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dupo

Wohltätigkeit.

Res

Lokal- Anzeiger

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Haft Du von dem entfehlichen Grubenunglück gelesen?" " Ja, das gibt wieder ein entzückendes Wohltätigkeitsfeff."

Das traute" Heim.

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Heute ist es glücklich dahin gekommen, daß weite Kreise der Bevölkerung infolge der fatastrophalen Wohnungsnot in Krankheit, Echmutz und Elend zu ersticken drohen. Täglich spielen sich vor den Augen des Beobachters Ezenen ab, die bis ins Innerste treffen. Aus der Fülle des Erlebten feien nur einige kleine Beispiele erzählt. Eine junge Frau weint herzzerreißend auf dem Korridor des Wohnungsamtes. Wiederum war der Weg vergeblich! Seit 1 Jahren ist sie verheiratet, hat ein feines Kind, und ihr Mann ist schon lange stellenlos. Vor längerer Zeit schon ist den Eheleuten ihre bisherige Wohnung, ein möbliertes Zimmer, gefündigt worden. Seitdem wohnt die Familie getrennt. Jeder von beiden muß 8 oder 14 Tage lang bei Freunden und Bekannten unterzufommen ver­fuchen. Natürlich ist jeder froh, wenn die Frau mit dem Kinde wieder geht, denn es ist fein Vergnügen, Kindergeschrei und Windel­trocknerei in der Wohmang zu haben. Bon Woche zu Woche, von Tag zu Tag hoffen sie auf die endliche Zuweisung einer Wohnung. Die Reihe ihrer Bekannten ist nun auch bereits zu Ende.

Schluchzend geht die Frau die Treppe wieder hinab.

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Ein junges Ehepaar, das zu mittellos ist, um ein möbliertes Zimmer bezahlen zu können, hat im städtischen Obdach Unterkunft fuchen müssen. Tagsüber sind beide auf Arbeit, und nochts schläft der Mann im Männersaal, die Frau im Frauensaal des Obdachs. Pünfilich um 8 Uhr obends muß jeder in seinem Eaale fein. Wenn die jungen Eheleute einmal zufammen sein mollen, müssen sie um Urlaubserlaubnis bis 10 Uhr abends nach suchen. So stehen sie nun beide vor dem Inspektor, und teiner getraut sich, fein Anliegen vorzubringen. Schließlich faßt die Frau fidh   ein Herz, und leise und stockend kommt es heraus: Herr Inspektor, dürfen wir wohl für heute abend um Urlaub bitten?".

Sedem Zuhörer steigt die Schamröte darüber ins Geficht, daß elne junge Frau im Beisein von so vielen Menschen, den Beamten um die Erlaubnis bitten muß, mit ihrem Ehegatten ein paar Minuten gulammen fein zu dürfen.

Ein junger Mann hat geheiratet und ift in die Wohnung feiner jungen Frau gezogen, die mit ihrer Mutter zusammen wohnt. Die Echwiegermutter ist ein unverträglicher Charafter; man wird unter der dürftigen Wohnungsverhältnissen immer nervöser und gereizter, und das Erde vom Liede ist eine Beleidigungsflage der Schwieger mutter gegen ihren Schwiegerjohn. Und in der Küche stehen Mutter und Tochter in eisigem Schweigen nebeneinander am trauten Herd.

In der 1,70 Meter tiefen Kellerwohnung hausen zehn Personen. Die Wohnung ist so feucht, daß die Tapete abgefallen ist, Möbel, Keilkiffen, Matratzen, feibst die Kleider im Schrank sind von der Näffe verstockt. Vor dem Stubenfenster, das natürlich auf den Hof hinausgeht, steht der Müllkasten. Dann und wann liegt auch noch Müll lose dovor.

Die Familie hat nicht Platz für zehn Betten. Es schlafen immer zwei, in etwas breiteren Betten fogar drei Personen zusammen, Kranke und Gesunde. durcheinander. Der Vater ist als schwer Tuberkulöfer in eine Heilstätte gekommen, brei der Kinder find bereits von derselben Krankheit ergriffen.

In derfelben Stadt aber befizen Andere Acht, Zehn- und Zwölfzimmerwohnungen für eine fleine Familie!

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Ein Mann schreibt an das Wohnungsamt:

Ich wohne mit meiner Frau und einem dreijährigen Kind bei der Echwiegermutter. Das zweite Kind soll Ende des Monats tommon. Meine Schwiegermutter hat Stube und Küche und felbft fünf Kinder, zwei Söhne von 14 und 17 Jahren und drei Töchter, von denen zwei erwachsen sind und die jüngste noch zur Schule geht.

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Wir sind also cußer der Dreijährigen acht Berfonen, wozu noch in wenigen Wochen das zu erwartende Kleine femmt.

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A11 ftafen in der einen Etube. Die Küche ist zu flein  , als daß man em Bett aufstellen könnte, nicht esmal zur Nacht. Außerdem stehen unsere Sachen, in Kisten verpackt, darin. Ein Rorridor ist nicht bei der Wohnung.

Eine meiner Schwägerinnen hat die Syphilis. Sie ist mit ihrer Krankheit in der ergen Wohnung sehr unfauber. So fommt es, daß mein dreijähriges Kind, das natürlich überall herumfriecht, immer schlimmen Ausschlag an Geficht und Händen hat. Es war auch schon ein paarmal deswegen im Krankenhaus, und da haben wir erfahren, daß es sich von meiner Schwägerin angesteckt hat. Nun fommt das fleine Kind dazu. Eoll es dem ebenso gehen?

Immer ist die Stube voll Menfchen, Tag und Nacht. Wie soll da ein Ehepaar leben, ohne allen menschlichen Anstand zu verlieren? Ich bin außerdem Lokomotivheizer und fomme sehr müde vom anftrengenden Dienst nach hau'e, oft am Tage nach durchfahrener Nacht. Wie soll ich schlafen in diefem Tumult unter so viel Menschen? Und ich habe doch kein Recht, die Anderen aus der Stube zu weißen. Ich gehe meistens mit urausgeruhten Gliedern und müdem Kopf aum Dienst. Ja, ist es dann ein Wunder, wenn man nachher von Eisenbahnunglücken lieft?

Und wie follen unter folchen Umständen, in solch einem Heim" gefunde Kinder aufwachsen?!"

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Alle diefe traurigen Fälle find tas Ergebnis unferer fapita. tistischen Wohnungswirtschaft. Das follten vor allem die Frauen bedenken, wenn fie am 7. Dezember zur Wahlurne fchreiten! Wer an diesem Lage seine Bilicht verfäumt, hai   tein Recht, sich über das soziale Elend unserer Zeit zu bef'agen! Elli Radtke armuth.

Frauen in den Versammlungen.

fammlungen teilnehmen. Ber von ihnen machte den meisten Ge Seit 1908 dürfen" die Frauen schon" an politischen Ver. brauch davon? Die proletarischen. Berschwindend klein war der Prozentsaz der Frauenrechtlerinen, die fast alle nur bürgerlich dachten und fühlten. Und manche von ihnen sind nach der Revolu tion zu den reaktionären Parteien abgeschwenft, die das Frauen­wahlrecht am liebsten heute noch wieder abschaffen möchten. Ens zeigen die Versammlungen jetzt faft durchweg: die politisch: Interesse lofigkeit der Frauen ist am Verschwinden. Sogar ein Fort­fchritt macht sich bemerkbar. Nicht nur in die eigenen Bersammlun gen geht die proletarische Frau, sondern auch in die des Gegners. Und eine solche Stärft oft außerordentlich das Klaffenbewußtsein, die eigene Idee. 3w schen den faustdicken Lügen in einer Rechtfer versammlung wacht das Kampffeuer in ihren Augen auf; da werden die Frauen beweglich. Charakteristisch dofür die Eindrücke in einer deutschnationalen Versammlung. Erstaunlich viele proletarische Frauen darunter. Das Puft natürlich schwarzweißrot, mit Hafen­freuz geschmüdt. In der Disfuffion ermierte die Sozial stin hieb­fest! Erboft konstatierte der Versammlungsleiter eine, Beleidigung ber Anwesenden. Also Wortentziehung. Die Proteste dagegen werden überbrüllt. Aber, was gesprochen worden war, hatte gewirkt. Hingen doch die Augen der proletarischen Frauen fast den ganzen Abend an der Rednerin. Und deutlich spiegelten fich ihre Seelen im Mienen spiel ab. Das proletarische Gefühl war geweckt und fühlte sich nun dauernd verletzt.

Die proletarischen Frauen von heute, das muß festgestellt werden, sind nicht mehr so zu befügen, wie ehedem. Wenn nur das gefprochene Wort aus beiden Lagern an sie heran fann. Fremd flingt ihnen das Wort der Frau aus dem bürgerlichen Lager und schwefterlich vertraut aus dem anderen In den Rechtsparteien ist bapon bei deren Frauen nichts zu spüren. Nur fanatischer Haß gegen Andersdenkende feift auf. Während unsere Frauen höchstens fuftig loslachen auf die Gegnerin. Denn die bürgerlich eingestellte Gegnerin ist immer ohne Kenntniffe des Sozialismus, während wir anderen auch die Einstellung des Gegners kennen. An den Frauen sieht man, daß die alte Zeit verf hirdet. Es geht vorwärts in Deutschland  , wie in der ganzen Weft! E. R.-S.

Die Psyche der weiblichen Jugend.

Die Literatur über die Psychologie des Jugendalters ist umfang reich. Aber die weibliche Binchologie recht zu erfassen, ihr bis in die Tiefen nachzuspüren, fann mur von einer Frau geleistet und vollbracht werden" Das hot Effe Croner acten in einer Heinen Arbeit. betitelt: Die Psyche der weiblichen Jugend" ( Langenfalza 1924, H. Bener u. Söhne). Auf wenig Buch eiten wird hier ganz außerordentlich Wertvolles über die Psyche der weiblichen Jugend mit einer Offenheit gefagt, die an Ellen Key   erinnert. Eife Croner gfedert die weiblichen Jugendlichen in Typen, die am Gren get let verschwimmen. im Kern aber plastisch vor dem geistigen Auge des Lesers stehen. Besonders feffet der nuütterliche Typ, wie er sich im Spiel mit Buppen äußert. Ein Teil der Mädchen sicht in der Puppe die Hilflosigkeit des Kindes und nummt sich ihrer erbarmend an, während eine andere Mädchenfategorie der Puppe gegenüber gebieterisch. fommendlerend gesenübertritt. fie erziehen" will ma faft unfindlicher Festigkeit. Nicht immer fagt Elfe Croner etwas voll ständig Neues, aber wie fie Gefchoutes fact, ift bedeutungsvoll. Man muß dies fleine, aber inhaltlich hochwertige Buch all denen wünschen, die mit weiblicher Jugend in Berührung fommen. 2. R.