäßiger, den Familie» zu helfen, eine beschränkte Anzahl von Kindern g u t zu ernähren und zu Qualitätsarbeitern für das Vaterland zu erziehen, als ihnen unter Androhung von Zuchthausstrafe zu verbieten, einen Kindeskeim zu entfernen, wenn sie wissen, daß sie nicht imstande sind, das ausgetragene Kind zu er- nährm und gut zu erziehen? Läßt man doch auch bei Pflanzungen nicht alle jungen Keime weiter wachsen, sondern entfernt eine ganze Anzahl, damit die übrigen sich besser entwickeln können." Namentlich fordert die Verfasserin dies Recht für die außer- ehelichen Mütter, die man heute zum Gebären von Kindern zwingt, von denen in den ersten Monaten 20 Proz. wieder sterben, während der Rest ein Nachwuchsgebiet des Verbrechertums bildet. Sie zeigt die verhängnisvolle Wirkung auf die Gesundheit der Frauen, die heute in ihrer Verzweiflung dem Pfuschertum und dem Selbstmord kr die Arm« getrieben werden, währendvon befugter Hand mit Vorsicht ausgeführt, der Eingriff absolut u n- gefährlich und auch in keiner Weise die spätere Fruchtbarkeit herabsetzt". Auch die Redereien vomSchutz des Lasters" finden gebührende Zurückweisung.Unheilig und lasterhaft im Sexualleben ist alles, was ohne Liebe geschieht. U»d in diese Rubrik fällt leider auch ein großer Prozentsatz unserer Ehen, während eine nicht unbeträchtliche Zahl illegitimer Verhältnisse, die die Gesellschaft verdammt, auf erheblich höherem Niveau steht." Der beste Schutz der werdenden Kinder liege im Natur- triebe der Mütterlichkeit. Darum solle man die Entschei- dung, ob ein Kind ausgetragen werden soll, ruhig den Müttern überlassen, nicht aber durch einen von Männern geschaffenen Para­graphen einen so tiefen Eingriff in das Leben der Mütter verüben. Mit warmen Worten verurteilt die Verfasserin die V e r. s e m u n g der außerehelichen Mütter und Kinder, die eine 5»aupt- guelie der Abtreibung bildet. An die Stell« der rein negativen Zuchthausandrohung setze man positiv« Hilfe.».Man suck>e durch weitgehende Unterstützung jeder Art den werdenden Müttern legitimen wie illegitimen Sorge und Not zu nehmen, damit sie mit Freuden ihrem Mutterglück entgegengehen. Wie Stillprämien, so gebe man eine Staatsprämie für jedes lebend ge- borene Kin d." Mit Recht wird betont, daß die Beseitigung der Strafdrohung nur eine unwesentliche Verminderung der Geburten zur Folge haben werde, da schon heute der Paragraph zumeist umgangen werde und die oerzweiselte Frau kein Gesetz sehe. Man denke daran, wie es kein sicheorres Mittel gibt, die Freude am Kinderaufziehen zu fördern, als Erleichterung der Lebensschwierigksiten der breiten Masse. Die vornehrne Dame, die aus Bequemlichkeit oder Sorge rnn ihr« Figur sich«in Kind nehmen läßt, wird schon heute nicht abgesckreckt. Zahllose Kinder aber wären zu erhalten, wenn ihren Eltern die Sorge um Ernährung und Unterkunft erleichtert würde. Darum bleibt der Kamps mit rohen Strafen gegen verzweifelnde Mütter eine grausame Heuchelei, wenn man zugleich die Lebens- Haltung der Äasie herabdrückt. Jede Erhöhung des Brotpreises, jede Steigerung der Miete bedeutet ein« Förderung der Abtreibung. /lgnes Wabnitz. Zum 23. August, ihrem Todestag. Bon Max Schütte. Wenn wir heute die Frauenbewegung so mächtig vorgestbritten und die Frauen im Besitze des Wahlrechts sehen, so ist es wohl am Platze, der Mitkämpferinnen zu gedenken, die im heißen Ringen vorangegangen sind und tapfer für die Rechte der Frau gestritten haben, ohne selbst die Frucht des Sieges ernten zu dürfen. Zu den vielen, die sich darin einen geachteten Namen gemacht haben, zählt ein Weib aus dem Volke, dessen dreißigster Todestag der 28. August ist, und dessen ganze Geschichte einen eigenartig tragischen Zug ausweist: Agnes Wabnitzl Tochter eines Gast- wirts, wurde sie am 10. Dezember 1841 in Gleiwitz geboren und ver- lebte ihre Kindheit in ziemlich günstigen Verhältnissen. Zu den bedeutendsten Ereignissen in dieser Zeit gehörte, daß sie einst ins Wasser stürzte und von einem Juden gerettet wurde. Dem jüdischen Volke bcwayrt« sie Hinsort die wärmste Dankbarkeit, ist auch später in den Tagen ihrer politischen Tätigkeit energisch für es eingetreten. Sie besuchte die Bürgerschule, strebt« nach höherer Geistesbildung. las viel und bekundet« zeitig einen starken Hang zunr Grübeln. Aus diesem wurde sie herausgerisfm durch den Tod ihres Vaters, der Weib und Kind in unerwartet trauriger Lage zurückließ. Da galt es für Agnes, sich durch ihrer Hände Arbeit Brot zu verdienen und auch noch nach Kräften für ihre Mutter und ihre kleinen Ge- schwister zu sorge». Tapser ging sie ans Werk, wurde Näherin und lernte dabei nur zu sehr das Elend und die Not des mit Hunger- löhnen ausgebeuteten Standes kennen. Daneben setzte sie ihre priva- ten Studien fort und hatte den Erfolg, als Lehrfräulein nach dem russisch?» Polen zu kommen. Freilich machte sie hier sehr bald böse Erfahrungen, zeigte sich ihr doch bei adligen Familien die vielberusenePolnische Wirtschaft� oft von der schlimmsten Seite. Wiederholt hatte sie Gelegenheit, sich der arg geknechteten Dienstboten gegenüber der Herrschaft anzu» nehmen, trat auch mutig für die deutsche Sache ein. als bei einem Gastmahle der Hausherr die Deutschen in rohester Welse beschimpfte und zog sich dadurch den Verlust ihrer Stellung zu. Als ihr auch noch der Löhn verweigert wurde, drohte sie mit Hungerstreik, ein Zug, den wir später bei ihr wiederkehren sehen, und«rzwarrg damit die Herausgabe des Geldes. In Berlin lebte sie dann bei ihrem Bruder, der bereits unserer Partei angehörte, arbritete als Maschinennäherin, studierte daneben wieder wissenschnfllich« Werke/ so diejenigen Fsuerbachs, hört« Vor­träge und gewann einen staunenswerten Grad von Kenntnissen. Dem Sozialismus stand sie anfangs fremd gegenüber, lernte ihn aber schätzen, als 1878 das Ausnahmegesetz über die Partei verhängt wurde und die Partei im Kampfe gegen dieses Gesetz die größte Tapferkeit entwickelte. Da warf sich Agnes auf das Studium von Marx und ähnlichen Geistern und wurde bald eine zielbewußte Genossm, trat auch zielbewußt auf und ließ sich durch die ersten Mißerfolg« nicht abschrecken. Als m den achtziger Iahren die neue gewerkschastliche Bewegung auch in den Frauenkreisen um sich griff, schloß sie sich ihr mit VeKeisterung an, wurde Mitglied desVereins zur Wahrung der Interessen der Arbeiterinnen" und logt« hier sowie in anderen Vereinigungen eine große Rührigkeit an den Tag. Sowohl als Diskussionsrednerin wie als Referentin erfocht sie Triumph« uni» gehörte bald zu den populärsten Gestalten in der Bewegung. Eine Vierzigerin an Jahren,' klein, mager, elastisch, mit schmalem, scharf- geschnittenem Gesicht und hellen, blauen Augen, zeigt« sie in ih�em Aeußeren eine gewisse jungfräulich« Herbigkeit. Ihre Stimme klang dünn und schreiend, doch beherrschte sie mit großer Sicherheit die Versammlungen und wußte sich auch politischen Gegnern, namentlich Antisemiten gegenüber, zu behaupten. In ihrer Lebensweise war sie im höchsten' Grade einfach, arbeitsam und anspruchslos und ent» behrte gern, um aimen Leuten etwas zuzuwenden. Unter ihrer Mitwirkung erwuchs-:» bald der Verein der Mäntelnähcrinncn. Berlins und andere Schöpfungen und machten arifangs groß« Fort- schritte, wurden aber bei Puttkamers Vorgehen gegen die Gewerk- schaften von der Auflösung betroffen und gegen ihre Führcrinnen Prozeß angestrengt. Auch Agnes Wabnitz kam auf die Anklagebank und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, setzte aber ihr« agitaiorischc Tätigkeit unbeirrt fort und hatte die Freude, das Schandgesetz 1890 erlöschen zu sehen. Als nun die Sozialdemokratie sich wieder offen betäiigcn konnte. war auch hier unserer Agnes Gelegenheit zum gründlichen Wirken gegeben und wurde von ihr nach Kräften ausgenutzt. Fast in ganz Deutschland sahen wir sie als Rednerin auftreten und hörten mit Wohlgefallen ihre Ausführungen, mochten sie sich aus politischem, wirtschaftlichem, philosophischem oder allgemein menseblichem Ge­biet bewegen. Es konnte nicht ausbleiben, daß gegen sie Anklagen erhoben wurden, die dann auch zur Verurteilung führten. Da ge» wahrten wir eine eigenartige Erscheinung. Angeblich einem Ver­sprechen folgend, das sie ihrer sterbenden Mutter geoetben hatte, verweigerte sie im Gefängnisse die N a h r u n g s a u f n a h nr e und wurde mühsam durch künstliche Ernährung dem Hungertode entrissen. Im Krankenhause erholte sie sich, sah sich jetzt aber vom Entmündigungsverfahren bedroht, das ihr die größte Sorge«inflößte. Glücklich scheiterte das Verfahren, doch wurde damit eine auf zehn Monate lautende Gefängnisstrafe rechtskrästtg und sollte am 28. August 1894 angetreten werden. Da war Agnes entschlossen-, aus dem Leben zu scheiden. Welch« Gründe sie, die so Tapfere, dazu veranlaßt«», ist schwer zu sagend das Wahrscheinlichst« aber, daß sie fürchtete, in der langen Kerker- hast wahnsinnig zu werden. Bis zuletzt war sie in der Bewegung tätig und hielt gediegen« Referate, das letzte bei den Instrumenten- machern über die wirtschaftliche Lage des arbeitenden Volkes. Am 28. August 1894, dem Tag«, der ihr die Freiheit rauben s.'llte, schrieb sie«ine Karte an ein« Freundin, kleidete sich sorgsam an. nahm ein Bad und richtet« ihre Schritte nach dem Friedrichshain zu den Gräbern der Märzgefallenen. Hier fand man sie am Nachmittag am Grabe desunbekannten Mannes" entseelt hingestreckt, daneben«in Fläschchen Ziiankali, aus dem sie den Tod getrunken hatte. Der Fall erregte gewaltiges Aussehen. Der Versuch, die so trogisch Heimgegan­gene vom Hause der Genossin Mesch aus zu beerdigen, scheiterte am Widerstande der Polizei, welcheaus ordnungs- und"herheits- polizeilichen Gründen" einen Zug durch die Straßen der Hauptstadt nicht dulEen wollte. So wurde die Tote auf dem Friedhose der Freien Gemeinde an der Pappelallee aufgebahrt, und hier fand am 2. September die Beerdigung statt und gestaltete sich zu einer so großartigen Demonstration, wie Berlin sie bisher selten gesehen hatte. Was Kriege lehren. Die größten Feind« eines Vaterlandes wohnen in ihm selbst: es sind die Kriegshetzer. >«> Als der Würgeengel auch den Sohn des Pharao nicht ver» schonte, ließ dieser sofort das israelitische Volk in Frieden ziehen. Wenn einmal der Schsachtentodeserngel nur die hohen Häupter fällte, würden die Völker bald in Flieden leben.