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Reichtum und Armut.

Was Kinder darüber denken.

Bor einiger Zeit ist in dem schweizerischen Verlag Fischbacher ein intereffantes Buch erschienen" Ce que pensent les enfants: Richesse et Pauvreté"( as die Kinder denken: Reichtum und Armut) von Alice Descoeudres, das die Ergebnisse einer Um­frage unter Schulkindern verschiedener Altersstufen und verschiedener fozialer Herkunft zusammenfaßt. An der Umfrage beteiligten fich hauptsächlich Kinder aus der romanischen Schweiz  , aber auch Bariser, Brüffeler und Berliner   Lehrer haben die brei Fragen, die gestelli wooren. ihren Schülern vorgelegt. Em ganzen gingen 1400 fchrift liche Antworten ein, die fehr gute Auffchtüsse über die Gedanken­arbeit der Kinder geben. Leider liegt uns das Buch selbst nicht vor, wir beziehen uns auf eine Betrach ung von Michael Corday in der französischen   Zeitschrift Le Progrès Civique".

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Die drei Fragen lauteten: Soll man arteilen, felbst wenn man reich ist?" Barum ist es verdrießlich, orm zu fein?" Warum ist es verdrießlich, reich zu fein?" Zur ersten Frage waren vielleicht noch Unterfragen gestellt, jedenfalls haben die meisten Kinder eine ausführliche Begründung ihrer Antwort gegeben.

Charatteristisch ist, daß neun Zehntel aller Kinder die Frage: Goll man arbeiten, auch wenn man reich ist, bejahen. ter man foll nicht glauben, daß die anderen die Frage nur aus Freude can bequemen Leben verneinen. Ein Teil von ihnen meint, tas reiche Leute nicht arbeiten follen, damit sie nicht armen eine Berdienstmöglichkeit fortnehmen. Andere machen einen Unterschied zwischen erworbenem und ererbbem Reichtum. Derjenige, der feinen Reichtum felbft verbient hat, habe das Recht auf Ruhe. Ein armer Zunge will, daß die Reichen einige Stunden am Tage arbei. ten, er fogt: Wenn ich reich wäre, würde ich jeden Morgen von 7 bis 12 Uhr arbeiten. An den schönen Nachmittagen würde ich im Automobil spazieren fahren. Wenn es regnet, würde ich zu Haule bleiten in meiner Bibliothet, um interessante Bücher zu lesen." Ein anderes Kind spricht die große Weisheit aus: Wenn man reich ist, läßt man fein Geld arbeiten."

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Mannigfaltig find die Gründe, die für die Notwendigkeit ber Arbeit engegeben werden. Biele der antwortenden Kinder halten die Arbeit auch bei reichen Lenten für notwendig, um sich vor der Möglichkeit eines Ruins zu schüßen. Sie glauben, daß der Reidy fum immer geringer werde, wenn man nicht ständig hinzuverdiene. Andere fürchten, daß das Leben immer teurer werde, daß durch wirtschaftliche Depreffionen, durch Banttrachs, durch Krankheiten uf das Bermögen vermindert werden fönne und wollen, daß ran dozegen Borforge treffe- 22 Broz. der Kinder empfinden das Richistun als eine Schande. Das sind hauptsächlich Kinder ous minderbemittelten Schichten, die arbeiten müssen. Hier heißt es: Die Faulheit macht die Eeele des Menschen lasterhaft und böle. Die Menschheit würde schnell genug bankrott fein, wenn fie nicht arbeitete." Ein Erwachsener, der nicht arbeitet, würde nie als von feinen Freunden gern gefehen. Eine gleiche Anzahl Kinder will, daß die Reichen weiler arbeiten, damit fie mehr in der Lage Jelen, Gutes zu tun; andere wieder erklären die Faulheit für eine Schande, die Unnügen feien Buppen, Baraften, die nicht ver. dienen, zu leben". Sie denten en den menschlichen Fortschritt, an den Anstoß den der Reichtum der Industrie geben fönnte und der gletsjen mehr. 12 Broz. vor allem aus wohlhabenden Schichten flammende Kinder fagen, daß die Arbeit Freude schafft", und Sie Mädchen betonen befonders den tröstenden Einfluß der Arbeit". Auch die Langeweile bei Untätigkeit spielt eine große Rolle. Man langweilt sich immer in Seffeln, während man glücklich ist, wenn man orbeitet." Die Untätigkeit langweilt mehr als die Arbeit." Ein paar Kinder geben als Grund für die Notwendigkeit der Arbeit folgendes an: Wenn man sein Bermögen verloren hat und sich wieder an die Arbeit begeben foll, erscheint einem jede Arbeit um angenehm und schwer, denn man hat feinen Gefchmod mehr daran." Deshalb soll man die Gewohnheit der Arbeit nicht aufgeben. Warum die Armut verdrießlich ist? Die Gründe rd, furz zufammengestellt: vor allem, weil nicht genügend Nahrung beschafft werden kann. Das geben 40 Broz. der Kinder an, 34 Broz. fürchten den Mangel an teldung, 18 Proz. die durch Armut hervorgerufenen Krankheiten. Dann folgen der Reihe nach leber arbei ung, ungenügende Wohnungen, Mongel an Bergnügungen, die Berachtung als Folge von Armut, Frost und Kälte, mangel hafter Unterricht, Schulden Furcht vor Arbeitslosigkeit, schließlich Alkoholismus  

Die Frage, warum ist der Reichtum verdrießlich, war offenbar schwieriger zu beantworten. 24 Proz. der Kinder gaben als Grund die Möglichkeit an, bestohlen zu werden, 20 Broz. die aus der Untätigkeit entstehenden Basten, 17 Broz. den Neid anderer 14 Broz. Sorge vor dem Ruin, andere wieder fürchten die überhandnehmende Bettelei, ferner daß man nur des Reichtums megen aufgesucht, nicht aber um feiner felbft willen geliebt werde, und einige haben Sapeu vor den hohen Steuern.

Ein paar Kinder waren nicht mit der Fragestellung einver­fonden. Sie erflären rund heraus, daß es gar nicht verdrieß lich lei retch zu fein. Auf der anderen Seite ftellen aber auch Kinder die gleiche Behauptung für die Armut cuf und begründen diefe Angabe domit, daß Armut vor Versuchungen bemahre, daß fie auch die fleinsten Freuben schätzen lehre, daß fie die Gaben des Herzens entwidle. daß arme Menschen um ihrer felbft willen ge­liebt werden Bielleicht würden sich die meisten Kinder denen an schließen, die fagten, daß ein befeldener Wohlstand das Richtige aber danach war nicht eigentlich gefragt worden.

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Wir fönnen hier nicht alle Antworten zitieren, aber die wenigen, die wir wie ergeben, erlauben schon interessante Schlüsse auf das Seelenleben der Kinder. Mon steht deutlich, wie leicht es sich manche der Armut äußern. Es ist eber nicht dasselbe, ob Kinder die Armut Kinder der Wohlhabenden machen, wenn sie sich über die Borteile von weitem bennen oder ob sie die Armut am eigenen Körper ge pürt haben.

Natürlich find nicht alle Antworten unbeeinflußt von Lehrern oder Eltern, aber viele geben doch unverfälscht die findlichen Been wieder, und man ift verfucht zu fragen, ob nicht die Kinder, men fie ganz unbeeinflußt blieben, eine für die gesunde Entwicklung der Menschheit beffere Berteilung von Arbeits- und Ruhestunden fest­feßen würden als die, die unser großkapitalistisches Zeitalter uns aufzwingt.

Der Reichstag der Frauen.

Faft bei jeder Baht wurden bisher in einigen Bezirfen ge trennie Bahturnen für Männer und Frauen aufgestellt. In grö. Berem Umfange ist das zum erstenmal bei der Wahl am 7. De zember geschehen. Aus einer ganzen Anzahl Orte, größeren und fleineren, ländlichen und industriellen, liegen die Wahlrefultate ge. trennt nach Männern und Frauen vor. Ungefähr eine halbe Mil­ion Stimmen fann man so prüfen. Es läßt sich dabel in jedem einzelnen Ort feststellen, daß die Frauen das 3entrum und die Deutfcnationale Partei bevorzugten, daß sie sich am ab­lehnendften gegen die Kommunisten verhielten, daß eber auch were Partei ihren Wahlerfolg urigteich mehr Männerstimmen wie den Stimmen der Frauen zu verdanken hat.

allgemein gültig für das ganze Reich an, was natürlich nicht Rimmt man die Verteilung der halben Million Stimmen als ganz den Tatsachen entspricht, und stellt man danach feft, wie viel Abgeordnete von Männern und wieviel von Frauen gewählt wur. den, fo erhält man folgendes Bild:

Es wurden gewählt mit den Stimmen von:

Sozialdemokratische Partei Deutfcnationale Partei Zentrum Deutsche Boltspartel Rommunistische Bartel Demokratische Partei Nationalfozial ftiche Partei Wirtschaftspartei Sonstige Bartelen

293224*

Frauen: Zusammen:

Männer:

72

59

131

54

103

28

41

69

25

26

51

28

17

45

17

15

82

8

6

14

9

8

17

10

15

31

252

241

493

Diese Wahrechnung enthält für die unserer Partei angehörenden Frauen allerlei Lehren. Sie zeigt zugleich, daß die Mehrheit der Frauen so wenig wie die der Männer bei der Wahl am 7. Dezem ber die Kare Entscheidung herbeigeführt hat, die politisch notwendig 2. G. gewesen wäre.

Das Frauenstudium in England.

Die Londoner Universität hot an Dr. Mary Lucas Reene den Titel eines Professors der Anatomie verliehen. Frau Dr. Kecne ist bereits seit fünf Jahren die Leiterin der Abteilung für Anatomie an der medizinischen Fakultät für Frauen. Daß es hier eine eigene medizinische Fakultät für Frauen gibt, ift hauptsächlich auf moralische Bedenken zurückzuführen, die nach englischer Borstellung das ge meinfame Studium der Medizin für beide Geschlechter unerwünscht erscheinen laffen. Diese für unsere Borstellungswelt großeste Tat­fache, die eine merkwürdige Bermengung von Brüderie und Wissen. fchaft Bennzeichnet, ift erft fürzlich in einer mit großer Heftigkeit ge führten öffentlichen Debatte zum Ausdrud gekommen, in der gegen Me gemeinfame Krankenhauspragis männlicher und weiblicher Medizinstudierender( dywerwiegende fittiche Bedenken erhoben wur den. Dabei ist es der englischen Oeffentlichkeit gar nicht zum Be wußtsein gefemmen, wie lächerlich eine folche Diskussion der übrigen Kulturmelt erscheinen muß, wo das gemeinsame Medizinstudium der beiden Geschlechter eine Seifftverständlichkeit ist, weil man von der Vorausfegung ausgeht daß der Beruf des Arztes von der Frau, die ihn ergreift, eine folche Fretheit von Brüderie und Empfindlichkeit erfordert, daß eine Trennung der Geschlechter beim Studium nicht nur unnötig, fondern auch völlig unangebracht wäre, ja, jorar eine Beleidigung der weiblichen Studierenden der Medizin darellt. Es ist eine für England fehr bezeichnende Tatsache, daß es bei dieser Disfuffion der Deffentlichkeit keineswegs flar ge­worden ist daß diefe Frege in fämtlichen europäischen   Ländern längst im Sinne eines gemeinsamen Unterrichts gelöst worden ist, und daß selbst das terifale Desterreich, wo es am dunkelsten war, niemals auf die Idee einer Trennung der Medizinstudierenden nach Geschlechtern gekommen ist.

Der von der Londoner   medizinischen Fakultät ernannte weib. fiche Profeffor der Anatomie ist nach den englischen Blättern der erfte weibliche Brofeffor dieses Faches. Dog gen hat diese Fakultät fchon seit Jahren in Frau Dr. Winifred Cullis einen weiblichen Professor der Phyfiologie. E. W r.