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verantwortlt. Ste stüßt sich auf die Kreise, die allein einen Vorteil von dem Zolltarif haben können: die Großindustrie und die Großlandwirtschaft. Um diese mäch tigen Gruppen zu befriedigen, gibt sie alle anderen preis, um die Kapitalbildung und die damit verknüpfte politische Macht der Schwerindustrie zu fördern und die Renten der Groß grundbesizer zu erhöhen, stürzt sie das gesamte Bolt ins Ber derben. Sprach sie einmal von dem Schuß der Familie? Ach ja, aber sie meinte wohl die Familien der Reichen, die nicht geschützt zu werden brauchen. Was geht sie das Elend der Schwachen an? Mögen doch immer mehr Frauen in die Fabriken gehen und schuften, damit die Kinder nicht zu hungern brauchen, mögen sich doch noch mehr bei der schlecht entlohnten Heimarbeit quälen! Schutz der nationalen Arbeit? Nein, Schutz des nationalen Großkapitals; Aussaugung der legten Kräfte des arbeitenden Bolks.

um die Berteilung des Tabaks, des Schreibpaplers und der Seife in einer Großstadt zu bewältigen. Hunderttausende von kräftigen jungen Leuten werden mit Millionen von verlorenen Arbeitsstunden der Produktion entzogen, während sie stundenlang beim Krauter herumfizen, oft genug ergebnislos.

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Rathenau bevorzugt gegenüber diesem System ganz entschieden die Genossenschaft, sieht aber auch in dem Warenhaus ein richtiges Prinzip und einen tüchtigen Schritt vorwärts. Er schäßt am Warenhaus die richtig bemessenen und rasch umgesetzten Ben­trallager im Gegenjaß zu den zersplitterten, unbezahlten und überteuerten Bagern des Einzelhandels, er sieht das Vorteilhafte in der Einheitlichkeit von Raum, Aufsicht, Licht, Wärme und Ver­fehr, dazu die Bequemlichkeit des Kunden, seinen gesamten Bedarf an einer Stelle befriedigen zu können. Man denke sich nun einmal diesen straffen Betrieb rückwärts aufgeteilt in die Unzahl der auf­gezogenen Magazine, Läden und Budiken und in Straßenzügen, Ecken und Kellern verstreut, die jetzt so emfigen Berkäuferinnen wieder im Dämmerschein hinter einsamen Ladentischen lauernd!

Das ist die wahre Politik der Deutschnationalen und der ihnen willig folgenden Regierung. Der Kampf gegen sie wird von der Sozialdemokratie mit aller Kraft geführt. Sie läßt nichts unversucht, um diesen Raubbau am Bolt zu ver­hindern. Sie seht der Politik des Zollwuchers im Innern und des Zollkampfes nach außen, wie sie von den Deutsch  - forgen. Daneben empfiehlt er den Weg der Händlergenossenschaft. nationalen getrieben wird, den Gedanken der wirtschaft lichen Verständigung und die Idee des euro­päischen 3ollverbandes entgegen. Die Zollschranken zwischen den Ländern müssen verschwinden, der friedliche Wettbewerb muß einsehen, und diese Entwicklung wird gleich zeitig auch dem europäischen Frieden und dem Weltfrieden Tony Breitscheid  .

Freilich nur einen Uebergang und nicht das Ideal sieht Rathe­ nau   im Warenhaus. Wie Industrie und Großhandel vom Staate, so soll der Kleinhandel von der Kommune überwacht werden, diese foll Breistarife festlegen, die Konzeffionen für Neueröffnung eines Ladens im Nichtbedarfsfalle verweigern und für Sammelläger

tienen.

Rathenau und die Welt der Frau.

Bon Hedwig Schwarz.

Am 20. Juni dieses Jahres, dem dritten Todestage des Ge. mordeten, ehrten viele Tausende sein Andenken durch Besuch seiner Grabstätte. Das Bild des klugen Staatsmannes, des edlen Men­schen und des bedeutenden Denkers stand wieder vor ihrer Seele. Heute wollen wir versuchen, aus den Schriften Walter Rathenaus einen Ueberblick über die Gebiete und Fragen zu geben, die vor allem die Tätigkeit der Frau, der Hausfrau insbesondere, als Käuferin und Verwalterin des Konjums, betreffen. Denn seine aus tiefer Kenntnis der Wirtschaft geschöpften Gedanken und Anregun­gen für eine Neugestaltung des gesamten Konsums verdienen die besondere Beachtung der sozialistischen   Frauen, wenn auch Rathe nau nicht marristischer Sozialist war, sondern Demokrat mit starkem ethisch- sozialistischen Einschlag.

Wenn Rathenau   sich mit Wirtschaftsproblemen befaßte, so zeichnet es ihn, der selbst einer der größten deutschen   Wirtschafts­führer war, aus, daß er die Wirtschaft nie als letztes Ziel des menschlichen Strebens, nie als Selbstzwed betrachtete, sondern daß er stets betonte: die Wirtschaft ist um der Menschen millen da, sie muß so gestaltet werden, daß sich die menschliche Seele möglichst reich und ungehemmt auf ihrer Grundlage entfalten fann. Die Eingangsworte seines Buches Bon kommenden Dingen" lauten: " Dieses Buch handelt von materiellen Dingen, jedoch um des Geistes willen."

Das Ziel, höchste Entfaltung des Geistes und der Seele, schien für Rathenau   nur dann erreichbar, wenn die Wirtschaft so rationell, fo sparsam, so zweckmäßig, so planvoll wie nur irgend möglich ge­taltet würde. Er haßte den fräfteverzehrenden Konkurrenzfampf ber heutigen fapitalistischen Gesellschaft, die überflüssige Reflame, die Verschwendung von Menschenkraft durch unproduktive Arbeit, die Verschwendung von Material durch Herstellung unnüßer, wert­loser Dinge

Diese Betra htungsweise wandte er nicht allein an auf Industrie und Großhandel, sondern mit besonderer Vorliebe auch auf ein uns Frauen so naheliegendes Gebiet: den Kleinhandel. In den Rommenden Dingen" und in" Die neue Wirtschaft" kommt er mehr als einmal auf diese Wirtschaftserscheinung zu sprechen. Er fritisiert scharf, wie sich die Produkte auf dem Wege vom Hersteller zum Berbraucher um die Hälfte bis gar um das Doppelte verteuern. Und er weist nach, in wie hohem Maße gerade die legte Stelle, der Einzelhandel, an dieser Berteuerung mit schuid ist. Die Ursache liegt vor allem darin, daß es viel zu viele Kleinhändler gibt. Alle wollen sie leben, wollen verdienen, müssen ihre hohen Un­fosten für Ladenmiete, Heizung, Beleuchtung, Lagerung, eventuelles Bersonal, herausschlagen und können dies nur durch Aufschläge auf die Preise. Die Konkurrenz unter ihnen ist nur bis zu einem gewissen Grade wirksam. Rathenau   gibt ein praktisches Beispiel: In einem kleinen Städtchen ist ein kleines Kurzwarengeschäft- weil es gewissermaßen ein Monopol hat, verteuert es die Preise. Es tommt ein zweites, drittes, viertes Geschäft hinzu, sie treten in Konkurrenz miteinander, und zunächst kann die Ware billiger wer­den. Dann aber beim nächsten Laden hört es auf. Die Räuferzahl ist begrenzt. Alle Geschäfte aber wollen erhalten werden und müssen nun, da sie doch von der vorhandenen begrenzten Kundschaft leben müssen, entsprechend auf ihre Waren aufschlagen. In dieser Situa­flon sind wir heute überall in den Großstädten, wir haben sieben Detaillisten in einem Häuserviertel, wo ein einziger genügte. Die Arbeitsleistung eines Armeeforps muß aufgewendet werden, allein

Im engsten Zusammenhang mit der Zersplitterung des Handels steht die 3ersplitterung der Produktion. Mit Nach­druck und selbst scharfer Ironie bekämpft Rathenau   einen törichten Individualismus in der Wirtschaft, der darin besteht, daß jeder ein anderes Schürzenmuster, ein anderes Tintenfaß, ein anderes Hühner­augenpflaster haben muß, daß jedes Haus auf eine andere Art ge­schafft, wenn nach einem Umzug fich Tür- und Fenstergrößen der schmadlos fein muß. Jede Hausfrau weiß, welchen Kummer es neuen Wohnung als ganz andere herausstellen. Tausende von Num mern in den Katalogen unserer großen Fabriken fönnten gestrichen werden, ohne daß eine wirkliche Einbuße an Lebensgütern einträte.

Bergeudung jeder Art ist Rathenau   ein Greuel. Mit den bittersten Worten verurteilt er es, daß jährlich in Deutschland   Hun derte von Millionen für Puz, Tand und Schaustellung ausgegeben, daß zwei bis drei Milliarden für Alkohol verschleudert werden. Einer besonders scharfen Kritik unterzieht er die Mode. Was mit ungeheurem Aufwand von Material und Arbeitstraft geschaffen ist, ist in furzer Zeit wieder entwertet und wird verschleudert. Von der neuen Epoche hofft er, daß sie mit grenzenloser Berachtung auf das Männer und Weiberspielzeug unserer Zeit zurücbliden wird, und Kram, Tand, Imitation, Novitäten, Galanterie, Scherz, Spezial­und Modeartikel, alle diese mit greulichen Namen bezeichneten, un­würdigen Dinge wilden und halbzividifierten Bölkern überlassen in schonungsloser Offenheit wendet er sich auch gegen Angehörige der werden. Lurus ist ihm Raub an der Gemeinschaft, und Klasse, der er doch selbst gesellschaftlich zugehörte. Der Typ des Lurusweibes, jener Nuznießerin der gesellschaftlichen Ausbeutung, ist ihm in tiefster Seele verhaßt. Oberflächlichkeit, Begehrlichkeit und Rofetterie sind die Hauptcharakterzüge dieser Geschöpfe, deren Bedürfnissen die Tagesarbeit von Millionen geopfert wird. Und was sie zu ihrer Lebenshaltung angeblich brauchen, wird vergröbert und verbilligt als Maffenartikel auf den Markt geworfen für die jenigen, die sich das Berrbild des Lurusweibes zum Borbild genom­men haben. Von der neuen Zeit erhofft Rathenau   für die Frau Wandlung zu hoher Menschlichkeit, Berachtung fäuf lichen Glücks, albernen Schmuds und schnöden Müßiggangs, und dafür Verantwortung für inneres Glück und Ordnung des allmensch lichen Hausstandes.

Selbstverständlich verwirft Rathenau   auch mit Entschiedenheit die nur zu Zwecken der eigenen Faulheit oder der Repräsentation gehaltene Haus angestellten und Dienerschaft als wirt­fchaftsschädlich. Auf der anderen Seite ermöglicht das Cherecht der tapitalistischen Gesellschaft ein arbeitsloses, unproduktives Parafiten­leben derjenigen, die berechnend eine reiche Erbin heirateten oder als Kinder eines reichen Mannes durch den Familienegoismus der Reichen vor den Anforderungen des Lebens geschützt" werden. Seine herbste Kritik gilt immer wieder dem unfittlichen und verderblichen Erbrecht.

Als Hauptpunkte des Rathenauschen Wirtschaftsprogramms, über dem die Worte stehen: Wirtschaft ist nicht Individual, sondern Gemeinschaftssache, seien hervorgehoben: Ausschaltung aller Ber­geudung; Ilmstellung überflüffiger Produktion auf nüßliche Produk­tion; Beseitigung des Müßigganges und Heranziehung jeder verfüg­baren Kraft zu geistiger und materieller Produktion.

Glück.

Wir schreiten im Wald durch Sonnenglang, Mann und Weib.

Wir fahren das Kind, unser liebes Kind

durch des Herbstes Land. Wir trinken die Sonne und herzen das Kind. Ein Abend so golden, wie glücklich wir sind.

Otto Paulus.